Beiträge von Mikel

    Am nächsten Morgen …
    Semir befand sich in seinem Wagen auf der Rückfahrt nach Köln. Seine Gedanken wanderten zurück zu seiner Familie. Die kleine Lilly hatte vor Freude gejuchzt, als ihre Eltern und ihre große Schwester am gestrigen Nachmittag im Garten der Großeltern plötzlich auftaucht waren. Trotz der Sorge um Ben, hatte der Türke beschlossen, den Rest des Tages und die Nacht zusammen mit seiner Familie zu verbringen. Jede Minute mit mit Andrea und den beiden Mädchen hatte er intensiv genossen. Nach dem Frühstück fuhr er los, da er von Frau Krüger auf der Dienststelle erwartet wurde. Wie er es mit Julia abgesprochen hatte, wollte er erst am späten Nachmittag zu Ben ins Krankenhaus. Vorher fuhr er an seinem Haus vorbei, um sich frisch einzukleiden.

    Was er zu diesem Zeitpunkt nicht ahnte, er wurde dort bereits erwartet. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu seinem Anwesen stand ein dunkler Audi A3, dessen Scheiben getönt waren. Das Kennzeichen des unbekannten Fahrzeugs begann mit „K“ für Köln und so schenkte der Türke ihm keine weitere Beachtung. In ihm saß eine Frau, Gabriela Kilic, die vor Hass nur so glühte. In der Morgendämmerung hatte sich die Kroatin auf die Lauer gelegt. Als es in den frühen Morgenstunden im Haus der Gerkhans still blieb, sich nichts regte, musste sie ihre ganze Beherrschung aufbringen, um nicht vor Enttäuschung auszuflippen. Jedoch, mit jeder weiteren Minute, die verstrich, kam die eiskalte Killerin in ihr wieder zu Tage, die gleich einem Raubtier stundenlang regungslos auf der Lauer liegen konnte, bis die Beute in die Falle ging. Na warte, dachte sie sich, ich kriege schon raus, wo du deine Alte mit der Göre versteckt hast. Unauffällig folgte sie seinem BMW und überwachte jeden seiner Schritte. Die Kroatin stellte es geschickt an, so dass dem Kommissar seine Verfolgerin nicht auffiel.

    Auf der Fahrt zur Dienststelle klingelte sein Handy. Er aktivierte die Freisprecheinrichtung im Auto. Hartmut war in der Leitung und legte gleich los.

    „Guten Morgen Semir“, begrüßte ihn der KTUler. Natürlich stellte auch er die Frage nach dem Befinden von Semirs Familie und von Ben. „Also weswegen ich eigentlich anrufe, ich sollte doch noch mal die Server der Staatsanwaltschaft durchleuchten, wer auf die Akte von Nicholas Schneider Zugriff genommen hatte. War gar nicht so einfach. Zuerst habe ich …!“

    „Hartmut bitte“, unterbrach ihn der Kommissar genervt, „Kein Vortag über deine Arbeit! … Was hast du rausgefunden?“

    Der Kollege der KTU schnaufte deutlich hörbar durch und antwortete „Es kommen fünf Personen dafür in Frage!“

    „Ja, und weiter? Hast du die Namen? Ist der Gerichtsdiener, dieser Müllender auch dabei? Konntest du die Telefonanrufe, die letzte Woche am Dienstag im Gerichtsgebäude ankamen nachverfolgen?“

    „Welche Frage soll ich dir zuerst beantworten?“ kam kurz angebunden und in einem leicht beleidigten Unterton zurück. „Nein, dieser Müllender war nicht dabei. Aber ich mache momentan noch ein paar Datenabgleiche, ist alles ziemlich kompliziert … ja ich weiß …!“ den Rest verkniff er sich „Susanne hat von mir die Namen bekommen und versucht einmal rauszufinden, ob es auffällige Kontenbewegungen oder sonst etwas Besonderes bei den einzelnen Personen gab, was sie verdächtig machen würde. Am besten du sprichst mit ihr direkt. Ansonsten habe ich dir alles per Mail geschickt.“ Er zögerte noch einen Augenblick. Ihm war noch etwas aufgefallen und er hegte einen bestimmten Verdacht. Sollte er den schon Preis geben? Der Kommissar kannte Hartmut schon lange genug, um zu bemerken, dass dieser noch etwas auf Lager hatte und hakte nach: „Sonst noch was Einstein, was ich wissen sollte? Also was ist kompliziert?“

    „Hmmm, ja also … ähm …!“, druckste der Rothaarige rum „ich bin mir nicht sicher, ob auf dem Server der Staatsanwaltschaft ein Trojaner hinterlegt ist?“

    „Bitte was? Hartmut … In Deutsch und für Erstklässler! Und so dass ich es verstehe!“

    „Anders ausgedrückt, ein Programm, um die Akten und ich meine wirklich alle Akten, die auf den Servern der Staatsanwaltschaft abgelegt sind, auszuspionieren! Aber wie gesagt, ich bin mir noch nicht sicher und ich habe auch noch keine Beweise dafür!“, ruderte Hartmut ein wenig zurück.

    Der Kommissar brauchte ein paar Sekunden um sich der Tragweiter von Hartmuts Aussage bewusst zu werden. „Ok Einstein! Kein Ton zu irgendeiner Person über das, was du mir gerade erzählt hast. Und wenn du Beweise hast, reden wir zuerst mit der Krüger!“

    Zwischenzeitlich hatte er das Gelände der PAST erreicht und parkte seinen BMW am gewohnten Platz. Fast ein wenig wehmütig blickte er auf den freien Parkplatz rechts neben sich, auf dem normalerweise Bens grauer Mercedes stand. Als er die PAST betrat, brodelten die Erinnerungen vom vergangen Donnerstag in ihm hoch. Der Deutsch-Türke hielt einen Augenblick inne, bevor er endgültig durch die Eingangstür trat. Susanne saß mit einem aufmunternden Lächeln hinter ihrem Schreibtisch.

    „Guten Morgen Semir! Wie geht es Aida und Andrea? Und der Kleinen, wie geht es Lilly? Hast du was von Ben erhört?“, stürmte sie gleich mit ihren Fragen auf ihn ein. Er blieb vor dem Schreibtisch der Sekretärin stehen und setzte sich ganz legere auf dessen Kante. Jenny drehte ihren Bürostuhl in Richtung von Susanne und auch der Rest der anwesenden Kollegen hörte interessiert zu.

    „Den Dreien geht es gut. Die Entscheidung, erst mal zu Andreas Eltern zu fahren, war wohl die Richtige. Und Ben … ich habe gestern Abend noch mal mit Julia telefoniert. Er war auch nachmittags kurz wach und hat mit ihr gesprochen. Es geht aufwärts.“ Semir hielt seinen rechten Daumen in die Höhe und Susanne konnte die Erleichterung sehen, die ihm ins Gesicht geschrieben stand, ihr ging es nicht viel anders. „Seine Schwester ist heute Morgen bei ihm und sobald ich hier fertig bin, werde ich früher Feierabend machen und ihn besuchen!“

    Im Hintergrund hörte er laute Stimmen, die heftig miteinander stritten. Verwundert blickte Semir über die Schulter und suchte die betreffenden Personen. Auch die anderen anwesenden Kollegen verfolgten mehr oder weniger versteckt, was sich da in Frau Krügers Büro abspielte. Die Tür war geschlossen. Auch wenn man nur Wortfetzen verstehen konnte, ließen die Mimik und Gestik ihrer Chefin darauf schließen, dass sie kochte.

    Am nächsten Morgen … irgendwo in Düsseldorf
    Er lag in einem bequemen Liegestuhl auf der Dachterrasse in seiner Penthouse Wohnung über den Dächern von Düsseldorf und blickte in die wärmenden Strahlen der Morgensonne. Die Stadt war ruhig … kein Berufsverkehr am Sonntagmorgen. Neben ihm stand eine Tasse Kaffee, an der er ab und an nippte, während er an seiner Zigarre zog. Genüsslich blies er den Rauch in kleinen Kringeln in die Luft und blickte ihnen nach, wie sie sich verflüchtigten. Wie so oft in den letzten Tagen versuchte er über das Handy Gabriela Kilic zu erreichen. Diesmal hatte er Erfolg. Irgendwo auf einer Autobahn im Süden Europas klingelte ein Handy.

