Noch ganz schnell
Besorgt stürmte Ben in das Krankenhaus, in das sein Vater nach dem ‚Unfall‘ eingeliefert worden war. Sofort lief er auf die Schwester an der Information zu und erkundigte sich nach seinem Vater.
„Konrad Jäger?“ wiederholte die Krankenschwester und tippte den Namen in ihren Computer ein und wartete auf das Ergebnis „Er wird gerade operiert, sie können vor dem OP-Saal 2 auf den behandelnden Arzt warten. Es kann aber noch einige Stunden dauern bis die OP vollendet ist, ihr Vater ist sehr schwer verletzt.“ gab die junge Frau Auskunft.
„Ok“ brachte Ben hervor und machte sich auf den Weg zum Treppenhaus und stieg die Treppen zur 2. Etage hinauf, ließ sich dort erschöpft auf einen der unbequemen Plastikstühle vor dem OP fallen und wartete angespannt auf einen der Ärzte.
Es war schon nach 2 Uhr in der Nacht und Ben war totmüde konnte aber nicht schlafen. Er war total aufgewühlt und lief immer wieder nervös den Ganz auf und nieder. Immer wieder kamen Krankenschwestern zu ihm und rieten ihm sich ein wenig schlafen zu legen, doch der junge Mann lehnte immer wieder ab. Um halb 3 kam dann endlich ein total erschöpft wirkender Arzt aus dem OP-Saal und ging auf Ben zu.
„Ich gehe mal davon aus, dass sie zu Herrn Jäger gehören?“ fragte der schon etwas ältere Mann.
„Ja, ich bin Ben Jäger, sein Sohn“ klärte Ben ihn auf.
„Dr. Freese, ich habe ihren Vater operiert“ stellte er sich unfreundlich vor und schüttelte Bens Hand „Wollen wir uns kurz setzten?“ schlug er noch vor und hatte sich schon auf einen Stuhl niedergelassen. Langsam setzte Bens sich neben den Arzt und sah ihn aus großen Augen an.
„Wie geht es ihm?“ versuchte er mit fester Stimme zu sagen.
„Ihr Vater hatte zwar unglaubliches Glück, dass er nicht sofort im Wagen umgekommen ist, denn es ist so gut wie unmöglich so etwas zu überleben. Er muss einen sehr guten Wagen gefahren haben, sonst hätte er keine 10 Sekunden in dem Auto überlebt. Dennoch hat er sehr starke Verletzungen. Er konnte sich noch leicht vor dem Aufprall drehen und so wurde ‚nur‘ die ganze rechte Körperseite komplett gequetscht, die Organe haben viel Schaden genommen und ein Knochen hat sich in seine Lunge gebohrt und auch die Leber, die Milz und der Magen sind nicht ohne Probleme davongekommen. Die Milz konnten wir erfolgreich entfernen, der Magen ist nach dem Eingriff auch wieder etwas besser geworden, doch die Leber macht uns große Sorgen. Sie ist sehr stark gequetscht und wir konnten nicht viel dagegen tun, da sie sehr empfindlich ist und ihr Vater leider auch nicht mehr der Jüngste ist. Je älter man wird, desto gefährlicher werden solche Eingriffe. Doch die meisten Sorgen macht uns seine Lunge. Wir können ihn nicht künstlich beatmen, da auch seine Luftrühre Schaden genommen hat und deshalb muss er selber atmen. In ein künstliches Koma können wir ihn auch nicht legen, da wir uns ziemlich sicher sind, dass er daraus nicht mehr aufwachen würde. Auch seine Knochen der rechten Körperhälfte sind fast alle zerschmettert und beeinflussen zusätzlich den ganzen Organismus, doch wir können ihn nicht noch länger operieren, dafür waren die anderen Verletzungen zu gravierend.“ erklärte der Arzt Ben, der mit offenem Mund an die weiße Wand starrte „Die einzige gute Nachricht ist, dass sein Kopf seltsamerweise nicht so viel Schaden genommen hat, er hat nur eine Gehirnerschütterung und könnte deshalb vielleicht sogar noch mal aufwachen. Wir haben ihm starke Schmerzmittel gegeben, damit er dann nicht zu viele Schmerzen ertragen muss doch wenn ich ehrlich bin glaube ich, dass es falls er aufwachen sollte das letzte Mal sein wird, dass er seine Augen öffnet. Ich glaube nicht an seine Überlebenschance“ endete der Arzt kalt und stand auf. Entsetzt starrte Ben Dr. Freese an. Er konnte nicht glauben, dass dieser Mann so kalt und unfreundlich über seinen Vater reden konnte und ihm noch die letzte Hoffnung aufs Überleben zerstörte. Außerdem konnte Ben gar nicht realisieren, dass es sich bei diesen Worten wirklich um den Zustand seines eigenen Vaters handelte.
„Kann ich zu ihm?“ fragte er wie in Trance.
„Die Schwester wird sie zu ihm führen“ meinte der Arzt noch und winkte eine Frau zu sich heran und trug es ihr auf „Ich mache jetzt Feierabend, meine Frau wird sowieso schon sauer sein, weil ich so spät bin“ klagte er dann noch und stiefelte davon. Entsetzt und ungläubig schaute Ben diesem wiederwertigem Kerl hinterher.
„Ich weiß Herr Jäger, Dr. Freese ist total unfreundlich und er hat nicht das geringste Mitgefühl mit den Angehörigen wenn er mit ihnen redet, doch er ist ein guter Arzt“ entschuldigte die Nachtschwester und führte den immer noch erstarrten Ben auf die Intensivstation und half ihm dabei sich den grünen Schutzanzug überzuziehen und desinfizierte ihm die Hände, damit er keine Keime zu dem Patienten tragen konnte, doch das alles bekam Ben gar nicht mit. Er starrte immer noch ins Leere und reagierte nicht. „Kann ich noch was für sie tun?“ fragte sie nach und berührte Ben leicht an der Schulter, woraufhin dieser aus seiner Starre gerissen wurde.
„Ähh ja, könnten sie meiner Schwester Bescheid sagen?“ stotterte Ben „Julia Jäger“
„Natürlich“ lächelte die dickliche und schon etwas ältere Schwester und ließ Ben alleine mit seinem Vater.