Kapitel 16
So schnell das Semir es fast nicht mitbekommen hatte, tauchte Jan plötzlich neben Ben auf und nahm ihm das Handy aus der Hand. Ben schien genauso überrascht zu sein, denn er lies sich das Mobiltelefon einfach wegnehmen.
„Ähm, was war das?“ fragte Semir und sah Ben fragend an.
Ben schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen den Kotflügel, von der Vorfreude, die er gerade noch verspürt hatte, als er sich vorstellte wie Elke, Brenner fertig machen würde, war nichts mehr zu spüren. Im Moment war ihm nur übel.
„Ben?“ bohrte Semir weiter und trat vor seinen Partner. Zuerst hackten sich die beiden beinahe die Augen aus und jetzt lies Ben, Brenner einfach mit Iris Mutter sprechen?
„Brenner wird Elke die Sache erklären, ich pack das nämlich ehrlich gesagt nicht!“ antwortete Ben und vergrub das Gesicht in seinen Händen.
Semir legte ihm die Hand auf die Schulter „Das hätte ich doch auch für dich getan, Partner!“
„Ich weiß, aber er hat mich um diesen Gefallen gebeten, er wollte mit ihr reden!“
„Er wollte mit ihr reden?“ fragte Semir skeptisch.
Ben nickte schweigend.
Die Tatsache das Brenner unbedingt mit Iris Mutter sprechen wollte, fand Semir nun wirklich sehr seltsam. Doch bevor Semir sich darüber weiter Gedanken machen konnte, kam Brenner zu ihnen zurück.
„Und? Wie hat sie es aufgenommen? Was hat sie gesagt?“ fragte Ben mit besorgter Stimme.
„Ich hab ihr die Sachlage erklärt!“ antwortete Brenner, reichte Ben sein Handy und stieg in den Wagen.
„Ja und was heißt das jetzt genau?“ hakte Semir nach und lies sich auf dem Beifahrersitz nieder.
„Ich hab ihr erklärt was passiert ist und was wir jetzt tun werden!“ antwortete Brenner und lenkte seinen Wagen in Richtung Autobahn.
„Und wie hat sie reagiert?“ meldete sich Ben vom Rücksitz.
„Sie ist jetzt nicht gerade vor Freude an die Decke gesprungen!“ gab Brenner sarkastisch zurück „Aber Elke ist eine starke Frau, sie wird das überstehen!“
„Du scheinst Elke ja sehr gut zu kennen!“ sagte Semir und beobachtete Brenners Reaktion. Er musste Ben recht geben, irgendetwas verheimlichte er ihnen immer noch und zwar etwas, dass die ganze Sache in einem anderen Licht darlegen würde. Aber er war sich sicher, dass Brenner ihnen die Wahrheit sicher nicht einfach offenbaren würde, sie mussten ihn unbemerkt ausfragen und beobachten, jede noch so kleine Reaktion könnte aufschlussreich sein.
„Sagen wir mal so, wir sind gemeinsam schon durch die ein oder andere Hölle gegangen!“ Brenner warf Semir einen ernsten Blick zu, dann setzte er den Blinker und fuhr auf die Autobahn.
Semir versuchte den Blick zu deuten, irgendetwas daraus zu lesen, aber wirklich gelingen wollte es ihm nicht.
In Gedanken ging der Hauptkommissar noch mal alle Informationen durch die sie bisher hatten. Iris, eine ehemalige Polizistin die bei einem gescheiterten Undercovereinsatz in Lebensgefahr gekommen war und sich durch eine neue Identität ein anderes Leben in Köln aufgebaut hatte. Dann Flavio Zingarelli, der verurteilte Waffen – bzw. Drogenhändler, der sich geschworen hatte sich an ihr zu rächen und sie nach seiner Haftentlassung ziemlich schnell gefunden hatte. Und gut zu letzt, Jan Brenner Hauptkommissar vom LKA, der ganz plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war und mehr als jeder andere über Iris zu wissen schien.
Es war wie bei einem Puzzle, er hatte zwar die Ränder, aber diese gaben noch lange keinen Hinweis, welches Bild sich einmal daraus ergeben würden – dazu bräuchten sie mehr Teile.
Semir sah aus dem Fenster und plötzlich kam ihm der Einfall – Teile!
Genau das war es was sie brauchten, denn wenn sie mehr über Brenner heraus finden würden, würden sie sicher auch mehr über Iris erfahren.
Der Hauptkommissar holte sein Handy aus der Tasche und begann eine Nachricht an Susanne zu schreiben.
Brenner lies das Gespräch mit Elke noch einmal Review passieren. Es war schön ihre Stimme nach so langer Zeit wieder zu hören, auch wenn er sich gewünscht hätte sie unter anderen, glücklicheren Umständen wieder zu sprechen.
„Rette sie!“ hatte sie zu ihm gesagt.
Anders als vor 9 Jahren lag diesmal kein Vorwurf in ihrer Stimme, diesmal war es mehr eine Bitte, als ein Befehl. Er konnte sich noch gut an jenen Tag erinnern, als Elke ihm die Hölle heiß gemacht hatte, als sie erfuhr das Iris undercover unterwegs war. Sie hatte ihm alles an den Kopf geworfen, von verantwortungslos bis verrückt war alles dabei. Er hatte sie beruhigt und ihr versprochen, dass er schon auf sie aufpassen würde.
„Ich hoffe es!“ hatte sie gesagt und das Thema dabei belassen.
Als er ihr dann erneut gegenüber treten musste und ihr das ganze Ausmaß der Aktion darlegte, machte sie ihm keinen Vorwurf, aber er erkannte ihn ihrem Blick wie enttäuscht er sie hatte. Er hatte sein Versprechen gebrochen und das hätte Iris beinahe das Leben gekostet. Er hatte nicht auf sie aufgepasst und war nicht da gewesen als sie ihn am meisten gebraucht hatte.
„Ich werd sie wieder nach Hause holen!“ hatte er diesmal zu Elke gesagt und das Telefonat beendet. Ein Versprechen das er mit, aller Macht halten wollte. Er würde Iris retten, selbst wenn es sein eigenes Leben kostete.