    „Wo warst du Gabriela? Ich versuche dich seit Tagen zu erreichen?“
    „Zu Hause! Ich war zu Hause Christian!“ Wie immer sprach sie seinen Namen in englischer Form aus.
    „Ich habe dich doch in Bern angerufen? Da war nur dein Anrufbeantworter dran.“ die Stimme des Sprechers klang ungehalten.
    „Ich war in unserem Dorf bei Mostar. Ich habe meinen Bruder nach Hause gebracht! Er ist tot!“
    Er schwieg kurz, dachte nach, bevor er antwortete.
    „Das tut mir unendlich Leid für dich Gabriela. … Das wusste ich nicht. Was ist passiert? Warum hast du dich nicht gleich am Donnerstag gemeldet? Ich warte seit Tagen auf deinen Anruf! … So musste ich von Justin erfahren, dass etwas schief gegangen ist!“
    Die Sprecherin am anderen Ende der Leitung holte deutlich Luft und zischte: „Schief gegangen?“ Sie lachte in einer Art und Weise auf, die Christian einen Schauer über den Rücken jagte. „Nennt man das jetzt so! … Hast du gerade vergessen, dass ich dir gesagt habe, mein Bruder ist tot!“ Sie schnaubte deutlich hörbar durch die Nase, das in ein wütendes Fauchen überging.
    „Beruhige dich Gabriela! Was ist passiert dort draußen in der Eifel? … Auf diesem Einödhof? … Mario ist auch nicht erreichbar. Wo ist er? Was ist mit dem Rest deiner Leute? … Sind sie wieder zurück in ihrer Heimat.“

    Er zog etwas hektischer an seiner Zigarre und trank einen großen Schluck Cognac aus dem Glas, in welches er sich zwischenzeitlich die bernsteinfarbene Flüssigkeit eingeschenkt hatte. Die Antwort, die er erhielt, hörte sich nach einer wildgewordenen Raubkatze an, der man ihr Junges weggenommen hatte.

    „Was passiert ist? Ist die Frage dein Ernst? Hast du sie noch alle? … Du hast doch die tollen Kontakte zur Polizei. Sag du mir doch, was schief gelaufen ist! Ich habe meinen Teil unserer Abmachung erfüllt. Du wolltest, dass wir die Geiseln noch am Leben lassen, bis der Überfall in Düsseldorf erfolgreich durchgeführt worden ist. Du kanntest meine Regeln … keine Zeugen. Ich wollte sie gleich beseitigen, nachdem Nicolas frei war. … Kein Risiko … und jetzt … Jetzt ist mein Bruder tot!“ zum Schluss überschlug sich fast ihre fauchende Stimme, die voller Hass war.

    „Christian!“ Ihr Tonfall bekam einen seltsamen warnenden Unterton, „Du hast die Ware bekommen! … Du hast alles bekommen, was du wolltest! Und ich, was habe ich? Nichts! … Mein Bruder ist tot. Verstehst du das?“, schrie sie zornerfüllt ins Telefon. „Tot!“ Das Wort hallte in seinen Ohren nach. Er glaubte sie aufschluchzen zu hören. Oh ja, er kannte die besondere Bindung, die zwischen ihr und ihrem Bruder geherrscht hatte. Sie hatte den schwachsinnigen Typen immer beschützt, wie eine Löwin ihr Junges.

    „Ok … ist gut.“, lenkte er ein, „Wann bist du wieder im Rheinland? Und was brauchst du?“

    „Ich bin in den nächsten Tagen wieder zurück. Treffpunkt wie üblich, ich melde mich vorher. Und was ich will? Ich will den Tod meines Bruders rächen. Ich will wissen, wer dafür verantwortlich? Der halbtote Bulle? Oder diese Polizistenfrau, die ihr Kind beschützt hat! Beschaff mir alle Informationen Christian! Alle! Und Mario? Dachte die Bullen haben ihn geschnappt! Hilf ihm!“
    Ihm fröstelte bei dem eiskalten Klang von Gabrielas Stimme.

    ******

    Intensivstation Uni-Klinik Köln
    Ben lag seit der Morgenvisite in einer Art Dämmerschlaf und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Der Oberarzt hatte nochmals seine Medikation geändert, was bewirkte, dass er seine Umgebung nicht mehr wie durch einen Wattebausch wahrnahm und auch langsam strukturierter denken konnte. Mit knappen Worten hatte er ihm das Ausmaß seiner Verletzungen erklärt und dass er noch etliche Tage hier im Krankenhaus und speziell auf der Intensivstation verbringen würde. Solange er keine unbedachte Bewegung machte, waren die Schmerzen für ihn erträglich. Vorsichtig lupfte er mit seiner linken Hand die Bettdecke hoch und schob den Krankenhauskittel, den er seit heute Morgen trug, etwas zur Seite. Soweit es ihm möglich war, betrachtete er seine Verletzungen, tastete sie behutsam mit seinen Fingerkuppen ab. Der junge Mann versuchte die schrecklichen Bilder, die dabei in ihm hochkamen, zu verdrängen.

    Stattdessen probierte er sich abzulenken und beschäftigte sich in seiner Gedankenwelt mit der jungen Krankenschwester Anna, die ihn auch heute Morgen versorgt hatte. Nachdem er die Tortur der Wundversorgung überstanden hatte, hatte er bis zur Visite mehr oder weniger geschlafen. Anschließend hatte sie ihm ein kleines, leichtes Frühstück gebracht, wie sie es nannte. Ohne ihre Unterstützung hätte er keinen Schluck Tee und auch keinen Bissen zu sich nehmen können. Wenn er es bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, so war ihm spätestens da klar, in welch schlechten Zustand er sich befand. Ben grübelte nach, irgendwo hatte er diese hübsche Frau schon einmal gesehen. Nur wo? Ohne dass er es merkte fiel er in einen tiefen Erholungsschlaf.

    Während er schlief, betrat ein Besucher sein Krankenzimmer, Semir. Wie gewohnt, nahm der Kommissar auf dem Besucherstuhl Platz und ergriff die rechte Hand seines Freundes. Er hatte beim Betreten der Intensivstation Glück gehabt, dass der Oberarzt ein paar Minuten Zeit für ihn hatte. Der Arzt klang im Gegensatz zu den vergangenen Tagen richtig optimistisch und machte ihm Hoffnung, dass Ben über den Berg sei, sprich keine akute Lebensgefahr mehr bestand. Das beruhigte den Türken ungemein. Er begrüßte seinen kranken Partner. „Guten Morgen Schlafmütze! Wie geht es dir heute?“ dabei achtete er darauf, ob eine Regung in Bens Gesicht sichtbar wurde und darauf hindeutete, dass er ihn hören würde. Wie bei seinen letzten Besuchen fing er an von Aida und Andrea zu erzählen. Fast schon gewohnheitsgemäß beobachtete er dabei die verschiedenen Monitore, als er in seinem Monolog unterbrochen wurde.

    Es war Semirs vertraute Stimme, die zu Ben durchdrang und ihn erwachen ließ. Er spürte die Wärme der Hand, die auf seiner lag. Er öffnete die Augen und blinzelte. Es dauerte einen Augenblick, bis der junge Kommissar völlig klar sehen konnte. „Hey, Partner!“, wisperte er leise und Semir blickte völlig überrascht auf Ben. „Warum weckst du mich so früh am Morgen?“

    „Ben, Ben …!“ der Rest seines Satzes ging unter. Im Gesicht des Kommissars arbeitete es. Er kämpfte darum seine Fassung nicht zu verlieren. Dieser Ausspruch von seinem jungen Partner zeigte ihm mehr als deutlich, dass dieser auf dem Weg der Besserung war. Er konnte es nicht verhindern, seine Augen wurden feucht und eine vereinzelte Träne rann die Wange entlang. Semir schluchzte auf: „Oh Scheiße! Jetzt hocke ich hier am Krankenbett von meinem besten Freund und fang an zu heulen!“
    „So schlimm Semir, war es so schlimm um mich gestanden?“, flüsterte der leise.
    Es dauerte einen Moment, bis sich der kleine Türke wieder so weit in der Gewalt hatte, dass er antworten konnte.
    „Schlimm … schlimm … ist kein Ausdruck!“ … er schniefte auf, kämpfte darum, nicht erneut seine Fassung zu verlieren, bevor er fortfuhr. „Du warst tot …verstehst du Ben … du warst tot!“ Weitere Tränen bahnten sich ihren über seine Wangen, Semir konnte es einfach nicht verhindern und wischte diese mit dem Handrücken der freien Hand weg. „Diese Meldung, dass man deine Leiche gefunden hatte … weißt du, wie sich das in diesem Moment angefühlt hatte … ich bin mit dir gestorben! ... Oh mein Gott Ben, tue mir das nie wieder an!“ Er war einfach nicht mehr in der Lage weiterzusprechen. Zu sehr hatten ihn seine Emotionen im Griff. Er kniff seine Lippen zusammen und versuchte den Kloß, der in seinem Hals steckte, hinunterzuschlucken. Es tat gut den sanften Druck von Bens Fingern an seinem Arm zu spüren.

