Sobald der Verbrecher außer Gefecht war, stürzten drei Pflegekräfte und der Intensivarzt in den Raum. Schnell schoben sie Sarah´s Bett, das in der anderen Ecke des Zimmers stand, näher und auf drei hoben sie die schlanke junge Frau hinein, um den Weg zu Ben frei zu machen. „Ruft den Oberarzt-hier gibt’s Arbeit für zwei!“ bat der Assistenzarzt und während Sarah´s Kollegin sie an den zweiten Monitor, der in der Zweierbox war, hängte, aber aufatmend feststellte, dass die Kreislaufparameter stabil waren, ihr ein wenig Sauerstoff über eine Nasensonde zuführte und sie dann für den Augenblick einfach in Ruhe ließ, beugten sich die anderen drei über Ben, schlüpften angesichts des Blutes überall in Einmalhandschuhe und versuchten, sich erst einmal einen Überblick zu verschaffen, was überhaupt geschehen war.
Einer rannte hinaus, um den Notfallwagen zu holen und inzwischen hatten Semir und Jenni Verstärkung angerufen-Hartmut würde zur Spurensicherung kommen, um vor Ort Beweise zu sichern- und drei uniformierte Kollegen würden Brummer, der als hoch gefährlich eingestuft wurde, mit einem Spezialfahrzeug direkt nach Ossendorf ins Untersuchungsgefängnis bringen. Fürs Erste drängten sie Brummer allerdings nun in einen unreinen Arbeitsraum, zwei Kollegen vom Sicherheitsdienst des Krankenhauses kamen dazu und halfen Jenni, die immer noch die Waffe auf ihn gerichtet hatte, den gefährlichen Mann zu bewachen und als die eingetroffen waren, eilte Semir so schnell er konnte zu Ben, um den er sich wahnsinnige Sorgen machte. Der Anblick, den er vorhin auf ihn erhascht hatte, würde ihn in seine Träume verfolgen und er hoffte nur, dass er noch lebte!
Der Assistenzarzt hatte zunächst seine Taschenlampe gezückt, um in Ben´s Augen zu leuchten, damit er überhaupt einschätzen konnte, wie schlimm es war. Wenn die Pupillen weit und lichtstarr waren, dann würden sie ihn zwar schon noch versuchen zurück zu holen, aber man würde manche Dinge einfach anders angehen. Nun hob sich Ben´s Brustkorb allerdings in einem mühsamen Atemzug und auch die Pupillen waren normal weit und reagierten, was bedeutete, dass der Sauerstoffmangel noch nicht so gravierend gewesen war.
„Warum ist der Monitor aus?“ rätselte ein Pfleger, hatte ihn mit der Berührung des Touch-Screen-Bildschirms wieder eingeschaltet und zog den Kabelstrang näher, ersetzte die Elektrodenkleber die abgegangen waren und schon war Ben wieder am Netz. Die Besonderheit an Intensivmonitoren war, dass es da an der Zentrale einen Alarmton gab, wenn man den komplett ausschaltete, nur durch zwei bestimmte Arbeitsschritte hintereinander konnte man ihn in einen Bereitschaftsmodus versetzen, ohne dass der Alarm ausgelöst wurde und das war hier geschehen.
Eine Schwester hatte eilig aus dem Notfallwagen einen Ambubeutel geholt, den man Ben nun übers Gesicht stülpte. Man musste zwar den Zuleitungsschlauch des Sauerstoffs verlängern, denn der Patient lag nach wie vor am Boden, aber das war ein guter Platz, falls man ihn reanimieren musste. Ben´s Herzschlag war extrem langsam, eigentlich ein Zeichen, dass der Sterbeprozess bereits begonnen hatte, aber nun stand der Notfallwagen bereit, der hinzu gerufene Oberarzt kam aus einer Besprechung und jetzt lief die Maschinerie an-schließlich gab es keinen besseren Ort auf der Welt einen solchen Notfall zu überleben, als eine gut ausgestattete Intensivstation mit motiviertem und ausgebildetem Personal und an dem mangelte es hier nicht.
„Wir legen zunächst einen Zugang!“ befahl der Arzt und schon war ein Stauschlauch an Ben´s Arm angebracht. Sein Blutdruck, den man durch die nun wieder angeschlossene Arterie, wo nur die Zuleitungskabel diskonnektiert gewesen waren, die man wieder verbunden hatte, kontinuierlich auf dem Monitor sehen konnte, war fast nicht messbar-aber das war klar, erstens hatte er durch den Schock und den Blutverlust ein Problem und zweitens hatte sein Kreislauf ja schon vorher Unterstützung durch das Noradrealin im Perfusor gebraucht, die in dem Augenblick weggefallen war, als er sich im Fallen den ZVK herausgerissen hatte, der Gott sei Dank vollständig auf der anderen Bettseite lag-allerdings mitsamt Faden und einem Stück herausgerissener Haut.
Auch der Schlauch der Thoraxdrainage hing einfach so in der Luft, ebenfalls mit Faden und Haut daran und so quoll überall aus Ben das Blut, auch aus seinem Tiefparterre, denn der sowieso schon dicke Spülkatheter war samt aufgeblasenem Blockungsballon herausgezogen worden und auch hier floss das Blut in Strömen und vergrößerte die Lache in der er schon lag.
Während der hinzu geeilte Oberarzt aufmerksam Ben´s Brustkorb abhörte, der sich in dem Rhythmus hob und senkte in dem die Schwester ihm mit dem Beatmungsbeutel die Luft, die mit 15 Liter Sauerstoff angereichert war, einblies und feststellte, dass nur eine Thoraxhälfte belüftet war, legte der andere Arzt mit viel Mühe einen Zugang in Ben´s Arm oberhalb der Arterie, man schloss eine Infusion an, die so schnell sie lief nun in Ben tropfte und injizierte ihm dann sofort eine ganze Ampulle Suprarenin, also pures Adrenalin, was ihn Sekunden später zu sich kommen ließ, weil nun sein Blutdruck durch die Aktivierung aller körpereigenen Notfallmechanismen wie Engstellung der peripheren Gefäße, Beschleunigung des Herzschlags und Bereitstellung aller Ressourcen nach oben schoss und so sein Gehirn wieder mit Sauerstoff versorgt wurde. Auch die Eigenatmung setzte wieder ein und die Schwester hörte nun auf ihn passiv zu bebeuteln, sondern hielt nur die Maske mit dem Sauerstoff über sein Gesicht. Ben´s suchender Blick wanderte erstaunt im Raum herum, bis er sich plötzlich wieder erinnerte was passiert war und gleichzeitig mit den heftigen Schmerzen, die ihn augenblicklich heimsuchten, formulierte er nun einen Namen und alle wussten, wen er meinte: „Sarah!“