Beiträge von Mikel

    so neues Kapitel ... und ich bin wieder nicht viel schlauer
    oder vielleicht doch? ... scheinbar kennen sich Ben und Christian doch besser als erwartet ... die Geheimsprache spricht für sich!!! Doch mit wem hat sich Christian angelegt???
    Was mir Sorgen macht, er zieht Ben mit hinein und der startet zu einem seiner berüchtigten Alleingänge
    es klingt, wie die Ruhe vor dem Sturm ...
    ich hoffe nur, Ben informiert in irgendeiner Form Semir von seiner Absicht

    Die beiden Frauen, Jessica Habermann und Kristina Bauer, kannten sich seit ungefähr vier Jahren und waren mittlerweile miteinander befreundet. In dieser Ecke des Straßenstrichs gab es keine Zuhälter, sondern man passte gegenseitig aufeinander auf. Wenn ein Freier mal Randale machte oder für erwiesene Dienste nicht zahlen wollte, gab es ein paar Typen einer Motorrad Gang, die gegen Bezahlung für Ordnung sorgten. Die Blonde kannte auch die Geschichte mit dem kleinen Jungen, natürlich nur die Version von Jessica, die immer die Hoffnung gehegt hatte, das Sorgerecht für den Jungen, der mittlerweile die Schule besuchte, zurückzubekommen.

    Vor gut zwei Wochen hatte Jessica von einem ganz großen Deal gesprochen, den sie machen würde. Mit dem Geld und ihrem Ersparten könnte sie aufhören auf den Strich zu gehen, ihr Leben ändern und sich einen kleinen Coffeeshop kaufen, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Kiki hatte ihr von dem Geschäft mit den Albanern abgeraten. Sie traute diesem schmierigen Typen einfach nicht. Mehr als einmal hatte sie ihre ermordete Freundin gewarnt. Sie lieferte Semir eine genaue Beschreibung des jungen Mannes, der Jessica mehrmals aufgesucht hatte. Auf Grund der Ermittlungsakten war dem Kommissar klar, dass es sich dabei um Rashid Stojkovicz gehandelt hatte. Er zog sein Handy aus der Tasche und zeigte Kiki ein Foto des jungen Albaners, die seinen Verdacht bestätigte. Auf Nachfrage erfuhr der Türke, dass bisher kein Polizeibeamter Kiki über ihre Freundin Jessica befragt hatte. Semir zeigte ihr ein Foto von Ben und erkundigte sich weiter, ob Kiki ihn in der Nähe von Jessicas Wohnwagen in den letzten Tagen beobachtet hatte.

    „Nein! Nein! … Das ist also der Polizist, der daran schuld war, dass ihr der Kleine weggenommen worden war. … Jessica hatte ihn abgrundtief gehasst! Er soll so ein verwöhntes Millionärssöhnchen sein, der aus Zeitvertreib zur Polizei ging.“

    Semir ging nicht näher auf diese Bemerkung ein, bestätigte sie ihm letztendlich nur, dass die Ermordete bereit gewesen war, sich an Ben zu rächen.

    „Eine Frage letzte Frage noch! … War Jessica Habermann Rechtshänderin oder Linkshänderin?“

    „Linkshänderin!“, kam es sofort von der Dame auf dem Bett, „Sie ging immer in so einem Extra Laden in der Innenstadt, um sich Sachen für Linkshänder zu kaufen!“

    Semir bedankte sich bei der Blondine und überreichte ihr seine Visitenkarte und eine weitere 50 Euro Note. „Wenn ihnen noch was einfällt oder etwas Verdächtiges beobachten, können Sie mich auf meiner Dienststelle erreichen!“

    Zum Abschied kam doch die Prostituierte bei Kiki wieder durch. Sie konnte es einfach nicht lassen und machte dem Türken noch ein eindeutiges Angebot. Genießerisch fuhr sie sich mit ihrer Zunge über die Lippen, strich mit ihren Händen an den Hüften entlang und hob zum Schluss ihre Brüste an, dass sie fast aus dem engen Oberteil heraus sprangen.

    „Na was ist Herr Kommissar? Hätten Sie nicht doch Lust auf Abwechslung und darauf, sich von mir verwöhnen zu lassen? Sie könnten mich über den Verlust meiner Freundin ein wenig trösten und ich würde sie ein bisschen auf andere Gedanken bringen!“

    Trotz seiner Anspannung musste Semir auflachen.

    „Vergiss es Schätzchen! Ich bin glücklich verheiratet!“

    Dabei deutete er auf seinen Ehering, hauchte einen Kuss darauf und verließ den Wohnwagen. Unschlüssig stand er einen Moment rum und überlegte, versuchte sich in Ben hineinzuversetzen. Nach der Abfuhr von Anna war er sicherlich hierhergekommen und hatte Jessica Habermann zur Rede zu stellen wollen. Langsam schritt er zurück zum Wohnwagen der Toten und betrachtete das Polizeisiegel an der Eingangstür und die Außenhülle des Campers. Akribisch suchte er vor der Eingangstür und auf dem Asphalt des Gehweges nach verdächtigen Spuren. … Nach Blutspuren.

    War es Instinkt oder Eingebung, er konnte es später nicht sagen. Auf dem Weg zu seinem geparkten BMW musterte er eingehend die Grünstreifen neben dem Gehweg, die mit Büschen und Hecken bewachsen waren. Der Grasbewuchs auf dem Seitenstreifen schimmerte angesichts der hochsommerlichen Temperaturen in allen braunen Schattierungen. Unter einem der verdorrten Büsche lag ein schwarzes etwas, das sich bei näherem Hinschauen als Motorradhelm entpuppte. Der Kommissar kniete sich nieder, streifte sich ein Paar Einweghandschuhe über und krabbelte unter dem Busch. Lauthals fluchte er los, als ein spitzer Ast die Haut an seinem Arm aufritzte. Das Brennen der kleinen Wunde war schnell vergessen. Semirs Augen weiteten sich vor Schreck, als er den schwarzen Helm näher in Augenschein nahm. Er sah die Initialen, die eingestanzt waren.
    „Scheiße … ! Scheiße!“
    Es folgte noch eine Reihe türkischer Flüche, die nicht ganz jugendfrei waren, als er sich ziemlich fertig auf dem heißen Grasboden hinsetzte. ‚Das ist doch Bens Motorradhelm oder träume ich‘ dachte er bei sich. ‚Ben war also doch am Tatort gewesen.‘ Ein dunkler Fleck auf dem asphaltierten Gehweg zog seine Blicke magisch an. Er war lange genug Polizist, um zu erkennen, dass es sich hierbei um eingetrocknetes Blut handelte. Sein Herzschlag beschleunigte sich und gleichzeitig schnürte ihm die Beklemmung die Kehle zu.

    „Verdammt, das darf nicht wahr sein! … Ben, was hast du gemacht?“, stammelte er entsetzt vor sich hin. War der schlimmste anzunehmende Fall eingetreten und sein Freund wahrhaftig zu einem Mörder geworden?

    Semir konnte und wollte es einfach nicht glauben! Wer auch immer von seinen Kollegen aus der Mordkommission hier vor zwei Tagen ermittelt hatte, hatte s.chlampig gearbeitet, hatte sich für den Umkreis des ursprünglichen Tatorts überhaupt nicht interessiert. Der Türke brauchte Gewissheit darüber, was vermutlich geschehen war. Mehr mechanisch zog er sein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer der KTU. Nach einer energischen Diskussion mit Hartmut hatte er diesen überzeugt, dass dessen Dienste hier dringend benötigt wurden. Einstein war der Einzige, dem Semir zu traute Licht ins Dunkel zu bringen, die Spuren des Tatorts zu lesen und zu interpretieren.

    Zu Beginn der Wartezeit saß Semir im Schatten eines großen Strauchs. Nicht nur die sommerliche Hitze trieben ihm die Schweißperlen auf die Stirn. Es war die Sorge um seinen Freund und Partner. Schlimme Gedanken peinigten ihn. Diese Ungewissheit, ob Ben schuldig war? War er wirklich zum Mörder geworden und deshalb spurlos verschwunden? Oder war seinem Freund etwas passiert?