    „Du weißt doch, so leicht bin ich nicht umzubringen!“ Ben schaffte es sogar im Ansatz sein schelmisches Lächeln aufzusetzen. Der Türke wollte gerade zu einer energischen Erwiderung ansetzen, als er erkannte, dass sein Freund schlagartig ernst wurde und seine Augen, dass wieder spiegelten, was er mit seinen Worten ausdrückte. „Ich hatte Angst Semir! … Furchtbare Angst, dass die uns drei einfach umbringen werden!“ Augenblicklich kämpfte der junge Mann um seine Selbstbeherrschung, als die Erinnerungen an die dramatischen Stunden der Gefangenschaft und der Flucht ihn überfielen. Die Warnleuchte am EKG-Monitor blinkte auf. Ben kniff seine Lippen zusammen und suchte die richtigen Worte: „Diese Frau, die war so unglaublich brutal, so kaltblütig, ich hatte ehrlich gesagt keine Chance, aus dieser Geschichte lebend raus zu kommen. Nur der Wunsch, Andrea und Aida die Flucht zu ermöglichen, haben mich vorwärts getrieben.“ Sein Körper zitterte und seine Augenwinkel schimmerten feucht. „Als ich da im Wald lag, hatte ich schon aufgegeben ... Vielleicht war es die Vorstellung, dass du irgendwann kommen würdest, die mich am Leben gehalten hat!“ Mit jedem weiteren Satz fiel ihm das Sprechen schwerer. Er hielt einen Moment inne und sammelte neue Kräfte. „Semir, was ist mit Aida und Andrea?“

    „Den beiden geht es mittlerweile wieder besser Ben! Mach dir keine Sorgen um die beiden. Aida und Andrea sind in Sicherheit und packen gerade ein paar Sachen zu Hause zusammen. Heute Nachmittag werde ich sie zu Andreas Eltern bringen!“
    „Wie lange bin … ich denn schon hier?“, fragte er stammelnd nach.
    „Den vierten Tag!“ in Gedanken fügte er hinzu, vier Tage lang nur Hoffen und Bangen. Er sah seinem Freund an, wie erschöpft dieser war und nur noch mit Mühe die Augen offen halten konnte. Semir beschloss den Besuch zu beenden. Er erklärte seinem Freund, dass Julia heute Nachmittag noch vorbeischauen würde und er sich auf den Weg zu seinen Schwiegereltern machen würde. Der kleine Türke blickte seinen Freund an und stellte fest, dass dieser schon längst wieder ins Reich der Träume abgewandert war.
    „Bis morgen Partner!“ verabschiedete er sich leise. „Schlaf gut!“

    na wer hätte das gedacht, Zofia leistet keinen Widerstand, als sie erkennt, dass Jenny von der Polizei ist :thumbup:
    wie befürchtet, erweist sich der Koloss als das Hindernis!
    hast die Szenen gut beschrieben, wie Semir an dem Riesen wie eine Klette dran hing ... konnte mir die Action richtig gut bildlich vorstellen :)
    so Riese ist außer Gefecht ... hoffentlich führt Zofia die beiden Polizisten, nachdem man ihr sagt, dass ihre Tochter in Sicherheit ist, so schnell wie möglich in das Kellerversteck
    Ich befürchte, jede Minute zählt!

    ich habe es geahnt ... irgendwie war mir klar, dass Anis andere "Register" aufziehen wird, um Kevin gefügig zu machen ... unwillkürlich musste ich an diesen Satz denken: Wollen wir ein Spiel spielen ... für Kevin ... ein verhängnisvolles Spiel
    nur dass dessen Vater Erik einfach so mitmacht X(
    schon kurios, dass ausgerechnet Bienert die Durchsuchung leiten soll . ... und ja, ich bin überzeugt, in Kevins Wohnung werden die Beamten etwas finden ..
    Semir und Ben sollen Erik mal richtig in die Mangel nehmen ...
    auch ich bin gespannt, wie es weiter geht und ob meine Vermutungen zutreffen oder daneben liegen

    Susanne! Ich habe gesagt, NICHT DIE AUGEN!!!! ;(

    ich schließe mich mal Trauerkloß an ... bei allem Leiden für Ben ... keine Verstümmelungen ... X(X(X( und Finger weg von den Augen X(X(X(
    jetzt kommen die Minuten des Hoffen und Bangen .....
    hoffentlich schafft Semir Maria am Schlimmsten zu hindern
    ich habe keine Bedenken, dass Jenny diese Zofia überwältigen kann, vor allem, wenn die erfährt, dass ihre Tochter in Sicherheit ist
    nur die große Unbekannte ist für mich auch: das Riesenbaby mit den Monsterkräften .... denn der wird seine Schwester schützen
    verspricht Spannung pur :thumbup:

    Wie am gestrigen Abend zog sich die Versorgung des Patienten länger hin, als erwartet. Julia beschloss deshalb nach Hause zu gehen, um nach ihren Vater zu sehen, um den sie sich ebenfalls Sorgen machte. Sie wollte am morgigen Nachmittag wieder zu Ben ins Krankenhaus kommen und fragte Semir, ob ihm dies etwas ausmachen würde.

    Dieser schüttelte den Kopf. Das passte dem Türken gut, denn Andrea und Aida sollten auf Anraten des Psychologen morgen Mittag aus dem Krankenhaus entlassen werden. Dr. Eberlein hatte empfohlen, dass Aida so schnell wie möglich in eine vertraute Umgebung gebracht werden sollte, um so das Trauma besser verarbeiten zu können. Andrea und er hatten beschlossen, dass sie die nächsten Tage erst mal bei Andreas Eltern verbringen würde. Nicht nur seine Frau sondern auch Semir hatte Sehnsucht nach ihrer kleinen Tochter Lilly, die sie seit fast einer Woche nicht mehr gesehen hatten. Insofern passten Julias Planungen gut zu seinen eigenen Plänen, seine Familie selbst zu seinen Schwiegereltern zu fahren. Etliche Minuten später, nachdem sich Julia verabschiedet hatte, wurde Semir von der Krankenschwester zurück auf die Intensivstation geholt.

    Semir stellte verwundert fest, dass sich zwischenzeitlich selbst auf dieser hektischen Station so etwas wie eine Ruhe einstellte. In einigen Patientenzimmern war bereits die Nachtbeleuchtung eingeschaltet worden. Als er Bens Zimmer betrat, fiel ihm augenblicklich auf, dass sich auch hier etwas anders war als vorher. Die Kurve des EKG Monitors hatte sich verändert. Und noch etwas fiel ihm auf, er glaubte im ersten Moment er sähe ein Trugbild. Alarmiert rief er nach der Krankenschwester, die sofort zur Stelle war. „Schwester Anna! Schnell kommen Sie!“

    Kurz vorher …..

    Der dunkle Schleier, der ihn umgab, lichtete sich. Die Frauenstimme, die mit ihm redete, klang mittlerweile irgendwie vertraut in seine Ohren. Ben versuchte sich zu orientieren, spürte die warmen Hände, die seinen Körper berührten. Jede Bewegung löste unterschiedliche Empfindungen in ihm aus. Zum einem verspürte er Schmerz, zum anderen fühlte sich das Auftragen der Creme im Gesicht einfach nur angenehm an. Er dämmerte vor sich hin, zwischen wach und Schlaf und versuchte erneut, sich orientieren. Wo war er nur? … Krankenhaus! ‚Du bist im Krankenhaus, merkst du das nicht?‘, erinnerte ihn seine innere Stimme. Seine Sinne und Erinnerungen schienen irgendwie vernebelt zu sein. Lag es an den Medikamenten, die man ihm am Morgen nochmals gegeben hatte? Ben versuchte Ordnung in das Chaos seiner Gedanken zu bringen. Der Dunkelhaarige lag wie in einem Halbschlaf da und lauschte in seinen Körper. Die Schmerzen, die ihn beim letzten Erwachen gequält hatten, schienen sich verflüchtigt zu haben, zumindest verspürte er im Augenblick keine. Ben wurde mutiger und versuchte seine rechte Hand zu bewegen. Vorsichtig erforschte er mit den Fingerspitzen seine rechte Seite. Aus einem Verband auf Höhe der Rippen führte ein Schlauch heraus, ein Stückchen weiter unten war ein weiterer Plastikschlauch. Ben versuchte ein bisschen seine Lage zu verändern, was er aber augenblicklich bereute, als ein bekannter stechender Schmerz seine rechte Seite durchzog. Auch die gebrochenen Rippen meldeten sich sofort wieder. Unwillkürlich stöhnte Ben leise auf. Er war so mit sich beschäftigt, dass er gar nicht merkte, dass jemand sein Zimmer betreten hatte. Ein Mann und eine Frau sprachen miteinander. Die Stimme des Mannes hätte der junge Polizist unter tausenden herauserkannt. Semir! Er zwang sich die Augen zu öffnen. Das Licht des Zimmers blendete ihn, es schmerzte in den Augen. Völlig verschwommen nahm er die Umrisse einer Gestalt wahr, die sich zu ihm herabbeugte. Langsam wurde die Sicht klarer. Es war wirklich Semir. Mit seiner Zunge befeuchtete Ben seine spröden Lippen. Sein Mund fühlte sich furchtbar trocken an. Außer einem heißeren Krächzen, das mehr einem gequälten Stöhnen glich, konnte er seiner Kehle keinen Laut entlocken.

    „Oh mein Gott! Ich glaube es nicht! Ben! … Ben, du bist wach!“ Grenzenlose Erleichterung sprach aus den Worten seines Partners.

    Auf der anderen Seite seines Bettes erschien eine weitere Person. Ein Paar wunderschöne ausdrucksstarke braune Augen blickten ihn an. Es war eine junge Krankenschwester. Als sie Ben ansprach, kam ihm ihre Stimme merkwürdig vertraut vor.

