Schlüsselerlebnis
Etwa vor 2 Wochen: Planung
Egon Paulsen und seine Frau Gertrud stellten ihren Mercedes 280 SL auf dem Parkplatz hinter „Leos Club“ ab.
Bei „Leos Club“ handelte es sich um ein Etablissement im Besitz von Leonard Kunze, einem Mann, den Vertreter der Rheinländer Oberschicht als einen ihrer wichtigsten Partner in Sachen Öffentlichkeitsarbeit ansahen, Vertreter der Mittelschicht als durchgeknallten, selbstverliebten Barbesitzer, der sich gerne mit schicken Leuten umgab, oder besser ausgedrückt, Leuten, die sich selbst als „schick“ ansahen, weil ihre Kleidung die richtigen Logos trugen, und der Durchschnittsbürger sich diese niemals würde leisten können. Der Club selbst war ein zweistöckiges Gebäude, ein Erdgeschoss ohne Fenster, dafür aber mit mehreren doppelflügeligen Türen, es trug ein Obergeschoss mit einer langen Fensterreihe zur Straße hin und zwei Fenstern zum Innenhof, nicht dass die Anzahl der Fenster für die Story irgendwie von Bedeutung wäre.
Der Türsteher, der die Eingangstür bewachte, kannte das Ehepaar Paulsen, begrüßte sie freundlich und ließ sie passieren. Sie wandten sich im Foyer nach rechts zur Garderobe, gaben ihre Mäntel und Taschen dem dort wartenden Mädchen und betraten das Clubzimmer. „Guten Abend, Leo“, begrüßten sie den bereits anwesenden Herrn, „du willst eine Benefizveranstaltung ausrichten, ist uns zu Ohren gekommen?“ – „Hallo Gertrud, Hallo Egon, ja, das ist geplant, ich habe die Einladungen bereits verschickt und auch schon diverse Zusagen bekommen.“ – „Wir wollten noch einen Preis stiften für die Versteigerung: ein Wochenende mit einem Maserati Gran Cabrio Goodwood, freie Kilometer, voller Tank, wäre das was?“
Das Ehepaar Paulsen besaß ein Autohaus, in dem sie mit Luxusautos diverser Marken handelte, aber auch mehrere Modelle zur Miete anbot. Für den Fall, jemand hatte den sehnlichen Wunsch, sich einmal im Leben mit einem Ferrari dem morbiden Charme des morgendlichen Berufsverkehrs auf dem Kölner Ring auszusetzen: Egon Paulsen kann mit Sicherheit behilflich sein.
Kleiner Exkurs:
Er spreizt sich wie ein Pfau,
sein Porsche, der ist blau,
aus maßgeschnitzten Sitzen,
lässt er die Pferdchen flitzen
und landet passgenau – im Stau
(Liederjan)
„Das klingt super, das bringt bestimmt viel Geld für das Kinderhilfswerk. Kann ich euch etwas zu trinken bringen lassen? Prosecco vielleicht für dich, Gertrud? Du trinkst doch bestimmt einen Scotch mit mir, oder Egon?“, fragte er seine Gäste und hielt bereits den Telefonhörer in seiner Hand. Nachdem er ein Nicken als Antwort erhalten hatte, wählte er eine Kurzrufnummer: „Annika, sorgst du bitte mal für Prosecco und 2 Scotch und einen kleinen Imbiss? Die Gäste bleiben noch.“ Das war das Stichwort für das junge Mädchen in der Garderobe, die zuerst die Bestellung an die Küche weiterreichte, um gleich darauf sich daran zu machen, Taschen und Jacken der Gäste zu durchsuchen und bald Ausweis, Fahrzeugpapiere und Schlüsselbund rausgefischt hatte. Sie nahm einen Schlüsselring mit einem Pappanhänger und beschriftete diesen mit den Namen, der Anschrift, dem Autotyp und Kennzeichen. Dann gab sie diesen Schlüsselring und den kompletten Schlüsselbund einem jungen Türken, der am Eingang stand. „Hier, Murat, du hast etwa 45 Minuten Zeit“. Anschließend legte sie die Papiere wieder dorthin, wo sie sie gefunden hatte.
Murat fuhr nur einige Hundert Meter zu einem kleinen Schlüsseldienstgeschäft an einer Hausecke und parkte direkt vor dem Eingang. Er betrat das Geschäft kurz nach 18:00 Uhr. Der Inhaber wollte gerade die Ladentür zuschließen und machte einen leicht nervösen Eindruck, als er den Kunden sah, der die Tür wieder aufstieß. „Nicht so eilig, guter Mann, ich habe noch was für dich zu tun!“