Langsam und vorsichtig tastete er sich zwei Schritte vor, als es ihm plötzlich kalt über den Rücken lief-soeben hatte Andrea laut aufgeschrien! Er betrat den Höhleneingang, nicht wissend, was ihn dort erwartete. Keine zwei Meter weiter drehte sich plötzlich ein uniformierter Polizist um und starrte ihn völlig verwundert an. Sein Kollege-ebenfalls uniformiert und ziemlich dick drehte sich einen kurzen Moment darauf auch um, legte dann den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete Semir, mit ihm um die Ecke nach draußen zu kommen. „Was geht hier vor?“ verlangte Semir im Flüsterton zu wissen. Wenige Meter vor ihm war der Stollen durch eine Metallbarriere abgeschottet, wie er im Licht einer Taschenlampe gesehen hatte, aber er hatte die Stimme seiner Frau dahinter genau erkannt. „Ich weiß nicht, wer sie sind, aber mein Name ist Josef Hintersteiner, Mitglied der Grenzpolizei Ostbayern!“ rückte sein Gegenüber raus. „Und ich bin Semir Gerkan, Angehöriger der Autobahnpolizei Köln und Umgebung-und die Frau, die da eben geschrien hat, ist meine Frau!“ teilte ihm Semir aufgeregt mit und die Zornesader an seiner Schläfe schwoll gefährlich an. „Keine Ahnung, wie sie hierhergefunden haben, aber hier ist der Zugang zu einem Höhlensystem, das sich wahrscheinlich nach Tschechien durchzieht. Ihre Frau ist mit einem korrupten Kollegen mitgegangen und jetzt hat der das Bergwerk mit einer Falltür abgeschottet. Er hat ihre Frau als Geisel und will sie dazu benutzen, sich freies Geleit für seine Flucht zu versichern. Ich verstehe zwar nicht, warum er nicht einfach mit ihr Richtung Tschechien abhaut, aber so ist der Stand der Dinge!“ teilte ihm Hintersteiner mit, während in diesem Augenblick Andrea wieder laut aufschrie. Semir gefror fast das Blut in den Adern, aber im selben Moment wurde ihm auch klar, dass er Andrea nur helfen konnte, wenn er ruhig und besonnen blieb. Klar kannte er keinen der Kollegen, aber irgendjemandem musste er jetzt vertrauen und deshalb flüsterte er: „ Das kann ich ihnen schon sagen, warum niemand nach Tschechien fliehen kann-das Bergwerk ist nämlich teilweise eingestürzt. Ich war bis vor kurzem auf der drüberen Seite-dort gibt es zwar durch die Stollen einen Weg nach draußen, vermutlich sogar mehrere, aber der Weg Richtung Deutschland ist nicht mehr passierbar!“ erzählte er dem dicken bayerischen Kollegen und der nickte verständnisvoll.
In diesem Augenblick hörte man hinter der Metallbarriere wieder eine Stimme mit norddeutschem Zungenschlag. „Was sagst du jetzt, Hintersteiner-finden wir einen Weg uns zu einigen, oder willst du Schuld am Tod einer unschuldigen Polizistenfrau haben!“ und nun trat der dicke Polizist wieder Richtung Falltüre und fragte: „Was verlangst du, Jantzer?“„Ich möchte freies Geleit für mich und meine Geisel. Wenn ihr auch nur einen falschen Schritt macht, werde ich die liebe Frau Gerkan erschießen und das könnt ihr euch dann auf eure Kappe nehmen!“ verhandelte Jantzer und der junge Polizist blickte verzweifelt zurück. „Wir müssen ihn gehen lassen!“ sagte er verstört-in solchen Situationen hatte er in der Polizeischule gelernt, kam immer ein extra geschultes Einsatzkommando, aber nun war da nur ein eine einzelne Person erschienen. „Jantzer, ich habs dir schon gesagt, ein Sondereinsatzkommando aus München ist unterwegs, du kommst hier nicht mehr weg!“ erwiderte Hintersteiner. „Bis das da ist, dauert das mindestens noch ein bis zwei Stunden. Lass mich gehen und du wirst nie wieder was von mir hören!“ sagte Jantzer, aber Hintersteiner antwortete mit fester Stimme: „Nein Jantzer, wir warten, bis die Verstärkung da ist!“ und dann schrie Andrea wieder auf.
Semir hechtete verzweifelt zu der Metalltür, aber die schloss glatt mit der Höhlenwand ab. Auch war von ihrer Richtung aus kein Mechanismus zu erkennen, wie man das Tor öffnen konnte-das funktionierte wohl nur von der drüberen Seite! „Lasst ihn gehen und zusammen überwältigen wir ihn und befreien meine Frau!“ schlug Semir im Flüsterton vor. „Vergessen sie´s, der ist gewalttätig und steht mit dem Rücken zur Wand. Der wird ihre Frau als Geisel benutzen, bis er hier um die Ecke ist, aber spätestens dann gibt er ihr einen Stoß, dass sie in den Felsen zerschellt, oder erschießt sie. Dieser Mann ist völlig skrupellos, der belastet sich nicht mit einer Geisel!“ erklärte ihm der dicke bayerische Polizist und nun hätte Semir am liebsten frustriert aufgeschrien. Dann allerdings besann er sich. Er hatte findige Kollegen in der Hinterhand, die würde er jetzt um Hilfe bitten. „Ich möchte gerne meine Kölner Kollegen um Rat fragen, allerdings ist mein Handy fast leer!“ erklärte Semir leise. „Mein Smartphone liegt, wie vorgeschrieben, im Spind in der Dienststelle “ teilte der jüngere Kollege mit. „Dann nehmen sie meines!“ sagte Hintersteiner gönnerhaft und überreichte Semir ein uraltes Nokiahandy.
Semir ging vor die Höhle, schwang sich wieder um die Ecke, damit man im Inneren des Berges keinen Ton von ihm vernehmen konnte und dann wählte er auf dem Uralthandy die Nummer der PASt. „Polizeidienststelle Autobahn Köln, König am Apparat!“ meldete sich Susanne in geschäftigem Ton. „Susanne ich bin´s, Semir, ihr müsst mir helfen!“ rief Semir fast verzweifelt in das Handy. „Semir was ist los, wie geht’s Andrea?“ sprudelte Susanne ins Telefon und nun erzählte er seinen Kollegen im fernen Köln, was er gerade erfahren hatte. Nun meldete sich Hartmut aus dem Hintergrund, der extra noch in der Dienststelle geblieben war, um zu hören, was mit seinen Kollegen war. Er war noch während des Gesprächs, das Susanne auf Lautsprecher gestellt hatte, an den PC gegangen und hatte in Windeseile etwas eingetippt. „Semir, ich habe gerade den Plan des stillgelegten Bergwerks aufgerufen. Na ja, vielleicht nicht völlig legal, aber das ist jetzt egal. Vielleicht gibt es einen Weg für dich, wie du da unbemerkt reinkommen kannst!“ rief er ins Telefon und nun lauschte Semir seinen Anweisungen.