    „Hallo Herr Jäger!“ Anna hielt eine Schnabeltasse mit stillem Wasser in der Hand. „Wie vorhin versprochen, habe ich erst mal einen Schluck zu trinken für sie! Der Kollege hat das ja das Trinken heute Mittag bereits erfolgreich mit ihnen geübt!“ Ein aufmunterndes Lächeln umspielte ihre Lippen. Vorsichtig schob sie ihre Hand unter seinem Kopf, um ihn abzustützen und hielt ihm die Tasse an die Lippen. Als er versuchte mit gierigen Schlucken zu trinken, ermahnte sie ihn „Langsam! … Schön Schluck für Schluck! … Wir wollen uns doch nicht verschlucken!“ An seinem getrübten Blick erkannte sie, dass er noch sehr stark unter dem Einfluss der verabreichten Medikamente stand. Zu ihrer Überraschung brachte er es tatsächlich fertig, ein paar leise geflüsterte Worte von sich zu geben.

    „Semir … Semir … Du … bist … da! Was … ist … mit … Aida …und … Andrea ….?“

    Die letzten Worte ließen sich mehr erahnen und von den Lippen ablesen. Semir konnte es nicht fassen. Sein Freund, der so schwer verletzt in seinem Krankenbett lag, um sein Leben rang, machte sich Sorgen um seine Familie.

    „Sie sind in Sicherheit Ben! Aida und Andrea geht es soweit gut!“

    „Gut!“ …hauchte er. Ben war so unendlich müde und konnte einfach seine Augen nicht mehr offen halten.

    „Andrea war heute schon bei dir …!“

    „Lassen Sie es Herr Gerkhan!“, fiel ihm die Krankenschwester ins Wort und berührte dabei Semirs Unterarm. „Schauen Sie, er schläft schon wieder! Wenn sie möchten, können sie noch ein paar Minuten bei ihm bleiben, bevor die Nachtschicht ihren Dienst beginnt und wir die Übergabe am Bett machen!“

    Der Türke zog sein Handy aus der Hosentasche. „Nein, ich gehe gleich! Ich will nur schnell meiner Frau eine Nachricht schicken, die sich ebenfalls große Sorgen um Ben macht!“, erklärte er der Schwester. „und werde anschließend zu meiner Familie ins Marienhospital fahren.“ Dabei hatte er sein Handys angeschaltet. Auf der Startseite erschien das Bild seiner Familie. Als er das Display freigeschaltet hatte, um an seine Frau eine Whatsapp Nachricht zu tippen, erschien ein Foto, das ihn und Ben vor der PAST zeigte, als sie sich an dem silbernen BMW lehnten.
    Anna konnte einen Blick auf dieses Foto erhaschen. Von einer Sekunde zu anderen war ihr klar, wer der junge Mann war, der vor ihr in dem Intensivbett lag. Fluchtartig verließ sie das Zimmer. Draußen lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die kalte Tür und versuchte erst einmal ihre Fassung wieder zu gewinnen, bevor sie zurück zum Schwesternstützpunkt ging.

    ich würde mal sagen, eine typisch menschliche Reaktion, die du super rüber bringst
    jeder hat nur seinen Blickwinkel: Jenny ... und auch Kevin ... deswegen fällt mir es auch schwer, für einen der beiden Partei zu ergreifen
    doch etwas ist offensichtlich: Beide empfinden für einander mehr als sie nach außen hin zugeben würden
    du kennst ja meinen Wunsch <3:):)
    und was dann kommt ist ja der Hammer =O
    Erik bestreitet, dass Kevin ihn besucht hat ...
    der Verdacht mit den Drogen =O ... ich befürchte da hat jemand nachgeholfen
    und ahne nichts Gutes für Kevin

    Ben grübelt über Kevin und seine Vergangenheit nach - ein Buch mit sieben Siegeln ... und wenn man eines aufbricht, kennt man noch lange nicht die Geheimnisse, die sich hinter den anderen verbergen. Ich kann mir nicht, dass Ben hinter das Geheimnis kommt, was Anis mit Kevin verbindet
    Auch in mir bleibt diese Frage, wird Ben jemals vergessen können, was in Hamburg geschah ... verzeihen können, lernen damit zu leben :?: Denn, wenn ja, und ich mir was wünschen könnte, dass zumindest ein wenig von der alten Freundschaft der beiden, Ben und Kevin, wieder aufkommt
    habe da sie Szene im Kopf als beide zusammen in diesem Club aufgetreten sind
    kaum ist ein bisschen alte Vertrautheit zwischen Jenny und Kevin da, machst du auch schon wieder Bumms .... das Handy und die Fotos ...
    was hat sich Kevin dabei gedacht? Ich würde zu gerne seine Gedanken lesen
    und Jenny .... die ist für mich eifersüchtig :)

    Hartmut erweist sich wieder mal als Retter in der Not :):thumbup:
    tatsächlich findet er eine heiße Spur und Semir steht kurz davor, Ben von den Qualen und Folterungen zu erlösen
    hoffentlich kommt es bei der Erstürmung des Hauses nicht noch zu unerwarteten Schwierigkeiten
    und ob diese Folterungen für Ben ohne Folgen bleiben... ich male mir da in meinem Kopfkino da gerade so einiges aus, was Maria mit anstellt, um an seine Gene zu kommen
    ;(;(;(

    Ist die Liebe und Zuneigung zwischen Jenny und Kevin doch noch nicht erloschen?
    ich würde mir es von Herzen wünschen, wenn die beiden wieder zueinander finden
    diese Beziehung hatte so etwas Besonderes ... mit all ihren Höhen und Tiefen
    und klar, Jenny hat ein intaktes Elternhaus ... wie soll sie da wirklich das Verhältnis zwischen Kevin und seinen Vater verstehen
    ich denke, Kevins Vater hat mit seinen Anschuldigungen ... seinen Vorwürfen etwas in Kevin zerstört und maßgeblich dazu beigetragen, dass der junge Mann der Mensch wurde, der er ist
    ein junger Mann, den die Last am Tod seiner Schwester schuld zu sein, förmlich erdrückt

    Im Laufe des späten Nachmittags schaffte es Semir tatsächlich noch die Uni-Klinik zu kommen, um Ben zu besuchen. Der Oberarzt, Dr. Vollmers, hatte Dienst und somit hatte der Türke kein Problem zu seinem Freund durchgelassen zu werden, obwohl die offizielle Besuchszeit schon zu Ende war. Nach einem kurzen Gespräch im Arztzimmer, das den Blutdruck des Türken etwas sinken ließ, machte er sich auf dem Weg zu Bens Zimmer. Dabei suchte er mit seinen Blicken nach einem Arzt, Anfang dreißig mit schulterlangen brünetten Haaren. Obwohl Andrea ihm den jungen Mann eingehend beschrieben hatte, konnte er ihn nirgends auf der Intensivstation entdecken. Gerne hätte er dem Typen die Meinung gesagt. War wohl besser so, dachte er insgeheim für sich.
    Beim Betreten des Zimmers auf der Intensivstation erwartete ihn eine Überraschung. Der Besucherstuhl war bereits durch eine junge Frau besetzt, die sich beim Öffnen der Tür umdrehte. Julia, Bens Schwester, saß da an dessen Seite und hielt die Hand ihres Bruders fest und sprach leise mit ihm. Ein freudiges Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie Semir erkannte. Nach einer kurzen aber herzlichen Begrüßung wurde Julia wieder ernst.

    „Semir, was ist denn passiert? Mein Vater hat etwas von einer Entführung erzählt. Vor allem, wie geht es Andrea und Aida?“, fragte sie besorgt nach. Der Kommissar holte sich einen weiteren Stuhl und setzte sich an die andere Seite von Bens Bett. Für einen Moment schloss er die Augen, um sich innerlich zu sammeln, bevor er Julia die Ereignisse der vergangenen Tage schilderte. Sein Blick wanderte zwischen Julia und dem schlafenden Ben hin und her. Die Worte der jungen Krankenschwester kamen ihm wieder in den Sinn, dass es für seinen Freund gut wäre, seine Stimme zu hören.
    Julia wurde immer blasser, als sie das ganze Ausmaß des Dramas erfuhr. Bei der Nachricht über Bens mutmaßlichen Tod schüttelte sie ihren Kopf hin und her und fing hemmungslos an zu weinen.
    Semir erhob sich von seinem Stuhl, umrundete das Krankenbett und nahm Julia tröstend in den Arm. Ihre Tränen benetzten sein Shirt. Als sie sich beruhigt hatte, drückte sie der Türke wieder sanft auf ihre Sitzgelegenheit. Mit einer monotonen Stimme berichtete er weiter und blieb dabei hinter ihr stehen. Seine Hände legte er beruhigend auf ihre Schultern. Aus der Perspektive konnte er seinen Freund genauer betrachten, der wie regungslos dalag. Nur das Heben und Senken des Brustkorbs beim Atmen zeigte, dass Leben in ihm war. Man hatte das Kopfteil des Bettes etwas höher gestellt. So konnte Semir Bens Gesicht bewusst mustern. Seine fahle Gesichtsfarbe glich der des Kopfkissens. Im krassen Gegensatz standen dazu die Schwellungen, die leicht zurückgegangen waren. Die ersten Hämatome veränderten ihre Färbung von dunklen lila-rot in hellere Farbtöne an. An seinen Wangen schimmerte es dunkel. Der Türke hatte gestern dem Krankenpfleger erklärt, wie stolz Ben auf seinen Drei-Tage-Bart war. Marco hatte verständnisvoll genickt und Semir versichert, dass man Ben nicht mehr rasieren würde. Der Tubus, der gestern noch aus seinem Mund geragt hatte, und der Plastikschlauch waren verschwunden. Stattdessen lag eine Sauerstoffbrille vor seinen Nasenlöchern. Der sichtbare Teil seines Oberkörpers war durch eines dieser Krankenhaushemdchen verdeckt. In seinem Unterbewusstsein registrierte Semir all diese kleinen Details und jedes für sich, signalisierte ihm, Ben lebte.
    Als der Kommissar seinen Bericht beendet hatte, schluckte Julia tapfer ihre Tränen hinunter, drehte sich um und blickte hoch.
    Die junge Frau atmete tief durch: „Ich bin so froh, dass du da bist Semir. Als ich heute Nachmittag ankam, hatte ich ein Gespräch mit einem jüngeren Arzt … der hatte im Namen so ein … von …, ich kann dir beim besten Willen nicht mehr sagen, wie der hieß. Dieser Arzt hat mir einem Fachvortrag über Bens Verletzungen gehalten.“ Sie zuckte hilflos mit ihren Schultern, „von dem ich beim besten Willen nichts verstanden habe. Wenn ich nachfragte, wurde er so richtig herablassend. Als ich darauf bestand mit dem Oberarzt oder mit Onkel Peter zu reden, wurde er ungehalten und patzig. Meinte er könne ja schließlich nichts für meine mangelnden medizinischen Kenntnisse und der Oberarzt hätte keine Zeit, ich müsse mit ihm vorlieb nehmen. Der Kerl war einfach nur arrogant.“ Julia stand ihre Verärgerung ins Gesicht geschrieben.

