Beiträge von Mikel

    Semir wurde in der Notaufnahme fürs Erste gut versorgt .... die vielen kleinen medizinischen Informationen waren wieder einmal sehr interessant

    Das Ausmaß der Verletzungen ;(zeigt der Körper sollte bei einem Unfall nicht als Knautschzone her halten ;(mir schwant Übles

    Die Fahrt von Andrea zum Krankenhaus glich ja fast einem Ritt auf der Rasierklinge ... irgendwie kann ich ja mit ihr fühlen ... zumindest ist sie heil angekommen und erkennt sie ist nicht allein ...

    bin gespannt wie es weiter geht ... in Bens Haut möchte ich schon mal nicht stecken

    Also Campino ... dass kannst du nicht bringen X(

    habe ich dir schon einmal geschrieben ... ich hasse Cliffhanger:rolleyes:

    wie kannst du an dieser Stelle aufhören und uns im Ungewissen lassen

    was ist in dem Fluchtfahrzeug geschehen?X(

    Ich will wissen, was passiert ist ... :)

    Nirgendwo … am gleichen Tag

    Als Ben erwachte, murmelte er leise vor sich hin, „Wo bin ich nur?“

    Keine Holzlatten … kein rauer Untergrund … kein modriger Geruch … Er befand sich nicht in dem Holzverschlag, der ihm mittlerweile so was wie ein Gefühl von Sicherheit vermittelte. Langsam registrierte er, dass er nicht lag, sondern an irgendetwas hing. Seine Handgelenke wurden von rauen Fesseln umschlossen, die sich tief ins Fleisch hinein geschnitten hatten, während das Gewicht seines Körpers stundenlang daran gehangen hatte. Sein getrübter Blick wanderte an seinen Armen entlang nach oben zu seinen Händen. Er sah das Blut, das wie ein hauchdünnes Rinnsal herab geronnen war und von den Resten seines zerschlissenen Shirts aufgesogen worden war. Teilweise war es auch schon angetrocknet und verkrustet.

    Seine linke Körperhälfte fühlte sich noch seltsam taub an. Er vermochte nicht zu sagen, wie oft man ihn in den letzten Stunden oder waren es gar schon Tage in diesen Raum geschleppt hatte, um ihn mit Schlägen und dem Elektroschocker zu foltern.

    Er hatte aufgehört zu zählen, aufgehört darüber nachzudenken, wieviel Schmerz ein Mensch ertragen konnte, bevor er wahnsinnig wurde. Der junge Kommissar hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Er hatte keine Ahnung, wie lange er sich schon in der Gewalt seiner Peiniger befand.

    Trotz all der Qualen, die man ihm zugefügt hatte, hatte es Gabriela nicht geschafft, ihn zu zerbrechen, seine Persönlichkeit zu zerstören. Ein ums andere Mal hatte sie einen Trumpf aus den Ärmel gezogen, um ihm seine aussichtslose Lage klar zu machen. Gestern servierte sie ihm auf einem Silbertablett den internationalen Haftbefehl, mit dem nach ihm, Ben Jäger, europaweit wegen Mordes gefahndet wurde. Sie zerstörte damit seine allerletzte Hoffnung, dass irgendjemand auf der PAST nach ihm suchen würde … ihn vermissen würde. Er war allein … völlig allein, isoliert vom Rest der Welt.

    Sein getrübter Blick wanderte im Raum umher. Zu seiner Überraschung schien er alleine zu sein. Die Zugangstür war halb geöffnet. Gedämpft drang eine Frauenstimme zu ihm durch. Gabriela? Es konnte nur die verhasste Kroatin sein. Der Dunkelhaarige schloss wieder seine Augen und lauschte auf die Geräusche seiner Umgebung und versuchte sich auf das Telefongespräch zu konzentrieren. Ja, es war Gabriela, die im Treppenhaus und dem langen Kellerflur zur Folterkammer telefonierte. Vereinzelte Wortfetzen drangen zu ihm durch. Ihr Gesprächspartner schien ein Mann zu sein, mit dem sie sich heftig zu streiten schien. Die Lautstärke ihrer Stimme schwoll an. Ihr Tonfall wurde keifender. Ein Name fiel …. Christian Wenzel … Ben überlegte, den Namen hatte er doch schon einmal gehört. Nur wo? …. Sie näherte sich der Tür. „Es ist mir egal, was dein Freund von Gronau denkt! Hast du verstanden Christian! ….Völlig egal! … Du schuldest mir noch fünf Millionen Euro! Und dein Freund von Gronau hat seine letzte Rechnung …. Schweizer Nummernkonto … !“ Ihre schrille Stimme entfernte sich wieder. Sie schien draußen im Gang hin und herzulaufen. Das Tack … tack … tack ihrer Absätze war überhörbar. Die beiden Namen hatten sich unwiderruflich in Bens Gehirn eingebrannt. Der Schleier der Benommenheit legte sich über ihn und verdrängte die Schmerzen, die seinen Körper durchströmten, in den Hintergrund.

    *****

    Zurück auf der PAST

    Susanne verfolgte den Abgang des Staatsanwalts mit gemischten Gefühlen. Zum einen tat ihr Kim furchtbar leid. Die Beziehung hatte ihrer Freundin gutgetan, sie war richtig gehend innerlich aufgeblüht. Die Sekretärin konnte gar nicht glauben, was ihr Kim in den letzten Tagen über den dunkelhaarigen Mann erzählte, wie er sich verhielt, wenn die beiden abends privat oder alleine zusammen gewesen waren. In ihren Augen war und blieb der Typ mit dem blendenden Aussehen ein Macho und ein arroganter A.rsch. Was er ja vor einer knappen Stunde in der Besprechung deutlich unter Beweis gestellt hatte. Sie war nach dessen Abfahrt zu ihrer Freundin ins Büro geeilt, hatte die Jalousien runtergelassen, um sie vor den unerwünschten Blicken ihrer Mitarbeiter zu schützen und hatte sie tröstend in den Arm genommen, bis sich Kim beruhigt hatte.

    Nachdem Susanne zurück an ihren Schreibtisch gekehrt war, fand sie dort eine Nachricht von Semir und Jenny, die sich in der Wohnung von Rashid Stojkovicz umschauen wollten. Das Telefon auf ihrem Schreibtisch läutete. Am anderen Ende der Leitung meldete sich das Sankt Agatha Krankenhaus aus dem Kölner Norden. Der Oberarzt, Dr. Geiger, wollte den Hauptkommissar Ben Jäger sprechen.

    „Tut mir leid, Herr Dr. Geiger, Herr Jäger befindet sich zur Zeit nicht im Dienst. Kann ich ihnen vielleicht weiter helfen?“

    „Hmm, das ist schlecht!“, kam es enttäuscht vom anderen Ende der Leitung. „Können sie mir sagen, wie ich Herrn Jäger erreichen kann oder kann er sich umgehend bei mir melden? Es ist äußerst dringend!“

    Susanne grübelte kurz nach, was sie dem Arzt sagen durfte. „Herr Jäger ist bis auf weiteres nicht erreichbar. Kann ihnen denn nicht ein anderer Kollege weiterhelfen? Vielleicht Herr Gerkhan? Er ist der Partner von Herrn Jäger.“

    „Also gut, es fällt ja sowieso in den Bereich der Polizei. Wir haben hier einen Patienten, der vor fast drei Wochen mehr tot als lebend eingeliefert wurde. Bis vor vier Tagen lag der Patient im künstlichen Koma. Dieser Mann weigert sich mit einem anderen Polizisten als Herrn Jäger zu sprechen. Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, wenn ihr Kollege Gerkhan vorbei kommt? Die Entscheidung überlasse ich ihnen. Ich habe noch bis 16.00 h Dienst, sprich zwei Stunden!“

    Nach dem sie das Telefongespräch beendet hatte, verständigte Susanne sofort über Funk Semir. Der wollte sich sofort mit Jenny auf dem Weg zum Sankt Agatha Krankenhaus machen.

    bei der Versorgung und dem Abtransport von Semir musste ich daran denken, wann hat Ben dies das letzte Mal erlebt ... :/

    hmm ... eine gefühlte Ewigkeit ... es hat mich irgendwie an die Folge "Freunde fürs Leben" erinnert ...

    ein Wechselbad der Gefühle ... auf jeden Fall super beschrieben :thumbup:

    jetzt hoffe ich nur, dass Andrea heil im Krankenhaus ankommt ...

    Ben hat ja zum Glück seine fürsorgliche Frau ...

    man kommt kaum zum Durchatmen bei der Geschichte .... da denkt man alles wendet sich zum Guten ... die Geiseln befreit ... Lukas erzählt sein nächstes Geheimnis ... und dann macht es bumm :/:/:/

    Stille Wasser gründen tief .... wer hätte das gedacht, was sich hinter der Fassade von Christian verbirgt ... ich bin erst einmal sprachlos und schockiert

    Ihr Gesicht rötete sich vor Zorn.