    Respekt vor Sarah: Selbst in dieser kritischen Situation behält sie einen klaren Kopf und handelt richtig, um Bens Leben zu retten.
    Die Schocktherapie in Bezug auf Semir hat wohl geholfen, auch wenn der Preis, den er dafür zahlen muss, eine erneute schwere Verletzung ist ... bleibt die Hoffnung, dass die OP gut ausgeht und das Orchideen-Medikament seine Wirkung getan hat

    nur Maria ... die ist irgendwie zu billig davon gekommen ... der hätte ich lebenslang Knast oder Sicherungsverwahrung gegönnt

    War mir schon klar, Anna Engelhardt führt keiner an der Nase herum. Der Vorfall mit Ben und den Pillen wird noch ein Nachspiel haben
    Das Katz-und-Maus Spiel zwischen Lucas und unseren beiden Kommissaren geht weiter ...
    ich bin gespannt, wieviel Einblicke hinter seine Fassade Lucas gewähren wird ... wer weiß? Vielleicht zwingen ihn die Umstände dazu ;):?:
    zu Hartmut gibt es nicht viel zu sagen ... außer ... Einstein halt ... ich vermute auch, dass der Rotschopf die entscheidende Entdeckung bei der Durchsuchung machen wird, vorausgesetzt - es gibt da tatsächlich was zu finden
    und um die Spannung perfekt zu machen, taucht Christian aus der Versenkung auf ...
    ich würde sagen ... der Spannungsbogen steigt und Frau fiebert dem nächsten Kapitel entgegen :)

    so ... ich sitze da und bin wieder mal sprachlos ... einfach unglaublich, was für Überraschungen, du in deiner Geschichte hast :thumbup:
    aber alles schön der Reihe nach ... ;););)
    Ben weiht Semir in Bezug auf Jenny ein ... entschuldigt sich für sein Verhalten alles sehr löblich :)
    Die Beschreibung des Staatsanwalts war wie ein Vorbote ... Unheil naht
    und dann kam die Krönung im neuen Kapitel ... das Verhalten von Lucas :thumbup:
    Angriff ist die beste Verteidigung ... Respekt wie der diese Situation mit dem Staatsanwalt gelöst hat ... auf solch eine Idee muss man erst mal kommen :thumbup:
    nur ab das eine neue Vertrauensbasis für die Zusammenarbeit mit Ben und Semir ist, frage ich mich gerade :?:
    irgendwie habe ich das Gefühl, Lucas hat noch mehr dunkle Geheimnisse
    so und jetzt spanne uns nicht zu lange auf Folter ... ich will wissen was bei der Durchsuchung des Forschungslabors rauskommt
    und vor allem ... wo ist Bens Cousin?

    Industriegebiet Hürth

    Sehr zum Ärger der anderen Verkehrsteilnehmer fuhr der Autobahnpolizist die Reihe der geparkten Wohnwagen im Schritttempo ab. Der eine oder andere Autofahrer, der ihn überholte, quittierte seine Fahrweise mit wütendem Hupkonzert.
    „Du mich auch … !“ kommentierte Semir nur das Verhalten seiner aufgeregten Zeitgenossen mit einer eindeutigen Geste seiner Hand durch das geöffnete Seitenfenster.

    Viele der Caravans waren schon in die Jahre gekommen. Der Zahn der Zeit und das Wetter hatten deutliche Spuren an den Außenhüllen hinterlassen. Auf diesem Straßenstrich herrschte wahrscheinlich erst mit Einbruch der Nacht Hochbetrieb. Vereinzelt posierten vor einigen Wohnmobilen die Damen des horizontalen Gewerbes und warteten auf Kundschaft. Semir hielt seinen Wagen auf einem freien Seitenstreifen an und schaute nochmals nach dem Straßennamen und der genauen Lage des Tatorts an. Er ließ den BMW wieder langsam anrollen und fuhr weiter.

    Endlich entdeckte er das gesuchte Objekt auf einer der Parkflächen am Straßenrand. In einer in der Nähe gelegenen Seitenstraße parkte er seinen silbernen BMW. Bis auf die vorbeifahrenden PKWs und LKWs wirkte dieser Teil des Industriegebietes wie ausgestorben. Jessica Habermanns Wohnwagen gehörte zu den älteren Modellen. Wie so oft, war Semir etwas zu klein geraden und er musste sich auf die Deichsel stellen, um durch die dreckverschmierte Fensterscheibe einen vagen Blick ins Innere zu werfen. Mit einem Taschentuch, das er aus der Hosentasche gezogen hatte, versuchte er den Staub auf dem Kunststofffenster beiseite zu wischen. Das große Bett war zerwühlt. Zudecke und Kopfkissen lagen auf dem Boden. Auf dem weißen Bettlaken war nirgends ein Blutfleck zu erkennen. Auch sonst konnte Semir keine Blutspuren an den Wänden oder auf dem grauen PVC-Boden erkennen. Komisch dachte er bei sich. Semir blieb bei seiner These, dass jemand die Prostituierte als lästige Zeugin aus dem Weg geräumt hatte.

    „Hey du Spanner! Was machst du da? Verschwinde oder ich ruf die Bullen!“, forderte eine energische tiefe Frauenstimme ihn von hinten auf.

    Semir drehte sich um und blickte in das üppig geschminkte Gesicht einer Blondine, die auch schon mal bessere Zeiten gesehen hatte. Ihr Lebenswandel hatte deutliche Zeichen hinterlassen. Ihr Körper war ein bisschen aus den Fugen geraten und die knappe Kleidung, die vermutlich ihre weiblichen Reize betonen sollte, verstärkte diesen Eindruck.
    „Was suchst du da?“
    „Ganz ruhig!“, beruhigte der Türke die Frau und fischte seinen Ausweis aus der Hosentasche. „Die Polizei ist schon da. Kannten Sie Jessica Habermann, die hier gearbeitet hat?“
    Er sprang von der Deichsel herunter auf den Gehsteig und stand der Frau gegenüber, die ihn immer noch misstrauisch beäugte.
    „Wieso fragst du so dämlich? Und was heißt: kanntest?“, fragte die nachgemachte Blondine vorsichtig nach.
    Semir blickte zu der Frau auf, die ihn auf ihren Stilettos um Haupteslänge überragte.
    „Man hat sie vor zwei Tagen hier Tod aufgefunden. Haben Sie nichts mitbekommen?“
    Er konnte an ihrer Mimik erkennen, wie es in ihr arbeitete.

    „Kommen Sie mit zu meinem Wohnwagen! So fallen wir zu sehr auf. Ich heiße übrigens Kiki!“, stellte sie sich vor und er folgte ihr, wie ein gewöhnlicher Freier. Von außen wirkte der Wohnwagen genauso schmuddelig und runtergekommen, wie die benachbarten Exemplare. Zu seiner Überraschung war es drinnen sehr sauber. Gleich zu Beginn ihrer Unterredung stellte Kiki klar, die mit richtigen Namen Kristina Bauer hieß, dass sie nur gegen die Zahlung eines kleinen Obolus bereit war, Semir ein wenig ihrer kostbaren Zeit zu widmen und Informationen Preis zu geben. Nachdem Semir mit einer 50-Euro Note vor ihrer Nase rumwedelte, wurde sie gesprächiger. Er stellte ihr weiteren 50 Euro Schein in Aussicht, falls ihre Hinweise einen gewissen Wert bei seinen Nachforschungen für ihn darstellen würden.

    Die Dame vom horizontalen Gewerbe machte es sich auf ihrem Bett gemütlich, einladend klopfte sie neben sich. „Setzen Sie sich neben mir!“ Doch der Polizist zog es vor, auf dem kleinen Hocker vor dem Bett Platz zu nehmen. Nachdem Semir ihr mitgeteilt hatte, wie ihre Freundin umgekommen war und ob sie oder eine der anderen Prostituierten etwas von einem Kampf mitbekommen hatte, schüttelte sie energisch den Kopf. Bei den Details hatte sie leise vor sich hin geflucht und versucht die Tränen, die ihr in die Augen schossen wegzublinzeln. Semir reichte ihr ein Taschentuch. Ihre üppige Schminke verwischte.

    „Scheiße! … Scheiße! … Scheiße!“, murmelte sie vor sich hin. „Ich hatte es geahnt, dass die Geschichte für Jessica nicht gut ausgeht! Ich hatte sie noch gewarnt!“

    Kiki schnaubte lautstark in das Taschentuch und zog eine Schublade, die in ihrer Griffweite lag, auf. Daraus holte sie eine kleine Flasche Whiskey, schraubte sie auf und nahm einige kräftige Schlucke. „Nur zur Beruhigung der Nerven! … Wollen Sie auch einen Schluck Herr Kommissar?“

    Semir schüttelte ablehnend den Kopf. „Geht’s wieder?“ – „Ja! Es muss! Nur Freundinnen sind rar in unserem Gewerbe! Es schmerzt, jemanden, der einem nahe steht zu verlieren.“ – Vorsichtig begann der Autobahnpolizist nochmals mit seiner Befragung und erkundigte sich, ob Kiki etwas Verdächtiges vor zwei Tagen bemerkt hatte.

    „Tut mir Leid, Herr Kommissar? Ich war die letzten beiden Tage bei meiner kranken Mutter und bin vor zwei Stunden wieder hierher zurückgekommen. Naja, ich muss halt Geld verdienen! Ist ein Job, wie jeder andere!“ Kiki nahm einen weiteren kräftigen Schluck Whiskey und fing anschließend an zu erzählen. Der Türke unterbrach ihren Redefluss nicht und hörte einfach zu. Zwischendurch nippte sie immer wieder an der Whiskeyflasche. Entgegen seinen Erwartungen erwies sich Kiki als reinster Glücksgriff.

    Zurück im Holzverschlag …

    Ben fröstelte es … es war kalt … ihm war einfach nur kalt … die Kälte kroch in seine Glieder. Seine nasse Kleidung klebte ihn am Körper. Die Verdunstungskälte linderte anfangs noch die Schmerzen der Schläge. Jede Stelle seines Körpers, die einen Treffer abbekommen hatte, brannte und sandten ihre eigenen Schmerzsignale aus. Mühsam versuchte sich Ben ein wenig aufzurichten. Über den rechten Unterarm robbte er in eine der hinteren Ecken des Verschlags. Mit der Wand als Stütze im Rücken gelang es ihm in eine sitzende Position zu kommen. Ben hatte seine Augen geöffnet. Nach wie vor hüllte ihn diese undurchdringliche Dunkelheit ein und er musste sich ausschließlich auf seinen Tastsinn verlassen.

