Sarah wurde wieder zurück in ihr Zimmer gebracht und wenig später wurde Ben in den OP gefahren. Man revidierte den Bauch, legte einen neuen VAC-Verband an und der Chirurg sagte: „Wenn das weiter alles planmäßig verläuft, können wir vielleicht übermorgen den Bauch schon zumachen!“ Und so geschah es. Semir wurde am nächsten Morgen auf Normalstation verlegt und nach kurzer Überlegung schob man Sarah in Ben´s Zimmer. Die Sedierung des jungen Polizisten wurde auch schon weiter heruntergefahren, man ließ ihn an der Maschine stundenweise spontan atmen, um die Atemmuskulatur zu trainieren und Sarah durfte nun gelegentlich mit dem Rollstuhl aus dem Bett und saß dann ganz zufrieden neben Ben, hielt seine Hand, sprach mit ihm und streichelte ihn. Mit der Nachtschwester hatte sie einen Deal und so wurden zur Nacht-die Kabel waren lang genug-die Betten zusammengeschoben und so schliefen Sarah und Ben dann direkt nebeneinander und hielten Körperkontakt. Als planmäßig der VAC-Verband entfernt und der Bauch verschlossen worden war, schaltete man die Sedierung komplett aus und ließ nur noch das starke Schmerzmittel in niedriger Dosierung weiter laufen. Ben wurde immer wacher und als ihn der Schlauch in seinem Hals zu stören begann, wurde er kurzerhand extubiert. Als er ein wenig geschafft, halbsitzend mit der Sauerstoffmaske im Bett aufgerichtet wurde, war Sarah wieder neben ihm, wischte seine schweißfeuchte Stirn und beruhigte ihn, bis er sich wieder daran gewöhnt hatte, ohne Unterstützung zu atmen.
Wenig später-es war inzwischen Sonntag geworden-kam die halbe PASt zu Semir auf der Normalstation zu Besuch. Der durfte inzwischen alles machen und weil die Entzündungswerte rückläufig waren, hatte man für den nächsten Morgen die Entlassung geplant. „Mann dann sitze ich noch eine ganze Weile bei den Schwiegereltern!“ stöhnte Semir, denn so bald war ja nicht daran zu denken, dass er wieder etwas tun konnte mit seinem Arm, geschweige denn Auto fahren. Die Chefin hatte auch den BMW, der ja immer noch auf dem Krankenhausparkplatz gestanden war, abholen lassen und in die Dienststelle verbracht, wo er von Dieter für die Streifenfahrten mit eingeteilt wurde. Wenig später wurde es noch enger in dem Doppelzimmer, das Gott sei Dank nur mit einem Bett belegt war, denn Andrea und die Mädchen und einige Nachbarn erschienen auch noch. Bevor sie sich verabschiedeten, trat Dieter vor: „Semir, wir wollten dir nur anbieten, dass wir als deine Arbeitskollegen und Freunde beim Umzug in die Übergangswohnung helfen werden!“ sagte er und der Nachbar, der die Wohnung zur Verfügung stellte, sicherte ebenfalls seine Unterstützung zu. Andrea hatte in der Zwischenzeit von der Versicherung eine Abschlagszahlung erhalten, nachdem die Brandursache ja einwandfrei geklärt war und war für die Mädchen einkaufen gewesen. Für das Kinderzimmer erstand sie neue Möbel, die man später im renovierten Haus wieder verwenden konnte und die gleich in die neue Wohnung geliefert und dort aufgebaut wurden und Hartmut war mit einer Tinktur erschienen, mit der man den Brandgeruch aus den übrigen Möbeln größtenteils entfernen konnte.
Als alle Besucher verschwunden waren, machte Semir sich auf den Weg zu seinem Freund und zu Sarah. Er durfte jederzeit zu Besuch auf die Intensiv kommen und traf nun Ben in ein angeregtes Gespräch mit Sarah vertieft vor. Er war zwar noch ein wenig schwach, sein Bauch spannte, aber ansonsten war er wohlauf und hatte zu Mittag sogar schon eine Suppe bekommen, was ihn nun vollends davon überzeugte, dass er auf dem Wege der Besserung war.Mit einem Lächeln und einem Handschlag, der schon wieder recht kräftig war, begrüßte er seinen Freund: „ Na, hast du doch beschlossen, demnächst wieder mit mir auf Streife zu fahren, anstatt hier faul rumzuliegen?“ feixte er, aber Ben wies mit dem Finger auf Semir´s Arm, der auf eine Schiene gelagert und bis zur Achsel hoch eingewickelt war. „Wenn der einarmige Bandit das möchte jederzeit, aber ich werde zu Dieter sagen, dass er mir deinen BMW gibt, damit der mal von einem richtigen Fahrer bewegt wird-denn du wirst vermutlich auch längere Zeit kein Lenkrad halten können!“ sagte er und nun boxte Semir ihn angedeutet in die Seite. „Vielleicht sollten wir also zuerst zu Erholungszwecken noch unseren Wellnessurlaub fortsetzen?“ sagte er dann grinsend, aber Ben wehrte nun ab. „Beim besten Willen, aber diese Moore und Höhlen waren nur halb so erholsam, wie ich mir das vorgestellt habe!“ sagte er lächelnd und nun saßen sie noch eine Weile versonnen beieinander.