    „Ach Kim!“, versuchte er weiter einen versöhnlichen Tonfall einzuschlagen, „ich war noch nie in solch einer prekären Situation. Diese jüngsten Ereignisse in der Stadt, die neue Bombendrohung im Landgericht und der Staatsanwaltschaft, dazu die Attentate auf die Staatsanwältin und die Richterin …. Die LKA Beamten… das schlägt Wellen, bis in die höchsten politischen Kreise… weißt du, wie ich unter ständiger Beobachtung stehe, ob ich ja keinen Fehler mache! Ich will doch nicht meine Karriere gefährden! Die Stelle für den Generalstaatsanwalt soll kommendes Jahr wieder neu besetzt werden … Die Presse hat mich unter Beschuss … Ich werde von allen Seiten beobachtet, bin unter Zugzwang … Zum anderen ist da noch diese Affäre mit dir!“

    Der Chefin fielen bei seinem letzten Satz fast die Augen aus dem Kopf. Aufgebracht unterbrach sie ihn.
    „Bitte was? … Bitte was bin ich für dich? … Eine Affäre?“ Sie sog deutlich hörbar die Luft ein. „Eine Affäre? … So bezeichnest du die letzten Tage? … Ein One-Night-Stand mit Wiederholungscharakter?“

    Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Ihre langen Haare flogen wie wild hin und her. Kim drehte sich von ihm weg in Richtung des Fensters. Sie war kurz davor endgültig ihre Fassung zu verlieren. Wie eine Wildkatze fauchte sie ihn an: „Was haben dir die letzten Abende und Nächte wirklich bedeutet? … Deine Versprechungen? Eine leere Hülle um ein paar vergnügliche Stunden zu haben! … Freizeitvergnügen? Ein bisschen kostenlosen Sex?“ Sie wandte sich wieder ihm zu und stampfte wütend mit den Fuß auf den Boden. „So funktioniert das nicht mit mir Hendrik van den Bergh! Merke dir das! … Meinetwegen kannst du den arroganten Kotzbrocken woanders raushängen lassen, aber nicht bei mir! … Nicht hier bei meinen Leuten auf der Dienststelle! Außerdem solltest du grundsätzlich lernen Berufliches von Privaten zu trennen, sonst ist das zwischen uns beiden sofort beendet!“

    „Kiiim, das meinst du doch nicht wirklich? Ich liebe dich …“, fast flehentlich klang seine Stimme. Sein Gesichtsausdruck wurde weich, so wie sie es an ihm liebte. Der andere Hendrik kam zum Vorschein, der Mann, der ihr etwas bedeutete, in den sie sich verliebt hatte, der in ihr schon längst vergessene Gefühle zum Leben erweckt hatte.
    Dessen ungeachtet, Kim konnte nicht anders und unterbrach ihn, „Nein Hendrik! … Unter Liebe und Zuneigung verstehe ich etwas anderes! Vielleicht solltest du mal weniger deine Karriere im Focus haben und stattdessen mehr auf die Menschen um dich herum achten, bevor du auf deren Gefühlen, wie ein wild gewordener Elefant herum trampelst!“

    Kim errichtete einen inneren Schutzwall, um sich vor ihren eigenen Emotionen zu schützen. Ihre Gesichtszüge wirkten maskenhaft starr, fast wie aus Stein gehauen, als sie den Staatsanwalt mit ihrem letzten Satz aus ihrem Büro hinauswarf.
    „Denke bis morgen Abend darüber nach Hendrik, was du wirklich willst? … Was ich für dich bin? Sag mir deine Entscheidung! … Und jetzt, geh bitte! … Raus!“

    Demonstrativ wandte sie ihm den Rücken zu. Er sollte nicht sehen, wie sie gegen ihre Tränen ankämpfte, sich auf die Lippen biss, damit kein Laut herauskam. In diesem Moment hätte Kim alles dafür gegeben, wenn er zu ihr gekommen wäre, sie zärtlich in den Arm genommen und sich bei ihr entschuldigt hätte. Dieses Gefühl von Geborgenheit hatte ihr in den letzten Tagen so gut getan.

    Durch ihren Tränenschleier beobachtete sie Hendrik van der Bergh, wie er in seinen dunklen BMW einstieg und ihr noch einmal einen sehnsüchtigen Blick zu warf.

    Hendrik van den Bergh haderte mit sich und seinem Schicksal. Da hatte er endlich einmal seine Traumfrau gefunden und versaute wieder alles. Warum schaffte er es einfach nicht über seinen Schatten zu springen, dem Schatten der Vergangenheit, der ihn wie ein böses Omen verfolgte.

    Der Staatsanwalt stammte aus einfachsten Verhältnissen. Sein Vater war sein komplettes Berufsleben lang als Trucker auf irgendeiner Autobahn in Deutschland oder in Europa unterwegs gewesen. Seine Eltern hatten sich auf einer Raststätte im Hessischen Bergland kennengelernt, wo seine Mutter im Restaurant Service gearbeitet hatte. Nur einen Kilometer entfernt lag das Dorf, in dem er aufwachsen war. Wie heißt es so schön am Ende der Welt, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten. In seiner Kindheit wurde er von den anderen Jungs in seinem Dorf gehänselt, weil er durch seine Asthmaerkrankung körperlich sehr schwach war. Er fand keine Anerkennung bei den gleichaltrigen Jungen in der Freizeit, in der Schule, beim Bolzen auf dem Fußballplatz, was ihn zum Außenseiter machte. Also machte er das, was er am besten konnte: Lernen. Nach seinem Abitur mit Auszeichnung studierte er Jura. Doch auch im Studium und danach musste er sich jeden Schritt auf der Karriereleiter hart erkämpfen. Seine arrogante und spöttische Art war seine Schutzmauer den Mitmenschen gegenüber.

    Kim Krüger war einige der wenigen Personen in seinem Leben, die er hinter diese Fassade hatte blicken lassen. Umso mehr schmerzten ihn ihre Worte, hielten ihm einen Spiegel vor, der ihn sehr nachdenklich werden ließ.

    Kaum hatte van den Bergh Semirs Büro verlassen, da flog die Glastür mit einem lauten Knall zu. Demonstrativ mit vor der Brust verschränkten Armen stellte sich Kim davor und musterte jeden einzelnen ihrer Mitarbeiter mit einem Blick, auf dem der Spruch zu traf, wenn Blicke töten könnten, würden sie alle drei auf einmal umfallen. Auf ihrer Stirn hatten sich Zornesfalten gebildet.
    „So meine Herrschaften! Um ein für alle Mal etwas klar zu stellen! Meine private Beziehung zu Herrn Oberstaatsanwalt Hendrik van den Bergh hat keinen Einfluss darauf, dass wir hier eine professionelle Arbeit abzulegen haben und dies auch zukünftig erledigen werden. Es gab auch in der Vergangenheit schon das eine oder andere Mal Reibereien und Meinungsverschiedenheiten mit der Staatsanwaltschaft und das wird sich auch zukünftig nicht ändern. Ist das GEKLÄRT?!“

    Das letzte Wort brüllte sie so laut heraus, dass es wahrscheinlich auf der Autobahn zu hören war. Die Köpfe der drei Mitarbeiter bewegten sich auf und ab. Susanne schaute leicht betreten zu Boden.

    „Gut! Dann fassen wir noch einmal ein paar Fakten zusammen! Die Ermittlungen gegen die beiden Streifenpolizisten ist Sache der Staatsanwaltschaft und der Internen Ermittlungsabteilung. VERSTANDEN, Herr Gerkhan.“ Ihr Blick schien den Türken förmlich zu durchbohren. „Ich denke auch nicht, dass die beiden Herren etwas mit dem Verschwinden von Herrn Jäger zu tun haben.“ Als Kim erkannte, dass der Kommissar ihr ins Wort fallen wollte, schnauzte sie ihn an „Nein Gerkhan! Jetzt rede ICH! … Lassen sie die Finger von den Beiden oder ich ziehe sie von dem Fall ab!“ Die Drohung wirkte. Semir wurde blass um die Nase.

    „Konzentrieren sie sich lieber auf diesen Stojkovicz Clan. Susanne veranlassen sie eine Fahndung nach diesem Rashid Stojkovicz. Herr Gerkhan, durchsuchen sie zusammen mit Frau Dorn die Wohnung des jungen Mannes, ich kümmere mich zwischenzeitlich um den Durchsuchungsbefehl. Hartmut wird sie mit seinem Team dabei unterstützen. Diese Familie hat eindeutig ein Motiv sich an Herrn Jäger zu rächen. Und kommen sie mir nicht wieder mit ihrer These von dieser Gabriela Kilic. Die saß zu diesem Zeitpunkt in Haft und kommt höchstens für die Attentate auf die Staatsanwältin und die Richterin in Frage aber nicht für Bens Verschwinden.“

    Kleinlaut meldete sich Jenny. „Auch wenn es ihnen nicht gefällt Frau Krüger“, man sah der jungen Frau an, wie sie allen Mut zusammennahm, „ich bin Semirs Meinung. Hinter all diesen Aktionen steht diese Kilic. Sie sollten mal das Persönlichkeitsprofil dieser Kroatin lesen, welches das BKA angelegt hat. Es gibt eine Verbindung zwischen der Familie Stojcovicz und dieser Kilic: Beide wurden oder werden durch die gleiche Anwaltskanzlei vertreten. Was ist, wenn dieser Anwalt Dr. Hans-Heinrich Hinrichsen auch Dreck am Stecken hat? Das fehlende Verbindungsglied in der Kette ist?“

    Dabei deutet die Jungkommissarin auf ihre im Kreis angeordneten Kärtchen. Mit jedem Satz war das Selbstbewusstsein bei Jenny zurückgekehrt. Überrascht zog Kim Krüger die Augenbrauen hoch. Sie wollte diesen Gedanken nicht zulassen, gar nicht darauf näher eingehen.

    „Es bleibt dabei. Herr Gerkhan! … Frau Dorn! Sie kümmern sich um diesen Stojcovicz Clan. Finger weg, von diesem Rechtsanwalt, während ich mal schaue, was man bei der Staatsanwaltschaft erreichen kann!“

    Mit diesen Worten verließ die Kim Krüger das gemeinsame Büro der Autobahnkommissare und kehrte in ihr eigenes zurück. Hendrik van den Bergh hatte auf einem der Besuchersessel Platz genommen und trommelte ungeduldig mit den Fingern seiner Linken auf der Schreibtischplatte herum. Mit einem wütenden Blick empfing er Kim und polterte drauf los.
    „Was sollte das da drüben gerade Kim? Du hast mich wie einen dummen Schuljungen vorgeführt!“
    Erbost erhob er sich von seinem Sessel.

    „Die gleiche Frage kann ich an dich stellen Hendrik! Was sollte das da drüben im Büro? Wie kannst du meine Mitarbeiter so vor den Kopf stoßen? Dort drüben sitzt das beste Ermittlungsteam, mit dem ich bisher zusammengearbeitet habe. Mit Herrn Jäger ist es nahezu perfekt.“ Sie stellte sich vor dem Staatsanwalt hin, verschränkte ihre Arme vor die Brust und schob ihre Unterlippe energisch vor. „Meine Leute sind hoch motiviert und haben bisher mehr und bessere Ermittlungsergebnisse vorzuweisen, als deine Staatsanwaltschaft, das LKA und die Innere Abteilung zusammen. Also, was sollte dein abfälliges Verhalten Frau Dorn gegenüber? Wo bleibt da die Anerkennung für deren Arbeit? … Warum sind die beiden Streifenpolizisten bei der Beweislage noch nicht suspendiert?“, blaffte sie ihn an.

