Gärtner und Haushaltshilfe?
Ben versuchte, Konrads Nachbarn zu beschwichtigen. »Herr Werner, es tut mir wirklich sehr leid. Der Wagen ist nicht ganz in Ordnung, ich habe versucht zu lenken, aber er reagierte nicht.« – »Und bremsen ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen?« Ben sah betreten nach unten. »Wir können über alles reden, wir kriegen das schon geregelt.« – »Das werden wir auch müssen«, entrüstete sich Michael Werner, »der ganze Zaun ist hin, vom Vorgarten ganz zu schweigen!«
In der Zwischenzeit war Konrad hinzu getreten. »Ben!«, rief er schon von weitem, »was hast du gemacht? Michael, ich muss bei Ihnen um Entschuldigung für meinen Sohn bitten. Ben, hast du wieder getrunken?«Als auf der anderen Straßenseite bereits zwei neugierige Nachbarinnen tuschelnd stehen blieben, fragte Bens Vater seinen Nachbarn leise mit einem verschwörerischen Seitenblick auf seinen Sohn: »Können wir uns vielleicht drinnen weiter unterhalten? Ich bin mir sicher, wir werden uns einigen.« Michael Werner stimmte zu. Der mitten in seinem Vorgarten gelandete Wagen reichte schon aus, den Vorfall in der Nachbarschaft des Villenviertels bekannt zu machen, da musste die Auseinandersetzung nicht auch noch unter Zeugen stattfinden. »Ja, kommt rein.«
Ben und Konrad betraten hinter ihrem Nachbarn dessen Stadtvilla. »Sonja!«, rief dieser sogleich, »machst du uns Kaffee?«»Sonja?«, fragte Konrad neugierig. »Ja, Sonja ist meine neue Haushaltshilfe, sie ist erst seit vergangener Woche hier.« – »Ich habe ja gar nicht gewusst, dass du jemanden gesucht hattest«, wunderte sich Konrad. »Habe ich auch nicht. Ich hatte einen Gärtner gesucht, und er wollte gerne seine Schwester ebenfalls in Stellung wissen.« – »Und da hast du einfach beide eingestellt?«, fragte nun Ben, »das sind doch gleich doppelte Kosten. Oder gab es Mengen-Rabatt?« Er lachte bei der Frage, obwohl es ihn innerlich anekelte, in Beziehung auf Menschen überhaupt auf solche Gedanken zu kommen. »Natürlich nicht, Herr Jäger«, lautete die Antwort des Geschäftsmannes, »es handelt sich um eine Leiharbeitsfirma aus Mayen, sie ist mir empfohlen worden, macht keine große Werbung. Ich zahle an diese Firma für Sonja und Kolja, so heißt ihr Bruder, zusammen 2800 Euro im Monat. Entlohnung, Steuern, Versicherungen, Sozialabgaben, all das ist Sache der Firma. Ich musste mich nur verpflichten, den beiden für zwei Jahre Unterkunft zu geben und sie zu verpflegen.« – »Und wo kommen die beiden her?« – »Aus Usbekistan. Die Firma hat ihnen die Kosten vorgestreckt, daher stehen sie bei ihr noch für mehrere Jahre in der Kreide und sollen den Kredit abarbeiten.« – »Und das ist alles legal?«, zweifelte Ben. »Zumindest machten die Vertreter auf mich einen sehr seriösen Eindruck. Aber wir sind hier, um über meinen Gartenzaun zu sprechen.« - »Ja, Michael, ich schlage vor«, begann Konrad, »dass du einfach den Zaun reparieren lässt und mir die Rechnung rüber bringst. Oder-«, unterbrach er sich selbst, »noch besser wäre, Ben würde beim Aufstellen des Zauns helfen, dann sieht er gleich, was er angerichtet hat. Vielleicht macht er das gemeinsam mit deinem neuen Gärtner?«
Sonja kam und brachte den Kaffee. »Bitte, Herr Werner. Der Kaffee. Brauchen Sie mich dann noch hier? Ich kümmere mich sonst jetzt um die Wäsche.« – »Nein Sonja, Sie können gehen.« Ben lächelte die hochgewachsene Frau an. Sie mochte etwa Mitte Zwanzig sein, hatte lange braune Haare und ausdrucksvolle dunkle Augen. Und sie sprach zu seiner Überraschung ein exzellentes Deutsch. »Woher kommen Sie, Sonja?«, wollte er von der jungen Frau wissen. »Aus Usbekistan«, antwortete Sonja, nachdem ihr Michael Werner mit einem Kopfnicken das Antworten erlaubt hatte. »Haben Sie dort so gut Deutsch gelernt? Sie sprechen nahezu akzentfrei!« Sonja errötete leicht. »Danke, das hat uns unsere Großmutter beigebracht, sie ist in Deutschland geboren. Wir haben fast nur deutsch zuhause gesprochen.« – »Und jetzt sind Sie nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten?« Sonja nickte nur, ging aber nicht auf Bens Frage ein. »Ich habe Verständnis dafür, dass Sie es mir nicht erzählen wollen, aber es interessiert mich halt«, setzte Ben nach, wurde aber nun von Michael Werner unterbrochen. »Ich glaube, es reicht jetzt. Sie verunsichern das junge Ding ja, Herr Jäger. Am Ende denkt Sonja noch, sie wäre nicht willkommen in Deutschland.«
Ben dachte sich das Seine und schaute seinen Vater an. Er wollte mehr über die Hintergründe ihres Aufenthalts und den der anderen »vermittelten« Menschen erfahren, da könnte auch der gemeinsame Zaunbau mit Kolja eine gute Gelegenheit werden sich auszutauschen. Er lächelte entschuldigend. »Sie zu verunsichern, ist das Letzte, das mir vorschwebt, Sonja. Ich war einfach nur neugierig. Entschuldigen Sie bitte. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Bruder einen schönen Aufenthalt, und mit Ihrem Chef hier haben sie einen echten Glückstreffer gelandet, nicht wahr, Herr Werner?« Jetzt lächelte Sonja und verzog sich aus dem Wohnzimmer.
Ben, sein Vater und Michael Werner berieten sich noch eine Stunde über das Abwickeln seines Schadens im Vorgarten und plauderten über belanglose Dinge aus der Nachbarschaft. Dann verließen Ben und Konrad das Haus ihres Nachbarn wieder. Ben war mit dem Verlauf des Tages zufrieden.