Beiträge von Mikel

    Oh mein Gott ... was für eine Psychopathin
    in meinem Kopfkino spielt sich so einiges ab, was die mit dem armen Mann angestellt haben könnte
    er konnte aus ihrem Keller fliehen??? in dem Zustand ... =O
    und die Lokalnachrichten präsentieren ihr nächstes Opfer ..
    ich vermute mal, da ist ein Foto von Ben drauf ... und schließe mich Darcie an ... ich habe Angst um Ben

    so da habe ich mir mal die Geheimkapitel zu Gemüte geführt
    und stimme Darcie zu ... Holla die Waldfee
    da kommt das Kopfkino in Gange ...
    war ein schöner Einblick in das Familienleben der Familie Jäger
    und ja ... Sarah hat schon recht, zwei Kinder reichen aus

    die Obduktion ist nichts für zart-besaitete Menschen .... kann Ben verstehen, dass da das Frühstück aus Kaffee besteht
    der Tote scheint ja Ben äußerlich wirklich äußerst ähnlich zu sein
    wobei man bei den Verletzungen, die man ihm beigebracht hat, das Gruseln kriegen könnte
    allein diese Verstümmelungen im Genitalbereich ... schon allein bei der Vorstellung <X<X<X<X
    für mich ist der Mann brutal gefoltert worden? - Daraus folgt: Welches Geheimnis hat er
    das wird ein interessanter Mordfall

    Im Marienhospital …

    Auf dem Flur zum Krankenzimmer der Familie Gerkhan begegnete den beiden Frauen Krankenschwester Rosi Stürmer, die soeben ihren Spätdienst aus privaten Gründen eine Stunde früher als üblich beendet hatte. Sie hatte als erste ihre Übergabe an die Nachtschwester gemacht und war auf dem Weg nach Hause. Rosi Stürmer erkannte Susanne sofort wieder und blaffte sie an: „Was machen Sie schon wieder hier? Die Aussage des Arztes vor zwei Stunden war doch unmissverständlich. Familie Gerkhan braucht ihre Ruhe!“ Mit verschränkten Armen versperrte die Krankenschwester mit den kohlrabenschwarz gefärbten Haaren, die so gar nicht zu ihrem Alter jenseits der fünfzig passen wollten, Kim Krüger und Susanne den Weg zum Krankenzimmer. Ihr etwas aus den Fugen geratener Körper tat sein Übriges, um als unüberwindbares Hindernis zu wirken. Susanne, die schon am Abend mit der resoluten Dame Bekanntschaft gemacht hatte, hielt sich ein wenig im Hintergrund.


    Zwischen ihrer Chefin und der Krankenschwester entbrannte eine hitzige Diskussion. Der herbeigerufene Arzt, der Bereitschaftsdienst hatte, beendete das emotionsgeladene Streitgespräch der beiden Damen. Er schickte seine streitbare Krankenschwester nach Hause und nahm Kim und Susanne mit ins Stationszimmer. Dort erklärte er seinen Standpunkt aus medizinischer Sicht. Man hatte nicht nur Andrea und ihrer Tochter, sondern auch Semir nach den traumatischen Erlebnissen der letzten Tage und vor allem des Mittags ein starkes Beruhigungsmittel und ein Medikament zum Schlafen verabreicht. Zusammen mit dem Arzt ging Kim Krüger zum gemeinsamen Zimmer der Familie Gerkhan. Leise öffnete er die Tür und lies die Polizistin einen Blick ins Innere werfen. Man hatte zwei Betten zusammengeschoben. Frisch geduscht und eng aneinander geschlungen, lagen die Drei da und schliefen. Der Arzt sah es aus medizinischer Sicht als äußerst kritisch an, wenn man jetzt den Türken wecken würde.


    So schnell gab aber Kim Krüger nicht auf. Sie hatte ganz deutlich im Wald gespürt, wie wichtig die Anwesenheit von Semir für den Überlebenskampf von Ben Jäger war. Alle ihre Argumente halfen nichts. Der diensthabende Arzt änderte seine Meinung nicht. Hier ging es um das Wohl und die Gesundheit seines Patienten. Nachdem die diensthabende Nachtschwester so nach und nach das Ausmaß der Tragödie erfasste, gab sie Kim und Susanne ein Versprechen. Sobald Semir erwachen würde, würde sie ihm die Nachricht überbringen, dass der Türke seine Chefin anzurufen soll. Unverrichteter Dinge machten sich Kim und Susanne auf den Weg zur Uni-Klinik.