    Innerlich war Kim hin- und her gerissen. Wie konnte ein Mensch, wie Hendrik van den Bergh, nur zwei so unterschiedliche Gesichter haben. Privat war er zärtlich, einfühlsam, konnte zuhören, war genauso, wie sich ihren möglichen Lebenspartner vorstellte. Er hatte sie am Samstagabend zu einem Abendessen eingeladen und letztendlich war sie im Laufe des Abends mit Hendrik in ihrem Bett gelandet. In den darauffolgenden Tagen waren die privaten Stunden, die sie mit van den Bergh verbracht hatte, wie ein Traumurlaub auf einer kleinen Insel gewesen.

    Doch im Berufsleben entpuppte sich der Mensch van den Bergh als ein arrogantes und überhebliches Arschloch, der voll von sich überzeugt war. In der Beziehung musste sie Semir Gerkhan und Susanne Recht geben. Er ließ jegliches zwischenmenschliche Einfühlungsvermögen gegenüber anderen vermissen. Seine Gefühlskälte gegenüber seinen eigenen und auch ihren Mitarbeitern erschütterte Kim ein ums andere Mal.

    Die Chefin erkannte, wie sich bei ihrem Gegenüber die Augenbrauen zusammenzogen und sich tiefe Zornesfalten auf dessen Stirn bildeten. Van den Bergh wusste scheinbar nicht, wie er auf ihre Vorwürfe reagieren sollte und wie er mit der Situation umgehen sollte.

    „So lasse ich nicht mit mir reden Kim!“ grollte er wütend zurück. Seine Hände zuckten vor Aufregung. In seiner Mimik arbeitete es.

    „Wieso? … Weil du ein Mann bist und ich eine Frau? … Oder du mein Vorgesetzter? Wo liegt dein Problem?“

    Für Kim völlig unerwartet griff der Oberstaatsanwalt nach ihrer Hand und zog sie nahe an sich heran, umarmte sie, streichelte ihr sanft über den Rücken. In Kim tobte augenblicklich ein Widerstreit ihrer Gefühle. Ein angenehmer Schauer rann über ihren Rücken. Oh, dieser Mann wusste genau, was ihr gefiel, wie er sie erregen konnte. Im letzten Moment gelang es ihr, ihre überschwappenden Hormone wieder in den Griff zu bekommen. Während er versuchte, sie zu küssen, meinte er siegessicher, fast schon so ein bisschen beiläufig, „Ach komm mein Mäuschen! Lass uns nicht streiten! Sei einfach wieder lieb zu mir. Die Sache ist es doch gar nicht wert!“

    Augenblicklich explodierte Kim innerlich. Wutentbrannt löste sie sich aus seiner Umarmung, trat einen Schritt von ihm weg und fauchte ihn wie eine Wildkatze an.
    „Das ist doch nicht dein Ernst, Hendrik! Wir reden hier über unsere berufliche Zusammenarbeit und nicht unsere private Beziehung. Schon vergessen, rein formal bist du, während der Abwesenheit von Frau Dr. Schrankmann, der Vorgesetzte dieser Dienststelle. Es geht hier um Kompetenzen und Zuständigkeiten und darum, dass andere Polizeibehörden ihre Arbeit nicht ordnungsgemäß erledigen und du scheinbar nicht in der Lage bist, den Herrschaften mal gewaltig in den Arsch zu treten!“

    nicht nur Semir hat es böse erwischt, sondern auch die beiden kleinen Pferdchen ... die bluten aus dem Mäulchen und ihren Wunden und mir blutet das Herz, wenn ich lese, wie die beiden versorgt werden

    ich hoffe nur, Sarah ist bald fit genug, um nach den beiden zu schauen und dem Stallbesitzer Feuer unter dem Hintern zu machen ...

    bei der Beschreibung von Semirs Verletzungen läuft mir glatt ein Schauer über den Rücken .... brrr ... der Oberkörper unseres kleinen Türken scheint ja kein Knochen mehr heil zu sein ...

    Am darauffolgenden Tag …

    Im Laufe des Vormittags kam Semir mit einiger Verspätung zum Dienst auf der Wache an. Er hatte die vergangene Nacht zu Hause geschlafen. Bis weit nach Mitternacht hatte er sich Dank Harmuts Hilfe, der ihm das Programm am Laptop eingerichtet hatte, mit Andrea und den Kindern über Skype unterhalten. Er war so was von erleichtert gewesen, als er gehört hatte, wie rührend sein Bruder und dessen Familie sich um Andrea und die Kinder kümmerten. Er vermisste seine drei Mädels so sehr.

    Auf der Höhe von Susannes Schreibtisch hielt er einen Moment inne und murmelte ein leises „Guten Morgen, Susanne! Sorry, für die Verspätung! Hat sich die Krüger schon aufgeregt?“

    Dabei wanderte sein Blick in Richtung des Büros seiner Chefin. Träumte er, nein, der Kotzbrocken von einem Staatsanwalt saß doch tatsächlich schon wieder im Zimmer der Krüger und raspelte Süßholz mit der Chefin. Unmut brodelte in ihm bei dem Gedanken auf, dass die beiden mehr mit ihrer augenblicklichen Liebesaffäre beschäftigt zu sein schienen, als an der Lösung des Falles interessiert zu sein.

    Egal, wie sich das anhörte, es ging darum Ben zu finden. Unwillig schüttelte er den Kopf und betrat sein gemeinsames Büro mit Ben. Jenny war schon richtig fleißig gewesen. Überrascht blieb Semir unter der Tür stehen und betrachtete das Werk seiner jungen Kollegin.
    „Wow!“ entfuhr es ihm, „Guten Morgen! … Sorry, dass ich so spät dran bin! … Erklärst du mir mal bitte, was das Ganze hier soll?“
    Semir deutete auf die riesige Pinnwand, die Jenny aus dem großen Besprechungsraum in das kleine Büro geschoben hatte. Auf der Metallplatte waren unzählige kleine Zettel mit Magneten befestigt worden. Vor der Polizistin lagen noch einige dieser farbigen Kärtchen, die die angehende Jungkommissarin scheinbar in einer bestimmten Systematik an der Wand angeordnet hatte.

    „Guten Morgen Semir“, begrüßte sie ihren Kollegen, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. „Du meintest doch gestern, dass wir uns bei den Ermittlungen im Kreis bewegen, nicht wirklich vorankommen.“ Sie blickte kurz auf und erklärte weiter: „Ich habe gestern Abend mit Hartmut darüber gesprochen und der hat mir den Tipp gegeben, die Fakten mal anders darzustellen. Damit bin ich noch beschäftigt! … Susanne hat mir geholfen. Wir sitzen seit heute Morgen um sieben daran!“

    Als wäre ihr Name ein Zeichen gewesen, betrat die Sekretärin das Büro und hielt ihrem türkischen Kollegen eine Tasse duftenden Kaffee unter die Nase.

    „Danke Susanne, wer könnte da widerstehen. Dann lege mal los Jenny!“
    Er lehnte sich bequem in seinem Bürosessel zurück, auf dem er zwischenzeitlich Platz genommen hatte. Ab und an schlürfte er einen Schluck des heißen Getränks. Jenny fing mit ihren Ausführungen an. Susanne unterstütze ihre Kollegin, indem sie bei den Ausführungen auf der Videowand dazu noch passende Fotos, Ermittlungsunterlagen und Zeitungsberichte präsentierte.

    „Ich dachte an deinen Satz gestern Abend Semir, dass dein Bauchgefühl dir sagt, dass alle diese Fälle zusammenhängen, etwas gemeinsam haben!“
    Sie deutete dabei auf die Kärtchen die mit Julias Unfall, die Namen der Polizisten, die als Zeugen aufgetreten sind. Da stand der Name Jessica Habermann, Boris, Rashid und Zladan Stojkovicz, die Attentate auf den Richter, die Richterin, die LKA und SEK Beamten und die Staatsanwaltschaft.

    Alle Fälle hatten eine eigene Kartenfarbe und Jenny hatte sie teilweise mit einem farblich passenden Edding-Stift miteinander verbunden. In der Mitte der Tafel prangte der Name Gabriela Kilic. Nachdenklich betrachtete Semir das Gebilde an der Pinnwand und versuchte die Informationen der beiden Frauen im Schnelldurchlauf zu verarbeiten und seine Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

    „Gute Arbeit Frau Dorn“, erklang die Stimme von Kim Krüger aus dem Hintergrund. Sie stand zusammen mit dem Staatsanwalt unter dem Türrahmen und hatte anscheinend dem Vortrag der Kommissars-Anwärterin ebenfalls zugehört. Semir drehte sich mit dem Stuhl zu seiner Chefin um.
    „Ihnen ist doch klar Frau Krüger, was das bedeutet, wenn Jenny Recht hat! Dann war der Unfall von Julia Jäger, vielleicht gar kein Unfall? … Ein Mordversuch? …“

    Der Staatsanwalt fiel dem Kommissar ungehalten ins Wort. „Tut mir leid Kim! Aber ich kann der jungen Frau da nicht beipflichten und ihnen auch nicht Herr Gerkhan. Laut Bericht der Sachverständigen und Unfallzeugen, kann beim Unfall von Julia Jäger ein Fremdverschulden ausgeschlossen werden. Es handelte sich eindeutig um einen Fahrfehler. Schwangere Frauen sollten halt nicht hinters Steuer!“ meinte er abfällig. „Und zu ihnen Frau Dorn, ist ja schön, dass sie sich die Mühe und Arbeit gemacht haben, sieht aus, als wenn ein Schulmädchen ihre Hausaufgaben erledigt hat. Doch das führt doch zu nichts!“ Seine verächtliche Handbewegung tat ihr Übriges. „Pure Zeitverschwendung!“

    Jenny wurde zuerst leichenblass und anschließend schoss ihr die Röte in die Wangen. Sie schluckte und kämpfte mit sich. Ihre Augen schimmerten feucht. Semir fing innerlich an zu kochen, erhob sich aus seinem Stuhl und baute sich vor dem Staatsanwalt auf, der ihn um Haupteslänge überragte. Seine Augen funkelten zornig und er schnaubte wie ein wild gewordener Wasserbüffel durch die Nase.

