„Gerkan, Jäger, in mein Büro!“ tönte die Stimme der Chefin durch die PASt. Ben, der noch gar nicht richtig wach war und gerade dabei war einen Kaffee für Semir und sich einzuschenken, verzog das Gesicht. „Mann, was hat denn die schon für eine Laune am frühen Morgen!“ moserte er und nahm noch schnell einen Schluck aus der Tasse, woraufhin er sich prompt den Mund verbrannte und beinahe den Kaffee wieder ausgespuckt hätte. Mit beleidigter Miene machte er sich gemeinsam mit Semir auf den Weg ins Büro und dort erwartete sie neben Kim ein Mann, der ihnen beiden unbekannt war.
„Meine Herren, darf ich vorstellen-das ist der Kulturreferent der Stadt Köln, Herr Weidenhiller, der ein Hilfeersuchen an uns gerichtet hat“ erklärte Frau Krüger. Semir und Ben sahen den korrekt im Anzug gekleideten Mann fragend an und der räusperte sich und reichte den beiden dann nacheinander die Hand. Auch sie stellten sich mit Namen vor und dann begann er nach einem Seitenblick auf die Chefin zu erzählen.
„Ich weiß ja nicht, wie kulturinteressiert sie sind und inwieweit sie die Kölner Tagespresse verfolgen, aber ein großer Mäzen der Stadt hat sich bereiterklärt, den Bürgern ein wunderbares Kunstwerk zu schenken, das am Neumarkt aufgestellt werden soll!“ erklärte er den beiden Autobahnpolizisten. Semir und Ben warfen sich einen Blick zu. Natürlich hatten sie davon gehört, denn seit Wochen schlugen deswegen die Wogen hoch und es hatten sich in Köln mehrere Gruppierungen gebildet, die erbittert pro und contra dieses Kunstwerk mobil machten.
„In Anbetracht unserer modernen Welt hat unser großzügiger Spender sich für ein wundervolles, interaktives Kunstwerk aus einem Werkstoff entschieden, der ein Symbol für unsere Zeit ist, nämlich Beton!“ erklärte der Referent mit einem verklärten Lächeln. Semir und Ben warfen sich einen wissenden Blick zu. Der Typ hatte einen an der Klatsche, das war klar zu erkennen, wer konnte sich sonst in einer sowieso schon viel zu sehr zubetonierten Welt an einer Betonskulptur erfreuen? Als hätte die Chefin ihre Gedanken gelesen, sagte sie, bevor einer der beiden eine unpassende Bemerkung ablassen konnte, indem sie sie warnend ansah: „Gut, über Kunst kann man sowieso nicht streiten, aber konkret sollen die einzelnen Betonbauteile dieses Kunstwerks, das am nächsten Wochenende feierlich eingeweiht werden soll, mit Tiefladern über unsere Autobahnen von der Betonfabrik, in denen der Künstler sie gegossen hat, zum Neumarkt gebracht werden. Einige Gruppierungen, die schärfstens gegen dieses Vorhaben protestieren, haben bereits angekündigt, dass der Transport nicht ohne Zwischenfälle verlaufen wird. Daher bittet die Stadt Köln um Unterstützung und den Schutz des Kunstwerks, was ich selbstverständlich bereits zugesagt habe!“
Na klasse, das war ja sozusagen schon entschieden!
„Ach ja, damit der Straßenverkehr in der Innenstadt nur so wenig wie möglich gestört wird, findet der Transport morgen früh zwischen vier und sechs statt!“ erzählte die Chefin nun munter und Ben begann sofort zu protestieren. „Chefin, das können sie doch nicht verlangen, da drehe ich mich gerade zum zweiten Mal um, das ist ja vor Tau und Tag!“ maulte er, aber sie sah ihn mit einem stechenden Blick an. „Morgen früh um 4.00 stehen sie beide in ihrem Fahrzeug an der Betonfabrik-keine Widerrede!“ verwarf sie sofort Bens Einwand und der konnte nun nichts anderes tun, als gute Miene zum unfairen Spiel zu machen. Während sich der Kulturreferent verabschiedete und ihnen noch die genaue Adresse des Werks gab, drehte sich die Chefin triumphierend um. Na das hatte ja besser geklappt, als sie erwartet hätte! Sie schmunzelte in sich hinein und fragte dann: „Gibt’s eigentlich schon Kaffee?“ woraufhin sich die Miene der beiden Männer erhellte. „ Natürlich, Ben hat schon welchen gekocht!“ gab Semir bereitwillig Auskunft und Ben spürte plötzlich wieder seine verbrannte Zunge.
Obwohl sie deswegen früher Feierabend hatten machen dürfen, meinte Ben nicht aus dem Bett zu kommen, als um kurz vor drei sein Wecker klingelte. Mühsam schleppte er sich unter die Dusche, kippte sich ein Glas Orangensaft hinter die Kiemen und schlüpfte gerade in seine Klamotten, als Semir schon unten läutete. Der saß munter hinter dem Steuer des BMW und grinste seinen Kollegen an. „Na, ausgeschlafen?“ fragte er und Ben warf ihm erst mal einen bösen Blick zu. Wie schaffte es Semir nur immer, dermaßen fit zu sein, egal um welche Tageszeit das war? Na egal, während Ben langsam wach wurde, fasste Semir für ihn nochmals den geplanten Ablauf des Einsatzes zusammen.
„Wir eskortieren die sechs Tieflader, unterstützt von mehreren Polizeifahrzeugen der Uniformierten. Die fahren mit Blaulicht vorneweg und hinterdrein, allerdings werden die Autobahnen nicht gesperrt, sondern der Verkehr soll normal weiterlaufen. Wir sollen sozusagen zusätzlich die Augen offen halten und eingreifen, sobald uns ein Fahrzeug, oder etwas anderes, merkwürdig vorkommt!“ erklärte er. Ben nickte und bald hatten sie das 30 km außerhalb Kölns gelegene Betonwerk erreicht.