    Die Abenddämmerung verabschiedete sich langsam und die Nacht brach herein.


    Uni-Klinik Köln

    Dank der vorgerückten Abendstunde fanden sie in unmittelbarer Nähe der Notaufnahme einen Parkplatz. Die zentrale Patientenanmeldung und die Pforte waren seit zwanzig Uhr nicht mehr besetzt. Also blieb nur noch die Notaufnahme. Die Schwester, die dort an der Anmeldung saß, weigerte sich strikt eine Auskunft über den Zustand des jungen Polizisten zu erteilen. Ein junger Arzt der Notaufnahme, der mit einigen Patientenakten in der Hand gerade vorbeikam, war auf den emotionsgeladenen Dialog aufmerksam geworden und kam auf die beiden Frauen zu. Es war offensichtlich, dass sich hier jemand wirklich Sorgen machte und den Schwerverletzten zu kennen schien.

    „Entschuldigung, ich habe gerade eben ihr Gespräch an der Anmeldung mitbekommen. Ich bin Dr. Reichelt und war dabei als der verletzte Polizist erstversorgt wurde. Er ist momentan meines Wissens noch im OP. Wissen Sie, ob er Angehörige hat und diese auf dem Weg hierher sind?“

    Kim seufzte erleichtert auf und zückte ihren Dienstausweis aus ihrer Tasche. „Mein Name ist Kim Krüger. Der schwerverletzte Polizist ist einer meiner Mitarbeiter. Seinen Vater habe ich verständigt. Er ist auf dem Weg hierher. Bitte können sie uns nicht sagen wie es ihm geht?“

    Der junge Mann sah die Verzweiflung in den Augen der Polizistin. „Tut mir leid. Zum Zustand des Patienten kann ich ihnen keine Auskunft erteilen. Kommen sie mit, ich zeige ihnen den Weg zum Warteraum des OP Bereiches, ich muss sowieso in diese Richtung.“
    Schweigend folgten die beiden Frauen dem jungen Arzt durch die Krankenhausflure und das Treppenhaus, die zu dieser Abendstunde fast wie ausgestorben wirkten. Das Wartezimmer war ebenfalls menschenleer. Die unbequemen weißen Plastikstühle luden nicht gerade zum hin setzen ein. In der Mitte des Raumes stand ein ovaler Glastisch, auf dem ein paar zerflatterte Zeitschriften rumlagen. Der Arzt ließ die beiden alleine. Susanne hatte sich vorher noch erkundigt, wo man zu so später Stunde noch einen Kaffee bekommen könnte und machte sich auf den Weg, um den Kaffeeautomaten zu suchen. Kim wollte sich nicht hinsetzen. Langsam verklangen die Schritte ihrer Kollegin auf dem Flur. Eine merkwürdige Stille kehrte ein. Gedankenverloren blickte sie durch das Fenster des Warteraums auf die Lichter der Großstadt.

    „Hey Kim, nicht erschrecken! Ich bin es Susanne. Hier, ein Becher Kaffee für dich!“ auffordernd hielt sie ihr einen Plastikbecher, der mit dem schwarzen Getränk gefüllt war, hin. Dankbar nahm Kim das Angebot an. Die Polizistinnen wollten sich nicht auf die unbequemen Stühle setzen. Die Chefin der PAST lehnte sich an die Wand und rutschte mit ihrem Rücken an dieser herunter bis sie auf dem Boden saß. Susanne machte es sich neben ihr auf dem Fußboden ebenfalls bequem. In kleinen Schlucken tranken sie ihren Kaffee und hingen wortlos ihren Gedanken nach. Irgendwann forderte der Körper von Kim Krüger seinen Tribut. Dies war bereits die dritte Nacht hintereinander, die sie mehr oder weniger wach verbrachte und die Medikamente, die man ihr am Nachmittag verabreicht hatten, taten das Übrige. Ohne dass es ihr bewusst wurde, versank sie in einen unruhigen Schlaf. Auch Susanne wurde von ihrer Müdigkeit übermannt und schlief ein.

