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Der Hauptkommissar, von dem Markus wusste, dass es sich um Bens Partner handelte, drückte ihn immer noch mit voller Wucht gegen seinen Wagen. Die ganze Zeit zierte ein dreckiges Grinsen sein Gesicht, als dieser Gerkhan den Aufenthaltsort seines Partners wissen wollte. Gerkhans Worte kamen nur wie durch Watte an sein Ohr. Dieser Kommissar war so außer sich, dass es für ihn eine köstlich frohlockende Befriedigung war zu wissen, dass Gerkhan nur noch Bens Leiche finden würde. Um nichts in der Welt hätte er den Aufenthaltsort verraten. Auch wenn er gefasst worden war, seine Rache war vollkommen und nichts und niemand würde ihm diese nehmen. Markus trat in seine eigene fantastische Welt, in der er die Befriedigung von seinen Ermordungen verspürte. Seine Augen wurden ganz glasig und verträumt und Siedner reagierte nur noch passiv auf die Menschen um ihn herum. Er sah, wie sich Gerkhans Lippen bewegten und wie dieser ihn völlig aufgebracht anfunkelte. Doch die Worte traten nur gedämpft in sein Ohr.
„WO ist Ben?! Sagen sie Schon!“ Ihm wurde gegen die Schulter gestoßen und abrupt aus seinem eigenen Reich katapultiert. Wütend zogen sich seine Augenbrauchen zusammen und er starrte den Hauptkommissar mitten ins Gesicht. Konnte man ihn nicht einfach mal in Ruhe lassen? Seine kalten grauen Augen trafen die Braunen Gerkhans. „Wo ist Ben? Sag schon!“, zischte der Deutschtürke bedrohlich und hielt Siedner fester am Kragen. Mittlerweile verzichtete Gerkhan auf die Höflichkeitsformen, er wollte auf der Stelle wissen, was der Mann mit Ben angestellt hatte. Siedner lachte auf. „Sie können machen was sie wollen. Ich werden ihnen nicht weiterhelfen! Ben hat bekommen, was er verdient hat, genauso wie die anderen Schlampen! Für ihn ist es bald vorbei…und sie können nichts daran ändern! Er ist ein dreckiger Verräter und wird jämmerlich krepieren!“, fauchte Siedner zurück mit einem Lächeln auf den Lippen.
Als Semir das hörte, wurde er ganz weiß im Gesicht. Was hatte dieser Kerl bloß mit ihm gemacht? Er ließ den Mann los. „Los, bloß weg mit ihm“, sagte er tonlos zu den beiden Polizisten, die Siedner an den Armen festhielten. Diese nickten und führten Siedner mit einem verachtenden Blick zu einem Streifenwagen. Semir sah ihnen nach und zuckte zusammen, als die Worte ‚Für ihn ist es bald vorbei‘ durch seinen Kopf hallten. Das bedeutete doch, dass Ben noch am Leben sein musste! Die Frage war nur, für wie lange noch? Dem Hauptkommissar wurde bewusst, dass es jetzt um jede Sekunde ging, dass an jeder einzelnen Sekunde Bens Leben hängen könnte. Als er sich umdrehte, schaute er Frau Krüger direkt ins Gesicht. Sofort wurde den Beiden klar, dass sie denselben Gedankengang gehabt haben mussten. Mit schnellen gezielten Schritten ging Semir auf die Dienststellenleiterin zu. „Chefin, Ben lebt noch! Wir müssen ihn so schnell wie möglich finden!“, sagte der Hauptkommissar mit entschlossener Stimme. Frau Krüger nickte zustimmend. „Warten sie“, erwiderte sie und lief auf dem silbernen BMW zu, um nur kurz danach den Arm zur Funkstation auszustrecken. Plötzlich drehten die zwei Helikopter, die die ganze Zeit über ihren Köpfen gekreist hatten, ab und flogen in zwei unterschiedliche Richtungen. Nur einen Moment später stand Kim wieder vor ihren Hauptkommissar. „Kommt einmal alle zusammen!“, trommelte sie das ganze Team zusammen, „. Wir haben schon gesucht, aber noch nicht gründlich genug. Es geht um das Leben einer unserer Kollegen! Wir können nicht nur mit Autos weitermachen! Da Siedner aus dieser Ecke gekommen ist, können wir daraus schließen, dass Jäger im nördlichen Teil des Waldgebiets irgendwo festgehalten wird. Diesen Teil durchsucht bereits eine Hundestaffel. Trotzdem müssen wir uns alle an der Suche beteiligen, denn wie wir grade erfahren haben, befindet sich Jäger höchstwahrscheinlich in einer lebensgefährlichen Situation! Also los, die Zeit drängt! Finden wie unseren Kollegen!“ Als Frau Krüger ihre Ansage beendet hatte, nickten alle Beamten. Augenblicklich herrschte hektisches Treiben. Der Großteil des Teams stieg zurück in die Streifenwagen und fuhr auf dem Waldweg die Strecke ab, aus der der Gesuchte gekommen war, um dann am besagten Punkt auszusteigen und sich zusammen mit der Hundestaffel an der Suche des Kollegen zu beteiligten. Man musste zu Fuß weiter machen. Nur mit dem Wagen, ohne das Dickicht abzulaufen, würde in dieser Situation nichts bezwecken. Jeder Mann wurde gebraucht, denn alleine das nördliche Gebiet war fast so groß wie das Südliche. Noch dazu drängte die Zeit und man wusste nicht, wie viel Ben noch blieb. Mit einer großen Zahl an Polizisten und zwei Helikoptern wurde das Waldstück kontinuierlich abgesucht. Der Rest des Teams, das nur aus vier Polizisten, Semir und Frau Krüger bestand, fuhr, abgesehen von den beiden Autobahnpolizeimitgliedern, mit Siedner davon, um diesen fürs erste in U-Haft zu bringen. Der kleine Deutschtürke sah diesem Monster hasserfüllt nach. Na warte, wenn ich meinen Partner wegen dir nicht lebend wieder sehe, wird das hier für dich die Hölle auf Erden!, schwor Semir sich insgeheim. Aber daran wollte er eigentlich gar nicht denken. Ben lebte. Nur an das durfte er festhalten. Doch plötzlich wurde er je aus seinem Gedankengang gerissen, als ihn eine Hand an der Schulter berührte. Blitzschnell drehte Semir sich um. Natürlich war es Frau Krüger. „Gerkhan, wollen sie hier noch ewig rumstehen oder ist es nicht an der Zeit, dass wir ihren Partner finden!“, fuhr sie ihn forsch an. Frau Krüger hatte ihre Worte in dieser Weise absichtlich gewählt, denn sie wusste, dass sich ihr Kommissar durch sie schleunigst in Bewegung setzten würde. Trotzdem war der Chefin der hasserfüllte Blick, den Semir Siedner hinterher geworfen hatte, nicht entgangen. Doch jetzt gab es etwas anderes zu tun. Ihr Hauptkommissar musste gerettet werden. Und das stand momentan über allen anderen Dingen. Und Frau Krügers Worte bezweckten das, was sie beabsichtigte hatte. Semir setzte sich in seinen BMG und startete den Motor, kurz bevor Frau Krüger die Beifahrertür geschlossen hatte. Der Wagen heulte auf und Semir gab Gas und brauste den anderen Polizeiwagen hinterher. Semir stoppte neben den anderen Einsatzwagen und die Dienststellenleiterin und ihr Hauptkommissar schlossen sich der Suche an. Noch waren sie am Anfang und unglücklicherweise wusste sie nicht, dass sich das Regenauffangbecken ganz am Ende befand.
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