Semir blickte auf Andrés breiten Rücken, der angespannt war, während er den felsigen Weg durch das kanarische Ödland sprintete. Es kam ihm vor, als würden seine Lungen zerbersten, so heftig und schnell atmete er, als der Polizist seinen Freund verfolgte. "Verdammt nochmal, bleib endlich stehen, André!", schrie er laut, die Hand fest um seine silberne Waffe geklammert, den Schweiß auf der hohen Stirn stehend. André hörte nicht, blickte sich nicht einmal um, sondern lief auf den unbefestigten Pfad weiter hinauf, an Kakteen und Trockensträuchern vobrei. Der Polizist hinter ihm biss die Zähne zusammen, nahm all seine Kraft auf und lief schneller, holte aber einfach nicht auf seinen ehemaligen Partner auf, der sportlich immer noch eine Ecke besser drauf war als Semir selbst. Erst als er sah, dass sich zwei Gestalten André in den Weg stellten, und dessen Lauf langsamer wurde, kam Semir näher, laut pumpend. Er blickte auf und sah, wie die beiden Männer ihre Waffen auf André gerichtet hielten, und Semir ebenfalls seine Waffe in Richtung seines Partners erhob. In den Gestalten erkannte er Ben und Kevin, und atmete hörbar auf.
André stand auf dem Schotterweg und atmete ebenfalls schwer. Er blickte in die Öffnungen zweier Pistolen, gehalten von Semirs Partner Ben und Andrés ehemaligen Schützling Kevin. "Werf die Waffe weg, André.", rief Semir laut und er fühlte wie seine Hand zitterte... vor Anstrengung des Laufens, vor Aufregung dass es so weit gekommen war, dass er seine Waffe auf seinen ehemaligen Freund richten musste. "Bitte...", setzte er beinahe flehentlich dahinter, denn er wusste, dass er nicht abdrücken können würde. Er blickte auf seine beiden Freunde, die André gegenüber standen, während Ben ein wenig schneller atmete und seinen typisch ernsten Blick auf dem Gesicht hatte, die Haare vom Wind ein wenig zerzaust, schaute Kevin beinahe unbeeindruckt, unbeteiligt, mit wachen blauen Augen und ausdrucksloser Miene seinen ehemaligen Mentor an. André hielt die Arme gesenkt, in der rechten Hand hielt er den silbernen Trommelrevolver aus Mallorca, den er von Andrea bekommen hatte, und mit dem Kevin Ben das Leben rettete.
Schritt für Schritt kam Semir langsam näher an André heran, doch dann stockte ihm der Atem... als André plötzlich den Arm mit der Waffe erhob, und zwei schnelle Schüsse in Richtung Kevin und Ben abfeuerte, die so schnell nicht reagieren konnten. Semir hatte das Gefühl, als würde man ihm den Boden unter den Füßen wegziehen, als er sah, wie seine beiden Freunde langsam zusammensackten und ihm staubigen Geröll auf dem Rücken liegen blieben. "Oh Gott... oh Gott...", stammelte der erfahrene Polizist, unfähig sich zu bewegen als er realisierte dass André gerade seinen besten Freund Ben und Kevin erschossen hatte.
Wie in Zeitlupe drehte André sich zu Semir um, die Waffe immer noch ausgestreckt und auf den Polizisten gerichtet, die Gesichtszüge um seinen unrasierten Mund geradezu eingefroren, mit kalten, harten Augen. Die beiden ehemaligen Freunde standen vielleicht 3 Meter voneinander entfernt und der kleine Kommissar war schockiert über den eiskalten Gesichtsausdruck im Gesicht seines ehemaligen Partners. Wie in Zeitlupe schüttelte er den Kopf. "Das bist nicht du, André!", rief er entsetzt, noch entsetzter als er sah dass Ben und Kevin sich nicht mehr rührten. Obwohl er es eigentlich nicht wollte, hob sich sein Arm mit der Waffe in der Hand nach oben, gerichtet auf seinen Freund, der ebenfalls mit der Mündung mittlerweile auf Semir zeigte. Beide standen sich gegenüber, gegenseitiges Bedrohen, und doch könnten die Gesichtsausdrücke nicht unterschiedlicher sein. Dort wo bei Semir Verzweiflung und Entsetzen standen, herrschte bei André Eiseskälte. "Pass auf dich auf, Semir.", sagte André die gleichen Worte, die er seinem ehemaligen Partner beim Abschied aus der PAST gesagt hatten... doch in diesem Moment klangen sie wie Spott und Hohn, und Semir spürte wie ihm schlecht und schwindelig wurde. André hatte seine Freunde erschossen, und wollte nun das Unfassbare tun, denn er hatte seine Waffe gegen ihn erhoben... ohne dass Semir es wollte, löste sich sein Schuss aus der Pistole...