    Semir überlegte, sollte er ihr etwas davon erzählen, was sich hier am späten Vormittag aus Sicht von Andrea abgespielt hatte. Er entschied sich dafür. Schließlich war Julia eine direkte Angehörige von Ben und hatte ein Recht darauf zu wissen, was man mit ihrem Bruder und auch Andrea gemacht hatte. Pures Entsetzen spiegelte sich auf ihrem Gesicht wieder. „Hey Julia! Beruhige dich wieder! Ich habe gerade auf dem Gang vor der Intensivstation Dr. Vollmers, den Oberarzt, getroffen und mit ihm in Arztzimmer ein Gespräch über Bens aktuellen Zustand gehabt. … Der gibt sich optimistisch und meinte, als ich ihn darauf ansprach, Ben würde in den nächsten Stunden bestimmt wacher werden. Also heißte es für uns einfach: Abwarten und Tee trinken!“, versuchte er sie aufzumuntern. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, lenkte er das Gespräch in eine andere Richtung.

    „Wo ist denn dein Vater, Julia?“ Er war verwundert darüber, ihn nicht hier anzutreffen.

    „Zu Hause! Er hatte heute Morgen einen kleinen Schwächeanfall und unser Hausarzt hat ihm einen Tag strikte Bettruhe verordnet. Keine Aufregung und das in dieser Situation mit Ben!“ Julia lachte ironisch auf, „Übrigens du siehst auch müde aus Semir!“, stellte sie fest. Er versuchte abzuwiegeln, was ihm nicht so richtig gelang. Er sah es an Julias skeptischen Blick. „Was hältst du davon, wenn wir uns absprechen und abwechselnd bei Ben am Krankenbett sitzen. Dann hast du noch ein bisschen mehr Zeit für deine Familie, die brauchen dich bestimmt auch!“, schlug sie ihm vor. Er zögerte einen Atemzug lang und begrüßte ihren Vorschlag. „Du hast Recht Julia!“

    Einige Zeit später wurden die beiden Besucher von Schwester Anna aufgefordert das Zimmer und die Intensivstation zu verlassen. Der Kommissar kannte das Prozedere ja schon vom vergangen Tag und klärte seine Begleiterin auf dem Weg nach draußen vor die Intensivstation auf. Nachdem sich die Eingangstür mit einem leisen Surren geschlossen hatte, kicherte Bens Schwester urplötzlich vor sich hin.
    „Julia, was ist denn auf einmal so lustig?“, forschte der Kommissar nach, um den Grund für ihren Heiterkeitsausbruch zu erfahren und warf der jungen Frau einen verwunderten Blick zu.
    „Tut mir leid Semir!“ Sie fuhr sich mit ihrer Hand über den Mund und gluckste weiter vor sich hin. „Da wird Ben von solch einer hübschen Schwester versorgt ... Die junge Frau entspricht doch voll seinem Geschmack und er kriegt es überhaupt nicht mit. Ich stell mir gerade sein Gesicht vor, wenn ich es ihn später einmal erzähle und ihn damit aufziehen werde!“
    Bei dieser Äußerung fing der Türke ebenfalls an zu Grinsen. Ja Ben und die Frauen … und die beiden ließen sich auf den unbequemen Plastikstühlen, die vor der Intensivstation standen, nieder.

    das Grauen bekommt einen neuen Namen ... ;(
    wie ich befürchtet hatte, vergewaltigt Maria Ben ... X(
    und Semir muss es hilflos mit ansehen OMG ... sage ich nur, was mag da in ihm vorgegangen sein
    hat er das gleiche Gruseln und Grauen verspürt
    die Frau ist einfach nur verrückt und ich möchte nicht wissen, was dieser Satz für eine Bedeutung hat: sie möchte seinen Samen ... schon allein diese Vorstellung ... was sie Ben zum Schluss angetan hat
    die letzte Hoffnung ruht wie immer auf Hartmut ...

    also ich pflichte Susan bei, dass hätte Erik ein wenig früher - viele Jahre früher - einfallen können, dass Kevin sein Sohn ist. Ich bin der Meinung, da ist so viel Porzellan zu Bruch gegangen, das lässt sich nicht mehr kitten =O:(
    und dass auf dem verschwundenen Zettel Eriks Name stand, habe ich mir schon irgendwie gedacht :)
    das Gespräch hat scheinbar tiefe Wunden bei Kevins Seele wieder aufgerissen, denn warum ging er sonst in die Kneipe
    und zu Anis ... ich befürchte, da kommen schwere Zeiten auf Kevin zu

    Bei ihrer Rückkehr erwartete sie bereits Bonraths Ablösung. Es war ein Kollege vom Innenstadtrevier, Hubert Möller, der die nächste Wache übernahm. Semir kannte ihn flüchtig von dem einen oder anderen Einsatz und schätzte ihn als zuverlässig ein. Andrea schilderte ihrem Mann ihre Erlebnisse in der Uni-Klinik. Mit jedem weiteren Satz, den sie von sich gab, konnte sie erkennen, wie sein Unmut anstieg und sein türkisches Temperament zum Vorschein kam. Bevor er endgültig explodieren konnte, kam seine Tochter mit zwei weiteren Kindern und der Erzieherin den Gang entlang auf sie zugelaufen.

    „Aida, gehst du schon mal mit deinen neuen Freundinnen in dein Zimmer! Zeig ihnen doch mal eure tolle Terrasse! Ich muss noch mal kurz mit deinen Eltern sprechen“, dabei schob die Erzieherin Jutta Eberlein die Mädchen, die alle im gleichen Alter waren, in Richtung der Zimmertür und blickte Andrea und Semir fragend an „falls sie eine Minute Zeit für mich haben. Ich hätte einen Vorschlag, in Bezug auf Aida, den ich ihnen gerne unterbreiten möchte.“ Sie deute auf die Besucherecke und die freien Stühle dort. „Wollen wir uns nicht einen Moment hinsetzen!“ forderte sie die Gerkhans auf, ihr zu folgen. „Entschuldigung, wenn ich so überfalle. Nur das, was ich heute Morgen im Spielzimmer miterleben musste, ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich hoffe, sie sind mir nicht böse. In meiner Mittagspause habe ich die Geschichte meinem Vater geschildert, der in einer niedergelassenen Praxis als Psychologe arbeitet.“ Sie erklärte den Eltern von Aida weiter, dass Kinder zwar nicht das Spezialgebiet ihres Vaters seien, aber da Aida ja so furchtbare Angst vor einer Frau hatte, vielleicht ein Mann weiter kommen würde. Wenn die beiden einverstanden wären, würde er heute Nachmittag noch vorbeikommen und ein erstes Gespräch mit ihrer Tochter führen.

    Andrea und Semir schauten sich nur kurz an und die Entscheidung war getroffen. Bereitwillig nahmen sie das Angebot der Erzieherin an. Eine Stunde später kam der Psychologe tatsächlich ins Marienhospital. Der grauhaarige Mann strahlte eine unheimliche Ruhe aus und erinnerte eher an Aidas Opa als an einen Psychologen. Schon eine Minute nachdem er das Zimmer betreten hatte, war der Bann zwischen ihm und Aida gebrochen. Er hatte ein paar Scherze auf den Lippen und sein Lachen war herzlich und ehrlich. Zur Überraschung der beiden nutzte Dr. Eberlein die Gelegenheit auch mit Andrea zu sprechen. Er sagte zu, Mutter und Tochter gemeinsam psychologisch zu betreuen und zu therapieren. Semir fiel ein Stein vom Herzen, denn seine nächste Sorge galt Ben. Er hatte die Worte seiner Frau nicht vergessen und wollte so schnell wie möglich zu seinem Freund ins Krankenhaus.