    Mit steifen Fingern untersuchte er seine Verletzungen. Seine Unterlippe war angeschwollen und das rechte Auge fast zugeschwollen. Ja wenn er etwas zum Kühlen hätte. Seine Hand fuhr über das feuchte T-Shirt. Das wäre eine Möglichkeit. Außerdem musste er es ausziehen oder er würde sich eine Erkältung einfangen. Bei dem Gedanken daran lachte er hysterisch auf und vor sich hin. Eine Erkältung, was war die im Vergleich zu dem, was ihm Gabriela angedroht hatte.

    Ben musste sich selbst überwinden, sich förmlich zwingen, das klamme Shirt auszuziehen. Sein Körper protestierte erwartungsgemäß mit Wellen von Schmerzen, die ihn überfluteten. Der Polizist stöhnte und ächzte, fluchte lauthals los, als ihn der Schmerz zu überrollen drohte und schaffte es trotzdem das Kleidungsstück auszuziehen. Keuchend lehnte er sich an die kühlende Wand und drückte das Shirt auf sein zugeschwollenes Auge. Zumindest dies verschaffte ein wenig Linderung. Er kannte seinen Körper sehr genau. Der Typ, der ihn durch die Mangel gedreht hatte, hatte ihm schmerzhafte Prellungen und Blutergüsse zugefügt. Die Blessuren waren oberflächlich, aber gebrochen war nichts, da war er sich sicher, auch wenn seine Rippen tiefe Atemzüge mit einem schmerzhaften Stechen quittierten.

    Vorsichtig zog er das verletzte Bein heran und tastete mit seinen Fingerkuppen über sein Schienbein. Mehr als einmal hätte er vor Schmerz laut aufschreien können. Durchgebrochen war der Knochen nicht, aber vermutlich war das Schienbein stark geprellt oder vielleicht sogar auch angebrochen. In seiner jetzigen Verfassung wollte er gar nicht erst den Versuch starten, aufzustehen und das Bein zu belasten.

    Irgendwo hier in der Ecke musste doch auch seine Lederjacke liegen. Mit seinen Fingerspitzen suchte er nach ihr und seufzte erleichtert auf, als er sie gefunden hatte. Anziehen? … Nein, keine Chance! Nicht noch einmal würde er sich diese Tortur freiwillig antun. Also nahm Ben sie und bedeckte damit seinen entblößten Oberkörper. Die Jacke wärmte ein bisschen. Seine Schmerzen hielten ihn wach. Er dachte über die letzten Stunden nach, das plötzliche Auftauchen von Gabriela Kilic, die sich letztendlich als seine Entführerin entpuppt hatte, die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen. Er bebte innerlich vor Zorn und Frustration.

    Der junge Mann kam sich irgendwie verraten, verkauft und hintergangen vor und allein gelassen vom Rest der Welt, vor allem wenn er an das letzte Gespräch mit Semir und der Krüger dachte.

    Nachdem er die Kilic gesehen hatte, bekam alles einen Sinn. Er war aus dem einen Alptraum erwacht, der ihn gefangen gehalten hatte, um in einem noch viel schrecklicheren Alptraum zu landen. Fieberhaft dachte er über seine Möglichkeiten nach, diesem zu entrinnen. Er gestand sich ein, es gab nach Lage der Dinge keine Chance auf eine erfolgreiche Flucht für ihn. Zurück blieb die bittere Erkenntnis, dass dieser Alptraum für ihn tödlich enden würde.

    Die verdammte Kroatin hatte alles sehr geschickt eingefädelt. Die richtigen Leute manipuliert, bestochen oder sie wie willige Marionetten gegen ihn eingesetzt. Dabei dachte er an Begegnung von Jessica Habermann und seiner Freundin Anna. Oh mein Gott, was würde er darum geben, Anna noch einmal in den Armen zu halten, ihre Lippen zu spüren … sie zu küssen … ihr strahlendes Lächeln zu erblicken. Doch stattdessen blieb als letzte Erinnerung an Anna … ihre Verzweiflung … ihre Not, die ihr in den Augen geschrieben stand, als sie ihn aus ihrer Wohnung warf …

    Tränen der Verzweiflung liefen ihm über die Wangen.

    das war ein finaler Rettungsschuss in letzter Sekunde von Ben
    super spannend geschrieben :thumbup:
    ich habe richtig mitgefiebert ...
    Bauchschuss bei Ben ... oh oh ... da schwirren mir schon wieder böse Gedanken durch den Kopf ...
    trotz aller Schmerzen schafft es der Dunkelhaarige die Augen zu öffnen und die entscheidende Szene zwischen Semir und Maria zu beobachten
    da hoffen wir mal darauf, dass das Durcheinander in Bens Kopf mit einem Schlag wieder in Ordnung kommt ...

    ich hatte ja die Hoffnung, dass der Zustand von Jenny eine Schocktherapie für Ben ist .... die Gedankengänge des dunkelhaarigen Polizisten scheinen es zu bestätigten :)
    die Gedankengänge von Ben waren emotional und gut beschrieben ...
    mein lieber Ben - Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung :thumbup:

    Irgendwo….

    Das Gefühl über dem Boden zu schweben, verschwand in dem Augenblick als der Schmerz einsetzte. Ben konnte ein Aufstöhnen nicht unterdrücken. An seinen Armen wurde gezerrt … seine Wahrnehmung war noch völlig durcheinander. Kopfschmerzen blockierten sein Denken. Ziemlich rüde zogen die beiden Entführer ihn über den Fliesenboden des Kellerraumes in Richtung seines Verlieses. Ihnen war das Erwachen des Gefangenen nicht entgangen. Statt einer Schleifspur zierte eine verwischte Blutspur ihren Weg. Vor der Stahltür zu dem Holzverschlag, in dem Ben die letzten Tage über gefangen gehalten worden war, ließen die beiden Serben den jungen Polizisten wie auf ein Kommando rücksichtslos auf den Steinboden fallen. Der Zugang war zu schmal, um den Gefangenen nebeneinander laufend, rein zu ziehen. Ben schrie vor Schmerz auf, als sein Oberkörper auf den kalten Steinboden des Weinkellers knallte. Der Befehl von Remzi drang wie durch Watte zu ihm durch und er benötigte einige Augenblicke, bis er den Sinn der Worte verstanden hatte.

    „Na los Bulle! … Beweg dich! … Kriech da wie ein Wurm hinein!“

    Um seiner Aufforderung mehr Nachdruck zu verleihen, trat er mit seiner Stiefelspitze gezielt auf Ben ein. Der Söldner wusste genau, wo man seinem Opfer Schmerzen zufügen konnte. Unter Aufbietung seiner letzten Kräfte robbte der junge Polizist los. Er wollte nur noch eines … weg, diesen mörderischen Tritten entfliehen.

    „Geht doch!“, kommentierte einer seiner Peiniger den schmerzvollen Weg. Im Hintergrund lachte eine Frauenstimme gehässig auf. Gabriela war ihnen gefolgt und hatte mit Wohlwollen das Schauspiel beobachtet.
    Völlig erschöpft, brach Ben in der Mitte des kleinen Raumes zusammen. Er wehrte sich nicht gegen die aufkommende Ohnmacht. Von ihm unbemerkt, verlosch das Licht. Remzi versicherte sich vorher mit einer kleinen Untersuchung, dass der Gefangene nur ohnmächtig geworden war und verschloss die stählerne Zugangstür sorgfältig. Gabriela wartete im Zugangsraum, dem früheren Hauswirtschaftsraum, auf ihre beiden Komplizen. Der Schnauzbärtige stellte sich wortlos neben sie und blickte erwartungsvoll seinem Kumpel entgegen.
    „Der hat vorerst einmal genug!“, kommentierte Remzi den Zustand des Gefangenen.

    „Na dann lassen wir ihn mal seine Wunden lecken und ein bisschen über sein Schicksal nachdenken! Schließlich ist Jäger nur der erste Streich! Der zweite folgt sogleich! Es wird Zeit, dass wir uns um die anderen Herrschaften kümmern, die auf meiner persönlichen Liste für Vergeltung stehen.“

    Gabriela kicherte gefährlich vor sich hin, als sie zusammen mit den Männern den Raum verließ. In ihren Augen blitzte es heimtückisch auf.

    *****

    Zurück auf der PAST

    Eisige Minuten des Schweigens waren vergangen. Kim erhob sich von ihrem Stuhl und kniff ihre Lippen zusammen. Mit verschränkten Armen stand sie da, an einen der niedrigen Büroschränke gelehnt und musterte ihren Hauptkommissar. Das Gespräch mit dem Staatsanwalt gestern und heute kehrte in ihre Erinnerung zurück. Wer sie kannte, sah wie die Fakten des Falles Ben Jäger in ihrem Inneren arbeiten, ihr Gehirn auf Hochtouren lief.

