Semir fuhr wie ein Wahnsinniger die kurze Strecke zu seinem Haus. Als er davor anhielt, sah er sich nach einem anderen Fahrzeug um, aber es war nichts zu entdecken. Er griff wieder zu seiner Waffe und sprang heraus. Die Haustür war geschlossen und so lief Semir erst einmal rund ums Gebäude. Als er sich der Terrasse näherte, sah er schon, dass die Tür aufstand und Glasscherben am Boden glitzerten. Verdammt noch mal, er war zu spät! Voller Bangen lief er wieder zur Haustür-was war mit Sarah und Ben? War der Verbrecher vielleicht noch im Haus und sollte er vielleicht lieber Verstärkung rufen? Dann aber steckte er kurz entschlossen den Schlüssel ins Schloss, denn er hatte gerade etwas gehört. Ein Weinen drang an seine Ohren, das eindeutig von Sarah kam. „Ben wach auf!“ hörte er sie rufen, als er in Windeseile seinen Hausflur betrat. Er hatte die Waffe gezückt und sicherte erst den Eingangsbereich, bevor er ganz eintrat, aber dann machte er einfach das Licht an und schaute von oben schreckensbleich auf das Szenario am Fuße der Kellertreppe.
Sarah hatte sich da auf die Knie erhoben und tätschelte Ben´s Gesicht. Ihr einer Schlafanzugärmel war blutig und sie hielt die Hand ganz unnatürlich-die war sicher gebrochen. Ben lag auf dem Rücken und war sehr bleich, aber er konnte nicht erkennen, ob der noch lebte. Semir steckte seine Waffe weg und eilte die Treppe hinunter, während er schon sein Handy zückte. „Wir brauchen hier Notarzt und Rettungsdienst!“ orderte er über die Notrufnummer und gab seinen Standort durch. „Zwei Verletzte, eine davon hoch schwanger!“ meldete er und der Mann in der Leitststelle der Feuerwehr versprach sofort alles in die Wege zu leiten. Nun war er unten angelangt: „Sarah, was ist mit dir?“ fragte er besorgt, denn sie zitterte am ganzen Leib. Gerade versuchte sie an Ben´s Halsschlagader den Puls zu fühlen, aber vor lauter Zittern konnte sie überhaupt nichts tasten. Nun fühlte Semir nach dem Puls, der zwar schnell, aber deutlich tastbar und regelmäßig schlug. „Sarah, er lebt!“ versuchte er sie zu beruhigen und dann sprang er auf, um schnell eine Decke aus dem Kellerraum für sie zu holen-sie war völlig im Schock. Sarah hatte nun vor Erleichterung einen lauten Seufzer ausgestoßen. Jegliche Professionalität hatte sie im Augenblick verlassen, sie war nur beinahe verrückt vor Sorge um den geliebten Mann.Semir kam zurück und legte ihr die Decke um die Schultern, dann tastete er Ben kurz von oben bis unten ab, drehte ihn auch um, aber er konnte keinerlei Verletzung erkennen. Nur in der Wand hinter Ben fehlte ein Stück Putz, das sah aus, als würde da eine Kugel stecken. Nun rollte er ihn zurück und begann das Gesicht seines Freundes erst zu tätscheln, ihm dann ein paar kräftigere Backpfeifen zu verpassen und plötzlich schlug der die Augen auf. „Ben-Gott sei Dank!“ schrie Sarah regelrecht und bekam dann einen Heulkrampf. Während Ben sich verwundert umsah und sich anscheinend erst einmal orientieren musste, brach Sarah regelrecht über ihm zusammen, legte ihren Kopf auf seine Brust und weinte vor Schock, aber auch Erleichterung, wie sie in ihrem Leben noch nicht geweint hatte. Ben legte beide Arme um sie und zog sie an sich und so fand sie der Notarzt, der nur Minuten später eintraf.
Redka war inzwischen am Hafen angelangt. Er stellte sein Auto direkt vor der Garage ab, sperrte sie auf und lud die beiden Koffer mit dem Rauschgift in seinen Wagen um. Dann wechselte er noch die Kleidung und zog wieder seinen feinen Maßanzug mit Hemd und Krawatte an. Den zerfetzten Rollkragenpullover und die schmutzige schwarze Jeans ließ er neben dem Porsche zurück und dann machte er sich über die nächtlichen Straßen auf an den Bodensee. Dort war er fürs Erste sicher-wer würde schon auf die Idee kommen, dort nach ihm zu suchen?