    Doch daraus wurde nichts. Frau Krüger fing ihn an der Eingangstür des Marienhospitals ab. Selbst der Hinweis, er müsse dringend zu Ben, half Semir nicht. Die Chefin bestand darauf, vorher mit ihm reden zu wollen. Nur ungern folgte er ihr in die Cafeteria. Etwas abseits von den anderen Gästen suchten sich die beiden Polizisten einen Tisch, um ungestört sprechen zu können. Ihre ersten Fragen galten natürlich der aktuellen Verfassung von Aida und Andrea. Als die Sprache auf Ben kam, erntete sie eine patzige Antwort des Türken. „Was glauben Sie wohl, wo ich gerade hinwollte!“ Er trommelte dabei nervös mit seinen Fingerkuppen auf der Tischplatte und schilderte in kurzen Worten, was sich heute Mittag in der Uni-Klinik zugetragen hatte.

    „Ok, ich verstehe Sie ja, am liebsten würde ich sogar selbst mitkommen.“, lenkte sie ein, „ich will mich kurz fassen Herr Gerkhan!“ führte Kim Krüger das Gespräch weiter fort und nippte dabei von ihrem Kaffee, „ich komme direkt von Frau Schrankmann und wollte sie auf den neuesten Stand der Ermittlungen bringen. Die Staatsanwältin hat beim LKA so viel Druck gemacht und darauf gedrängt, dass Hartmut mit in die Untersuchungen der Spuren einbezogen wird. Der Tote im Wald konnte immer noch nicht identifiziert werden!“

    „Aber Andrea sagte doch aus, dass der Typ Mario heißt und mit der Kilic verwandt ist!“
    „Was nützt uns diese Information, wenn er in keiner Datenbank registriert ist!“, konterte seine Chefin. „Die Fingerabdrücke des Toten wurden an das BKA und Interpol weitergegeben. Mal schauen, ob die seine Identität lüften können. Es bleibt uns in diesem Fall nichts anderes übrig, als zu warten!“
    „Und was ist mit dieser Kilic, Frau Krüger?“, fiel ihr Semir ins Wort, „wohin ist die untergetaucht?“ Er hielt sich mittlerweile krampfhaft an seiner Kaffeetasse fest, um seine Nervosität zu überspielen. Die Chefin schüttelte andeutungsweise mit dem Kopf und kniff die Lippen zusammen.

    „Nichts! Absolut nichts! Ich befürchte, der Typ vom BKA hat Recht und die hat sich ins Ausland abgesetzt. Auf jeden Fall wird sie deswegen seit heute Mittag mit internationalem Haftbefehl gesucht. Frau Schrankmann hat sich dafür mächtig ins Zeug gelegt. Denken Sie, dass Sie am Montag wieder ihren Dienst aufnehmen können?“ …
    Der Kommissar schien tief in seinen Gedanken versunken vor ihr am Tisch zu sitzen und blickte erst hoch, als ihn seine Chefin nochmals ansprach. „Herr Gerkhan? … Haben sie meine Frage verstanden?“
    Semir dachte an Ben und seine Familie. Langsam hob er den Kopf und schaute Kim Krüger in die Augen. „Ja, ich denke, das wird schon gehen. Andrea und Aida sollen auf Anraten des Psychologen morgen aus der Klinik entlassen werden. Ich werde die beiden zu Andreas Eltern bringen. Dort ist ja auch Lilly!“ Beim Namen seiner jüngeren Tochter bekam er einen sehnsüchtigen Ausdruck in den Augen. „Ich hätte Sie deswegen sowieso noch angerufen. Es geht ja um den Polizeischutz! Und … ja, noch eine Bedingung habe ich. Gewähren sie mir ausreichend Zeit, dass ich Ben im Krankenhaus besuchen kann!“
    Kim Krüger nickte zustimmend. „Einigen wir uns darauf, dass sie ihre Dienstzeit flexibel gestalten können.“ Für einen Moment schwieg sie. „Frau Schrankmann gehen ihren Anschuldigungen bezüglich eines Maulwurfs in ihrer Behörde nicht aus dem Kopf. Das LKA hat angeblich nichts gefunden. Sie möchte inoffiziell und ohne dass es jemand mitbekommt, dass sie und Hartmut das Ganze nochmal durchleuchten. Susanne wird sie dabei nach besten Kräften unterstützen.“

    Der Kommissar rutschte ungeduldig auf seinen Stuhl hin und her, als er den Ausführungen seiner Chefin lauschte. Er drängte förmlich auf ein Ende des Gesprächs und zum Schluss versprach Frau Krüger sich um alles zu kümmern, was den Schutz von Semirs Familie betraf. Semir hatte nur noch einen Wunsch: Er wollte zu Ben. Wenn der Türke an seinen Freund dachte, zog sich vor Sorgen sein Magen zusammen.

    Zu Beginn des Kapitels musste ich unwillkürlich an den Satz denken „Kinder sind das Opfer der Erziehung ihrer Eltern“ … letztendlich gilt das ja auch für Kevin …
    Erklärt vieles, warum sich der junge Mann so entwickelt hat und erklärt auch verständlicherweise sein Verhalten
    Diese Brandy war mir ja direkt ein wenig sympathisch
    Nur die Sympathie und Wärme verflog schnell bei dem Aufeinandertreffen von Vater und Sohn
    Fazit: Diese beiden Menschen haben sich wirklich nicht mehr viel zu sagen
    Die Eiseskälte, die zwischen den beiden herrscht, konnte man förmlich durch den Laptop hindurch spüren

    die Beweggründe von Zofia sind nachvollziehbar ... sie ist Maria sprichwörtlich auf den Leim gegangen
    und was macht eine Frau nicht alles aus Mutterliebe .... und dennoch ... auf was wartet Zofia ...
    irgendwie kann ich bei den Freiheiten, die ihr Maria gewährt nicht verstehen, dass sie einfach blindlings zuschaut
    und Marias Bruder Elias kann man keinen Vorwurf machen ... der lebt wahrscheinlich in seiner eigenen kindlichen Phantasie-Welt und wird von seiner Schwester für ihre Zwecke schändlich missbraucht
    ein bisschen stellen sich bei mir die Nackenhaare auf, bei der Szene als Maria mit dem Messer auf Ben zuschreitet
    irgendwie habe ich Angst, dass sie sein Auge haben will =O<X

    Ihr war überhaupt nicht bewusst geworden, dass sich auf dem EKG- Monitor die Wellen, die den Herzschlag anzeigten, verändert hatten. Leise murmelte sie vor sich hin, im Gespräch mit sich selbst vertieft. Ihre Umwelt hatte sie ausgeblendet.

    Ben spürte die Wärme einer Hand, die auf seinem Arm lag. Sanft strich ihm jemand über die Wangen und das Gesicht. Es war einfach nur angenehm, und noch etwas war wieder da: die Schmerzen … diese furchtbaren Schmerzen. Das Gefühl innerlich zu verbrennen, wütete wieder in seinem Rücken und seiner rechten Seite. Der Dunkelhaarige wollte wieder schlafen, einfach weiter schlafen und nichts spüren. Aber da war noch etwas, diese Stimme, in der so viel Sorgen und Flehen lag. Jemand redete mit ihm, die Worte drangen zu Ben durch wie aus weiter Ferne. Zuerst verstand er den Sinn nicht. Auf einmal wurde ihm bewusst, wer da neben seinem Krankenbett saß: Andrea. Seine Augenlider fühlten sich so unsagbar schwer an, selbst unter Aufbietung seiner ganzen Kräfte gelang es ihm nicht, seine Augen zu öffnen. Eine neue Welle voller Qual überrollte ihn. Ohne dass es Ben bewusst war, stöhnte er leise vor Schmerz vor sich hin.

    Am EKG-Monitor schrillte ein akustische Warnsignal auf. Erschrocken fuhr Andrea zusammen, als sie gleichzeitig das leise Stöhnen von Ben hörte. „Ben! … Ben! hörst du mich?“, fragte sie völlig aufgeregt. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert, in seiner Mimik arbeitete es. Seine Stirn legte sich in Falten, sein schmerzhaftes Stöhnen wurde lauter. Sie hatte erneut das Gefühl, seine Augenlider flatterten. Im selben Augenblick ertönte von einem weiteren Überwachungsgerät ein Alarmsignal. Die schrillen Töne hallten von den Zimmerwänden wider. Verwirrt blickte sich Semirs Frau um. Schwester Anja kam in Bens Zimmer geeilt, gefolgt von einer weiteren Schwester und einem jüngeren Arzt. In Blickrichtung zu Andrea ordnete dieser in einem recht taktlosen Ton an: „Verlassen Sie sofort das Zimmer und die Station! … Raus!“ Mit einer Geste seiner Rechten unterstrich er noch einmal seinen Befehl.
    Andrea warf noch mal einen traurigen Blick zurück über die Schulter, als sie Bens Zimmer verlassen hatte. Ihr entging nicht der rüde Tonfall, mit dem der blonde Arzt die Krankenschwester anblaffte: „Was sucht um diese Uhrzeit eine Besucherin im Krankenzimmer? Das nächste Mal fragen sie mich gefälligst vorher um Erlaubnis!“ Der Arzt und die Schwestern waren um das Bett verteilt und kümmerten sich um den Patienten.
    Mit hängenden Schultern schlich Andrea aus der Intensivstation. Tränen schimmerten in ihren Augen. Dieter Bonrath blickte verdutzt hoch, als Semirs Frau völlig aufgelöst auf ihn zugestürmt kam.
    „Andrea! Was ist denn passiert? … Ist was mit Ben?“, erkundigte sich der Polizist besorgt. Er nahm Andrea in den Arm und hielt sie tröstend fest, während sie mit knappen Worten über das berichtete, was sich vor wenigen Minuten in Bens Zimmer abgespielt hatte. Mit ihrem Ärmel wischte sie sich ihre Tränen aus dem Gesicht.

