Das Polizeifahrzeug wurde noch ein Stück von dem LKW weitergeschoben, bis es zum Stehen kam. Bruckner und Dermold, die beide an der Beifahrerseite gesessen hatten, waren zwar einen kurzen Augenblick benommen, stellten dann aber relativ schnell fest, dass ihnen eigentlich außer ein paar Prellungen so gut wie nichts passiert war, während Bonrath und Jenni bewusstlos und leicht eingeklemmt in ihren Sitzen hingen. „Schnell-die Schlüssel für die Handschellen!“ rief Dermold und versuchte die aus Bonrath´s Tasche zu angeln. Als Erster war aber Bruckner erfolgreich, schnappte sich aus Jenni´s Hosentasche die Schlüssel und befreite sich und seinen Kumpanen. Dermold griff noch nach Dieter´s Waffe und während Jenni und ihr Kollege gerade stöhnend wieder zu sich kamen und die ersten Ersthelfer sich näherten, rissen sie die beiden rechten Türen auf, bedrohten die herannahenden Menschen mit der Pistole und verschwanden um die nächste Ecke. Wenig später fuhren mit lautem Martinshorn zwei Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr und ein weiterer Streifenwagen herbei und begannen die Verletzten zu bergen und zu versorgen. Als Jenni aus dem Fahrzeug geholt war und auf ihrer Trage lag, sah sie erst zu Dieter hinüber, der sich stöhnend den Kopf hielt, aber anscheinend auch nicht allzu schwer verletzt war, wie sie auch und dann schaute sie ins nun leere Fahrzeug und sah dort die Handschellen von den Halterungen baumeln. „Verdammt-unsere Gefangenen sind geflohen!“ rief sie und setzte die Kollegen darauf an, die sich sofort auf die Suche machten. Aber die kamen nach kurzer Zeit unverrichteter Dinge wieder zurück-die beiden Männer waren wie vom Erdboden verschluckt.
Ben hatte derweil im Krankenhaus die Augen geschlossen und ließ das starke Schmerzmittel in seine Adern tropfen und seine wohltuende Wirkung entfalten. Als etwa die Hälfte der Kurzinfusion in ihn hineingelaufen war, merkte er, dass er schon wieder zur Toilette musste. Hektisch läutete er und die sehr gehetzt wirkende Nachtschwester meldete sich erst durch den Patientenruf und brachte ihm dann eine Bettschüssel. Sie setzte ihn mit viel Mühe drauf und verließ das Zimmer wieder, aber als sie wieder draußen war hätte Ben schreien mögen vor Schmerz, denn der Druck dieser mobilen Toilette in seinem wunden Rücken war trotz Schmerzmittel absolut unerträglich. Er begann vor Verzweiflung zu wimmern und versuchte sich anders hinzusetzen, damit es nicht gar so weh täte, aber es war ein absolut nutzloses Unterfangen-er hielt es nicht aus! Trotzdem entleerte er sich und als er verzweifelt wieder auf die Glocke drückte, dauerte es unendlich lange und er war beinahe in Tränen aufgelöst, als die Nachtschwester wieder kam um ihn zu befreien. „So schlimm?“ fragte sie besorgt, als sie die Tränenspuren in seinem Gesicht sah und er nickte stumm und wäre vor Schmerz und Scham beinahe wieder im Boden versunken. Die Nachtschwester befreite und säuberte ihn und verständigte nochmals den Chirurgen, der aber gerade zu einem anderen Patienten gerufen worden war. „Ich kümmere mich darum!“ versprach er und nun rüstete sich die Schwester zum Endspurt-in wenigen Minuten würden ihre Kollegen erscheinen und sie hatte wieder eine Nacht geschafft.
Ben blieb derweil völlig fertig in seinem Zimmer zurück-das konnte doch nicht sein, dass Hundebisse dermaßen weh taten? Er war ja schon oft verletzt worden und war eigentlich nicht so empfindlich, aber das hier sprengte jeden Rahmen und so versuchte er sich auf der Seite ein wenig zusammenzurollen und darauf zu hoffen, dass die Schmerzen erträglich wurden. Die Nachtschwester machte derweil systematisch von Zimmer zu Zimmer vorgehend ihren Kollegen im Stationszimmer Übergabe und den Bereich in dem Ben lag, übernahm ein junger Pfleger. Nach der Übergabe schwärmte die Tagschicht aus und Andreas, wie der junge Pfleger hieß, sah als Erstes zu seinem neuen Patienten. Er stellte sich vor, sah aber, dass sein Patient, obwohl die 7,5 mg Piritramid inzwischen eingelaufen waren, vor Schmerzen zitternd im Bett lag und rief seinerseits nochmals den Chirurgen an. Immerhin war das noch dazu der Mann einer Kollegin-da sollten die Weißkittel mal zusehen, dass sie in die Gänge kamen! Gewaschen war Ben ja schließlich von der Nachtschwester schon, aber der Verbandwechsel stand an und weil der großflächige Verband an vielen Stellen durchschlug und im unteren Bereich zudem mit Stuhlgang verschmutzt war, was dringend gespült werden musste, holte der junge Pfleger schon mal den Verbandswagen und als kurz darauf der Arzt ins Zimmer kam, lagerte er Ben auf den Bauch und begann den Verband zu lösen. Entsetzt starrten die beiden Medizinprofis danach auf Ben´s Rücken und der Arzt ordnete als Erstes ein weiteres Schmerzmittel an, als er den Zustand der Wunden sah. „Das wird ne größere Sache-das ist nichts für einen Verbandwechsel im Zimmer!“ befand er dann und so legte man nur eine sterile Abdeckung über Ben´s Rücken und brachte ihn in den Funktionsbereich in einen besser ausgestatteten Eingriffsraum.
Als Sarah eine halbe Stunde später mit Tim auf dem Arm, der wieder vergnügt und ausgeschlafen war, im Zimmer eintraf war dort niemand mehr zu finden und voller Panik lief Sarah auf den Flur, um zu fragen wo Ben steckte. „Dem gings heute Nacht nicht so gut-der ist gerade zum Verbandwechsel im Funktionsbereich!“ bekam sie gesagt und nun rief sie doch Andrea an, obwohl es noch ziemlich früh war. „Kannst du Tim vielleicht heute doch nochmal nehmen?“ fragte Sarah und hörte zu ihrer Erleichterung schon Ayda und Lilly im Hintergrund lärmen. „Na klar mache ich das-ich bringe nachher mit dem Auto noch die Kinder in Schule und Kindergarten und danach stehe ich bereit!“ gab Andrea Bescheid und nun wurde ausgemacht, dass sie Tim im Krankenhaus abholen würde. Sarah machte sich derweil auf die Suche nach ihrem Mann, aber sie wollte Tim erstens nicht der Keimbelastung und zweitens nicht der psychischen Belastung aussetzen, wenn es dem Papa nicht so gut ging und als sie im Funktionsbereich angekommen war, hörte sie ihn durch die nur halb geschlossene Schiebetür gerade vor Schmerz aufschreien und sank nun mit zitternden Knien, ihren Sohn fest an sich gedrückt, der sich mit großen Augen umsah, auf einen Stuhl im Wartebereich. Wenn sie nur irgendetwas machen könnte! Aber bevor ihr Kind nicht versorgt war, konnte sie sich nicht um Ben kümmern und so hieß es warten bis der abgeholt wurde.