    „In einem Punkt gebe ich ihnen Recht Herr Gerkhan! Bisher wurde von den ermittelnden Kollegen der Mordkommission und der Internen Abteilung nur gezielt nach belastenden Material gesucht, die Bens Schuld belegen!“ Sie blickte nachdenklich auf den Computerbildschirm und strich sich eine ihre Haarsträhnen hinter das Ohr, „Doch wenn ich das hier lese … kommen auch mir begründete Zweifel. … Finden Sie die Wahrheit raus, Herrn Gerkhan! … Semir! … Ich will wissen, ob Ben Jäger schuldig ist!“
    Nach diesen Worten verließ sie den Raum und steuerte den direkten Weg nach draußen zum Parkplatz an. Kim Krüger wollte alleine sein und nachdenken. Sie setzte sich in ihr Auto ohne es zu starten und umschlang mit ihren Händen das Lenkrad. Blicklos starrte sie auf den silbernen Mercedes, der auf dem Parkplatz vor der Dienststelle stand. Ihre Vorgesetzten hatten Ben Jäger auf Grund der Beweislage schon wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen. Die Ansage des Polizeipräsidenten heute Morgen im Büro des Oberstaatsanwalts war eindeutig gewesen. „Solch ein Mann ist für die Polizei nicht tragbar! … eine Schande für die Polizei!“ waren noch die harmloseste Bemerkung gewesen. Für ihn war der Hauptkommissar Ben Jäger bereits ein verurteilter Mörder, der dem Ansehen der Polizei nur Schaden zufügte.

    Semir Gerkhans Frage, ob das alles nur ein perfekt eingefädeltes Komplott gegen Ben Jäger war, rückte in ihren Focus und stand im krassen Gegensatz zu den Ermittlungsergebnissen. Noch etwas beschäftigte Kim. Hendrik van den Bergh! Der Oberstaatsanwalt hatte sie für den heutigen Abend zum Essen eingeladen. All diese Gedanken schwirrten wie ein aufgeregter Bienenschwarm in ihrem Kopf herum. Unbewusst startete sie nach einiger Zeit den Motor und fuhr über die Autobahn in Richtung Kölner Innenstadt.

    Währenddessen setzten Semir und Susanne sich gemeinsam vor den Bildschirm und studierten deren Ermittlungsergebnisse. Am Ende meinte die Sekretärin fast schon ein bisschen erschrocken: „Das hätte ich fast vergessen. … Du hast mich doch gebeten, zu der ermordeten Jessica Habermann einige Nachforschungen anzustellen und die Akten der Kollegen von der Mordkommission anzufordern!“

    Der Türke nickte zustimmend. Susanne zog die Tastatur zu sich heran, wechselte die Programme und tippte darauf rum, bis sich wie von Zauberhand ein Fenster nach dem anderen auf dem Bildschirm öffnete und eine Ermittlungsakte des LKAs zeigte. Gleich darauf tat sich ein weiteres Fenster der Mordkommission Köln auf.

    „Man hat Jessica Habermann vor zwei Tagen in ihrem Wohnwagen in einem Industriegebiet in Hürth tot aufgefunden. Erwürgt! Das blutverschmierte Messer hielt sie in ihrer rechten Hand!“ Sie deutete auf das Foto am Bildschirm. „Laut DNA Schnelltest stammt das Blut eindeutig von Ben!“

    Aufmerksam las sich der Autobahnpolizist die Ermittlungsunterlagen seiner Kollegen durch. Die Indizien gegen seinen Freund waren erdrückend. Die Sorgenfalten gruben sich immer tiefer in seine Stirn ein.
    „Ich fahr dahin und schaue mich selbst mal um, anschließend gehe ich in dieses Hospiz!“, verkündete der Kommissar kurz entschlossen, schnappte sich die ausgedruckten Blätter, und eilte nach draußen.

    Nach ihrer Rückkehr wandte sich Susanne zu Beginn ihrer Ausführungen direkt an Kim: „Bevor du mir noch einen Vortrag über Pflichten und Aufgaben einer Sekretärin der Dienststelle hältst, ich habe alles außerhalb meiner Arbeitszeit recherchiert! … Denn ich bin das Ben schuldig. … Ich glaube nicht, was man ihm da alles von Seiten der Kollegen Kripo Köln Nord vorwirft!“ Diesen Seitenhieb in Richtung Kim konnte sie sich einfach nicht verkneifen. „So! Schau dir einfach mal die Fakten an und denke nach! … Hast du gewusst, dass gegen die beiden Streifenpolizisten, die Ben mit ihren Aussagen so schwer belastet haben, bereits die Interne Abteilung mehrmals wegen Korruption und Bestechlichkeit im Dienst ermittelt hatte?“

    Susanne ließ die Frage im Raum stehen, öffnete die entsprechenden Dateien am Computer und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie das Gesicht ihrer Chefin neben ihr einige Nuancen blasser wurde, als sie die Einträge in den Personalakten durchlas.

    „Ich möchte mal behaupten, die Kollegen vom Nordrevier sind keine Kinder von Traurigkeit und haben eine ganze Wagenladung Dreck am Stecken. Da sollte man doch mal gründlicher nachforschen! Meiner Meinung nach scheuen die Herren bestimmt auch nicht davor zurück, einen Kollegen anzuschwärzen, wenn die Kohle stimmt!“, meinte Susanne noch bisschen schnippisch hinterher. „Das ist noch nicht alles! Auf Bens Wunsch hin habe ich noch ein paar Recherchen angestellt. Von den Kandidaten, die in letzter Zeit aus dem Gefängnis entlassen wurden und auf Rache gegenüber Ben sinnen könnten, käme nur ein Boris Stojkovicz in Frage. Nur der liegt zum Sterben in einem Kölner Hospiz.“

    Susanne hielt die Fernbedienung in der Hand und auf dem Bildschirm an der Wand des Büros erschienen verschiedene Fotos, Zeitungsausschnitte, Auszüge aus Ermittlungsakten und Berichte über die damalige Verhaftung, die ihre Ausführungen unterstrichen. „Dieser Clan-Chef hatte Ben damals blutige Rache im Gerichtssaal geschworen. Ben hat die Adresse von mir bekommen, das war auch der letzte Kontakt, den ich mit ihm hatte. Zwischenzeitlich habe ich raus gefunden, dass dieser Stojkovicz noch einen Sohn hat, einen Rashid Stojkovicz, 26 Jahre alt, der hier in Köln gemeldet ist. Der junge Mann hat Elektrotechnik und IT an der TU Aachen studiert und hatte scheinbar mit den früheren Geschäften seines Vaters nichts zu tun. Die Familiengeschäfte, die hauptsächlich aus Prostitution und Drogenhandel bestanden haben, hat der jüngere Bruder, Zladan, des alten Boris Stojkovicz übernommen. Nur an die entsprechenden Akten der Drogenfahndung und der Sitte bin ich noch nicht rangekommen. … ja und weiter bin ich nicht, denn das wäre eine Aufgabe für die Kollegen vom Außendienst oder für dich Kim, dass wir Akteneinsicht beim LKA oder der Drogenfahndung bekommen.“

    Dabei warf sie einen auffordernden Blick in Richtung Kim Krüger. Deutlich hörbar entwich die Luft aus Kims Nase. Die Chefin musste diese Informationen erst einmal verarbeiten, die im krassen Gegensatz zu dem standen, was sie vor einer Stunde gehört hatte. Mit knappen Worten berichtete sie von ihrem Besuch bei der Staatsanwaltschaft. Man hatte Bens Motorrad in der Nähe des Hauptbahnhofs ausfindig gemacht. Mit seiner Kreditkarte hatte er sich scheinbar gestern ein Bahnticket für einen Schlafwagen bis Ancona gebucht und anschließend eine Überfahrt auf einer der Fähren nach Griechenland. Entsprechende Reiseunterlagen hatten sich auch in seiner Wohnung befunden und waren von Kommissar Kramer sichergestellt worden. Der leitende Oberstaatsanwalt ging davon aus, dass der wegen Mordes gesuchte Hauptkommissar der Autobahnpolizei seine Flucht ins Ausland gründlich geplant hatte und ließ Ben mittlerweile mit einem Internationalen Haftbefehl suchen. Aus diesem Grund unterstellte man dem jungen Kommissar, dass der Mord vorsätzlich begangen worden war und er galt als bewaffnet und gefährlich. Die Kollegen in Italien waren bereits alarmiert worden und warteten darauf, Ben Jäger im italienischen Fährhafen Ancona zu verhaften. Ein Auslieferungsgesuch lag griffbereit in der Schublade des Staatsanwalts.

    „Zu allem Überfluss gibt es ein Leck innerhalb der Staatsanwaltschaft oder den Polizeibehörden. Auf jeden Fall hat jemand der Presse Unterlagen aus der Ermittlungsakte Ben Jäger im Mordfall Jessica Habermann zugespielt. Der Kölner Stadtanzeiger hat bei der Staatsanwaltschaft die Echtheit dieser Dokumente nachgefragt. Oberstaatsanwalt van den Bergh hat vergeblich versucht, die Presse daran zu hindern, diese Meldungen zu veröffentlichen. Man wird Ben Jäger als Mörder an den Pranger stellen. Nachdem er Mitarbeiter dieser Dienststelle ist, brauche ich ihnen ja wohl nicht beschreiben, was uns da für ein Shitstorm in den nächsten Tagen erwarten wird!“

    Semir saß leichenblass da und brummte empört: „Chefin, das ist doch kein Zufall mehr! Da will jemand Ben systematisch fertig machen! Wer auch immer dahinter steckt, würde damit erreichen, dass sich die öffentliche Meinung gegen Ben richtet und er praktisch ohne Gerichtsverhandlung bereits als Mörder verurteilt wird.“

    Kim nickte zustimmend.