    so ... ich hätte ja gedacht, dass so eine Klinik auch eine Vermisstenanzeige aufgibt, wenn denen ein Patient abhanden kommt
    vor allem, wenn ich an die Verletzungen denke ... aber gut, warten wir mal den nächsten Tag ab
    bei Familie Jäger herrscht harmonisches Familienleben ... schön dass du uns daran ein wenig teilhaben lässt
    wobei ... das ist wie die Ruhe vor dem Sturm - hoffentlich blieb der Badeausflug ohne Folgen, denn scheinbar hat ja Ben auch Wasser geschluckt, wenn er sich den Mund ausspülen musste

    so ein Kapitel schon mal nachgelesen :)
    das ist ja übel <X "Eine Wasserleiche zum Mittagessen"
    aber Respekt vor Ben ... der ohne an seine eigene Gesundheit zu denken, ins kalte Rheinwasser springt
    die Leiche scheint ja richtig übel aus gesehen zu haben, wenn unserem Lieblingspolizisten davon schlecht wurde
    zwei Dinge machen mich nachdenklich ... Ben hält sich wieder einmal für unverwundbar und denkt nicht an die Folgen, die sein Ausflug ins Wasser haben könnte
    und die männliche Leiche zeigt gewisse Ähnlichkeiten mit ihm :/

    Notaufnahme des Heilig-Geist-Krankenhaus … Stunden später

    „Frau Krüger, so nehmen Sie doch endlich Vernunft an! Sie können das Krankenhaus in ihrer Verfassung nicht verlassen. Sie sollten auf jeden Fall eine Nacht zur Beobachtung hierbleiben!“, appellierte der behandelnde Arzt erneut. Vergebens versuchte er seit einer halben Stunde Kim Krüger davon zu überzeugen, dass sie nicht auf eigene Verantwortung nach ihrem Kreislaufzusammenbruch das Krankenhaus verlassen sollte.

    „Mir geht es wieder gut!“, behauptete die Polizistin stur. Das ihr noch schwindlig wurde, wenn sie sich aufrichtete, verschwieg sie mal lieber ihrem Arzt, Dr. Weber. Kim saß auf der Behandlungsliege und ihre Blicke schweiften suchend umher. „Ich muss mich um meine Leute kümmern. Aber das verstehen Sie ja sowieso nicht. Wo ist meine Tasche? Mein Handy?“

    Eine ältere Krankenschwester, die dem Arzt assistiert hatte, reichte Frau Krüger ihre schwarze Lederhandtasche. Der Arzt saß währenddessen an einer Art Schreibtisch und füllte unzählige Formulare aus bevor er mit sichtlichem Unwillen brummte: „Na gut! Sie sind erwachsen und volljährig. Ich kann Sie nicht dazu zwingen hierzu bleiben. Aber sie sollten heute Nacht nicht alleine bleiben, falls noch mal was ist. Und ja, auf Grund der Medikamente, die wir ihnen verabreicht haben, dürfen sie die kommenden acht Stunden auch kein Auto fahren.“ Er deutete auf verschiedene Blätter und hielt ihr auffordernd einen Kugelschreiber hin. „Hier … und hier … müssen sie noch unterschreiben, dass Sie auf eigenen Wunsch und entgegen meines ärztlichen Rates gehen wollen.“
    Sichtlich sauer und recht kurz angebunden, verabschiedete sich der Arzt von ihr.