    „Das ist alles was sie dazu sagen, HERR STAATSANWALT! … Mehr fällt ihnen nicht dazu ein! Was haben SIE und ihre tolle Behörde denn Großartiges bei den bisherigen Ermittlungen in all diesen Fällen geleistet?“
    Semir stellte sich auf die Zehenspitzen und wippte dabei. Seine Nasenspitze berührte fast das Kinn des Staatsanwalts. Nur mit Mühe konnte er sich beherrschen, den großgewachsenen Dunkelhaarigen nicht mit seinen geballten Fäusten zu berühren. Wütend fauchte er ihn weiter an.
    „Unserer Chefin haben sie schöne Augen gemacht und sie mit ihrem schmeichelnden Getue eingeseift? Wann machen sie mal endlich ihre Arbeit?“
    Das Gesicht des Türken war vor Zorn gerötet. Er nahm einen Schritt Abstand vom Staatsanwalt und ließ sich auch durch die warnenden Blicke seiner Chefin nicht mehr in seinem Redefluss stoppen.
    „Da draußen laufen zwei korrupte Streifenpolizisten rum, während mein Partner verschwunden ist und wegen dieser Typen eine Mordanklage am Hals hat. Wie viele Beweise brauchen Sie denn noch?“, mit wilden Gesten seiner Hände unterstrich er seine Wutrede, „Langt es noch nicht aus, dass dieser Villmoz Schulden wie ein Stabsoffizier hatte und diese plötzlich wie durch ein Wunder vor zehn Tagen begleichen konnte? Hat der im Lotto gewonnen? So blind und bescheuert können doch nicht mal sie sein, Herr Oberstaatsanwalt!“, bei seinem letzten Satz klopfte er sich gegen die Stirn.
    Bevor es endgültig zum offenen Streit zwischen den beiden Männern kommen konnte, ging Kim Krüger energisch dazwischen.

    „Verdammt noch mal, es reicht jetzt Gerkhan!“ Sie trat einen Schritt zu Seite. „Versuchen Sie professionell zu bleiben!“ Ihre Augen blitzten wütend in Richtung des Staatsanwaltes. „Und du Hendrik, gehst am besten in mein Büro und wartest dort auf mich! Ich regle das hier selbst mit meinen Leuten!“

    Semir zeigt noch Lebenszeichen ... einmal tief durchatmen
    ein Glück, dass die Ponys trotz ihrer Panik zurück zum Stall gelaufen sind und Hildegards Aufmerksamkeit erregt haben
    somit kann die Rettungskette anlaufen
    Hildegard handelt überhaupt mit sehr viel Übersicht und erspart den Kleinen den schlimmen Anblick von Semir, wobei klar ist, die haben wahrscheinlich mehr Angst um ihren Papa, mussten sie doch in der Vergangenheit mehrmals erleben, dass Ben im Krankenhaus gelandet war
    um Semir mache ich mir ernsthafte Sorgen ... jede Sekunde zählt ... ein Rettungshubschrauber muss her
    die Dramatik steigt ... gut beschrieben :thumbup:

    ein Plan in einer ausweglosen Situation ... du überraschst mich schon wieder :D
    da ich solche Anfälle aus eigener Erfahrung kenne, kann ich mir vorstellen, wie das auf die Entführer gewirkt haben muss
    vor allem, wenn Christian das glaubhaft gespielt hat
    als die Gangster Lucas Frau für die erste Hilfe wählten, hegte ich so die leise Hoffnung, dass der ein wenig auf sie abgefärbt hat
    der erste Schritt zur Flucht ist getan .... aber aus ihrem Gefängnis sind die Entführten noch nicht raus
    ich bin gespannt...

    Zum wiederholten Mal hatten die beiden Söldner Ben erbarmungslos an seinen Armen zurück in die Folterkammer geschleift. Seinen aufkommenden Widerstand hatten sie mit brachialer Gewalt im Keim erstickt. Wieder hing er an diesen Seilen und wartete darauf, was sich Gabrielas krankes Hirn diesmal für ihn ausgedacht hatte.

    „Hallöchen, na wieder wach?“, begrüßte sie ihn, ohne dass er sie sehen konnte. „Hat sich mein kleiner Lieblingsbulle ein bisschen von unseren letzten Spielereien erholt!“, verspottete sie ihn.
    Dann stand sie neben ihm. Wieder hatte sie eine ihrer grässlichen Zigarillos zwischen die Lippen geklemmt und sog genüsslich daran. Den Rauch blies sie ihm ins Gesicht. Er reizte seine Schleimhäute und seine geprellten Rippen rebellierten bei der aufkommenden Hustenattacke. Schmerzhaft verzog Ben das Gesicht und unterdrückte krampfhaft ein Stöhnen.

    „Ach ich sehe schon Bennilein, wir beide verstehen uns perfekt. Ich darf dir die nächste Überraschung ankündigen. Du bist Premierengast bei der nächsten Vorstellung des neuesten Films von unserem Starregisseur Rashid Stojkovicz.“
    Sie deutete eine Verbeugung in Richtung des jungen Mannes an. Anschließend schnippte sie mit den Fingern und gab dem jungen Albaner zu verstehen, dass er das Video starten sollte.
    Schon als die erste Szene am Bildschirm aufflackerte, hielt Ben den Atem an.
    Es war eine Sache, etwas zu erahnen und es glich für ihm einen Alptraum, als Zeuge am Bildschirm den Unfall seiner Schwester beizuwohnen. Gabrielas Helfer hatten tatsächlich an Julias Wagen herummanipuliert. Aus der Ferne hatten sie nicht nur den Unfall, sondern auch sein anschließendes Eintreffen am Unfallort gefilmt. Blankes Entsetzen griff nach seinem Herzen. Sein Pulsschlag beschleunigte sich. Ben zerrte außer sich vor Wut und Zorn an seinen Fesseln herum, als das Video zu Ende war.
    Er schrie die Kroatin an: „Du elendes Miststück! …. Der Teufel soll dich holen und dich in den tiefsten Abgründen der Hölle schmoren lassen! …. Lass Julia aus dem Spiel! Was hat DIR denn meine Schwester getan? … Du bist doch völlig krank im Hirn!“
    Seine Stimme überschlug sich am Schluss vor Verbitterung. Noch etwas wuchs in ihm: Hass …. Grenzenloser Hass auf diese Frau, die seine Schwester umbringen lassen wollte, die für Julias Unfall verantwortlich war, für das Zerwürfnis mit seinem Vater, es raubte ihn den Verstand.

    „Schon vergessen, dreckiger Bulle!“, zischelte sie ihn an. Sie stand unmittelbar vor ihm. Die winzigen Tröpfchen ihres Speichels trafen sein Gesicht. „Du hast meinen Bruder auf dem Gewissen! Schon in der Bibel steht geschrieben: Auge um Auge … Zahn um Zahn …. Deine Schwester hätte bei dem Unfall sterben sollen! Drauf gehen sollen! Bei lebendigen Leibe vor deinen Augen verbrennen sollen!“
    Sie legte eine künstlerische Pause ein, um ihre Worte bei dem Polizisten wirken zu lassen. Die Kroatin fischte aus ihrer Hosentasche ein Foto, das Julia in einem Krankenbett zeigte, die Augen geöffnet und ihr Mann Peter saß händchenhaltend neben ihrem Bett. Peters andere Hand lag auf Julias gewölbten Schwangerenbauch. Gabriela fasste Bens Kinn an und hielt ihm das Foto mit der rechten Hand direkt vor die Nase. Die Bewegung mit ihrem verletzten Arm bedeutete eine Riesenanstrengung für sie.
    „Die Stunden deiner Schwester sind gezählt. Aber keine Sorge, Herr Hauptkommissar Ben Jäger! Dank modernster Technik wirst du dem Ableben deiner Schwester live beiwohnen, wenn die Zeit dafür gekommen ist! … Versprochen!“ Sie deutete mit ihrer linken Hand in Richtung der Videokamera und in ihren Augen trat ein irres Flackern. „Was wird wohl dein lieber Vater Konrad Jäger sagen, wenn er erfährt, dass sein Sohn am Tod seiner einzigen Tochter und seines ersten Enkels schuld ist. Ob sein krankes Herz das übersteht? Ts … ts … ts!“

    Ben flippte daraufhin endgültig aus, als er sich der Tragweite von Gabrielas Worten bewusst wurde. Er belegte seine Widersacherin mit seinem Repertoire von Schimpfwörtern. Dabei hing er an den Seilen und wie ein Fisch an der Angel. Hilflos zappelte er herum. Gabriela trat einen Schritt zur Seite und kicherte zuerst leise fast schon unheimlich anmutend vor sich hin. Ihr Lachen wurde lauter und lauter und hallte förmlich von den Wänden wieder.

    Als der Polizist mit seinen Beschimpfungen einen ihrer wunden Punkte traf, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig, mutierte zu einer hässlichen Fratze.
    „Um deinen Bruder war es nicht schade! … Dieser kleine perverse Bastard hat nur das bekommen, was er verdient hatte. … Der Tod kam viel zu schnell und gnädig für so einen Schänder wie ihn.“, blaffte er sie an.
    Bens Worte reizten die Kroatin bis zur Weißglut. Die Quittung bekam er postwendend. Sie gab Remzi mit der Hand ein Zeichen. Lautlos trat dieser von hinten an den Polizisten heran. Ein leises Surren erfüllte den Raum und der Serbe drückte zu. Ben zuckte zusammen und schrie gellend auf, als ein Stromstoß seinen Unterleib durchfuhr.

    „Na wie steht es Bulle? Lust auf mehr?“, fragte dieser gehässig neben ihm stehend. Der Schockgeber summte in dessen Hand weiter.

    Mühsam presste Ben eine Bemerkung hervor, nachdem der Schmerz am abebben war, „Besorge es dir doch selber du schwule Sau!“

    Remzi drückte den Schocker erneut in Bens Leistengegend und lachte dabei hämisch auf. Ein Stromstoß … und noch einer … Entsetzliche Schmerzensschreie entwichen Bens Kehle, die irgendwann in unartikulierte Laute übergingen. Die Qualen des Polizisten zauberten das Lächeln auf Gabrielas Gesicht zurück, überfluteten ihren Körper mit wahren Glückshormonen.

