Krankenhaus
Wachte sie, oder träumte sie? Das kleine Mädchen nahm ihre Umgebung wie einen Traum, wie einen Film unter einem leicht verschwommenen Schleiere wahr. Sie wusste nicht genau wo sie war, um sie herum war alles weiß und ohne Kontur. Auch spürte sie nicht, ob sie mit beiden Füßen auf dem Boden stand, ob sie irgendwo lag, oder saß... sie schien inmitten des weißen Raumes, der voll von gleißenden Licht war, zu schweben. Das Mädchen tastete nach irgendwas zu ihren Seiten und griff ins Leere, sie lauschte angestrengt auf Geräusche, doch kein Ton drang an ihr Ohr.
Sie bekam Angst, denn sie wusste nicht, wo sie war. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug, wie sie anfing zu zittern und ihre Tränen langsam aufstiegen. Die 10jährige war ein aufgewecktes Mädchen, aber sie war niemals besonders mutig oder stark, als dass sie diese Situation, in der sie sich befandt, einfach so wegsteckte. Wenn doch wenigstens jemand kommen würde, und ihr sagen würde, was gerade mit ihr passierte, doch es war als schwebe sie durch einen weißen, nicht existenten Raum, ohne jeglichen Anhaltspunkt. Das einzige, was sie deutlich vernehmen konnte, war ihr Herzschlag... lauter als sonst, vom Gefühl her stärker als sonst. Es war, als würde ihr Herz sich gegen die Rippen pressen, als seien die schützenden Knochen ein Gefängnis und der kleine pochende Muskel rannte mit jedem Schlag dagegen an, um auszubrechen. Sie wollte ihr Herz ertasten, wollte spüren, wie es in ihrer Brust schlug, aber sie konnte nicht. Obwohl sie das Gefühl hatte, ihre Arme zu bewegen und ihre Finger auf die Brust zu legen, passierte nichts. Sie war nicht angekettet, sie war nur unfähig die Signale ihres Gehirns in Bewegeung umzusetzen. Sowas hatte sie in ihrem kurzen Leben noch nie erlebt, und das machte ihr Angst.
Allmählich begann sich, aus der weißen Umgebung ein Bild heraus zu schälen, je mehr sich das kleine Mädchen auf die Farben konzentrierte. Sie konnte ein Gestell vor sich sehen, wenn sie den Kopf nach unten drehte... sah sie geradeaus, sah sie ebenfalls eine Art Gestell. Lag sie in einem Bett? War das erste Gestell das Fußende? Sie konnte den Blick wenden, obwohl sie den Kopf nicht drehte... es machte ihr Angst. Die Frau, die neben ihr saß, und eine kleine Hand zwischen ihren Händen hielt, konnte das Mädchen erkennen. "Mama!", sagte sie laut... aber sie hörte ihre eigene Stimme nicht. "Mama!!", sendete ihr Gehirn nochmal als klares Signal an ihre Stimmbänder, aber nichts tat sich, und ihre Mutter reagierte auch nicht auf ihr Rufen.
Am Fußende erkannte sie schließlich ihren Vater, und wieder rief sie laut: "Papa!", ohne einen Ton ihrer Stimme zu vernehmen. Sie ängstigte sich darüber immer mehr. Ihr Vater, der von der Größe her eher ein kleiner Mann war, hatte sich auf das Gestell am Fußende gestützt, hatte Tränen in den braunen Augen und sah hilflos zu seiner Frau, die ebenfalls mit geröteten Augen auf ihre kleine Tochter blickte. Nur verschwommen konnte das Mädchen hinter ihrem Vater noch zwei Männer erblicken... einen konnte sie klar erkennen, der andere stand noch etwas dahinter, und war nur verschwommen für sie wahrnehmbar. "Onkel Ben? Kannst du mich wenigstens hören?", fragte sie tonlos, während ihr Vater sich verzweifelt abwendete. Auch Onkel Ben reagierte nicht auf das Rufen des kleinen Mädchens.
Sie hatte Angst... sie wusste nicht, ob sie wach war, oder träumte. Keiner schien sie zu hören, und überhaupt schien sie die Kontrolle über ihren Körper völlig verloren zu haben. Ayda hatte panische Angst, denn sie wusste nicht, was los war...