    Nachdem sie die Formalitäten erledigt hatte, zückte die Chefin der PAST ihr Handy aus der Tasche. Kim versuchte Semir Gerkhan auf seinem Handy zu erreichen. Doch statt des kleinen Türken meldete sich dessen Mailbox. Sie überlegte kurz, ja wen sollte sie jetzt anrufen? Es gab momentan nur eine Person, die sie um sich haben wollte, die wahrscheinlich genauso empfand wie sie: Susanne König, die Sekretärin der Dienststelle. Ohne weiter nachzudenken wählte sie die Handynummer der Sekretärin. Nach ein paar Mal läuten ging Susanne ran.
    „König!“ Es herrschte erst mal Schweigen. „Frau Krüger? Sind Sie dran? … Was ist?“, fragte sie besorgt nach. Sie hörte ihre Chefin am anderen Ende der Leitung gequält aufseufzen. „Susanne … wo sind sie momentan? Bei Herrn Gerkhan? Kann ich ihn sprechen?“ Die Sekretärin konnte förmlich spüren, dass ihre Chefin etwas bedrückte.

    „Nein! Der Arzt hat mich mehr oder weniger vor zwei Stunden aus dem Marienhospital raus geschmissen. Ich gehe hier am Rheinufer gerade spazieren, weil ich es nicht ertrage, alleine in meiner Wohnung zu sitzen“, nuschelte die Blonde leise, während sie eines der Ausflugsboote auf den Rhein beobachtete, das in Richtung Düsseldorf tuckerte.
    „Susanne … Susanne …!“ Frau Krüger schluchzte am Telefon auf „Ben …! … Ben!“
    „Was ist mit Ben? …“ In diesem Moment schossen auch der Sekretärin die Tränen in die Augen. Ihre Stimme klang belegt: „Frau Krüger? … Was ist mit Ben?“ Sie flüsterte die Worte kaum hörbar ins Handy.
    „Er lebt noch, Susanne! … Ben lebt noch!“
    Ein spitzer Aufschrei und ein Aufschluchzen waren die Antwort und dann herrschte Schweigen.
    „Susanne, ich bin im Heilig-Geist-Krankenhaus. Können Sie mich abholen kommen?“, bat Kim.
    „Ich bin so schnell wie möglich bei ihnen Frau Krüger!“
    Innerlich total aufgewühlt fuhr Susanne die Wegstrecke vom Rheinufer zum Krankenhaus. Später vermochte sie nicht einmal zu sagen, wie dies geschafft hatte ohne einen Unfall zu bauen, ihr Ziel erreichte. An der Eingangstür erwartete die Chefin der PAST bereits ihre Sekretärin. Kim Krüger saß auf einer Bank, die tagsüber von den Rauchern genutzt wurde. Susanne parkte ihren roten Mini einfach im eingeschränkten Halteverbot vor der Bank, stieg aus und eilte auf Kim zu. Ohne eine weitere Begrüßung lagen sich die beiden Frauen augenblicklich weinend in den Armen.
    „ Und Ben lebt? … Oh mein Gott! … Ist das wahr? … Ist das wirklich wahr?“, schluchzte Susanne auf. Kim löste sich aus der Umarmung und blickte ihre Kollegin an. „Ja Susanne! Es ist wirklich wahr! … Man hat ihn mit einem Rettungshubschrauber in die Uni-Klinik geflogen. Ich habe keine Ahnung, wie es momentan um ihn steht. Der Notarzt meinte, sein Zustand sei äußerst kritisch!“
    Es herrschte ein Augenblick des Schweigens zwischen den beiden Frauen, bevor Kim fortfuhr: „Eine Bitte habe ich an dich. Ab sofort nicht mehr Frau Krüger … sondern Kim ja, einfach nur Kim!“
    Die letzten Stunden hatten ihr gezeigt, sie waren eine große Familie auf der PAST und gerade mit ihren engsten Mitarbeitern verband sie eine sehr emotionale Bindung. Susanne war ihr mittlerweile schon fast eine Freundin geworden.
    „Kim, ich versteh es nicht! Wie konnte es zu dieser Falschmeldung kommen?“, beklagte Susanne sich bitterlich. Dabei dachte sie an ihre Freundin Andrea und vor allem an Semir und die kleine Aida. Ein Kälteschauer nach dem anderen durchfuhr ihren Körper, wenn sie sich an diese dramatischen Momente auf der Dienststelle erinnerte, die eine Fortsetzung in der Klinik fanden. Sie holte sich ein Taschentuch aus ihrer Umhängetasche und reichte ein weiteres an Kim weiter. Die beiden Frauen setzten sich auf die Parkbank und Kim fing an zu erzählen. Teilweise konnte sie einen ironischen Unterton und ein Aufschluchzen nicht unterdrücken.