    Wieder ein Stromschlag … Von einem Augenblick zum anderen wurde Bens rechte Seite taub, während ein prickelnder Schmerz durch seine Körperzellen raste. Seine Schreie erstarben. Der junge Polizist schloss die Augen und erwartete die nächste Attacke, die alles Bisherige in den Schatten stellte.
    Der Schockgeber summte in Remzis Hand auf. Er verwandelte Bens Blut in glühende Lava, gab ihm das Gefühl seine Knochen, sein Körper würde dahinschmelzen. Der Stromstoß war schlimmer als die anderen vorher und forderte seinen Tribut. Die Dunkelheit einer Ohnmacht erlöste ihn von seinen Qualen. Sein gepeinigter Körper erschlaffte und hing regungslos in den Seilen, sein Kopf sank nach unten auf die Brust.

    „Kannst du nicht besser aufpassen, du Trottel!“, fauchte Gabriela wütend. „Ich war mit dem Dreckskerl für heute noch nicht fertig. Die Lektion war noch nicht zu Ende! Weck ihn wieder auf!“ Jähzornig stampfte sie mit ihrem Fuß aus, „Na los! … Mach den Scheißkerl wieder munter!“

    „Sorry, Gabriela!“, entschuldigte sich der Folterknecht und blickte schuldbewusst zu Boden. „ich konnte doch nicht ahnen, dass der Kerl so schnell schlapp macht!“ Das Surren verstummte. Remzi legte den Schockgeber auf den Billardtisch zurück und trat an den Bewusstlosen heran. Mit einem gekonnten Griff kontrollierte er den Pulsschlag seines Opfers. „Keine Sorge er lebt noch!“ verkündete er mit einer Spur der Erleichterung. „Nur ich glaube, er braucht eine längere Auszeit, außer du willst, dass er gleich über den Jordan geht!“

    „Na gut, schafft ihn zurück und versorgt ihn!“ gab sie widerwillig die Anweisung.

    Am darauffolgenden Morgen

    Semir stand am Fenster in seinem Büro und blickte hinaus auf den Parkplatz, währenddessen er geräuschvoll an seiner mittlerweile dritten Tasse Kaffee, Marke extra stark, schlürfte. Jenny saß auf Bens Stuhl und studierte die Akten, machte sich viele kleine Notizen und brummte vor sich hin.
    „Ich glaube es nicht!“ entfuhr es dem Türken überrascht, „Jenny komm her und schau dir das an! Unsere Chefin hat was mit diesem Großkotz von Staatsanwalt laufen!“

    „Bitte was? … Das ist doch nicht dein Ernst!“

    Augenblicklich stand die junge Frau neben dem älteren Kommissar und traute ihren Augen nicht. Ein schwarzer BMW X5 hielt mit laufendem Motor vor der Eingangstür. In der halb geöffneten Beifahrertür konnte man Kim Krüger erkennen, die sich sichtlich angeregt mit dem Fahrer unterhielt und ihn zum Abschied küsste.

    „Na Klasse! Da haben sich ja die zwei Richtigen gesucht und gefunden. Das perfekte Paar: Mister Kotzbrocken und die eiserne Lady!“ kommentierte Jenny ironisch. Auch sie hatte gestern mit der arroganten und überheblichen Art des Staatsanwalts während der Vernehmung von einigen Verdächtigen Bekanntschaft gemacht. „Da stehen uns ja goldene Zeiten ins Haus Semir!“

    Dieser bewegte seinen Kopf nachdenklich zur Bestätigung auf und ab. Er beobachtete, wie die Krüger mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen die PAST betrat. Die schwebte eindeutig auf Wolke sieben. Susanne schien ebenfalls neugierig geworden zu sein und sprach Kim an, die sich entspannt auf der Schreibtischkante der Sekretärin niederließ und sich mit ihr angeregt unterhielt.

    Jenny klopfte dem Dienstälteren aufmunternd auf die Schulter. „Komm, gönne ihr doch ihr kleines Glück. Und wer weiß, guter Sex soll entspannend wirken.“, versuchte sie zu scherzen. „Vielleicht wird die Chefin ja auch mal ein bisschen lockerer. Bei Hartmut hat das wahre Wunder bewirkt.“
    Unwillkürlich fing Semir an zu grinsen. Das stimmte, seit der Rothaarige und Jenny ein Paar sind, hatte er sich zu seinem Vorteil verändert.

    Semir seufzte auf. „Komm lass uns weiter machen! … Wir tappen völlig im Dunkeln, wenn es darum geht, wo Ben sein könnte und wer ihn entführt hat?“
    Er schaute dabei frustriert auf die Aktenberge, die sich auf seinem Schreibtisch stapelten. Der Türke hatte sich zwischenzeitlich wieder hingesetzt und spielte nervös mit seinem Kugelschreiber herum, der auf der Schreibtischplatte unendliche Kreise drehte.
    „Ich weiß einfach nicht, wo wir ansetzen sollen Jenny! Es gibt so viele Spuren und Hinweise und letztendlich verlaufen alle im Nichts!“ Er raufte sich durch seine kurz geschnittenen Haare. „Mein Bauchgefühl sagt mir, diese Kilic steckt dahinter. Nur wo ist die Verbindung zu allem? Sie war zum Zeitpunkt von Bens Verschwinden doch im Knast?“

    „Ich glaube, wir fahren erst mal zu Hartmut. Anschließend können wir uns ja noch einmal nach Hürth fahren, wo Ben ja offensichtlich entführt worden ist!“

    Jenny eilte voran in die KTU, dicht gefolgt von Semir. Hartmut befand sich nicht an seinem gewohnten Platz hinter dem Computer oder Elektronenmikroskop.

    „Hartmut! Hartmut, wo bist du?“, hallte ihr Schrei durch die Hallen.

    Gedämpft erklang aus einem der Nebenräume eine Antwort. „Jenny? Bist du das? Ich bin hier drüben, in der KFZ-Halle! … Autsch!“ entfuhr es ihm, als er sich den Kopf schmerzhaft an einer offen stehenden Tür eines Hängeschrankes angestoßen hatte. Zusammen mit einem erfahrenen Kollegen vom LKA, Florian Weil, einem Endvierziger, stand er vor einer Werkzeugbank und untersuchte einen kleinen verkohlten Gegenstand. Hinter den beiden Technikern war ein ausberanntes Fahrzeugwrack auf der Hebebühne zu sehen, welches sich bei näherem Betrachten als die kümmerlichen Überreste des Autos von Staatsanwältin Schrankmann entpuppte. Am Unterboden des Fahrzeugs brannten einige Arbeitslampen.

    „Hallo Jenny“, meinte Harmut nur kurz angebunden und hauchte seiner Freundin einen Kuss auf die Lippen. „Was verschafft mir denn die Ehre eures Besuches?“

    Semir übernahm das Sprechen. „Wir wollten mal nachhören, wie weit du mit der Spurenauswertung von Hürth bist?“

    Der Rothaarige rollte genervt die Augen. „Pffff, wie ihr seht, bin ich gerade im Mega-Stress! Die Staatsanwaltschaft und auch das LKA sitzen uns im Genick und wollen dringend den Untersuchungsbericht über das zerstörte Fahrzeug der Staatsanwältin. Alles andere muss warten!“

    „Mensch Harmut! Das kann doch nicht dein Ernst sein!“, maulte Semir enttäuscht drauf los. „Du warst doch bereits am Samstag am Tatort und heute ist Dienstag!“

    „Danke für das Gespräch Kollege! Hast du auch schon mal dran gedacht, dass der Mensch ein Privatleben hat?“, konterte der Techniker und sein Augenmerk richtete sich verliebt auf Jenny. „Ich habe am Samstag noch eine Nachtschicht eingelegt und am Sonntag hatte ich frei! Brauch ja schließlich auch mal eine Mütze voll Schlaf! … Und das mit der Schrankmann und den anderen Anschlägen im Großraum Köln konnte keiner voraussehen!“

    Wider Erwarten ergriff Jenny das Wort. „Hey Bärchen, es geht hier um Ben! Der ist unser Freund und Kollege. Glaubst du nicht, dass ich dafür Verständnis hätte, wenn du deswegen ein paar Überstunden mehr machst!“

    Sie kraulte dabei dem Rothaarigen über die Brust, der ein wohliges Brummen nicht unterdrücken konnte.

    „Ist ja schon gut!“, lenkte er missmutig ein. „Florian, machst du mal hier ein paar Minuten ohne mich weiter. Kommt mal mit rüber ins Labor!“, forderte er die beiden Autobahnpolizisten, auf ihm zu folgen. „Es ist ja nicht so, dass ich noch nichts getan hätte. Ein bisschen was, habe ich in dem Dreck ja schon gefunden. Ich bin mir nicht sicher, ob es euch wirklich weiterhilft!“

    Auf dem Labortisch war der Straßenkehricht von Hürth fein säuberlich sortiert. „Ich hätte dich ja schon noch angerufen Semir! Das eingetrocknete Blut auf dem Asphalt des Gehsteigs stammte eindeutig von Ben.“ Der Türke wollte ihm ins Wort fallen und verstummt auf eine Geste von Hartmut hin. „Ich kenne deine nächste Frage. In der Blutlache waren auch menschliche Haare. Diese Analyse läuft noch, ob sie von Ben stammen. Und ja, ich gehe davon aus, dass man ihn an dieser Stelle niedergeschlagen hat. Wobei ich kein Hellseher bin? Das gleiche gilt für die Zigarettenstummel, die dort rumlagen. Der DNA-Test läuft. Auf Bens Motorradhelm befand sich noch ein Fingerabdruck, der nicht von Ben stammt. Die Anfrage läuft momentan durch die Datenbanken, auch vom BKA und ich habe ihn an Interpol ebenfalls weitergeleitet. Zufrieden?“, beendete er seine Ansprache.

    Das waren nicht die Antworten, die sich Semir erhofft hatte. Niedergeschlagen begab er sich mit seiner Kollegin zurück zum BMW. Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss und hieb wütend auf das Lenkrad ein. Dabei fluchte er leise vor sich hin.