    Nachdenklich fuhr der Kommissar sich mit seinen gespreizten Fingern durch das kurz geschorene Haar und dachte nach. Nach wenigen Augenblicken kam er zu der Einsicht, wenn er Ben helfen wollte, war er auf die Unterstützung und Hilfe von Kim Krüger und Susanne angewiesen. Er musste mit offenen Karten spielen. Mit knappen Sätzen schilderte der Türke die Details von Annas Besuch, die er bisher verschwiegen hatte. Als er geendet hatte, starrten ihn die beiden Frauen mit aufgerissenen Augen entsetzt an.

    Kim gewann als erste ihre Fassung wieder und murmelte, „Sie wissen schon, dass sie gerade eben das perfekte Mordmotiv geliefert haben, Herr Gerkan!“ Der kleine Türke fuhr senkrecht in die Höhe. „Frau Krüger, überlegen sie mal, was sie da sagen! Ben mag zwar ein Heißsporn sein, ein Draufgänger, der ab und an auch mal eine Cowboynummer durchzieht. Aber ein kaltblütiger Mord? … Eine Frau einfach so erwürgen???“

    „Das wird die Staatsanwaltschaft anders sehen. Und denken sie doch selbst einmal nach. … der Streit mit seiner Freundin, … die Trennung … alles … einfach alles, was die Tage vorher passiert ist …!“ Ein beklemmendes Schweigen herrschte für einige Atemzüge im Raum. „Herr Gerhkan, machen wir uns nichts vor, wir beide sind lange genug in unserem Job und wissen, wozu Menschen fähig sind, die verzweifelt sind, wenn man sie in die Enge getrieben hat und sie sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden!“, konterte die Chefin zurück.

    Semir gab seinen Bürostuhl solch einen Tritt, so dass er laut knallend gegen einen der Büroschränke donnerte und in der Schiebetür eine Delle hinterließ. Er wandte den beiden Frauen den Rücken zu und ging in Richtung der Fensterfront zum Parkplatz. Dort stützte er sich mit seinen Handflächen an der Außenwand ab. Seine Stirn ruhte ebenfalls an der kalten Betonwand. Krampfhaft versuchte er seinen keuchenden Atem und rasenden Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Er schloss seine Augen und lauschte in sich hinein. Was sagte sein Bauchgefühl? Nein …. Nein … Nein und nochmals nein, Ben würde so etwas nicht tun … nein keinen kaltblütigen Mord, schon gar nicht an einer Frau. Ein Ruck ging durch seinen Körper, er straffte sich und wandte sich Kim zu.

    „Auch wenn alle Indizien gegen Ben sprechen, mein Gefühl sagt mir etwas anderes. Susannes Nachforschungen haben belegt, es gibt auch eine andere Sichtweise der Ermittlungen. Nur hatte bisher scheinbar niemand ein Interesse daran Bens Unschuld zu beweisen … mich inbegriffen. Oder haben Sie es versucht Frau Krüger?“
    Betreten blickte Kim zu Boden und bewegte ihren Kopf hin und her. Sie zog es vor zu schweigen.

    „Wenn ich bisher noch den Hauch eines Zweifels hatte, so ist eines gewiss, an dieser Sache stinkt etwas…. Die stinkt gewaltig! Allein schon die Tatsache: Da will uns allen Ernstes jemand glauben lassen, Ben hätte sich ins Ausland abgesetzt und sich dabei noch so stümperhaft verhalten, dass selbst ein Blinder die Spur noch verfolgen könnte.“ Ungläubig schüttelte der Türke den Kopf und trank stehend den Rest der Kaffeetasse aus, die er mit einem lauten Knall auf die Schreibtischplatte zurückstellte. „Wissen Sie was Frau Krüger?“ er legte eine Pause ein, stützte sich mit seinen geballten Fäusten auf der Schreibtischplatte ab und schaute seiner Chefin lange in die Augen, „Wissen Sie, was mir so richtig Angst macht? Was ist, wenn Ben tatsächlich unschuldig ist? Was ist, wenn er Recht hatte und dies alles ein perfekt eingefädeltes Komplott gegen ihm ist und war?“

    was für ein bewegendes Kapitel :thumbup::)
    Ben reagiert so wie wir es alle von ihm erwarten. Nichts kann ihn aufhalten, um zu Jenny in die Wohnung zu kommen
    und dann .... Schock lass nach ... ist die Ursache für Jenny's Horrortrip erkannt
    damit hätte ich nicht gerechnet, aber wer weiß schon, wie man in solch einer Situation tatsächlich reagiert
    war für Ben hoffentlich eine kleine Schocktherapie

    So langsam dämmerte dem jungen Kommissar, wer für Julias Unfall und all die anderen Ereignisse in den letzten Tagen und Wochen, die sich gegen ihn gerichtet hatten, verantwortlich war. All diese Intrigen, die bei Anna, seiner Familie und letztendlich auf der PAST für Zwietracht, Misstrauen und böses Blut gesorgt hatten. Innerlich zerriss es ihn vor Zorn und Frust. Ben zerrte wütend an den Fesseln, was zur Folge hatte, dass seine Gegnerin erneut in einen diabolischen Lachanfall verfiel.

    „Vergeude doch nicht deine Kräfte! … Du wirst sie schon noch brauchen, denn etwas verspreche ich dir Jägerlein, wenn ich mit dir fertig bin, wirst du mich anflehen, mich anwinseln, damit ich dich von deinen Qualen erlöse! Du wirst deinen Tod herbeisehnen!“

    Sie gab ihren beiden Handlangern ein Zeichen. Camil trat hinter den Stuhl. Mit einem Messer durchtrennte er geschickt die Fesseln von Ben. Mit seinen Bärenkräften stemmte er den Gefangenen in die Höhe und hielt ihn mit nach hinten verdrehten Armen gnadenlos fest. Bens Widerstand erstarb im Keim, er hatte diesen Händen, die ihn wie Stahlklammern festhielten, nichts entgegenzusetzen.

    „Einen kleinen Vorgeschmack kannst DU Jägerlein gleich bekommen!“

    Der ältere Söldner ließ daraufhin seine Fäuste gezielt auf Bens Körper einprasseln. Der dunkelhaarige Polizist spannte seine Muskeln an, in der Hoffnung den Schlägen einiges von ihrer Wucht und Wirkung zu nehmen. Eisern bis er die Zähne zusammen, damit kein Schmerzenslaut über seine Lippen kam, als die Wellen von Schmerzen seinen Körper durchfluteten. Nur sein Ächzen und Stöhnen zeigten seinen Gegnern, dass die Treffer Wirkung zeigten.

    „Stopp!“, gebot Gabriela ihren Männern Einhalt. „Der soll noch eine Weile durchhalten! Das war doch erst das Vorspiel. … Aber wenn ich es so recht bedenke, fehlt so ein kleines Finale für die heutige Partie!“

    Bei diesen Worten lief sie seitlich an Ben vorbei, der es kaum noch schaffte seinen Kopf zu heben. Sie umrundete ihn und ergriff einen Holzstecken, der in der Ecke bereit stand. Gabriela holte mit dem Stock aus und ließ ihn mit der ganzen Kraft ihres linken Armes gegen Bens linkes Schienbein krachen. Das Brechen des Holzes erfüllte den Raum. Ben hatte das Gefühl sein Bein sei in zwei Teile geteilt worden. Er schrie gellend auf.
    „Oh Gott!… Fuuuuuuuck!“

    Der junge Polizist kämpft gegen die Tränen des Schmerzes an, wand sich unter dem Griff seiner Widersacher. Sein Bein sackte weg und trug das Gewicht seines Körpers nicht mehr.

    „Der wird dir bestimmt nicht helfen Jägerlein! Falls du es noch nicht bemerkt hast, du bist nicht im Himmel sondern in der Hölle gelandet und dort gibt es bekanntlich keinen Gott, sondern nur den Teufel! Und der ist im Vergleich zu mir ein kleiner Engel!“, spottete Gabriela. „Schafft ihn zurück in seinen Holzverschlag!“
    Camil lockerte etwas seinen Griff und zwang Ben das volle Gewicht auf sein lädiertes Bein zu übernehmen. Das war zu viel für den jungen Polizisten. Seine Schmerzgrenze war überschritten und eine wohltuende Ohnmacht erlöste ihn.

    *****

    Als Semir gegen 15.00 h die PAST betrat, wirkte diese wie ausgestorben. Die Kollegen waren entweder auf Streife oder die Kollegen der Tagesschicht nahmen in der Kantine, die in der Nähe lag, ihr verspätetes Mittagessen ein. Ein paar vereinzelte fröhliche Grüße wurden ihm zugerufen. Sein Weg führte ihn direkt zu Susannes Schreibtisch.

