„Ach, ist das herrlich hier...und diese leicht salzige Seeluft.“, stieß Semir aus, als er das Hotel High Street verließ. Ben sah ihn nur grummelnd an. „Es ist neun Uhr am Morgen und wir haben Urlaub. Warum um alles in der Welt müssen wir so früh aufstehen?“, fragte er mürrisch. Emily knuffte ihn daraufhin in die Seite. „Weil, lieber Ben, wir nicht den ganzen Tag im Bett verbringen wollen. Immerhin habt ihr uns Frauen gefragt, was wir heute unternehmen wollen. Und wir wollen uns die Stadt ansehen.“, erklärte sie, zog Ben an seinem Pulloverkragen dicht an sich heran und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. „Ansehen? Die Stadt? Und das bei dem Nebel?“, stieß Ben aus. Die kleine Gruppe sah von der Bergstraße, auf dem sich das Hotel befand, hinunter auf die Stadt. Leichte Nebelschwaden zogen von der Nordsee durch die Straßen und über die Häuserdächer. „Davon lassen wir uns nicht abhalten. Ihr habt im Krankenhaus vor drei Wochen zugestimmt, dass wir uns den Urlaubsort aussuchen dürfen. Und das haben wir getan.“, meinte Andrea mit strenger Stimme. Semir sah belustigt auf die Szenerie. „Komm schon, Ben. In diese Stadt kommen wir so schnell nicht wieder. Und das bisschen Nebel ist ja wohl nichts.“, grinste er seinen Partner an und schlug ihn auf die gesunde Schulter. „Hey...pass doch auf.“, stieß Ben aus und rieb sich die eben berührte Stelle. „Na schön...dann gehen wir halt in den Nebel. Hoffentlich begegnet uns da nicht das Grauen.“, grummelte er und folgte seiner kleinen „Familie“.
Jonas Davies wischte über den Tresen und sah mürrisch auf seine Mittagsgäste, die einsam in einer Nische saßen und vor sich hin aßen. Jetzt, wo es auf die Mittagszeit zuging, war in seiner gut gehenden Bar und dem daneben befindlichen Restaurant wenig los. Er war meistens immer hier in der Bar und schenkte seinen Stammgästen das beste, schottische Bier aus. Die Spezialität in seinem Restaurant war die gut gehende Fischplatte. „Hey Jonas...gib mir noch ein Ale.“, forderte einer der Gäste. „Kommt sofort...“, erwiderte der langhaarig gelockte Barmann und zapfte ein dunkles Bier aus der Zapfsäule, stellte es auf ein Tablett und trug es gekonnt zum Tisch rüber. Er stellte das Glas hin, tauschte es gegen das leere aus und verschwand wieder hinter seinem Tresen. Bald würde wieder das abendliche Geschäft beginnen und seine fünf angestellten Kellner würden wieder die exquisitesten Gäste durch den Abend begleiten. Und er...er würde sich um die unausgesprochenen Wünsche seiner Gäste widmen. Im Hinterzimmer würde er noch mehr Geld einnehmen und die hohen, aber auch teuren Ansprüche der Gäste zufrieden stellen. Die Bestellungen für den heutigen Abend hatte er schon vor Wochen bekommen. Es gab nur drei Abende pro Monat, wo er die Exklusivität des Essens noch durch eine teure Zugabe würzte.