    „Hey Semir! Lass den Kopf nicht hängen! Komm, wir finden Ben!“, versuchte sie ihn aufzumuntern, obwohl ihr selbst der Glaube daran gerade eben fehlte. Der Türke blickte zu seiner Beifahrerin. Seine Augen drückten seine Hoffnungslosigkeit aus, die er mit seinen Worten noch unterstrich. Kaum hörbar murmelte er: „Weißt du, was mir diesmal wirklich Angst einjagt Jenny? Dass wir nichts, absolut nichts, nicht einmal den kleinsten Anhaltspunkt haben, wo wir mit der Suche nach Ben beginnen sollen. Ich frage mich immer zu: Steckt diese Kilic dahinter? … Denn, wenn ja, dann Gnade uns Gott!“

    Er wandte sich dabei seiner Beifahrerin zu und unterstrich seine Aussage mit der Geste seiner Finger. Seine wahren Gedanken wagte er nicht auszusprechen. Wenn er alle Fakten nüchtern betrachtete und sollte die Kilic tatsächlich hinter der Entführung seines Freundes stecken, war Ben mit größter Wahrscheinlichkeit vielleicht gar nicht mehr am Leben.

    Er startete das Fahrzeug und fuhr zurück auf die PAST.

    Ben erwachte von seinem eigenen Stöhnen. Tausend kleine Nadelstiche malträtierten seinen geschundenen Körper. Benommen registrierte, dass er nicht mehr an diesen Seilen hing, sondern in Bauchlage auf einem Holzboden lag. Der vertraute modrige Geruch verriet ihm, dass man ihn zurück in sein kleines Gefängnis gebracht hatte. Vorsichtig drehte er sich auf den Rücken und tastete mit seinen Fingern behutsam über seinen Körper. Der Begriff „Gespickter Hasenrücken“ bekam für ihn eine neue Bedeutung. Denn genauso fühlte er sich, als seine Fingerkuppen über die Schnittverletzungen strichen. Das verkrustete Blut hatte sich mit den Resten seines zerschlissenen T-Shirts und seiner Hose verklebt. An seinen Oberarmen bedeckte Wundschorf die Schnitte. Mehr und mehr ebbte der Schmerz auf ein erträgliches Maß ab. Nur noch die tieferen Verletzungen brannten.

    Eine Schmeißfliege hatte den Weg in sein Verlies gefunden und umschwirrte ihn. Ihr ständiges Surren war das einzige Geräusch in der Dunkelkammer. Sie krabbelte über sein Gesicht und mehrmals versuchte der Polizist sie mit einem Wischen seiner Hand zu verjagen. Irgendwie schaffte er es unter großen Anstrengungen sich zum Sitzen aufzurichten. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Holzwand und schloss die Augen. Gabrielas Worte, er würde sich den Tod wünschen, herbeiflehen, bekamen langsam einen anderen Sinn. Tausend Dinge geisterten durch seinen Kopf.

    Erinnerungen
    Fragen
    Ängste

    Die Rachsucht von Gabriela Kilic kannte keine Grenzen! Und alles nur, weil sein Partner und er im vergangenen Jahr zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Anfangs hatte sich der Kommissar noch schwere Vorwürfe gemacht, dass Andrea und er Luca, den Bruder der Kroatin, bei ihrer gemeinsamen Flucht mit Aida blutend in dem Schuppen zurückgelassen hatten. Keiner konnte zu dem Zeitpunkt ahnen, dass es dem widerlichen Typen, laut der Aussage seiner Schwester, die Schlagader am Hals zerfetzt hatte. Als er im Nachhinein bei Recherchen raus gefunden hatte, dass es sich bei dem Mann um einen Schänder der übelsten Art und kaltblütigen Mörder gehandelt hatte, war es mit seinen Gewissensbissen vorbei gewesen.
    Ben tauchte weiter ab in die Bilder der Vergangenheit. Gleich einem Film spielten sich die Szenen in dem Schuppen vor seinem inneren Auge ab. Szenen, von denen er dachte, er hätte sie schon längst aus seinem Gedächtnis vertrieben. Gabriela hatte ihren Bruder abgöttisch geliebt und alles verziehen, was er angestellt hatte. Während der Gerichtsverhandlung, bei der er als Zeuge aussagen musste, hatte sie ihm mehr als einmal eine tödliche Vergeltung geschworen.

    Eine unbändige Angst und Panik stiegen in ihm hoch, wenn er daran dachte, was man ihm noch antun würde. Gleichzeitig war da noch dieser Urinstinkt in ihm, der ihm eintrichterte: Du musst überleben, weiter leben … weiterkämpfen. Fliehen!
    Wie so oft in den letzten Tagen, richtete er sich auf und humpelte zur Stahltür. Mehrfach hatte er schon versucht eine Schwachstelle in der Zugangstür zu finden. Ein Schlupfloch in die Freiheit.

    Enttäuscht rutschte er an der Stahltür runter auf den Boden. Durst quälte ihn. Vorsichtig begann er in dem finsteren Loch über den Boden zu robben und suchte diesen mit seinen Händen nach einer Wasserflasche ab.
    Nichts … da war einfach nichts.
    Verzweiflung machte sich in ihm breit. Ben schrie lauthals los. Schrie all seinen Frust, seine Wut heraus. Er wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlichster, als wieder in diesen wohltuenden Abgrund ohne Schmerz und Leid abzutauchen. Die wildesten Hirngespinste malte sich ein gequälter Geist aus und alle endeten mit einem Ergebnis, was für eine Erlösung es für ihn wäre, wenn es jetzt und hier zu Ende wäre.

    *****

    Auf der PAST

    Semir erreichte müde und verschwitzt am späten Abend des gleichen Tages die Dienststelle. Den kompletten Arbeitstag hatten er und seine Kollegen in der prallen Sonne Dienst geschoben. Dank der Ringfahndung, die auf Grund der Anschläge am frühen Morgen in der Kölner Innenstadt vom Innenministerium angeordnet worden war, kontrollierten er und Jenny irgendwelche verdächtigen Fahrzeuge samt Insassen auf Autobahnrastplätzen. Laut Zeugenaussagen, hätten es zig verschiedene KFZ-Kennzeichen gewesen sein können. Nur in einem waren sich alle Zeugen einig. Das Täterfahrzeug, aus welchem auf die Richterin geschossen worden war, war ein roter VW Passat, älteres Modell, mit einem Kölner Kennzeichen und einer fünf am Ende gewesen. Alle in Frage kommenden Fahrzeuge wurden kontrolliert. Und der Erfolg war gleich Null. Keine Spur von den Verdächtigen! Nur ein Einbrecher-Duo konnte zufällig verhaftet werden.

    Für den Autobahnpolizisten war es ein verlorener Tag bei seiner Suche nach Ben.

    Erschöpft ließ er sich in seinen Schreibtischstuhl fallen. Aus dem Getränkeautomat hatte er sich vorher ein gekühltes Mineralwasser geholt, welches er schluckweise trank, während er über die Ereignisse des Vormittags nachdachte. Es hatte nicht nur Anschläge in Köln gegeben. Zusätzlich zu den Anschlägen in der Nacht zuvor waren ein Richter des Landgericht Düsseldorfs und drei Beamte des LKAs ebenfalls Opfer von Mordanschlägen geworden. Für den Türken war klar. Das waren keine Zufälle, keine Terroranschläge, wie es die Presse behauptete, sondern es war ein groß angelegter Rachefeldzug. Im Falle der Opfer im Großraum Köln war der Zusammenhang zu Gabriela Kilic offensichtlich. Nur der dämliche Oberstaatsanwalt schien sich nicht für diese These zu interessieren. Am Morgen war es deshalb zu einem erbitterten Streit zwischen Semir und seiner Chefin gekommen, weil der Türke lieber nach Ben und der Kilic gesucht hätte. Stattdessen musste er die Fahndung nach den Tätern der Anschläge mit unterstützen. Erst als ihm Frau Krüger mit disziplinarischen Maßnahmen bis hin zu Entzug des Falles Ben Jäger gedroht hatte, lenkte der Türke widerwillig ein.

    Mit einem kritischen Blick begutachtete Semir die Aktenberge, die ihm Susanne auf die Schreibtischplatte gelegt hatte, bevor sie Feierabend gemacht hatte. Na die Lektüre für den Abend und die Nacht war gesichert. Er beschloss erst einmal duschen zu gehen und die verschwitzte Kleidung zu wechseln. Anschließend wollte er zusammen mit den Kollegen vom Nachtdienst sich einen kleinen Imbiss bei einem Pizza-Service bestellen. Es machte seiner Ansicht nach keinen Sinn nach Hause zu fahren. Wozu auch, es war keiner da, der auf ihn wartete und wenn er müde war, konnte er sich im Bereitschaftsraum auf eines der Feldbetten zum Schlafen hinlegen.

    Das Spiel beginnt :thumbup:
    und wieder schaffst du es eine überraschende Wendung einzubauen
    Lucas outet sich und will einen Alleingang starten .... hmmm ...
    Anna Engelhardt wird mitspielen ... das SEK zwangsläufig auch ...
    doch Semir ... - kann ich mir nicht vorstellen
    wird der kleine Türke die Trumpfkarte
    freue mich schon auf die Action aus deiner Feder

    Auf dem Bildschirm erschien ein Fernsehbild vom N24 – Breaking News – Terroranschläge in Köln, lautete die Überschrift. Im Hintergrund sah man eine Unfallstelle auf der Autobahn A661. Der Berichterstatter ließ die Kamera in Richtung eines brennenden Autowracks schwenken und schilderte dabei den interessierten Fernsehzuschauer, dass sich in dem Fahrzeug die Staatsanwältin Frau Dr. Schrankmann, samt Tochter und Lebensgefährten befunden hatten. Engagierte Unfallzeugen konnten die Staatsanwältin und ihre Tochter aus dem brennenden Fahrzeug retten. Für deren Lebensgefährten kam jede Hilfe zu spät. Die beiden verletzten Frauen wurden mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik für Brandwunden geflogen. In den nächsten Tagen würde sich rausstellen, ob sie die schweren Verletzungen überleben würden. Die Szene wechselte zu einem Wohnhaus, der gehobenen Art in einem Kölner Vorort. Auf dem Bildschirm sah man unzählige Streifenwagen, Zivilfahrzeuge und Fahrzeuge der Rettungsdienste, die mit flackernden Blaulichtern eine Zufahrtsstraße blockierten. Auch hier berichtete die Reporterin recht emotionslos darüber, dass man am frühen Morgen, die Richterin, Daniela Hügelbeck, vor ihrem Anwesen niedergeschossen hatte. Ein Tatmotiv im privaten Umfeld wurde ausgeschlossen.