    „Hallo Semir!“, begrüßte die Blondine ihn mit einer Spur Erleichterung, „Gut das du da bist! Am besten wir gehen gleich in dein Büro!“

    Die Sekretärin schnappte sich zwei Aktendeckel, stand auf folgte ihm. Sorgfältig schloss sie die Zugangstür und zog einen Besucherstuhl neben Semirs Bürostuhl.
    „Fahre mal deinen Computer hoch! Ich habe auf dem Server einige Dateien hinterlegt, die du dir unbedingt anschauen musst!“
    Während Semir seinen Computer startete und hochfuhr, brachte er Andreas Freundin auf den neuesten Stand seines Ehelebens. Als die Beiden in ihrem Gespräch zum Punkt ihres Zusammentreffens kamen, bildeten sich tiefe Sorgenfalten auf der Stirn der Sekretärin. Anhand der geöffneten Dateien schilderte sie Semir die Ergebnisse ihrer Nachforschungen, um die Ben sie vor einigen Tagen gebeten hatte.

    Mit einem Ruck wurde die Tür zu Semirs Büro aufgerissen. Die Alu-Lamellen der Sichtblende schepperten gegen die Glasscheibe. Erschrocken und etwas verblüfft, drehten sich sowohl Semir, als auch Susanne um. Mit verschränkten Armen und einem ziemlich wütenden Gesichtsausdruck stand Kim Krüger unter der Tür. Noch bevor Susanne oder Semir eine Chance hatten, etwas zu erklären, blaffte sie lautstark los.

    „Was machen Sie denn auf der Dienststelle Herr Gerkhan? Erst brauchen Sie Sonderurlaub … wollen eine Verlängerung ihres Urlaubs und dann tauchen sie hier auf, um scheinbar zu arbeiten?!“, sie zeigte dabei auf den eingeschalteten Rechner und die Akten in Semirs Hand, „Mir reicht schon der Ärger, weil Herr Jäger aus der Reihe tanzt! Und jetzt das hier!“, sie klopfte dabei wütend gegen die Ermittlungsakte, die Semir in den Händen hielt. „Macht hier neuerdings, jeder was er will, ohne mich zu fragen!“ Sie schob ihr Kinn vor und trat einen Schritt näher heran, um zu erkennen, was auf dem Bildschirm angezeigt wurde. Es war die Polizeiakte von einem der Streifenpolizisten, Knut Villmoz, die gegen Ben ausgesagt hatten. „Ich hoffe für dich Susanne, du hast eine vernünftige Erklärung dafür!“

    So leicht ließ sich die Sekretärin nicht mehr von Kims barschen Tonfall einschüchtern. Nach den dramatischen Stunden im vergangenen Jahr pflegten die beiden Frauen eine lockere Freundschaft miteinander.

    „Vorschlag!“, unterbrach Susanne ihre Chefin „Ich hole uns allen erst mal eine Tasse Kaffee und du setzt dich neben Semir. Anschließend hörst du dir an, was ich zwischenzeitlich rausgefunden habe. Es geht nämlich um BEN. Falls es Dich überhaupt interessiert Kim?“ Sie konnte sich dabei einen schnippischen Unterton nicht verkneifen.

    „Pffff ….!“, atmete Kim Krüger deutlich hörbar aus, gab sich aber geschlagen und ließ sich auf den Stuhl neben dem Hauptkommissar nieder. Schweigend hörte sie sich an, warum Semir während seines Urlaubs, auf der Dienststelle erschienen war. Als der bei seinem Bericht an die Stelle gelangt war, wo er beschrieb, in welchem Zustand er Bens Wohnung vorgefunden hatte, kommentierte Kim trocken, „Das riecht nach unserem Kommissar Kramer! Bei dem Mann wundert mich langsam nichts mehr!“

    so heute hatte ich endlich mal Zeit deine vielen Kapitel nachzulesen ... ;)
    Respekt, hast du wieder Klasse geschrieben. Diesem Lucas ein Gesicht ... eine Geschichte mit Hintergrund verpasst ... hat mir wahnsinnig gut gefallen :thumbup:
    absolut gelungen war diese emotionale Achterbahn zwischen Ben und Semir
    am Anfang ... die gute Zusammenarbeit zwischen den beiden Polizisten, ich dachte schon Ben hat seine Krise überwunden, als es darum ging Lucas auf die Schliche zu kommen und dann kippt die Stimmung im Auto während der Verfolgung ... =O die Dialoge ... der Streit ... beeindruckend und unter die Haut gehend ... :thumbup:
    ich bin schon so gespannt, was sich da noch entwickelt
    dann kommt so ein kleiner Cliffhanger durch Jennys Anruf

    habe ich schon mal zum Ausdruck gebracht, dass ich Cliffhanger hasse X(X(X(
    jetzt sitze ich da und überlege, was ist passiert
    Maria hat es tatsächlich geschafft, zu Ben und Sarah ins Zimmer zu kommen - in ein Isolierzimmer auf der Intensiv
    ich kann es gar nicht glauben, wie leicht das ging
    zuletzt bleibt die Hoffnung, dass Maria eine schlechte Schützin ist ... was ich fast nicht glaube
    und Semir ... hallo wo bleibt Semir ... und wehe den hält irgendjemand vom Personal auf

    Das Erste was Ben fühlte als er aus seiner Ohnmacht erwachte, war eine Benommenheit und Übelkeit. In seinem Mund machte sich ein merkwürdiger eisenhaltiger und gleichzeitig bitterer Geschmack breit. Er merkte, wie dieser regelrecht einen Brechreiz auslöste und fing an zu würgen. Er ließ sich nicht mehr unterdrücken und der Inhalt seines Magens landete vor ihm auf dem weißen Fliesenboden. Dennoch fühlte er sich nicht besser. Schmerz kam hinzu. Sein Kopf dröhnte und jede Körperstelle, die von den gnadenlosen Fäusten seines Widersachers getroffen worden waren, brannte vor Schmerz. Langsam registrierte er, dass er auf einem Stuhl saß. Seine Arme waren nach hinten verdreht und mit einem Klebeband an der Lehne gefesselt worden.
    Stimmen drangen zu ihm durch.

    „Wir sollten mal ein bisschen nachhelfen, damit unser Freund hier wach wird?“, meinte die bekannte männliche Stimme, die den merkwürdigen südländischen Akzent hatte und ihn aus seinem Gefängnis geschleppt hatte.
    Statt einer Antwort hörte er ein Klappern und das Plätschern von Wasser, das aus einem Wasserhahn gezapft wurde. Mit voller Wucht klatschte das eiskalte Wasser in Bens Gesicht. Er japste im ersten Moment nach Luft, prustete und hustete und zwang sich die Augen aufzuschlagen. Zuerst war sein Blick verschwommen und die Umrisse der Gestalten vor ihm, nahmen langsam Form und Gestalt an. Zwei Männer standen vor ihm, an denen ihm auffiel, dass sie beide das gleiche Tattoo auf dem rechten Handrücken trugen. Trotz der sommerlichen Hitze trugen die Männer Kampfhosen und Springerstiefel. Ihre Körpersprache und Haltung bestärkte Ben in seiner Meinung, dass er es mit ehemaligen Soldaten oder Söldnern zu tun hatte. Das Gesicht des Jüngeren wurde von einem riesigen dunklen Schnauzbart verziert, der dessen Mundwinkel verdeckte. In seiner rechten Hand hielt er einen weiteren Blecheimer bereit, gefüllt mit Wasser, um den nächsten Schwall Wasser über den Gefangenen zu gießen.

    „Noch eine Ladung Erfrischung gefällig?“, brummte die tiefe Bassstimme des Grauhaarigen ihn an, der ein fast akzentfreies deutsch sprach. Sein südländisches Aussehen war ebenfalls unübersehbar. Bevor der Polizist reagieren konnte, ergoss sich der nächste Schwall Wasser über seinen Oberkörper. Ben schüttelte den Kopf und schnappte nach Luft. Seine Kleidung troff nur so vor Nässe.

    „Danke für die Dusche! Mein Bedarf ist für heute gedeckt!“, ächzte Ben mühsam hervor. Dabei bemerkte er, dass seine Unterlippe angeschwollen war. Als er das fiese Grinsen des Größeren sah, konnte er nicht umhin, als diesem vor die Füße zu spucken. Dieser holte postwendend aus, um seine Faust in Bens Gesicht zu platzieren.

    „Halt, Remzi!“

    Der Ruf lies nicht nur den Söldner in seiner Bewegung innehalten, sondern auch Ben hatte das Gefühl zu einer Statue aus Stein zu erstarren. Ohne dass er den Kopf wenden musste, war ihm klar, hinter ihm stand Gabriela Kilic. Seine Nackenhärchen und sämtliche Körperhaare stellten sich vor Entsetzen auf. Ein eiskalter Schauer rann ihm über dem Rücken. Wie zum Teufel kam dieses rachsüchtige Miststück hierher? Wie hatte sie aus dem Gefängnis entkommen können? Er hatte keine Gelegenheit weiter darüber nachzudenken. Das Klappern ihrer Absätze auf dem Fliesenboden kam näher, er roch ihr Parfum und sie geriet in Bens Blickwinkel. Dieser konnte seine schlimmste Widersacherin eingehend mustern.

    Ihr Anblick war völlig ungewohnt. Sie trug ein luftig helles Sommerkleid und offene Sandalen. Über ihre Schultern hing lose eine dünne Strickjacke, die scheinbar die Folgen der Verletzungen des rechten Armes kaschieren sollte, von dem nur die Hand sichtbar war, um die sie eine Spezialbandage trug. Ihre Haare waren mittlerweile wieder halblang und dunkel.
    Gleich einem Raubtier, dass seine Beute in Augenschein nahm, umrundete Gabriela den Gefangenen auf dem Stuhl und musterte dabei Ben eingehend.

