Montag, 6:30 Uhr
Tanken
„Hättest du nicht gestern Abend noch tanken können?“, fragte Sabine Wiese ihren Mann Peter, der hinter dem Steuer der schwarzen Limousine saß und ihn auf die Abbiegespur zur Autobahnraststätte „Bedburger Land“ lenkte, genervt und strich sich eine blonde Strähne ihres langen Haars aus den Augen. „Dann könnten wir es auch bis 10:00 Uhr nach Karlsruhe schaffen.“ Als auch nach einem kleinen Seitenblick keine Reaktion ihres Mannes auf diesen Vorwurf kam, wandte sie sich wieder der Zeitschrift zu, die aufgeschlagen auf ihrem Schoß lag.
Sie trug einen anthrazitfarbenen knielangen Rock und eine weiße Bluse. Von dem heutigen Termin in Karlsruhe hing die Zukunft ihrer Firma ab, einen so großen, erfolgreichen Kunden ließ man nicht warten. Aus diesem Grund hatten ihr Mann und sie sich heute in Schale geworfen. Der erste Eindruck war wichtig.
Auf der Rücksitzbank lümmelte sich Max, ihr 15-jähriger Sohn. Er sollte auf dem Weg nach Karlsruhe bei den Großeltern in Landau abgesetzt werden und dort den Tag verbringen. Max hielt seinen MP3-Player in der Hand und zappte durch die gespeicherten Songs. Ab und zu drangen die Bässe zu den vorderen Plätzen, die Kopfhörer waren nicht abgeschirmt.
Peter Wiese erreichte eine freie Tanksäule und stieg aus. Er war gutaussehend, hochgewachsen, schlank, schwarzhaarig, trug einen Designer-Geschäftsanzug in dunkelgrau mit einem fliederfarbenen Hemd und schwarze Schuhe. Er winkte einen Angestellten der Tankstelle zu sich, drückte ihm fünf Euro in die Hand. „Einmal volltanken, bitte! Diesel!“, sagte er kurz aber freundlich zu ihm und ging dann in Richtung Tankstellen-Shop, um gleich nach der Betankung die Rechnung begleichen zu können.
Im Autoradio wurde Money for nothing von den Dire Straits angekündigt. Sabine Wiese drehte den Ton leise.
( Tipp: http://www.youtube.com/watch?v=5-2ThF…D87011D0F71D4CB )