„Schön hier nicht wahr?“ fragte Ben. „So richtig etwas für Alte und Behinderte.“ hängte er an. Semir sagte nichts und schob den Rollstuhl an eine Bank und setzte sich. Ben sah ihn an. „Denkst du wirklich, dass ich irgendwann wieder laufen kann? Das alles wie früher sein wird?“ wollte er wissen. Semir nickte. „Ja, das glaube ich. Eben hast du doch noch gesagt, dass du kämpfen willst. Dann tu es bitte! Wir werden dir helfen und du wirst wieder laufen.“ versuchte Semir erneut. Ben lächelte bitter. „Wenn ich doch nur so optimistisch sein könnte wie du. Dann würde sicher nicht so finster in die Zukunft sehen. Semir….wenn….wenn es nicht so sein wird. Ich meine, wenn ich nie wieder laufen könnte,…was soll ich dann tun? Ich kann nicht mehr Musik machen, ich kann kein Sport machen, ich bin auf fremde Hilfe angewiesen… Und Frauen….das kann ich dann auch vergessen. Wer will mich denn so wollen.“ kam traurig von Ben. Semir griff seine Hand. „Das ist absoluter Blödsinn. Auch im Rollstuhl kannst du Musik machen. Hey….überleg doch mal….Ray Charles….der Sänger…er war blind und er hatte dennoch Erfolg. Du bist doch nicht querschnittgelähmt. Du bist nur…außer Gefecht gesetzt worden. Ben, wenn du daran glaubst, dann wirst du wieder laufen. Du bist noch …“ versuchte Semir. „Jung…ich weiß…aber mein Leben geht den Bach runter und ich kann nichts dagegen tun. Gar nichts…“ Ben griff nach den Rädern und wollte wieder ins Haus, doch Semir hielt ihn fest. „Wo willst du hin?“ fragte er. Ben sah ihn an. „Ich werde mich jetzt wieder im Zimmer ins Bett legen. Vergiss mich nicht ganz, wenn du mit diesem Alex auf Tour bist okay….und grüß mir deine Kinder und Andrea. Ich werde euch sicher sehr vermissen.“ gab Ben leise von sich. „Denkst du wirklich, dass du so davon kommst? Was ist mit unserer Freundschaft? Denkst du wirklich, dass sie wegen so etwas kaputt geht? Wir sind immer für dich da. In guten wie in schlechten Tagen. Es ist noch gar nichts verloren also gib nicht auf!“ wiederholte Semir erneut. Ben sah auf die grüne Wiese die vor ihm lag. „Semir, selbst wenn ich wieder laufen könnte, woran ich große Zweifel habe, werde ich sicher nicht mehr als Polizist arbeiten können.“ erklärte er. „Das ist doch Blödsinn! Ben, damals als Tanja ins Koma fiel hat sie auch gekämpft und sie ist gesund geworden. Gut, sie sitzt jetzt wegen Mordes, aber sie hätte auch als Polizistin weiter arbeiten können. Nach sieben Jahren! Du brauchst nicht so lange.“ widersprach Semir sofort.
Ein Pfleger trat auf Ben und Semir zu. „Herr Jäger?“ fragte dieser. Ben nickte. „Wir bringen Sie jetzt ins „Römer Wall“. Kommen Sie doch bitte rein und nehmen Ihre persönlichen Sachen.“ bat er. Ben sah Semir an. „Ich werde mitkommen! Und deine Sachen hinbringen. Brauchst du noch irgendwas?“ wollte er wissen. Ben schüttelte den Kopf. „Ich brauche nichts….außer Freunde die zu mir halten und mir beistehen.“ lächelte Ben. „Wir sehen uns später. Ich rufe dich an und bitte…geh ans Handy!“ forderte Semir auf. Ben sah ihn an. „Handy? Ich …ich weiß gar nicht wo es ist. vielleicht noch bei Nadine in der Wohnung?“ kam erstaunt von ihm. „Oder in deinem Wagen. Ich werde nachsehen und es dir mitbringen.“ versprach Semir. Gemeinsam mit Ben ging er in sein Zimmer und packte die spärlichen Sachen zusammen, die Ben dort hatte. Bevor Semir jedoch in den Transportwagen für Rollstuhlfahrer geschoben wurde sah er Semir noch an. „Bringst du mir die Gitarre mit?“ wollte er wissen. Semir nickte und lächelte. „Klar doch….und ein paar Anziehsachen.“ versprach er. Ben hob die Hand zum Abschied. Nur wenig später ging die Fahrt los und Ben wurde in die Klinik nach Köln gebracht. Während der Fahrt sah er sich in diesem Transporter um. Das war also seine Zukunft. Mit so einem Wagen gefahren zu werden. Es hatte einen Vorteil, er würde kein Fahrzeug mehr zu Schrott fahren. Er lachte leise auf. Auch eine positive Entwicklung. Nun sah er aus dem Fenster. Sie waren auf der Autobahn. Sehnsüchtig sah er auf die Straße und wünschte sich selbst am Steuer zu sitzen und Gas zu geben. Semir hatte Recht…er musste an sich arbeiten. Er durfte sich nicht gehen lassen. Nicht aufgeben! Schon allein wegen seinem Vater, dem er zeigen wollte, was in ihm steckte und wegen Alex, der nicht schon wieder gewinnen sollte. Er würde kämpfen. Er würde wieder laufen lernen und er würde auch seinen Job wieder machen. Entschlossen ballte er die Faust. Er würde kämpfen. Ab sofort würde er für sich kämpfen. Für sich, für Semir und für seinen Job. Die Fahrt endete nach einer guten dreiviertel Stunde und er staunte nicht schlecht, welch eine schöne Einrichtung dieses „Römer Wall“ doch war. Von außen her machte es nicht einmal den Eindruck eines Krankenhauses. Der Wagen hielt auf dem Parkplatz und eine junge Frau öffnete die Türen. Sie war ungefähr in Bens Alter. „Guten Tag Herr Jäger. Ich bin Kristin Trautmann…Ihre Physiotherapeutin und persönliche Betreuung.. Willkommen im „Römer Wall“.“ lächelte sie ihn an.