    „Na komm! Setz dich erst mal her zu mir! So schlimm wird es schon nicht sein. Warten wir einfach mal ab, was der Arzt gleich zu berichten hat!“, beruhigte Bonrath mit seiner unvergleichlichen Art die Frau seines Kollegen.

    *******

    Nachdem der Assistenzarzt das Intensivzimmer verlassen hatte, betrachtete Anja, die leitende Stationsschwester, den Patienten, der mittlerweile wieder völlig ruhig dalag. Der junge Arzt hatte ihn erneut sediert. Marco, der Krankenpfleger, war zwischenzeitlich ebenfalls im Zimmer anwesend. Mit knappen Sätzen informierte ihn Anja darüber, was passiert war. Der Pfleger schüttelte ungläubig den Kopf und murmelte leise: „So ein Arsch, das wäre doch nicht nötig gewesen Herrn Jäger so abzuschießen!“ Zusammen mit der erfahrenen Schwester lagerte er seinen Patienten neu und nutzte die Gelegenheit sich mit ihr zu unterhalten.
    „Einfühlungsvermögen sieht definitiv anders aus Marco. Allein schon wie er mit Frau Gerkhan umgesprungen ist, die Frau hat mir so Leid getan. Er hat die Ärmste mehr oder weniger rausgeschmissen.“ Ungläubig schüttelte die altgediente Schwester ihren Kopf. „Der Ruf, der unserm Herrn von Zadelhoff voraus eilt, wird ihm voll gerecht. Ich gebe ja in der Regel nichts auf das Geschwätz von anderen und bilde mir stattdessen eine eigene Meinung. Nur in dem Fall scheint sich das Gerede zu bestätigen. Am liebsten würde ich dem arroganten Schnösel die Meinung sagen“, empörte sich die erfahrene Krankenschwester und schnaubte mal durch. „Aber keine Sorge, dass Früchtchen ziehe ich mir noch!“
    „Lass das mal lieber Anja! Leg dich nicht mit dem Typen an! Das ist kein Teamplayer, sondern eher das Gegenteil. Der geht ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen und hat Vitamin B bis ganz oben zur Klinikleitung. Laut meinen Quellen, ist er auf ausdrücklichen Wunsch des Klinikdirektors eingestellt worden, um seine Facharztausbildung an einer Uni-Klinik abzuschließen. Wenn es stimmt, was man munkelt, ist er sogar mit unserem ach so korrekten Verwaltungsdirektor verwandt. Martina, die auf der chirurgischen Station B arbeitet, wo er vorher tätig war, hat wegen dem Idioten sogar eine Abmahnung bekommen“, warnte er die Schwester vor, um anschließend ironisch aufzulachen „die haben vor einigen Tagen eine Flasche Sekt geköpft, als es hieß, dass er eine Woche früher als geplant, auf unsere Station versetzt wird!“

    „Na Klasse! Du machst mir Hoffnung. So was wie den, können wir hier gerade auf Station gebrauchen.“ Anja atmete tief durch. „Haben die in der Verwaltung nichts Besseres als Ersatz für unsere Frau Dr. Stolz gefunden? Warum musste die Gute ausgerechnet jetzt schwanger werden? Das scheint momentan eine Seuche zu sein. Erst wird Isabella schwanger, Anna ist nicht mehr lange hier und ich sehe schon kommen, dass wir alten Hasen das wieder mit Überstunden auffangen müssen.“
    Die nächsten Minuten arbeiteten die beiden Pflegekräfte schweigend Hand in Hand. Zum Schluss warf Anja einen prüfenden Blick den Patienten und seufzte auf: „Ich gebe dir Recht Marco, ob das notwendig war, den armen Kerl so schlafen zu legen.“ Sie wandte sich wieder ihrem Kollegen zu und meinte mit einer Spur von Optimismus: „Warten wir mal ab, was geschieht, wenn der Chefarzt ab Dienstag wieder da ist. Professor Kraus legt großen Wert darauf, dass wir als Pflegepersonal mit den Ärzten zusammen arbeiten und auch umgekehrt. Wie sagt er immer: Zum Wohle des Patienten! Das wäre nicht der erste Arzt, dem wir Manieren beibringen!“ Als sie das Krankenzimmer verließen und raus auf den Gang traten, schaute sich Anja suchend um. „Ist er wenigstens raus, zu der Ärmsten und hat sie darüber informiert, wie es Herrn Jäger geht?“ Sie stand mit dem Rücken zur Eingangstür des Intensivzimmers. Marco tippte ihr auf die Schulter und bewegte den Kopf in Richtung des Stationsstützpunktes.
    „Nein, er ist vorne und telefoniert.“ Anja schnaubte wütend durch und dem Pfleger schwante schon, dass die Stationsschwester das Verhalten des Arztes nicht einfach so billigen würde. „Was hast du vor Anja? Mach bloß keinen Blödsinn! … Bitte, warte wenigstens bis du die Rückendeckung vom Chef hast!“
    „Keine Sorge, ich gehe raus zu Frau Gerkhan!“ Sie warf einen prüfenden Blick über die Schulter in das Krankenzimmer, auf den Patienten und die Monitore. „Bleibst du noch einen Moment bei Herrn Jäger, sieht ja alles soweit stabil aus.“

    Mit einem leisen Surren öffnete sich die Eingangstür zur Intensivstation und eine ältere Schwester kam direkt auf die beiden Wartenden zu. Sie wirkte wie so ein mütterlicher Typ auf Andrea. Ihr Gesicht umspielte ein sanftmütiges Lächeln. Innerlich kochte Anja, als sie die verweinten und verquollenen Augen der Frau sah.
    „Hallo Frau Gerkhan! Herrn Jäger geht es gut. Also keine Aufregung!“
    Andrea und Dieter hatten sich von ihren Stühlen erhoben. „Aber was war das gerade eben?“, fragte sie verwirrt nach. „Was ist mit Ben? Ich hätte wetten können, dass er am Aufwachen war? Stimmt doch Schwester Anja!“, äußerte sie sich hoffnungsvoll.
    Es widerstrebte der Krankenschwester die besorgte Frau anzulügen. „Frau Gerkhan, ich bin kein Arzt …!“ Andrea fiel der Schwester energisch ins Wort „Aber sie haben doch ein bisschen Berufserfahrung oder?“
    „Ja, sie haben Recht. Ich denke, Herr Jäger war am Aufwachen und hatte vermutlich starke Schmerzen.“ Sie holte tief Luft und suchte nach einer diplomatischen Antwort: „Der Arzt hat ihn nochmals leicht sediert, um ihn die Schmerzen zu nehmen. Er wird die nächsten Stunden wieder schlafen. Mehr kann ich ihnen nicht sagen“, schloss sie die Unterhaltung ab. Andrea und Dieter verabschiedeten sich dankbar und fuhren zurück zur Marienklinik.

    Ich möchte mal behaupten, eine Fahrt mit der Geisterbahn auf dem Rummel ist eine Spazierfahrt im Vergleich zu Bens Gang durch das Ragnarök …
    Respekt: mit jeder Szene, die du in dem Haus beschreibst, wird dieser Ort des Grauen noch ein wenig gruseliger … diese Droge Valkyr ist ein wahres Teufelszeug
    Zumindest hat Ben Jenny wohlbehalten aufgefunden, was mich schon mal beruhigt.
    Bin gespannt, welche Geheimnisse dieses Haus noch verbirgt, doch vorher will ich wissen, was mit Kevin los ist …. Wie praktisch, wenn es ein weiteres Kapitel gibt
    So tief durchatmen … Kevin ist also nichts passiert
    Kommt da tatsächlich so was wie Vertrauen zwischen ihm und Semir wieder auf … ich würde es mir von Herzen wünschen, dass das Misstrauen verschwindet und ein gewisses Maß an Vertrauen zurückkehr … Jeder hat Fehler gemacht … aus denen man für die Zukunft lernen kann
    Kevin hat das belastende Stück Papier verloren … nicht gut … gar nicht gut

