Hieronymus schob sich wie ein Schatten in den Raum. Berghoff war nochmal schnell losgegangen, um mit einem Korb Holz und Kohlen aus einem Schuppen außen an der Burg zu holen. Einen Moment überlegte er, ob er einfach türmen sollte und Ben und Hieronymus alleine lassen, aber ihm war klar, dass der dann sein Opfer umbringen würde und er hatte dann alleine die Beseitigung der Leiche am Hals. Außerdem musste Ben schon ein wenig mehr als eine Million Euro bringen, denn sonst hatte sich das Risiko, das er eingegangen war, überhaupt nicht gelohnt. Immerhin würde er für lange Jahre ins Gefängnis kommen, falls er gefasst würde. Aber man wollte nun nicht vom Schlimmsten ausgehen.
Während Berghoff nun mit seinem gefüllten Korb den Rückweg antrat, war Hieronymus in Ben´s Blickfeld getreten. Der schloss die Augen erst und öffnete sie dann wieder, so unwirklich kam ihm die Gestalt vor, die da plötzlich vor ihm stand. Er dachte erst, seine Nerven würden ihm einen Streich spielen, denn der Typ sah aus, wie aus der nächsten Geisterbahn entsprungen. Als er aber näher hinsah, wurde ihm bewusst, dass dieses Gefühl der Unwirklichkeit von den merkwürdigen Katzenaugen kam, aber klar, da gab es Partylinsen, mit denen man so einen Effekt vortäuschen konnte. Bald war Halloween und da tummelten sich ja immer vermehrt solche Gestalten in den Straßen Kölns. Allerdings gab es da eine ganzjährige Gothic-Szene, die sich nicht mit dem Hören spezieller Musik abgab, sondern ihr Faible lebte und zu dieser Fraktion gehörte wohl sein Gegenüber. Allerdings waren die meist harmlos und waren zufrieden, wenn sie die normalen Bürger ein wenig schocken und miteinander psychodelische Partys feiern konnten, auf denen Drogen fast immer ein Thema waren.
Hieronymus verzog nun sein Gesicht zu einem diabolischen Grinsen und nun sah Ben auch die angeschliffenen Eckzähne. Mann das war wirklich ein Freak und der konnte einem auch einen Schreck einjagen! Als er sah, dass Ben nach seinem ersten Schock seine Muskeln wieder abgespannt hatte, wurde ihm bewusst, dass sein Gegenüber im Augenblick keine Angst vor ihm hatte. Fieberhaft überlegte er, was er zu seinem Opfer wohl sagen konnte, um es wieder in Angst und Schrecken zu versetzen, wie das bei seinem ersten Anblick gewohnterweise der Fall war. Der war allerdings schon zu lange Polizist, um sich mit solchen Typen nicht auszukennen. Der Freak öffnete den Mund und mit viel zu hoher Stimme für sein Aussehen, sagte er: „Ich bin Hieronymus und du wirst mich noch kennenlernen!“ und das sollte drohend klingen. Ben allerdings konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Oh bei diesem Jüngling war der Stimmbruch auch noch lange nicht vorbei. „Angenehm, Ben Jäger!“ antwortete er und im selben Augenblick bereute er schon, dass er seine Klappe nicht gehalten hatte, denn der Freak trat mit dem Fuß nach ihm, dass ihm bald das Kiefer wegflog. Ben hörte es krachen und ihm war klar, dass da eben was gebrochen war. Das Blut schoss ihm aus Mund und Nase und nun war er sicher, dass er gerade einen großen Fehler begangen hatte.
In diesem Augenblick kam Berghoff zur Tür herein und sah, dass sich der Kunde schon das erste Mal an seinem Opfer vergriffen hatte. Ben hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und das Blut lief dazwischen heraus. Hieronymus stand angespannt, wie ein Raubtier auf dem Sprung, vor ihm, drehte sich bei dem Geräusch allerdings abrupt um und nahm Berghoff den Korb ab. Im Nebenraum war eine spezielle Feuerstelle mit Blasebalg und Belüftungslöchern. Er würde nun die Kohle zum Glühen bringen und Ben zum Schreien, das schwor er sich!
Berghoff trat nun zu Ben. Er wollte gar nicht so genau wissen, was der Junge mit ihm angestellt hatte, allerdings würde sich das Opfer im Augenblick nicht wehren, denn es war anderweitig beschäftigt. Berghoff öffnete die Kette und schob sie durch das eine Hosenbein, bevor er Ben wieder festkettete. „Zieh dich an!“ sagte er mit rauer Stimme und als Ben seine vor Schmerz zusammengekniffenen Augen ein wenig öffnete, musste sich Berghoff beinahe wegdrehen, denn gerade kam ein Funken Mitleid in ihm hoch. Ben nahm die Hände vom blutigen Gesicht, schmiss die Zudecke weg, schlüpfte eilig ins zweite Hosenbein und zog das feuchte, schmutzige Kleidungsstück hoch. Berghoff hatte einen kurzen Blick auf Ben´s Unterkörper erhascht und musste nun schlucken. Der Polizist vor ihm musste fürchterliche Schmerzen haben, aber er sagte keinen Ton, sondern drehte sich mit resigniertem Gesichtsausdruck zur Wand. Berghoff suchte in seiner Hosentasche nach einer Packung Papiertaschentücher, die er Ben wortlos hinwarf. Er würde jetzt schauen, wo die Wassersuppe war und auch den Wasserkrug und den Becher holen, aber das war auch das Einzige, was er für Ben im Moment tun konnte.