    „Hallöchen, du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich freue, dich hier in meinem kleinen Häuschen als Ehrengast begrüßen zu dürfen, Herr ... Hauptkommissar … Ben … Jäger!“ Ihre Augen blitzten ihn dabei hasserfüllt an. „Ich hoffe, die Unterbringung trifft deinen Geschmack und DU konntest DICH in den letzten Tagen ein bisschen einleben! Naja … ist vielleicht ein bisschen klein geraten, aber das stört ja nicht.“, verhöhnte sie ihn.

    „Danke der Nachfrage! Auf diese Art der Gastfreundschaft könnte ich gut verzichten!“ knurrte Ben wütend zurück. In seinem Kopf begannen sich die Gedanken zu überschlagen.

    Sie umrundete den Stuhl und fixierte mit ihrem Blick den gefangenen Polizisten.
    „Weist du was Jägerlein? Du ahnst gar nicht, wie oft ich mir in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten in meiner Gefängniszelle ausgemalt habe, wie du dreinblickst, wenn wir uns wieder begegnen! … Was ist Jägerlein?“, fragte Gabriela spöttisch und lachte „Denkst du darüber nach, wie ich fliehen konnte?“
    Sie verzog ihr Gesicht zu Grimassen, feixte vor sich hin und sog jede von Bens Gefühlsregungen in sich auf, wie ein ausgetrockneter Schwamm einen Wassertropfen.
    „Falls du es vergessen hast? … Ich habe Freunde! Mächtige Freunde!“ …. Wieder lachte sie sadistisch auf, „Oder überlegst du, ob du eine Chance hast hier lebend raus zu kommen. Gib DIR keine Mühe! …“ Wieder erklang ihr teuflisches Lachen. „Diesmal gibt es für DICH keinen Ausweg mehr. … kein Entrinnen!“
    Mit Genugtuung registrierte die Kroatin wie es in der Mimik ihres Gefangenen arbeitete. Sie konnte darin lesen, wie in einem offenen Buch.

    „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir beide schon mal auf Brüderschaft getrunken haben!“ fiel ihr Ben ins Wort. „Seit wann DUZEN wir uns denn?“

    Die beiden Söldner lachten schallend auf, als hätten sie den besten Witz des Jahrhunderts gehört. Eine Geste von Gabriela ließ sie verstummen. Sie umfasste Bens Kinn und zwang ihn, ihr direkt in ihre grauen Augen zu blicken.

    Gleich einer Schlange zischelte sie ihn an, „Ich hatte dir im Gerichtssaal nach der Urteilsverkündung etwas zugeflüstert, als du ihn verlassen hast und an mir vorbei gelaufen bist. Erinnerst du dich an mein Versprechen? … Ich werde dir alles wegnehmen, was dir im Leben wichtig ist!“ Sie ließ Bens Kinn los und trat einen Schritt zurück und lachte teuflisch auf, „Ups! … Oder habe ich das nicht bereits gemacht?“ Sie tippte mit ihrem linken Zeigefinger an den Mund. Ihre Augen rollten nach oben, als würde sie ernsthaft nachdenken. Ihr Gesicht verzog sich dabei zu einer gehässigen Fratze. „Wie war das denn mit deinem Job? … Einen Partner, der für dich durchs Feuer lief. … Und wie war das mit deiner Freundin? … Dieser Ärztin? … Eine Familie?“

    Sie kicherte niederträchtig vor sich hin und konnte sich gar nicht beruhigen, als sie das blanke Entsetzen erkannte, das Ben ins Gesicht geschrieben stand.

    Auf der Fahrt zu Bens Wohnung versuchte Semir zuerst einmal seine Gedankengänge zu sortieren. Ihm wollte einfach nicht in den Kopf, dass Ben einen eiskalten Mord begangen haben sollte. Auf der anderen Seite hatte er mehr als einmal in seinem Beruf erleben müssen, wozu verzweifelte und in die Enge getriebene Menschen in der Lage waren. Diese Jessica hatte Ben an jenem Abend das wertvollste und wichtigste in dessen Leben genommen: Die Liebe von Anna. Semir durchfuhr ein Schauder, als er sich über die Konsequenzen seiner Gedanken klar wurde.

    Der Türke hatte seinen Zweitschlüssel an Bens Wohnungstür gerade ins Schlüsselloch gesteckt, als ihn eine weibliche Stimme von hinten ansprach.
    „Guten Tag Herr Gerkan! Wie gut, dass ich Sie treffe!“
    Er blickte über die Schulter und sah Frau Müllender, die vor ihrer Wohnungstür stand. Die Penthouse-Wohnung war damals geteilt worden. Ben war der Ansicht gewesen, dass zweihundert Quadratmeter Wohnfläche völlig für ihn ausreichend seien. Aus dem anderen Drittel wurde eine zweite Dachwohnung erbaut, die Frau Müllender bezogen hatte. Die nette alte Dame war Semir bestens bekannt. Die Nachbarin seines Partners kam regelrecht auf den Türken zugestürmt. Etwas schien gehörig ihren Unmut erregt zu haben, denn sie war außer sich. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und baute sich regelrecht vor dem Kommissar auf.

    „Stellen Sie sich vor Herr Gerkan! … Heute Morgen stand hier ein völlig unsympathischer Kommissar der Kripo Köln vor meiner Wohnungstür. Der Mann war unfreundlich und ich meine unfreundlich!“, betonte sie, „stank nach Alkohol. Seine Fahne schwebt wahrscheinlich noch im Aufzug und Treppenhaus herum. Er hielt den Schlüsselbund von Herrn Jäger in der Hand. Als ich mich bei ihm erkundigte, wie er in den Besitz desselbigen gekommen ist, brüllte er mich in einem unverschämten Tonfall an. Das ginge mir überhaupt nichts an und ich solle mich um meine Angelegenheiten kümmern. So ein rüder Kerl ist mir noch nicht untergekommen. Ich habe schon ernsthaft in Erwägung gezogen, mich bei dessen Vorgesetzten zu beschweren. … So was arbeitet bei der Polizei. …“ Sie schüttelte empört den Kopf und fuhr mit ihren Ausführungen fort. „Dieser merkwürdige Kommissar behauptete, er würde polizeiliche Ermittlungen durchführen und wollte den Aufenthaltsort von Herrn Jäger wissen. Stellen Sie sich vor, er nötigte mich regelrecht, ihn meine Wohnung betreten zu lassen, weil er sich überzeugen wollte, dass sich Herr Jäger dort nicht aufhält.“

    Sie gestikulierte dabei wild mit ihren Armen herum. Ihre Stirn war in Zornesfalten gelegt. So leicht brachte niemand die allein stehende Witwe, die früher einmal als Chefsekretärin in einem großen Konzern gearbeitet hatte, aus der Ruhe. Bis ins kleinste Detail berichtete Hertha Müllender dem Autobahnpolizisten über den Besuch von Kommissar Kramer.

    Währenddessen hatte Semir die Wohnungstür geöffnet und blieb erst einmal in der geöffneten Tür erschrocken stehen. Seit Ben mit Anna zusammen lebte, war seine Wohnung auch an den Tagen, wo die Putzfrau nicht da war, aufgeräumter und ordentlicher.

    „Ach du meine Güte, welche Bombe hat denn hier eingeschlagen?“, entfuhr es Frau Müllender und blieb fassungslos an der Eingangstür stehen.

    Wortlos zog sie sich ins Treppenhaus zurück, während Semir leise vor sich hin fluchend den großen Wohn- und Essbereich betrat. Von seinem Standort aus ließ er seinen Blick umherschweifen. Die Schubladen der Schränke waren teilweise komplett aus ihrer Halterung rausgerissen und beschädigt worden. Ein anderer Teil war halb raus gezogen worden. Jemand hatte deren Inhalt durchwühlt oder achtlos auf den Boden geworfen. Daneben standen Schranktüren halb offen. An einer Stelle war der Fußboden mit Glasscherben übersät. Einige Gitarren von Bens Gitarrensammlung waren achtlos auf das Sofa geworfen worden.

    Im Schlafzimmer bot sich der gleiche Anblick. Hier lagen Bens und Annas Kleidungsstücke verstreut auf dem Bett oder dem Fußboden, die Schubladen waren ebenfalls durchsucht worden. Der große Kleiderschrank stand offen, die Hosen, Shirts; Hemden raus gerissen und sonstige Wäschestücke lagen wild verteilt auf dem Fußboden.

    Semir stapfte kopfschüttelnd zurück ins Wohnzimmer. Selbst Vandalen hätten nicht schlimmer hausen können. Auf dem Esstisch lagen geöffnete Ordner, in denen Ben offensichtlich seine Rechnungen und sonstige Dokumente aufbewahrte. Jemand hatte die Wohnung ohne Rücksicht auf Verluste durchsucht. Dieser JEMAND war eindeutig dieser Kommissar Kramer von der Kripo Köln gewesen. So wahr ich Semir Gerkan bin, der Mistkerl würde für den Saustall, den er in Bens Wohnung angerichtet hatte, zur Verantwortung gezogen werden. Das schwor sich der Türke.