    „Du wirst es nicht glauben. Es lag alles an der Aussage dieses Augenzeugen, eines Herrn Herrmann Wedekind. … Wie sinnig, Verwaltungsbeamter im Ruhestand, ja so hat er sich vorgestellt!“ Kim räusperte sich. „Der sah wohl seine große Stunde gekommen, um einmal im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Der Kerl hat damit angegeben, ein ausgebildeter Ersthelfer mit Erfahrung zu sein. … Er hatte behauptet, dass Bens Leiche schon erkaltet sein würde!“ Kim warf dabei ihren Kopf ungläubig hin und her. „Dabei hat der Idiot irgendwann mal vor 20 Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr seines Dorfes einen echten Hilfseinsatz gehabt.“ Sie schluchzte gequält auf, „und ja … die Kollegen der Spurensicherung, die zuerst am Tatort waren, hatten ihm geglaubt und die anwesenden Sanitäter nicht zu Ben gelassen! … Die haben es nicht mal für nötig befunden, sich selbst davon zu überzeugen, ob Ben wirklich tot ist.“ Kim schüttelte es bei der Vorstellung, was sich da am Nachmittag zugetragen hatte. „Stattdessen haben diese Idioten Ben einfach schwer verletzt alleine liegen gelassen, verstehst du Susanne! … keiner hat sich um ihn gekümmert! … denen waren ihre verdammten Spuren wichtiger …!“ Sie brach ab. Es war aus und vorbei. Erneut bahnte sich ein Strom von Tränen über das Gesicht von Frau Krüger, ihre Selbstbeherrschung war dahin und die Emotionen suchten ein Ventil. Susanne nahm sie in den Arm und auch ihre Augen wurden feucht. Als sich die beiden Frauen wieder einigermaßen beruhigt hatten, berichtete Kim Krüger wie es schließlich doch noch zur Rettung von Ben gekommen war. Zusammen schritten sie weiter zu Susannes rotem Mini und machten sich auf dem Weg zum Marienhospital.
    Die Sekretärin hatte Kim schon erklärt, wie aussichtslos es sein würde, an Semir ran zu kommen aber diese wollte nichts unversucht lassen. Sie dachte an ihr Versprechen gegenüber Ben, Semir zu ihm zu schicken.

    „Hey Kim! Du wirst sehen, alles wird wieder gut. Dein Kollege lebt noch. Ich fahre dich nachher gleich zur Uni-Klinik.“ Mit seinen Worten versuchte er sie aufzumuntern und gleichzeitig zu beruhigen, während er sie an den Armen festhielt, blickte er ihr in die Augen. Sie schäumte vor Wut und Verzweiflung. Ihm war klar, wer ihr Ziel war, als sie sich von ihm wortlos löste. Er versuchte sie noch zurückzuhalten, aber sie riss sich förmlich los und fauchte ihn an: „Lass mich!“

    Der Chef der Spurensicherung sah das Unheil schon auf sich zukommen und war bereits nach draußen an den Waldrand in Richtung seines grauen VW—Kastenwagen geeilt. Aber das bewahrte ihn nicht vor Kim Krügers Wutanfall, der dem explosionsartigen Ausbruch eines Vulkans glich. Sie nahm gar nicht wahr, dass ihr Martin Hillenbrand gefolgt war. Mit verschränkten Armen, den Unterkiefer wütend nach vorne geschoben, baute sie sich vor Dr. Pfeifle auf und drängte ihn rückwärts, bis er gegen die Hecktür des grauen Transporters stieß. Da der Forensiker einen halben Kopf kleiner war als sie, musste er zu ihr aufschauen.