    Aida blieb noch ein wenig im Spielzimmer. Der Kontakt mit den anderen Kindern tat ihr sichtlich gut. Die Erzieherin hatte den besorgten Eltern signalisiert, dass ihre Tochter gut aufgehoben sei und Andrea und ihr Mann nutzten die Gelegenheit, um einen Abstecher in die Cafeteria des Krankenhauses zu machen. Sie setzten sich auf die Terrasse ein wenig abseits von den anderen Gästen an einen kleinen Tisch und genossen die warme Frühlingssonne. Vor Andrea stand ein Glas mit Latte Macchiato und Semir trank wie immer Kaffee schwarz. Die beiden unterhielten sich nochmals eingehend über ihre Tochter und beratschlagten, wie man Aida am besten helfen könnte.
    Letztendlich hatte keiner von ihnen eine passende Lösung parat. Am Nachmittag sollte nochmals ein Gespräch mit der behandelnden Kinderärztin stattfinden. Vielleicht hatte die Ärztin einen rettenden Vorschlag, wie man Aida am besten helfen konnte, das erlittene Trauma zu verarbeiten. Für einige Minuten starrten sich die Eheleute schweigend an, nippten an ihrem heißen Getränk und hingen ihren Gedanken nach.
    Semir musterte seine Frau und konnte erahnen, das Andrea sich nicht nur Sorgen um ihre Tochter machte. Er konnte es fast körperlich fühlen, was seine Frau noch bewegte und innerlich zerriss. Die Selbstvorwürfe, weil sie Ben hilflos im Wald zurückgelassen hatte. Er umschlang mit seinen Händen die ihren, die sich eisig kalt anfühlten, drückte sie mitfühlend und blickte ihr besorgt in die Augen.
    „Was ist los mit dir Andrea? … Vor mir brauchst du nicht die starke Frau zu spielen. Wie geht es dir wirklich mein Schatz?“- „Mir? … Mir geht es gut!“ – Semir schüttelte den Kopf und kniff kurz die Lippen zusammen. „Das glaube ich dir nicht! … Es sind nicht nur die Sorgen wegen Aida! … Sondern es geht auch um Ben? … Richtig!“
    In ihren Augenwinkeln schimmerte es verdächtig. Er sah, wie sich auf die Unterlippe biss und darum kämpfte, nicht ihre Fassung zu verlieren. Sie nickte und murmelte mit einem heißer belegten Tonfall: „Semir, ich möchte zu ihm … ich möchte Ben sehen, mich mit meinen eigenen Augen vergewissern, dass er noch lebt. Ich … !“
    Andrea verstummte, verdrehte die Augen leicht nach oben und versuchte krampfhaft ihre Tränen wegzublinzeln. Mit einem Mal überfiel sie die Erinnerung, dieser schreckliche Anblick von Ben, als sie ihn alleine im Wald zurück lassen musste. Diese Schüsse auf der Anhöhe … ihre Hilflosigkeit. Ihr wurde nicht bewusst, dass sie leicht zitterte. Semir erhob sich von seinem Stuhl, umrundete den Tisch und nahm seine Frau in den Arm. Er hielt sie einfach fest und versuchte für sie wie ein kleiner Fels in der Brandung zu sein und etwas von seiner Kraft und Stärke auf seine Frau zu übertragen. Er murmelte ihr beruhigende Worte ins Ohr, streichelte ihr dabei sanft über den Rücken und störte sich auch nicht daran, dass der eine oder andere Blick der anwesenden Besucher der Cafeteria an ihnen haften blieb.
    „Ich verstehe dich mein Schatz. …. Bitte beruhige ich und mir einfach ein paar Minuten und lass mich telefonieren!“ Dabei drückte er seine Frau sanft auf einen der Bistro-Stühle und zog eine der Papierservierten aus dem Ständer. Dankend nahm Andrea die Servierte an, trocknete ihre Tränen und schnäuzte sich. Währenddessen fischte der Türke sein Handy aus der Hosentasche, telefonierte mit Konrad Jäger. Dieser hatte keine Neuigkeiten aus der Klinik, versprach Semir aber, alles Nötige zu veranlassen, dass auch Andrea außerhalb der Besuchszeiten zu Ben durfte.
    Am liebsten hätte sich der kleine Türke in seinen silbernen BMW gesetzt und in Richtung Uni-Klinik gefahren. Seine Gedanken rasten. Der Gewissenskonflikt wallte in ihm auf. Auf der einen Seite waren da seine Frau und seine Tochter und auf der anderen Seite war da sein bester Freund Ben. Jeder rief auf seine Art um Hilfe … seine Hilfe.
    Auch wenn er den Wunsch seiner Frau verstand, da war diese Ungewissheit, wie es Ben gesundheitlich ging. Er atmete mehrmals tief durch. Semir musste einfach wissen, wie es um seinen Freund stand, um für Aida in den nächsten Stunden der Vater zu sein, den sie dringend benötigte. Ein Blick auf die Uhrzeit, die auf dem Handy-Display angezeigt wurde, verriet ihm, die Morgenvisite musste längst vorbei sein. Kurz entschlossen, tippte er auf die eingespeicherte Telefonnummer der Intensivstation und hatte Glück. Nach einer Minute Wartezeit war Marco, der Krankenpfleger, am anderen Ende der Leitung.
    Der Pfleger hatte gute Nachrichten für den Polizisten. „Herr Jäger wird nicht mehr beatmet. Er war vor einer Stunde kurzzeitig wach und ansprechbar, hat auf Fragen reagiert und schläft momentan.“ Grenzenlose Erleichterung machte sich in Semir breit. Die Anspannung löste sich ein wenig und der seelische Druck, unbedingt Ben zur Seite stehen zu wollen ließ ein wenig nach. Auch auf seine Frau wirkten die Neuigkeiten aus der Uni-Klinik wie eine Erlösung.

    Nach dem Mittagessen blieb Semir mit seiner Tochter in der Marienklinik. Dieter Bonrath begleitete Andrea zur Kölner Uni-Klinik. Allerdings wurde ihm der Zutritt zur Intensivstation verwehrt. Konrad Jäger hatte nur veranlasst, dass Andrea zu Ben durchgelassen wurde. Also blieb dem schlaksigen Polizisten nichts anderes übrig, als sich auf den unbequemen Stühlen im Wartebereich hinzusetzen und zu warten.

    Minutenlang verharrte Andrea am Fußende des Bettes und betrachtete Ben. Wie verändert er aussah, seit dem Augenblick als sie ihn im Wald zurücklassen musste. Wie ein Film zogen die Szenen ihrer gemeinsamen Gefangenschaft, der Flucht und der Misshandlungen, die man den dunkelhaarigen Polizisten angetan hatte, an ihrem inneren Auge vorbei. Es war so wie in den vergangenen Stunden, sobald sie die Augen schloss, verfolgten sie diese Bilder, nicht nur in ihren Träumen, sein schmerzverzerrtes Gesichts, der flehende Ausdruck seiner Augen, seine Schmerzensschreie, sein Körper, der sich unter den erlittenen Qualen aufbäumte.

    Wenn sie die kleinen Verletzungen an der Wange und der Stirn, die bereits abheilten, ausblendete, ebenso die übrigen Wunden seines gepeinigten Körpers, erinnerte sie der entspannte Ausdruck seines Gesichtes, an etwas ganz anderes. So friedlich hatte Ben ausgesehen, wenn er bei ihnen übernachtet und im Gästezimmer geschlafen hatte. Sie schwelgte in ihren Erinnerungen. Dachte daran, wie es gewesen war, wenn die Kinder ihn morgens geweckt und anschließend mit ihm rumgetobt hatten.
    Das Alarmsignal eines Überwachungsmonitors holte sie zurück in die Gegenwart. Bildete sie sich das nur ein oder hatten sich seine Augenlider bewegt. Verwirrt schüttelte Andrea den Kopf und trat näher ans Bett heran und setzte sich auf den Besucherstuhl. Sie ergriff seinen rechten Arm und streichelte sanft darüber. Der andere Arm sah eher aus wie ein Nadelkissen. Urplötzlich brach es aus ihr heraus, was sich für andere verborgen, in ihrem Inneren abgespielt hatte.
    „Oh Gott, Ben, sag mir doch was ich machen soll. Wenn ich die Augen schließe habe ich ständig dieses Bild vor Augen, wie du im Wald schwer verletzt vor mir lagst. Ich frage mich immerzu, war ich schuld daran, dass du den Abhang hinuntergestürzt bist?“ Andrea schluchzte auf … Tränen liefen ihr über das Gesicht „Ich konnte dich doch nicht zurücklassen auf dem verfallenen Bauernhof! Verstehst du! Ich konnte doch nicht! Die Dunkelhaarige hätte dich doch umgebracht! Du hättest doch nie im Leben eine Chance gegen sie gehabt!“ Sie rang darum, ihre Fassung wieder zu gewinnen. Zärtlich strich sie ihn über die Wangen und über die Stirn. „Ben, bitte … werde wieder gesund! Bitte! … Semir … die Kinder und auch ich, wir brauchen dich!“

    na das war mal ein Action Kapitel ... absolut Cobra 11 würdig :thumbup:
    nur das Ende sieht nicht so glücklich aus
    der Verdächtige konnte wahrscheinlich entkommen und Kevin im Hafenbecken
    hoffentlich ist dem Ärmsten nichts passiert, bei dir weiß man ja nie
    und Jenny? wie geht es ihr?