Kapitel 29
Seit 2 Stunden saßen Jan, Iris und Flavio nun schon auf dem weißen Ledersofa in dem geräumigen Wohnzimmer und liesen sich von der italienischen Floristin verschiedene Blumenbuketts vorführen.
Eigentlich war es Iris egal, welche Blumen oder welche Schleifen es waren, genauso wie es sie nicht interessierte wie ihr Brautstrauß aussah.
Wäre es eine wirkliche Hochzeit gewesen und hätte sie jemanden geheiratet den sie wirklich liebte, dann würde sie jetzt mit Feuereifer bei der Sache sein. Doch so war es nun einmal nicht.
Zum tausendsten Mal wandte Flavio sich an sie und fragte sie ob ihr die Blumen und die Art des Buketts gefielen. Sie tat wieder so als ob sie sich wirklich Gedanken darüber machen würde und antwortete dann „Hm sieht hübsch aus, oder?“ und wieder nickte Flavio lächelnd.
Während Flavio sich wieder an die Italienerin wandte, musterte sie ihren „Zukünftigen“ von der Seite. Iris fragte sich, was in diesem Moment in seinem Kopf vorging? Glaubte er wirklich das es so funktionierte? War er wirklich davon überzeugt sie könnten eine glückliche Familie sein? Es gab eine Zeit da war sie ihm wirklich nah gewesen und er hatte ihr die Welt zu Füßen gelegt. Damals hätte sie sich beinahe in ihn verliebt, aber das war bevor sie wusste was für ein mieser Kerl er wirklich war. Sie erinnerte sich an Flavios letzte Worte vor Gericht „Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie auch sonst keiner bekommen!“ und jetzt saß sie hier und musste mit ansehen wie ihre gemeinsame Hochzeit geplant wurde – sein Wunsch hatte sich also erfüllt.
Jan konnte die quäkende und vor Akzent triefende Stimme der Italienerin nicht mehr hören. Er fragte sich, ob sie wohl wusste das sie hier, für die Blumendeko auf einer Zwangshochzeit verantwortlich war? Jan musterte sie und hatte irgendwie das Gefühl dass ihr selbst das egal war, wenn am Ende nur die Kasse stimmte.
Jan versuchte ein Gähnen zu unterdrücken und warf Iris einen Blick zu, sie sah wirklich schlecht aus und dafür das sie noch gar nicht so lange in Flavios Gefangenschaft war, wirkte sie wesentlich dünner und zerbrechlicher. Plötzlich fiel ihm wieder ein, dass sie schwanger war und er hoffte, nein er betete das das Baby das hier alles gut überstehen würde. Dafür musste er sorgen, das war er Ben und Iris einfach schuldig.
Ihre Blicke trafen sich und er sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. Ihr wurde das alles zu viel, aber sie musste jetzt durchhalten. Schnell suchte er unter dem Tisch nach ihrer Hand und drückte sie. Als er sie umschloss, fühlte er sich endlich wieder komplett.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, packte die Italienerin endlich ihre Sachen zusammen und verabschiedete sich ihnen und Flavio strahlte sie an.
„Fantastico, jetzt haben wir auch die Blumenfrage geklärt. Bleibt nur noch das Essen, aber der Sternekoch kommt erst heute Abend!“ stellte er mit einem Blick auf seine teure Armbanduhr fest.
Iris nickte und versuchte ein Lächeln zu Stande zu bringen.
„So, ich würd sagen wir gehen jetzt erstmal essen und dann schauen wir weiter!“ lächelte Flavio weiter vor sich hin und ging ihnen voraus in das Esszimmer.
Jan hielt Iris zurück und flüsterte
„Wir werden das zusammen überstehen, ich werde dich nicht alleine lassen!“ er strich ihr sanft über die Wange. Sie lächelte und nickte, aber tief in ihren Augen erkannte er das sie ihm nicht glaubte, oder besser gesagt das sie die Hoffnung beinahe schon aufgegeben hatte.
Nach dem Mittagessen hatte der Regen wieder eingesetzt und tiefe Gewitterwolken hingen über dem Anwesen.
Flavio hatte den großen Kamin im Wohnzimmer anheizen lassen, was wohl eher an der frostigen Stimmung als an der Temperatur etwas ändern sollte. Es war kaum vorstellbar wie sehr Stille an den Nerven nagen konnte.
Flavio lies Maria Tee kochen und lies sich dann in dem großen Ohrensessel vor dem Kamin sinken. Iris und Jan setzten sich wieder aufs Sofa und Jan fragte sich wie lange er noch hier sitzen musste. Wann würde er endlich mit Iris alleine sein? Würde Flavio das überhaupt zu lassen? Andererseits, was sollten sie schon groß aushecken können? Er wusste doch das sie nicht fliehen konnten. Oder etwa doch?
„Signore, può per favore venire a breve? C'è qualcuno qui che vuole parlare!“ wurde Jan, durch Maria aus seinen Grübeleien gerissen und wurde sofort hellhörig.
„Entschuldigt mich kurz“ sagte er an Iris und Jan gerichtet und folgte dann Maria hinaus in den Flur.
„Wer könnte das sein?“ fragte Jan an Iris genwandt und wollte gerade aufstehen um das Gespräch eventuell mithören zu können, als Iris nach seiner Hand griff und ihn zurück hielt.
„Nein, bleib hier, bitte!“ bat sie ihn und als er in ihre Augen blickte und die Angst darin sah, lies er sich zurück in die Polster fallen.
Iris rutschte ganz nah an ihn heran und lehnte sich an ihn. Er legte den Arm um sie und strich ihr sanft über den Rücken. Wenn Iris nicht mehr dazu bereit war etwas zu riskieren, war eine Flucht beinahe unmöglich!
Nach ein paar Minuten kam Flavio mit einem geschäftigen Blick zurück. Einen Moment musterte er die beiden und Jan fragte sich, ob es ihn wohl störte das Iris ihm so nahe war. Auf jeden Fall lies er sich nichts anmerken uns sagte stattdessen.
„Jan, komm bitte kurz mit. Pietro möchte dir etwas zeigen!“
Jan spürte wie sich Iris neben ihn versteifte und in ihrem Gesicht lag Panik.
„Ich bin gleich zurück!“ hauchte er lächelnd und küsste sie aufs Haar bevor er aufstand und mit Flavio den Raum verlies.
Was wollte Pietro ihm zeigen? Bisher hatte er persönlich zwar nicht viel mit Flavios Halbbruder zu tun gehabt, das zweistündige Verhör einmal ausgenommen, aber er verabscheute den Typen beinahe ein wenig mehr als Flavio.