    Bevor er auch nur den Hauch einer Chance hatte, das Wort zu ergreifen, brachen aus Kim Krüger all ihre aufgestauten Emotionen heraus. Sie konnte einfach nicht mehr. Das Bedürfnis, ihre wilde Verzweiflung über das, was in den letzten Stunden über sie und ihre Mitarbeiter hereingebrochen war, herauszuschreien, übernahm die Kontrolle.
    „Sie schulden mir eine Erklärung Herr Dr. Pfeifle! Wie konnte das passieren? … Wie konnte einem so erfahrenen Mann, wie Ihnen so etwas passieren?“ Beim letzten Satz troff ihre Stimme vor Ironie, dem ein Moment des Schweigens folgte. Dabei stützte sie sich mit einer Handfläche gegen das kalte Metall und bohrte ihren Zeigefinger der anderen Hand in seinen vorstehenden Bauch. Gefährlich wie eine Schlange zischelte sie ihn an: „Wie konnten Sie das Herrn Jäger nur antun? … Wie konnten Sie uns das nur antun? Wissen sie überhaupt, was sie angerichtet haben?“ In diesem Moment dachte sie an Semir, vor allem an den türkischen Kommissar und dessen Familie, den Zusammenbruch von Andrea Gerkhan und das verzweifelte Mädchen, das sich an seinen Vater geklammert hatte. „Wie kann man einen Schwerstverletzten einfach da oben hilflos im Wald liegen lassen? … Wie konntet Sie nur?“ … Ihr Blick schweifte anklagend in die Runde, blieb auf jeder einzelnen Person haften, die sich in ihrem Blickfeld befand „Wie konntet ihr alle nur?“, und wanderte wieder zurück zu dem Forensiker. „Erklären Sie es mir?“, fragte sie mit einer unnatürlich ruhigen Stimmlage.

    Wie Peitschenhiebe trafen die Vorwürfe den Rechtsmediziner. Er suchte nach einer Rechtfertigung. Es gab keine! Er fühlte sich in die Enge getrieben und fand keinen Ausweg. Seine Blicke wanderte nach Hilfe suchend zu seinen Mitarbeitern, die betreten zur Seite oder auf den Boden blickten. In einigen Gesichtern, wie dem von Hendrik Mertens, las er die gleichen Vorwürfe … die gleiche Anklage. Denn es ging um ein Menschenleben und letztendlich war er mit seinen Anweisungen verantwortlich dafür gewesen, dass dem Schwerverletzten keine Hilfe gewährt wurde.
    Wie Nadelstiche bohrten sich die Blicke von Kim Krüger in sein Gesicht. Das Schweigen des Mannes verschlimmerte es noch, stachelte ihre Wut und ihren Zorn noch mehr an. Völlig verbittert fuhr sie ihn an „Warum? …“ Er schwieg beharrlich und schaute an ihr vorbei betreten auf den Boden.
    Sie packte ihn an den Jackenaufschlägen und zog ihn zu sich heran. Nur noch ein letzter Funke von Selbstbeherrschung hielt sie davon ab, dem Mann ihre Faust ins Gesicht zu setzen. Sie schüttelte den Mann, sein Kopf knallte gegen die Hecktür des Transporters. Unabsichtlich würgte sie ihn halb, so hatten sich ihre Hände in seinen Jackenaufschlägen gekrallt. Er röchelte nach Luft und lief rot an.
    „Beantworten Sie mir doch endlich meine Frage! Warum? … Warum haben Sie sich auf die Aussage eines Zeugen verlassen und nicht einen … ich spreche hier von … EINEM … ihrer Mitarbeiter, zu Ben geschickt, damit dieser sich tatsächlich davon überzeugt, dass dieser Zeuge die Wahrheit gesagt hat. Warum … ?“ Die letzten Worte schrie sie lauthals heraus, so dass auch noch der letzte der umstehenden Polizisten der Auseinandersetzung folgen konnte.
    Plötzlich, von einer Sekunde zur anderen veränderte sich ihr Tonfall wieder. Sie wurde leise und vibrierte vor Erregung. Kim hielt Dr. Pfeifle weiter mit einem eisernen Griff fest, der vergeblich versuchte sich raus zu winden. Wie eine wild gewordene Katze fauchte sie den Chef der Spurensicherung an. „Ich schwöre es ihnen, bei allem was mir heilig ist, wenn Ben das nicht überlebt, mache ich sie fertig! … Richtig fertig!“
    Beim letzten Satz ließ sie ihn los und stieß ihn leicht von sich, dass er wieder gegen die Hecktür knallte. Sie wandte sich von ihm ab und ließ ihren Blick suchend durch die Gegend schweifen. Mit ein paar schnellen Schritten eilte ihr Martin hinterher und hielt sie gewaltsam an ihrem Oberarm fest. Er ahnte, wen sie suchte, den Zeugen. Diesen hatte Martin allerdings schon vorsorglich samt Hund gleich nach Abflug des Rettungshelikopters von einer Streifenwagenbesatzung nach Hause bringen lassen.