Derart in Gedanken versunken, bemerkte er beinahe die rote Lampe unter seinem Tresen nicht. „Ah...der Luxuslieferant.“, grinste er nur und ging nach hinten, währen die Hafenarbeiter nur weiter in ihre Biergläser starrten. Jonas ging nach hinten und öffnete die Tür. „Hey Fletcher...ist aber dieses Mal sehr viel Fisch.“, begrüßte ihn der Barmann. „Hast ja auch massig bestellt.“, erwiderte der Mann. „Fletcher, der Fisch ist eigentlich nebensächlich. Das Wichtigste ist das Eis.“, lachte Jonas Davies auf und vergrub seine Finger in dem gefrorenen Wasser, fischte einige Stücke heraus und ließ sie fallen. Als sie auf der Erde aufschlugen, kamen kleine Tüten mit weißem Pulver und glänzenden Steinen zum Vorschein. „Siehst du, das ist es, woran ich interessiert bin. Den stinkenden Fisch, den können diese hirnlosen Hafenarbeiter fressen. Ich bin an dem Eis interessiert.“, grinste Jonas und hob die Tüten auf. „Und wie willst du das alles an den Mann bringen? Du kannst ja wohl kaum damit auf den Wochenmarkt gehen, oder?“, stieß Fletcher aus. „Nein, das nun gerade nicht, aber es finden sich immer welche. Was meinst du, warum ich hier noch immer diese Bar betreibe?“, lachte Jonas, steckte Fletcher seinen Lohn zu und schloss die Tür hinter ihm wieder ab. Er nahm die Kisten und brachte jede einzelne in den Kühlraum hinein. Trüffel aus Frankreich, Fisch aus der Nordsee und dem Atlantik und Drogen aus Übersee, zusammen mit Diamanten aus Südafrika. Und alles für das gute, alte Geld. „Hey Jonas, wenn du mit dem Kisten verschieben fertig bist, nehm ich noch ein Bier und so eine Brotplatte.“, forderte einer der Gäste. Jonas verdrehte nur die Augen und blickte aus dem Fenster, als er an der Zapfsäule stand.. Na aber hallo...wen haben wir denn da?, dachte er, als er diese wunderschöne Frau vor seiner Bar stand.
„Ich bin müde.“, stieß Ben aus und setzte sich auf einen Poller. „Ach komm...wir sind doch gerade mal eine Stunde unterwegs.“, meinte Emily und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich kann einfach nicht mehr. Immer wieder die Bergstraßen rauf und wieder runter.“, knurrte er und sah sich um. „Warum mussten wir auch nach Schottland fahren? Warum gerade Edinburgh?“, stieß er aus. „Weil es eine wunderschöne Stadt ist und es mal was anderes ist, als immer nur Mallorca oder Dubai.“, stichelte Emily und zog ihren Freund wieder auf die Beine. Die Hafenluft wehte ihnen um die Nase, als sie an einer kleinen Bar vorbeigingen. „Aber da wäre es jetzt warm und gemütlich.“, quengelte Ben und ließ sich von seiner kleineren Freundin ziehen. „Du bist ein großes Baby. Wenn du uns den Urlaub verdirbst, dann werde ich dir bis zur Hochzeit den Sex entziehen.“, drohte sie mit sanfter, aber energischer Stimme. Ben schluckte und sah sie mit großen Augen an. „Das...das...“, fing er an. „Gib’s auf, Ben. Frauen haben die größere Macht über uns.“, lachte Semir und gab seiner Andrea einen leidenschaftlichen Kuss. „Da hast du recht. Immerhin müssen wir euch ja auf den richtigen Weg bringen.“, lächelte Andrea und ging mit Semir weiter die Hafenstraße entlang. Der Nebel war verschwunden und eine gehörige Brise wehte den vier Urlaubern durch das Haar. „Wo wollen wir jetzt hin? Ben hat Recht. Durch die Stadt gewandert sind wir ja lange genug.“, meinte Semir und stellte sich so, dass die anderen um ihn einen Kreis bilden mussten. Der kleine Deutschtürke zückte eine Karte und faltete sie auseinander. Die Gruppe sah sich die Sehenswürdigkeiten auf der Karte an. „Wir könnten zum Schloss rauf, wenn Bens Beine das noch schaffen.“, grinste Semir nur. Doch Bens Gesicht zeigte ihm, dass dies keine gute Idee zu sein schien. „Okay...dann was anderes.“ Emily deutete auf die Karte und lächelte. „Lasst uns zur National Gallery fahren. Ist zwar nichts für die Jungs. Keine Autos und nichts, was sie kaputt machen können, aber ein bisschen Kultur wird euch auch ganz gut tun.“, lachte Emily und strich ihrem Ben über die Wange. „Ja, mach dich nur über unsere Arbeit lustig. Bilder gucken...ist ja schlimmer als hinter einem Traktor herzufahren.“, knurrte er. „Das überstehen wir schon.“, meinte Semir und faltete die Karte wieder zusammen. „Dann lasst uns mal in den Bus steigen.“
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