Als der blutige Verband an Ben´s Rücken entfernt wurde, verzog der wieder das Gesicht. Es fühlte sich an, als hätte ihn ein Boxer mit den Fäusten malträtiert und so sah die Wunde auch aus. Bis auf eine tiefliegende Drainage waren alle anderen herausgerutscht und die Wunde hatte zwar inzwischen aufgehört zu bluten, war aber dabei, sich in allen Schattierungen zu verfärben, weil die ganze Wundumgebung ein einziges Hämatom war. Der Oberarzt überlegte kurz, ob es Sinn machen würde, den einen oder anderen Faden oder eine Hautklammer zu entfernen, beließ es dann aber wie es war. Vielleicht würde Ben´s Körper den Bluterguss selber aufsaugen und wenn nicht, konnte man das später immer noch machen. Gut war nur, dass die Blutung aufgehört hatte. Die paar Fäden, die noch an Ben´s Haut hingen, wo die Drainagen eigentlich damit befestigt gewesen waren, entfernte der Doktor mit einem Scherchen und einer Pinzette. Man legte einen frischen, dick gepolsterten Verband an, klebte über die verbliebene Drainage einen Ablaufbeutel und dann schritt man zu Ben´s erneuter Verkabelung.
Der Stationsarzt war inzwischen mit den aktuellen Laborbefunden und den beiden Blutkonserven wieder ins Zimmer gekommen, machte gleich einmal einen Bedsidetest und hängte die erste Konserve an. Der Blutverlust war zwar erklecklich, aber noch in einem Bereich, wo keine akute Lebensgefahr bestand. Mit den beiden Konserven müsste er eigentlich ausgeglichen sein und nun konnte man mit der Routineversorgung weitermachen. Ben klapperte inzwischen mit den Zähnen, so kalt und fertig war er, aber der Oberarzt sagte mitleidig. „Herr Jäger, ein bisschen müssen wir sie noch plagen, aber ich verspreche ihnen, dass sie bald gewärmt werden und ihre Ruhe haben werden!“ Man drehte ihn wieder vorsichtig auf den Rücken, obwohl das für Ben schon sehr unangenehm war, aber man konnte einen ZVK nicht in Seitenlage legen.
Der Pfleger hatte inzwischen alles zur Anlage eines neuen Blasenkatheters vorbereitet und Sarah musste den Blick abwenden, als er das schnell und routiniert erledigte. Ben klammerte sich dabei mit beiden Händen an Sarah fest, denn auch in seinem Tiefparterre war ja alles wund und schmerzhaft. Erleichtert stieß Ben die Luft aus, als auch diese Tortur beendet war und man ihn wenigstens bis über die Taille zudeckte.
Während der Stationsarzt eine neue Arterie am Unterarm legte, zog sich der Oberarzt wieder steril an und bereitete alles zur ZVK-Anlage vor. Weil am Hals alles durch die Strangulation verschwollen und blutunterlaufen war, wählte er als Zugangsort die Vena Subclavia, direkt unter dem Schlüsselbein gelegen. Ben wollte inzwischen nur noch seine Ruhe haben, überall piekte es, als er die Arterie bekam und die Lokalanästhesie an seinem Oberkörper gestochen wurde. Er hatte die Augen geschlossen, hielt sich an Sarah fest und ließ es einfach geschehen. Er ignorierte das Herzstolpern, als der Katheter vorgeschoben und dann wieder zurückgezogen wurde, langsam wurde ihm alles zu viel, aber er konnte ja nicht aus. Endlich waren alle neuen Kabel angebracht, der Pfleger hatte seine Kollegen um ein frisches Bett gebeten und wischte vorerst nur grob das Blut weg. Später würde man Ben gründlich waschen, aber langsam musste man ihn in Ruhe lassen, sonst würde er sich nicht erholen. Vorsichtig zog man ihn mit Hilfe eines Rollbretts ins frische Bett, deckte ihn bis zum Hals zu und steckte das versprochene Warmluftgebläse unter die Zudecke. Als nun endlich Ruhe war, löschte man die grelle Deckenbeleuchtung und Ben genoss die wohltuende Wärme, die ihn langsam wieder dazu brachte, sich wie ein Mensch und kein Eiszapfen zu fühlen. Er lag wieder ruhig auf der Seite und gerade waren auch die Schmerzen erträglich. Der Oberarzt nahm nun Sarah vorsichtig an den Schultern und zog sie von ihrem Freund weg. „Herr Jäger ich entführe ihnen jetzt Sarah, die muss sich ein wenig stärken!“ hörte er noch, wie durch einen warmen Nebel und dann schlief er ein.
Als Sarah aus dem Zimmer war, brach sie zusammen. Der Oberarzt, der schon gemerkt hatte, dass sie psychisch an der Kante war, nahm sie fest in den Arm und ließ sie sich einfach ein wenig ausheulen. Die Kripobeamten sahen zwar verwundert herüber, aber der Stationsarzt stand ihnen nun Rede und Antwort. Wenig später, als Sarah sich wieder ein wenig gefangen hatte, brachte der Arzt sie ins Stationszimmer und ihre Kollegen versorgten sie mit heißem, süßen Tee und einer Decke. Sarah lehnte sich ein wenig auf die Eckbank zurück, eine bleierne Müdigkeit und das Gefühl völliger Leere hatten von ihr Besitz ergriffen und bis sie sich versah, war sie eingeschlafen. „Wir werden ihr später die Krankenhauspsychologin schicken, aber jetzt soll sie sich erst ein wenig ausruhen!“ wies der Oberarzt Sarah´s Kollegen im Flüsterton an und die nickten zustimmend.