    Mit einem eisernen Griff umklammerte er ihre Oberarme. „Kim! … Kim! So beruhige dich doch! Es reicht! …. Hör auf! Das ändert doch nichts mehr!“
    Sie schüttelte energisch den Kopf. „Du verstehst das nicht oder? Du hast noch nie einen Partner oder einen Mitarbeiter verloren oder?“ Verbittert kniff sie die Lippen zusammen. In diesem Moment dachte sie an ihren verstorbenen Partner, der der Vater ihres gemeinsamen Kindes gewesen wäre. Damals wurde dieser bei einem Einsatz tödlich getroffen und hatte in ihren Armen sein Leben ausgehaucht. Ihm hatte keiner mehr helfen können, aber bei Ben war das anders. „Die hätten Ben da oben einfach sterben lassen … Verstehst du nicht Martin? Die haben ihn hilflos liegen lassen …!“ Ihre Augen wurden feucht. Ihr Blick ging nach unten und fiel auf ihre Hände, auf ihre Kleidung, an denen noch Restes des Blutes von Ben klebte. Die Achterbahnfahrt ihrer Gefühle nahm endgültig ihren freien Lauf. Kim merkte wie Übelkeit in ihr aufstieg, der Inhalt ihres Magens stieg hoch, der bittere Geschmack von Galle verbreitete sich in ihrem Mund und schwallartig übergab sie sich. Vor ihren Augen tanzte ein Funkenregen. Plötzlich fing sich alles an zu drehen und um sie herum wurde es dunkel. Sie brach in sich zusammen.

    Martin Hillenbrand, der das Unglück voraussah, fing sie auf, nahm sie schützend auf die Arme und lief in Richtung zum Rettungswagen. Die Sanitäter, Sven Falk und sein jüngerer Kollege, hatten sich dort zwischenzeitlich nach der Versorgung von Ben wieder eingefunden, kamen ihm entgegen gerannt und kümmerten sich augenblicklich um Kim. Martin beobachtete sorgenvoll, wie die Sanitäter die Ohnmächtige auf der Trage im RTW versorgten. Sven Falk beantwortete seinen fragenden Blick „Kreislaufkollaps! Ich denke es ist das Beste, wir bringen sie erst mal in die nächstgelegene Klinik, das Heilig-Geist-Krankenhaus.“

    Voller Entsetzen bewegte er den Kopf hin und her. Ihm fehlten die Worte. Tonlos murmelte er in Richtung der Sanitäter „Ok, dann schaue ich später nach ihr. Danke!“, verabschiedete er sich. Nach einigen Minuten setzte der Rettungswagen sich auf dem Feldweg schaukelnd in Bewegung. Nachdenklich blickte Martin den flackernden, blauen Lichtern hinterher. Ihm wurde dabei das gesamte Ausmaß des Dramas, das sich im Waldstück abgespielt hatte, bewusst.

    Ende gut .... alles gut ... :)
    war eine tolle und spannende Geschichte :thumbup:
    auch wenn man es nicht erwarten konnte, ging die Geschichte für Ben gut aus :)
    und er kann im Kreis seiner Familie glücklich seiner Genesung entgegen sehen
    Hätte man manchmal als Leser nicht erwartet, dass dieses Krankheitsbild bei ihm ohne Spätfolgen blieb ... medizinisch wieder einiges dazu gelernt :thumbup:
    Semir hat sich wieder als der wahre und treue Freund erwiesen, den Ben an seiner Seite braucht
    und zu Elisa ... was soll man dazu sagen???
    Fehler macht jeder ... doch man sollte aus ihnen für die Zukunft lernen

    ich kann Silli nur beipflichten ... da freut man sich, dass es scheinbar bei Ben aufwärts geht und er kriegt zum Nachtisch beim Mittagessen wieder einen Stromschlag ab :(
    das letzte Kapitel kommt ;( auf der anderen Seite hoffe ich, dass du darin beschreibst, dass Ben wieder gesund ist/wird :)

    gelitten hat er auf jeden Fall genug ...