    Eine kleine rote Geschenkschachtel eines bekannten Kölner Juweliers, die auf dem Boden vor dem Sideboard lag, erregte Semirs Aufmerksamkeit. Er kniete nieder und öffnete diese. Darin befand sich ein Diamantring.

    „Du bist ja wahnsinnig Ben!“ murmelte er vor sich hin, während der Türke den Ring der kleinen Schachtel entnahm und ihn ins Licht der Sonnenstrahlen hielt, um ihn zu betrachten. Der in Gold gefasste Diamant, war wohl der Traum einer jeden Frau. Ben hatte eine Widmung für Anna eingravieren lassen. Falls Semir überhaupt den Hauch eines Zweifels hatte, dass sein Partner seine Freundin betrogen hatte, waren diese damit endgültig aus dem Weg geräumt. Kein Mann kauft solch ein wertvolles und wundervolles Geschenk für seine Freundin, lässt solche Worte der Liebe eingravieren und betrügt sie gleichzeitig mit einer anderen. Niemals! Zwischen den am Boden verteilten Blättern entdeckte er einen verschlossenen Briefumschlag, der an Anna adressiert war. Kurz entschlossen steckte der Türke den Umschlag und die Geschenkschachtel, die ja offensichtlich für Anna bestimmt waren, in seine Jackentasche, bevor sie bei einer neuerlichen Durchsuchung der Wohnung in die falschen Hände gerieten.

    Es widerstrebte Semir weiter in Bens Sachen rum zu wühlen. Ihm war in dem Moment klar, sollte es einen Hinweis auf den Aufenthaltsort seines Partners gegeben haben, hielt ihn bestimmt dieser Kommissar Kramer in den Händen. Er gewann die Einsicht, erst einmal zur Dienststelle zu fahren und sich mit Hilfe von Susanne einen Überblick über alle Fakten zu verschaffen.

    mir schwant nichts Gutes ... X(X(X(
    Maria ist die Flucht gelungen und Ben ist ihr erstes Ziel, nehme ich mal an :( für was braucht sie sonst die Maskerade als Ärztin ... hoffentlich hat Andy, der Krankenpfleger, Dienst hat und die "Wölfin im Schafspelz" erkennt.
    Semir hat den gleichen Gedanken - Ben und Sarah sind in Gefahr
    Die Drama Queen in mir wünscht sich natürlich einen richtig schönen Showdown :D , der vielleicht die richtige Schocktherapie für Ben ist ... ;)
    ich hoffe nur, dass der achso gutgläubige Anwalt noch zur Rechenschaft gezogen wird

    uiiiihhhh... das war aber ein schönes langes Kapitel :)
    Semir hatte den richtigen Riecher und konnte den Super-GAU doch nicht verhindern. Irgendwie bin ich sprachlos, was sich Maria wieder in ihrem kranken Gehirn ausgedacht hat. Und welche Rolle hat dieser Anwalt dabei gespielt??? X(X(X( Der gehört sofort hinter schwedische Gardinen!.
    Behinderte bzw. Menschen mit Handicap für ihre Flucht zu benutzen, die dann auch noch blutig endet ;(;(X(X(
    ich ahne nichts Gutes ...
    Wer wird Marias erstes Ziel sein? ...
    Ben ... Semir ... oder taucht sie erst einmal unter :?:
    wo wir bei Ben wären? ... Körperlich geht es ihm besser, wobei die Ärzte ihn schon noch quälen. Denke die auch ab und dran, dass er ein Folteropfer war? ... und ich bin beim Psychologen. Bei Ben hilft nur noch eine Schocktherapie, um die Dämonen aus seinem Kopf endgültig zu vertreiben ... freue mich auf die Fortsetzung bei dem kleinen Cliffhanger am Ende

    Nach dem Gespräch verharrte Semir noch einige Minuten auf dem Gartenstuhl, der im Schatten einer großen Tanne stand. Das Gehörte musste er erst einmal verarbeiten. Er beugte sich vornüber. Seine Ellbogen ruhten auf seinen Oberschenkel. Er schloss seine Augen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Sein letztes Gespräch mit Ben auf der PAST lief wie ein Film vor seinem inneren Auge ab. Alle Einzelheiten … Bens verzweifelte Verteidigungsrede, dass alles ein Komplott gegen ihn sei. Wie ein Paukenschlag fiel ihm der schwarze Toyota ein, der sie vor einiger Zeit auf der Streifenfahrt verfolgt hatte. Ben hatte damals behauptet, das auffällige Fahrzeug schon mehrmals in der Nähe der PAST und seiner Wohnung gesehen zu haben.

    „Verdammt! … Verdammt!“, entfuhr es ihm unwillkürlich. Was war, wenn Bens Beobachtungen zugetroffen hatten. Hätte er damals schon, die Fakten anders betrachtet … seinem Partner vertraut … hätte, … wenn … und aber … jetzt und heute war es zu spät. Zusätzlich zu seinem mulmigen Bauchgefühl plagte ihn das schlechte Gewissen.

    Mühsam erhob er sich und schaute durch das Wohnzimmerfenster ins Innere des Hauses. Anna lag in Andreas Armen und schien sich beruhigt zu haben. Seine Frau hatte den Körper von Bens Freundin mit einer Fleece-Decke zugedeckt. Als er die Terrassentür öffnen wollte, erkannte er, wie seine Frau ihren Zeigefinger an den Mund legte und ihm zu verstehen gab, leise zu sein. Bens Freundin hatte sich in den Schlaf geweint.

    Der kleine Türke betrachtete das sorgenvolle Gesicht von Andrea. Es versetzte ihn ein Stich ins Herz. In den letzten Tagen hatten die Eheleute glückliche Stunden der Zweisamkeit in der Hütte am See verbracht. Es war wie im Paradies gewesen, eine Traumwelt ohne Sorgen und voller Unbeschwertheit. Eigentlich wollten sie am Nachmittag sich das hübsche Häuschen am Stadtrand anschauen, welches Andrea so gut gefiel. Mittlerweile konnte er ihre Beweggründe für einen Umzug verstehen. Sie schien seine Gedanken lesen zu können. Ein aufmunterndes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie wisperte: „Ist schon ok, das Häuschen läuft uns nicht weg! Kümmere dich um Ben mein türkischer Hengst!“

    „Du bist die Beste mein Schatz und wenn ich dich nicht bereits geheiratet hätte, würde ich dir glatt einen Heiratsantrag machen.“

    Er hauchte ihr einen liebevollen Kuss auf die Lippen, schnappte sich leise den Autoschlüssel und verließ das Haus.
    Als die Haustür ins Schloss gezogen wurde, schreckte Anna hoch und murmelte vor sich hin: „Ben … Ben … bist du da?“ Sie riss die Augen auf und erkannte, dass sie sich noch im Wohnzimmer von Andrea und Semir befand und ihr Kopf auf Andreas Schoß ruhte.

    „Scht …. Anna, alles wird wieder gut. Semir sucht nach Ben. … Nicht mehr weinen, meine Liebe!“

    „Es ist nur … ich … ich fühle mich so schuldig Andrea! … So als hätte ich Ben … irgendwo hingetrieben … und … und ich wollte das doch gar nicht!“

    Andreas weibliche Intuition regte sich. Da war noch mehr, irgendetwas verheimlichte Anna. So sanft wie möglich sprach sie die junge Frau darauf an.

    „Anna? Was ist los mit DIR? … Da ist doch noch was?“ Bens Freundin schaffte es erfolgreich gegen ihre Tränen anzukämpfen. Wenn auch von Aufschluchzen unterbrochen, gestand sie Andrea, dass sie schwanger war und was sich noch an dem fraglichen Tag zugetragen hatte. Liebevoll drückte Andrea die junge Frau an sich „Oh mein Gott, ich freue mich so für euch! Du wirst sehen, Ben wird der beste Vater für euer Kind werden, den du dir nur vorstellen kannst.“

    „Verstehe mich doch!“, unterbrach Anna sie verzweifelt, „ich habe einfach schreckliche Angst, dass Ben etwas passiert ist und er niemals sein Kind sehen wird!“

    „Hey, nicht wieder weinen, bitte! Semir sucht nach Ben. Er wird ihn finden und helfen seine Unschuld zu beweisen. Komm, ich koche uns eine Kleinigkeit und nach dem Essen schläfst du ein bisschen!“

    „Ich habe keinen Hunger und schlafen kann ich auch nicht!“, gab Anna mitgenommen zurück.

    „Sorry, Anna! Du bist schwanger. Du musst auch an dein Baby denken. Also, ich koche eine Kleinigkeit!“, sie schüttelte energisch den Kopf, als die Dunkelhaarige erneut widersprechen sollte, „Essen und anschließend schlafen. Du siehst so übermüdet aus. Ich bleib bei dir, versprochen!“

    Sanft strich Andrea ihr über das dunkle Haar, bis die junge Ärztin zustimmend nickte. Danach erhob sich Semirs Frau und ging in die Küche. Nach dem Essen, das Anna lustlos runter würgte, brachte Andrea sie ins angrenzende Gästezimmer und blieb bei ihr am Bettrand sitzen, bis nach einiger Zeit die Müdigkeit die junge Frau übermannte.