    Ben wusste sofort, wer diese Richterin gewesen war. Sie hatte damals den Vorsitz in der Gerichtsverhandlung gegen Gabriela Kilic gehabt und diese verurteilt. In beiden Fällen war für den jungen Polizisten das Motiv klar: Rache. Seine Atmung beschleunigte sich, er keuchte laut vor sich hin. Sein Pulsschlag erreichte ungeahnte Dimensionen, als ihm bewusst wurde, wie weit der Rachefeldzug der Kilic gehen würde. Ihm fiel sofort ein Name ein: Andrea, deren Aussage letztendlich die Kroatin hinter Gitter gebracht hatte und sein Freund Semir! Der Türke und seine Familie befanden sich in allergrößter Gefahr, denn diese Frau würde selbst Aida und Lilly nicht verschonen.

    Scheinbar konnte die Kroatin seine Gedankengänge auf seinem Gesicht ablesen. Sie kicherte gehässig vor sich hin und verspottete ihn dabei.
    „Na ist der Groschen gefallen, Bennilein? Rate mal, wen wir als nächstes auf der Abschussliste haben? …. Freue dich drauf, du darfst bestimmt live dabei sein!“

    In Ben brodelte der Hass auf diese Frau, dazu kam seine eigene Ohnmacht, dass er hilflos zum Zuschauen verurteilt war. Da kam ihm eine Eingebung. „Leg dich ruhig mit Semir an, du Miststück! … Du wirst wieder den Kürzeren ziehen! … Diesmal wird es nicht nur bei einem verkrüppelten Arm bleiben, diesmal wird mein Partner richtig zielen! … Zwischen die Augen!“, zischelte er sie wie eine Giftschlange provokativ an. Jeder Satz war ein Volltreffer. Er konnte es an ihrer Mimik ablesen, ihre Wangenmuskeln zuckten verräterisch, in ihren Augen glomm neben Wut noch etwas anderes auf, das Ben als einen Anflug von Angst interpretierte. Ihre Revanche ließ nicht lange auf sich warten.

    Gabriela gab dem Grauhaarigen ein Zeichen, der daraufhin näher herantrat und mit seinem Schlagstock dem Polizisten einen derben Schlag auf die kurzen Rippen verpasste. Pfeifend entwich dem jungen Polizisten die Atemluft aus der Lunge. Er glaubte, seine Rippen brechen zu hören. Seine Schmerzensschreie durchhallten den Raum. Tränen traten ihm in die Augen. Etwas Warmes lief an seiner Seite herunter. Die fast verheilte Stichverletzung war an einer Stelle wieder aufgebrochen. Zufrieden lächelte Gabriela vor sich hin und wartete darauf, bis Ben wieder ansprechbar war. Mühsam hob dieser seinen Kopf an und schlug die Augen auf. Vor ihm hatte sich der Grauhaarige aufgebaut. Den Schlagstock hatte er gegen ein Kampfmesser ausgetauscht, dessen rasiermesserscharfe Klinge im Licht der Halogenleuchten glitzerte.

    Ben spuckte seinem Widersacher vor die Füße und rang sich dazu durch, sein frechstes Grinsen aufzusetzen, was ihm in seiner körperlichen Verfassung möglich war. „Hast du Rambo den Zahnstocher geklaut, du perverses Schwein!“

    „Manieren hat der Kleine immer noch nicht Gabriela! Er sollte doch langsam wissen, dass er bestraft wird, wenn er unartig ist!“, feixte der Söldner vergnügt vor sich hin, „ich werde dir schon zeigen, was dieser Zahnstocher alles kann.“
    Er hielt Ben die Schneide des Messers an den Hals, drückte leicht auf und ritzte die Haut an. Ein dünner Blutfaden rann an Bens Hals herunter. Der Polizist erstarrte mit weit aufgerissenen Augen.
    In das Gespräch zwischen den beiden mischte sich auch Gabriela ein.
    „Ich glaube es wird langsam Zeit, dass ich die Herren einander vorstelle. Mein Ausbilder bei der Armee und bester Freund seit ewigen Zeiten, Remzi Berisha, Jägerlein. Präge dir sein Gesicht genau ein Bulle. Ihr beide habt ja schon das Vergnügen mit einander gehabt!“ Sie schnaubte erregt durch die Nase aus, „Remzi hatte es bisher immer geschafft, aus einem Gefangenen die gewünschten Informationen heraus zu kitzeln. Er hat dafür ein besonderes Talent, ich möchte behaupten, er ist ein wahrer Meister seines Faches. Sein Spitzname im Balkankrieg war: Mesar – Der Metzger!“

    Gabriela zog sich einen der Sessel heran und ließ sich gemütlich darin nieder. Aus einer ihrer Taschen holte sie sich eine Zigarillo heraus, die sie sich ansteckte und genüsslich daran sog. Hämisch grinsend zog der Söldner rasiermesserscharfe Schneide von Bens Hals weg und wackelte demonstrativ mit dem Kampfmesser vor dessen Augen hin und her.

    „Und bereit Bulle? Das Spiel beginnt. Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder du bettelst mich jetzt unterwürfig an, dass ich Rambos Spielzeug nicht benutze oder ja … wir probieren mal aus, wie lange du durchhältst!“
    Dabei setzte er die Klinge an Bens Brust an. Sie durchdrang den Stoff des Shirts und hinterließ auf Bens Brust einen kleinen Schnitt. Augenblicklich quoll ein feiner Blutstrom aus der Wunde und wurde von dem Shirt aufgesogen. Deutlich hörbar entwich die Atemluft Bens Lunge, als die Wunde anfing zu brennen. Doch dies sollte erst der Anfang des Martyriums sein. Remzi Berisha, der in seinem Leben schon ungezählte Menschen zu Tode gefoltert hatte, verstand sein Handwerk. Er kannte all die schmerzempfindlichen Stellen am Körper seines Opfers.

    Er fügte dem Polizisten keine gefährlichen oder tiefen Wunden zu. Doch etwas hatten all diese kleinen Schnitte, an der die Spitze der Messerklinge in die Haut eingedrungen war, gemeinsam: Der Blutverlust war minimal. Sie waren nicht sehr tief, mehr oder weniger nur oberflächlich, brannten wie ein kleines Feuer und fügten Ben in ihrer Gesamtheit eine kleine Hölle an Schmerzen zu. Noch eine bittere Erfahrung machte der junge Polizist, so sehr er auch versuchte, den Schmerz aus seinem Bewusstsein zu verdrängen, es gelang ihm nicht. Anfangs schaffte Ben es noch mit zusammengebissenen Zähnen, dass kein Laut des Schmerzes über seine Lippen drang. Er hatte einen imaginären Punkt vor sich am Boden an fixiert, der mehr und mehr im Tränenschleier verschwamm, im Nichts verschwand. Der dunkelhaarige Kommissar fühlte nur noch unendlichen Schmerz. Wie aus weiter Ferne drangen die provozierenden Worte des grauhaarigen Söldners zu ihm durch.
    „Komm, Bennilein! … Bitte mich darum, … bettle mich an … flehe mich an und ich höre auf, Na los Bullenschwein gib schon auf!“

    Auch wenn Ben längst seine Schmerzgrenze überschritten hatte, war er nicht bereit, aufzugeben und sich brechen zu lassen. Schwärze stieg vor seinen Augen auf. Er stöhnte und keuchte mittlerweile. Sein Körper war mit Schweiß bedeckt und fing an zu zittern. Irgendwie schaffte er es dem Grauhaarigen eine Antwort entgegen zu zischen, „Nicht … in … diesem … Leben! Das … wirst… DU …. Ausgeburt .. der Hölle … nicht … erleben, dass … ich … DICH anbettle!!“

    Remzi lachte lauthals vor sich hin, trat näher an Ben heran. Mit seiner freien Linken hob er dessen bärtiges Kinn an und setzte die Messerklinge erneut seitlich an dessen Hals an. Eine falsche Bewegung des Polizisten und der Grauhaarige würde die Halsschlagader durchtrennen. „Bulle! Du weißt noch gar nicht, was es bedeutet Schmerz zu erleiden!“ Er ritzte die Haut wieder an, bis ein dünner Blutfaden herunterrann. „Ich meine, wahre Schmerzen!“, legte er noch bekräftigend nach.

    Ben wagte es nicht zu schlucken noch zu atmen, obwohl ihm der widerliche Knoblauchgeruch des Söldners entgegenschlug. Ihm war bewusst, an welch seidenen Faden soeben sein Leben hing. Jede noch so kleine Regung, das Zucken eines Muskels, könnte unwillkürlich sein Ende bedeuten. Das Grinsen des Söldners wurde immer breiter.

    Anfangs hatte Gabriela das Schauspiel voller Entzücken beobachtet. Doch als sie bemerkte, wie sich die Situation zuspitzte und die Gefahr bestand, dass sie die Kontrolle verlieren könnte, griff sie ein.

    „Lass es gut sein Remzi! Der Kerl soll noch ein paar Tage bis zum großen Finale durchhalten! Schafft ihn rüber in seinen Verschlag! … Der Tag ist noch lang, wenn er sich etwas erholt hat, geht es in die nächste Runde.“

    Die beiden Söldner lösten die Seile in ihren Halterungen und Ben sank lautlos in sich zusammen. Er tauchte ab in eine wohltuende Finsternis.

