„Wie bei ihrem Kollegen auch, haben sie eine beginnende Rhabdomyolyse-sie müssen anscheinend mit den selben Giftstoffen in Berührung gekommen sein, wie ihr Zimmerkollege hier!“ erklärte er und Semir und Ben sahen ihn nun mit schreckgeweiteten Augen an und Semir fiel es dann wie Schuppen von den Augen: Klar-der Hundebesitzer in Polen war ganz verwundert gewesen, dass sein Hund so aggressiv gewesen war-sicher hatte Bruckner dem auch von dem Teufelszeug gegeben! „Und was kann man jetzt machen?“ griff er sozusagen Ben, der gerade dieselbe Frage stellen wollte vor. „Wir werden sie genauso behandeln wie Herrn Jäger, also mit einer sofortigen Dialyse. Allerdings sind die Werte erst im Ansteigen begriffen, vermutlich auch, weil sie lange nicht so viel Hundespeichel abgekriegt haben wie ihr Kollege. Außerdem hätten wir den schon viel eher dialysiert, wenn wir von diesen Riesenmolekülen gewusst hätten, aber man lernt ja aus seinen Fehlern!“ erklärte der Arzt. „Sie müssen jetzt auch nicht auf die Intensivstation, sondern wir bringen sie in die Nephrologie, dort kriegen sie für ein paar Tage einen Dialysekatheter, ihr Blut wird einige Stunden gewaschen und dann können sie wieder hierher ins Zimmer zurück!“ teilte der Arzt den Behandlungsplan mit und Semir nickte.
Nun fiel ihm allerdings siedend heiß etwas ein und er war ganz aufgeregt: „Ein Kollege von mir wurde ebenfalls von dem Hund gebissen und zwar viel heftiger als ich. Der liegt in Polen im Krankenhaus-man müsste vermutlich den behandelnden Ärzten dort Bescheid sagen, denn die wissen ja überhaupt nichts von den Zusammenhängen!“ sagte er und der Stationsarzt nickte. „Wenn sie mir die Telefonnummer des dortigen Krankenhauses besorgen, dann hole ich jetzt einen polnischen Kollegen dazu, der kann das in seiner Muttersprache viel besser erklären!“ überlegte er und Ben beeilte sich seinem Freund zu versichern: „Semir, ich erledige das-kümmere du dich jetzt um dich selber!“ riet er ihm und griff dann schon zu seinem Telefon, um in der Telefonzentrale der PASt anzurufen. Zwei Schwestern schoben nun auch schon Semir´s Bett in die Dialyseabteilung und nachdem er dort in Lokalanästhesie völlig problemlos einen Shaldonkatheter erhalten hatte, betrachtete er wenig später mit gemischten Gefühlen, wie sein Blut durch das Schlauchsystem gepumpt wurde. Allerdings war sein Kreislauf völlig stabil, das Fieber war durch die Kühlung auch binnen Kurzem weg und als er fünf Stunden später wieder zu Ben ins Zimmer zurückgefahren wurde, war sogar der Ausschlag schon abgeblasst.
Der hatte die Telefonnummer des polnischen Krankenhauses weitergeleitet und die Ärzte dort hatten voller Erleichterung gehört, wie sie ihrem Patienten, dem es massiv schlecht ging und mit dessen baldigen Ableben sie gerechnet hatten, helfen konnten. Auch er, der fast ohne Bewusstsein auf der Intensivstation lag und dessen verzweifelte Ehefrau an seinem Bett saß und seine Hand hielt, bekam sofort einen Dialysekatheter und über Nacht stabilisierte sich sein Zustand deutlich.
So sah die Lage an allen Fronten schon wieder erfreulicher aus und Sarah hatte nach einem kurzen Besuch mit Tim beim Papa bereits die erste Nacht mit Lucky in ihrer Wohnung hinter sich. Der war brav in seine Transportbox eingestiegen, hatte die neue Umgebung neugierig erkundet und sich dann mit zufriedenem Seufzen in seinem Hundebett zusammen gerollt. Hier roch es überall nach seinem Herrchen-das würde sicher auch bald kommen, er war angekommen! Er hatte mit Appetit sein Fresschen eingenommen, sein neues Spielzeug sortiert und als Sarah ein wenig aufgeregt den ersten Spaziergang mit Tim in der Kinderkarre und Lucky stolz daneben hinter sich gebracht hatte, hatte sie erleichtert aufgeatmet. Er war ohne zu Ziehen neben dem Buggy mit federnden Schritten an der durchhängenden Leine gelaufen, hatte voller Begeisterung an jedem Grashalm geschnüffelt, seine Geschäfte erledigt, wobei Sarah auch brav das Tütchen benutzte und den Beutel in den überall aufgestellten Hundeklos entsorgt hatte, hatte sich mit mehreren anderen Hunden angefreundet und Tim hatte das Ganze mit aufgeregten Lauten kommentiert und den höchsten Spaß daran gehabt. Sie hatte ihn auch bedenkenlos von der Leine gelassen, auch wenn in allen Hunderatgebern stand, dass man das die ersten Wochen auf gar keinen Fall tun sollte und nur mit einer Schleppleine dem Tier Auslauf gewähren sollte, aber ihr Gefühl trog sie nicht-dieser Hund wollte so dringend eine eigene Familie-seine Familie, dass er einen Teufel tun würde und weglaufen. Außerdem hatte Ben sie gewarnt und ihr erzählt, dass Lucky sowieso aus jedem Halsband schlüpfen konnte und auch Türen öffnete und so hatte sie mal vorsichtshalber die Klinke zu Tim´s Zimmer hoch gestellt und die Haustür abgeschlossen. Aber nach einem liebevollen Telefonat mit Ben, der erleichtert zuhörte wie unkompliziert Lucky war und ihr dann im Gegenzug von Semir erzählte, hatten Sarah, Tim und Lucky wunderbar geschlafen und als Sarah am Morgen bei herrlichstem Frühsommerwetter die Morgenrunde im Park drehte, war sie froh und glücklich, dass das Alles so gut geklappt hatte-jetzt mussten nur noch Semir und Ben gesund werden, dann war ihr Leben perfekt!