„Bei allem Übel haben wir alle miteinander noch großes Glück gehabt, dass wir das überlebt haben-auch Hintersteiner geht es ganz ordentlich, ich habe erst heute mit ihm telefoniert. Er muss zwar noch eine Weile in der Brandverletztenklinik bleiben, aber er fühlt sich schon besser und ist auch sehr froh, dass wir das doch so überstanden haben!“ erzählte Semir und Ben dachte mit Schaudern daran zurück, was alles hätte passieren können, denn natürlich war er inzwischen über alle Geschehnisse, die er verpasst hatte, aufgeklärt worden.
Semir wurde am nächsten Tag von Andrea abgeholt und bereits am folgenden Wochenende war der große Umzugstag angebrochen. Die Möbel, die man mitnehmen würde, waren von Hartmut vorbehandelt worden und sogar die Chefin hatte nach Feierabend mit Hand angelegt, mit einer Menge Wasser jedes einzelne Stück danach gründlich zu putzen. Die Kleidung hatte man begonnen so nach und nach gründlich zu waschen und die war ebenfalls wieder verwendbar und so stand Semir dann vor seinem Haus, während fleißige Ameisen mit Schubkarren Anhängern und teilweise von Hand Möbel und Hausrat in die neue Wohnung beförderten. Die Mädchen hatten ihr neues Kinderzimmer mit aussuchen dürfen und an Spielsachen war jedem Kind ein Herzenswunsch erfüllt worden, was bei Ayda ein Barbiehaus und bei Lilly ein Playmobilreiterhof war.
Als in groben Zügen die neue Wohnung, die ja nur einen Steinwurf vom alten Haus entfernt war, eingerichtet war, fuhr plötzlich ein Auto mit Freyunger Kennzeichen vor. Noch etwas mühsam, aber mit einem breiten Grinsen stiegen Josef und seine Schwester aus. Semir zögerte kurz, aber dann umarmte er ganz herzlich und vorsichtig den Retter seiner Familie und auch die Mädchen kamen erst schüchtern näher, aber bald plapperten sie aufgeregt und wollten dem dicken Bayern, der allerdings durchaus einige Kilo verloren hatte, in den letzten zwei Wochen, ihr neues Zuhause zeigen. Nach einer kleinen Stärkung mit Kaffee und Kuchen-vorbereitet von hilfsbereiten Nachbarn, machten sich Sepp und seine Schwester nun auf den Heimweg. „Wir haben in Würzburg Verwandte und damit es nicht zu anstrengend wird, bleiben wir bei denen einmal über Nacht!“ erklärte Elfriede und musterte besorgt ihren Bruder, der immer noch überall Verbände hatte. „Die weitere Behandlung kann ambulant am Passauer Klinikum gemacht werden und jetzt werde ich mich mal erholen, damit ich dann im Verfahren gegen Jantzer auch aussagen kann!“ erklärte Josef und als er gerade ins Auto auf den Beifahrersitz steigen wollte, drückte ihn auch Andrea noch ein wenig und sagte leise: „Danke-ohne dich würden wir jetzt alle nicht mehr hier stehen!“ und Sepp fuhr nun gerührt und mit Tränen der Freude in den Augen Richtung Heimat.
Eine weitere Woche später wurden Sarah und Ben entlassen. Andrea war mit Susanne zuvor in deren Wohnung gewesen, hatte das blutige Bettzeug weggeworfen, alles gelüftet und geputzt und den Kühlschrank gefüllt. „Wenn ihr irgendetwas braucht-einfach anrufen!“ bläute Andrea ihnen ein. „Keiner von euch soll sich anstrengen oder was heben!" und sowohl Sarah als auch Ben nickten folgsam. Sie würden brav sein und das neu geschenkte Leben für ihre kleine Familie nicht aufs Spiel setzen. Semir, der ebenfalls zur Abholung mitgefahren war, sagte lächelnd: „Ich glaube, wir warten jetzt erst mal eine Weile, bevor wir wieder zusammen auf Wellness fahren!“ und nun konnten ihm alle nur zustimmen.
ENDE