    Stick gegen Geiseln ... war klar das dieses Tauschgeschäft kommen würde
    Lucas möchte ich ehrlich gesagt nicht zum Feind haben. Momentan frage ich mich, macht er einen Alleingang ... wobei ... Semir kriegt er nicht los ... der will Ben befreien ...
    mir schwirren da so einige Szenarien im Kopf herum, wie es weiter gehen könnte
    lass mich überraschen, was du dir ausgedacht hast

    ein Drama mit umgekehrten Vorzeichen ...
    Semirs Körper ungebremst gegen Baumstamm ... autsch ... keine Knautschzone ... ich will mir gar nicht vorstellen, was sich der kleine Türke dabei alles gebrochen hat
    Bens Verzweiflung kam gut rüber ... stell mir das furchtbar vor, wenn dein bester Freund vor dir liegt, du ihn reanimieren musst und keine Hilfe ins Aussicht steht
    so und jetzt bitte .. irgendwo ein Bauer, der auf dem Feld arbeitet und den Unfall beobachtet hat
    oder die Ponys laufen auf die Straße und ein aufmerksamer Autofahrer ruft professionelle Hilfe ... am besten gleich den Heli

    Am darauffolgenden Tag … irgendwo …

    Die Zeit hatte für Ben jegliche Bedeutung verloren. Er vermochte nicht zu sagen, wie viele Stunden verstrichen waren, seitdem die Tür zum Verlies das letzte Mal geöffnet worden war und die Deckenbeleuchtung aufgeflammt war. Man hatte ihn zwischenzeitlich mit Essen und Trinken versorgt, jedoch immer von ihm unbemerkt. Seine Peiniger schienen jedes Mal darauf gewartet zu haben, bis er schlief. Irgendwo hatte er mal in seiner Ausbildung einen Bericht gelesen, dass Folterknechte im Mittelalter ihre Opfer zwischendurch schön hegten und pflegten, damit sie länger durchhielten. Genau so kam Ben sich mittlerweile vor. Die Schmerzen der letzten Prügel waren auf ein erträgliches Maß verebbt. Die Schwellung am rechten Auge und am rechten Hinterkopf hatte nachgelassen. Zu seiner Überraschung waren seine Rippen noch heil geblieben, auch wenn jeder tiefer Atemzug schmerzte.

    Der junge Polizist saß in einer der hinteren Ecken, die dem Eingang gegenüber lag und grübelte darüber nach, was seine Peiniger als Nächstes mit ihm vor hatten. Zweifellos nichts Gutes, als sich mit einem leisen Quietschen die Stahltür öffnete.
    Im Lichtschein der geöffneten Tür erschien Gabriela, die heute eine hautenge schwarze Hose, ein dunkles Top und wieder eine über die Schulter hängende schwarze Strickjacke trug. Ihre Haare waren streng nach hinten gekämmt und zu einem Zopf zusammengefasst. Täuschte er sich? Nein … der Ansatz der Haare war auf einmal blond.

    Ihre beiden Komplizen flankierten sie rechts und links. Der Größere hielt einen Schlagstock in der Hand, mit dem er demonstrativ in die geöffnete Handfläche der linken Hand klopfte. „Hoch mit dir Bulle!“ befahl der Größere Ben, der in seiner Lieblingsecke saß, „Die Schonzeit ist vorbei. Es wird Zeit für die nächste Runde.“

    Camil betrat die Holzkiste. Der Schnauzbärtige hielt einen Elektroschocker in seiner Rechten. Um die Worte seines Kumpels zu unterstreichen, schaltete er das Gerät an. Das leise Surren war unüberhörbar.
    Ben merkte, wie ihn angesichts des Elektroschockers das blanke Entsetzen packte. In der Vergangenheit hatte er schon einmal die Bekanntschaft mit diesem Folterinstrument gemacht. Ein kalter Schauer durchrann seinen Körper. Er biss sich auf die Lippen, was sollte er angesichts dieser Übermacht tun? Widerstand leisten? Zwecklos! Das letzte Mal hatte er eine ordentliche Tracht Prügel von den beiden Söldnern bezogen. Er gab dennoch die Hoffnung nicht auf, seine Stunde würde noch kommen.
    Mühsam kämpfte der Polizist sich auf die Beine und stand schwankend in der Mitte des kleinen Raumes. Camil gab ein gehässiges Lachen von sich. Ben konnte seinen Atem im Nacken spüren, begleitet vom Surren des Schockers, als er sich an der Wand abstützend, auf seinen anderen Peiniger zu humpelte. Bei jedem Schritt durchströmte Ben ein Schmerzimpuls seines rechten Beines. Über Gabrielas Züge huschte ein teuflisches Lächeln, als sie ihr Opfer beobachtete. Sie schnalzte genüsslich mit der Zunge und lobte ihn.

    „Sehr gut! … Es geht doch! Scheinbar hast du dich von der letzten Kostprobe gut erholt. Du wirst dich freuen Bulle, wir haben ein paar nette Überraschungen für dich parat, damit es dir in der nächsten Zeit nicht langweilig wird!“

    Gabriela trat einen Schritt näher an Ben heran. Er konnte ihren Atem praktisch in seinem Gesicht spüren.

    „Ach ja! … Verzichte dankend auf deine Art des Austausches von Höflichkeiten!“, konterte Ben.

    Mit ihrer Linken umfasste sie sein Kinn und drückte es leicht nach oben. Der Elektroschocker surrte noch immer in seinem Nacken. Ihm war klar, eine falsche Bewegung und der Schnauzbärtige würde das Folterinstrument gnadenlos anwenden.

    „Kaum kann er wieder stehen, schon wird er wieder aufmüpfig unser kleiner Polizist. Das wird dir schon noch vergehen!“, gab sie zurück. Die Kroatin ließ Ben los und trat zur Seite. Mit ihrer Linken gab sie Remzi ein Zeichen, der den Gefangenen die Arme brutal nach hinten auf den Rücken riss und jede Gegenwehr im Keim erstickte.

    Bens Augen hatten sich zwischenzeitlich an die Helligkeit gewöhnt. Zum ersten Mal hatte er die Gelegenheit die anderen Räumlichkeiten seines unfreiwilligen Aufenthaltsortes genauer zu mustern. Man hatte tatsächlich in einem Gewölbekeller, der als Weinlager diente, einen Holzverschlag hineingebaut, der einzig und allein dem Zwecke seiner Gefangenschaft diente. Die Weinregale waren an dieser Stelle abgerissen worden. Die Regalbretter lagen lose aufeinander getürmt in einer Ecke. Die Außenhülle der Holzkiste war mit Akustikdämmwolle komplett verkleidet. Wenn er an die ersten Stunden seines Aufenthaltes hier dachte, war ihm klar, was man damit bezwecken wollte.

    Sie durchschritten den dahinterliegenden Raum. Die Spuren seiner letzten Misshandlungen waren längst beseitigt worden. Diesmal ging es weiter durch einen langen Gang, dessen Boden mit Marmorfliesen bedeckt war, bevor sie das eigentliche Ziel erreichten. Der Söldner veränderte den Handgriff und zwang Ben die letzten Meter bis in die Mitte des Raumes vornübergebeugt zu laufen.

    Dort gab es zwei dicke Seile, die über Umkehrrollen von der Decke herabhingen, an deren Enden dünne Hanfseile befestigt waren. Der Schnauzbärtige zog die Hanfseile zu sich heran und legte sie um Bens Handgelenke und zurrte sie fest. Währenddessen hielt ihn Remzi in seinem Klammergriff brutal fest. Gemeinsam zogen die beiden Söldner an den dicken Stricken, bis Bens Füße den Kontakt zum Fußboden verloren hatten. Hilflos pendelte er mit nach oben gestreckten Armen hin und her.

    Zum ersten Mal konnte der Polizist den gesamten Raum vor sich erfassen. Sein Blick schweifte umher. Kaltes Licht aus unzähligen Halogenlampen leuchtete ihn aus. Die Fenster und vermutlich eine Terrassentür waren abgedunkelt worden. Beim näheren Betrachten erkannte er eine Akustikdämmung, wie er sie mit seiner Band im Probenraum benutzte. Diese Dämmung war auch an der Rückseite der Tür angebracht worden. Ihn fröstelte bei dem Gedanken, was die mit anstellen würden, wenn seine Peiniger solche Vorkehrungen trafen, damit kein Laut nach draußen dringen konnte. Die beiden Söldner hatten die Enden der Seile an Halterungen an der Wand befestigt und sich seitlich neben ihre Chefin gestellt.

    Ihm gegenüber war eine Kamera auf einem Stativ aufgebaut, die von einem jungen Mann ausgerichtet wurde. Die Gesichtszüge des Schwarzhaarigen kamen ihm merkwürdig vertraut vor. Jedoch hatte er keine Zeit weiter darüber nachzudenken, die Szenen, die sich vor ihm abspielten, nahmen ihn völlig gefangen. Das ist doch abartig, dachte Ben bei sich, die wollten ihn allen Ernstes auch noch filmen, während sie ihn folterten. Das war doch pervers, vollkommen pervers.

    Rashid, der sich mit Internet, Computertechnik, Netzwerken und allem was dazu gehörte, perfekt auskannte, programmierte noch ein paar Verknüpfungen für die Aufzeichnungen an seinem Laptop. Daneben stand ein kleiner Computertisch, auf dem sein Laptop, auf dessen Tasten der Dunkelhaarige wild rumhämmerte und ein weiterer Computerbildschirm in der Größe eines Fernsehers aufgebaut worden waren. Der Bildschirm war schwarz und fing an zu flackern.

    Ben überlegte, welche Schweinerei die Kilic sich für ihn ausgedacht hatte. Seine Schultermuskeln begannen bereits von der unnatürlichen Haltung zu schmerzen. Der junge Kommissar presste die Zähne zusammen, die dünnen Hanfseile schnitten sich in die Haut der Handgelenke. In ihm schwelte eine abgrundtiefe Angst vor dem, was da auf ihm zukommen würde. Sein Herz raste wie wild. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn. Irgendwann hielt er die Anspannung nicht mehr aus und lauthals brüllte er los: „Was soll das hier alles? Ihr habt doch nicht mehr alle Latten am Zaun! Ihr seid vollkommen irre!“

    Gabrielas eisgrauen Augen leuchteten erwartungsvoll auf, ihre Lippen bebten vor freudiger Erregung. Genüsslich leckte sie sich mit ihrer Zunge darüber. „Rashid, ist alles fertig für die Sondervorstellung? Du hast doch gehört, unser Herr Hauptkommissar wird ungeduldig! Er darf doch ruhig wissen, warum wir ihm bisher so wenig Zeit widmen konnten!“

    Die Vergangenheit holt einen immer wieder ein - diese Erfahrung muss wohl auch Lucas machen
    er hat wohl die einzig richtige Entscheidung getroffen und seine Maske vor Semir fallen lassen
    waren sehr interessante Informationen, wobei ich mir das eine oder andere schon so zusammen gereimt hatte
    Lucas gehört zu den "Guten" ...
    na da bin ich mal gespannt, ob die neuen Partner Lucas und Semir in der Lage sind, die Entführten zu finden