Jo grinste ihn nur an und ließ die Waffe sinken. „Beschwer dich nie wieder oder du hast danach ein drittes Nasenloch in deiner Stirn.“, knurrte er und stieg aus dem Transporter, als dieser anhielt. „Okay...unser Schiff wird in einer halben Stunde hier sein. Bis dahin muss die Beute verladefertig sein.“; stieß er aus und sah Jan an, der sich aus dem Laderaum mühte. Durch die Ritzen der Finger tropfte Blut auf seine Kleidung und den Boden. Mit glasigen Augen sah er zu Jo hinauf, der ihn nur ansah. „Komm mal mit...“, forderte er und stützte Jan, während er mit ihm nach hinten ging. Die anderen Männer luden aus und schafften die gesamte Beute in das große Lagerhaus hinein. Plötzlich ein großer Platsch. Schlagartig hielt Sascha in seiner Arbeit inne und er und Elias und die Anderen blickten auf, als Jo alleine wiederkam. „Was ist? Arbeitet gefälligst weiter.“, stieß er aus und wischte seine blutverschmierte Hand ab. „Jetzt sind wir nur noch zu viert.“, murmelte Jo und betrachtete sein Gesicht in einer schmutzigen, spiegelnden Oberfläche. „Ich wird mir mit dem Geld ein neues Gesicht machen lassen. Das ist ja nicht mehr zum Aushalten. Mit dem Kolben soll man Mädchen beeindrucken?“, knurrte er und fuhr sich mit den Fingern an der Nase entlang. Ein Geräusch ließ ihn aufhorchen. „Jo, das Boot ist da.“, rief Sascha ihm zu. „Gut, verladet die Beute und dann nichts wie weg hier.“, zischte er.
Semir brauste die Strecke nach Duisburg entlang, ein Auge immer abwartend auf das Mikro gerichtet. „Semir...ich hab da was für dich.“, kam endlich die erlösende Meldung von Susanne. „Dann schieß mal los.“, forderte er. „Es ist die alte Frachterwerft abseits des Duisburger Hafen, nahe der Schnellbahnstrecke, die am Verladebahnhof vorbeiführt.“, erklärte sie. „Gut, schicke mir bitte das SEK dorthin.“, forderte Semir und hängte auf. Das Gelände kannte er. Es war weitläufig und vollkommen unübersichtlich. Doch er wollte diesen Kerl kriegen. Das war er Ben schuldig. Er konnte nur erahnen, was sein Partner in all der Zeit durchmachen musste. Neben den Schussverletzungen waren auch seine Wangen und das linke Auge geschwollen, wie Semir sehen vorhin sehen konnte. Diese Mistkerle. Ben wurde von diesen Kerlen regelrecht als Sandsack benutzt. Für Semir Grund genug, diesen Kerl eigenhändig das falsche Gesicht von den Knochen zu ziehen. Seine Wut übertrug sich in seinen Fahrstil. Das Gaspedal war schon auf dem Niveau der Fußmatte und seine Knöchel umfassten das Lenkrad dermaßen, dass sie kreideweich hervortraten. Weit war er nicht mehr von der Stelle weg. Doch vom SEK fehlte noch jede Spur. Semir parkte den Wagen hinter einigen alten, leeren Ölfässern und zückte im Aussteigen seine Waffe. Ungeduldig und abwartend sah er sich um. Wo blieb nur das SEK? Alex und seine Truppe war doch sonst so zuverlässig. Doch nach zehn Minuten des Wartens wurde es Semir zu bunt. „Dann eben solo.“, knurrte er und zwängte sich durch ein Loch im Zaun.
Vorsichtig schlich sich der Deutschtürke durch die engen Gassen der Boote und der verfallenen Werkanlagen. Immer auf der Hut nach dem kleinsten Geräusch. Die Waffe presste er sich dicht an den Körper, bereit auf jeden anzulegen, der ihm zunahe kam. „Macht mal ein bisschen schneller...in einer Stunde will ich hier weg sein.“, hörte er die Stimme von Bens Doppelgänger zischen. „So leicht wirst du hier nicht wegkommen.“, knurrte Semir leise und machte sich bereit. Vorsichtig hob er den Kopf und sah durch einen kleinen Spalt. Es waren insgesamt vier Bewaffnete. Die würde er doch schaffen. Er musste es aber geschickt anstellen. Wenn ihm das SEK im Stich ließ, dann musste sich Semir Gerkhan eben selbst helfen, dachte er nur bei sich und überprüfte seine Waffe. Vorsichtshalber steckte er ein frisches Magazin hinein und atmete noch einmal heftig ein. Bei Drei...dachte er kurz und zählte er runter. Drei...zwei...eins! „Hände hoch...Polizei...“, schrie Semir und fuhr auf. Die Kerle waren überrascht, aber nicht so überrascht, wie Semir erwartet hätte. Sofort schlugen ihm die blauen Bohnen um die Ohren. Semir gab einige Schüsse ab und verkroch sich dann wieder hinter das alte Boot. Das war es dann doch nicht...dachte er und musste sich was anderes einfallen lassen. Just in diesem Moment klingelte sein Telefon. „Das ist jetzt sehr unpassend.“, dachte er und sah auf den Display. Oh nein...jetzt nicht diese Nummer...bitte nicht jetzt.
„Andrea mein Schatz...kann ich dich zurückrufen?“, stieß Semir aus und hob vorsichtig den Kopf. Eine Kugel zischte haarscharf an seiner Schläfe vorbei. Sofort duckte er sich wieder. „Nein Semir...du hörst mir jetzt zu.“, fauchte es vom anderen Ende der Leitung. „Wenn du dich nicht in Zukunft mehr um deine Familie kümmerst, dann komme ich nicht wieder. Hast du das verstanden?“, fragte Andrea mit ernster Stimme. Semir zuckte zusammen, als eine Kugel in die Aluminiumlegierung neben seiner Schulter einschlug. „Verdammt noch mal.“, stieß der Deutschtürke aus. „Wie bitte?“ „Nein...Andrea, du warst nicht gemeint, mein Schatz.“, beteuerte Semir. „Wann...wann kommt ihr wieder zurück?“, fragte er. „Wenn du dich als Familienmensch zeigst und endlich mal die Arbeit nicht an erste Stelle stellst. Denn da sollten wir stehen.“ „Andrea...können wir später darüber reden. Es ist gerade mehr als schlecht. Mir fliegen hier dicke Dinger um die Ohren.“, forderte Semir und schoss einige Male auf seine Angreifer. „Andrea? Hallo? Hallo?“, stieß er aus, doch das Tuten im Ohr verriet ihm, seine Frau hatte aufgelegt. „Verdammt...sie muss ja auch gerade jetzt anrufen.“, knurrte Semir und schoss seine letzten Patronen des Magazins ab. Mit geübten Handgriffen ließ er das leere Magazin ausklinken und setzte ein neues ein. Die Kerle aber deckten ihn mit allem ein, was sie hatten. Semir musste sich was anderes einfallen lassen. Und vielleicht unbemerkt die Stellung wechseln. Vorsichtig presste er sich an den Boden und robbte von dem alten Boot zu einer Ansammlung alter Containern hinüber. Noch immer schossen die Kerle auf das Boot, vermuteten Semir dort. Doch jetzt konnte er sie überraschen. Wo blieb nur das SEK?
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