    Für Gabriela war nur noch eines wichtig. Es galt den Entflohenen wieder habhaft zu werden und dann kam ihre Stunde der Rache. Ihre sonst so eiskalten Augen glühten förmlich vor Rachegelüsten auf. Ihr ursprünglicher Plan, das Kind laufen zu lassen, war längst passe. Jeder, den die Dunkelhaarige für den Tod ihres Bruders verantwortlich machte, würde ihren grenzenlosen Hass zu spüren bekommen.

    Sie verließ den Schuppen. Vor dem Eingangstor entdeckte die Dunkelhaarige auf dem sandigen Boden der Lichtung die Abdrücke des Brettes, auf das sich Ben gestützt hatte. ‚Ich glaube es nicht, der konnte tatsächlich noch laufen‘ schoss es ihr durch den Kopf. Sie schlich um den Schuppen herum. Blutige Handabdrücke zeichneten sich außen auf den Holzbrettern der Schuppenwand und dem zerstörten Fensterrahmen ab. Vor dem Fenster schimmerten ebenfalls Blutstropfen an den Grashalmen und auf dem Waldboden. Ihnen folgte Gabriela und stellte fest, dass die Spur in Richtung Wald führte. Und noch was erkannte sie. Es war scheinbar Mario gewesen, der sich hatte befreien können und bereits die Verfolgung der Flüchtigen aufgenommen.

    Immer wieder auf die Geräusche ihrer Umgebung achtend, drang die Entführerin in den Wald ein. Die Blutstropfen auf dem Waldboden, die schlurfende Spur des humpelnden Polizisten, blutige Handabdrücke an den Baumstämmen, all das legte eine deutliche Fährte für sie, der sie mühelos folgen konnte. Aus weiter Ferne hörte die dunkelhaarige Frau den Lärm eines sich nähernden Helikopters. Wenn sie die Fluggeräusche richtig deutete, war er gelandet und kurze Zeit später wieder gestartet. Ihr Blick schweifte gen Himmel aber sie konnte nichts entdecken. Gabriela vermochte nicht zu sagen, wie weit sie schon in den Wald eingedrungen war, gefühlt vielleicht zwei oder drei Kilometer, als sie ein Stimmengewirr hörte. Die Entführerin von Ben, Andrea und Aida war am Rand eines steilen Abhanges angelangt. Innerlich freute sie sich schon, dass Mario es wohl geschafft hatte, die Geflohenen zu stellen und zu überwältigen, als sie stutzte.

    Nein, nein ging denn heute alles schief. Einen riesigen Baumstamm als Deckung benutzend, ließ die Gangsterin sich auf den Waldboden nieder. Geschützt durch das Unterholz, robbte sie langsam vorwärts bis sie die Kante des Hanges erreicht und versuchte Einzelheiten zu erkennen. Sowohl ganz unten am Abhang als auch im oberen Bereich herrschte hektische Betriebsamkeit, bewegten sich mehrere Personen, von denen sie einige eindeutig als Polizisten und Rettungssanitäter identifizieren konnte. Um wen kümmerten sich die Sanitäter da unten nur wenige Meter von ihr entfernt? Gabriela konnte nur die Beine des Verletzten erkennen, eine Jeanshose und dunkle Stiefel. Der Polizist? War er tatsächlich noch so weit gelaufen? Unglaublich, schoss es ihr durch den Kopf. Doch was war mit Mario geschehen? So sehr sich die Entführerin auch bemühte, ihren Cousin konnte sie nirgends unter den Menschen erblicken. Verdammt, fluchte sie vor sich hin, als eine schlanke Frau, die beim Verletzten stand, prüfend in ihre Richtung schaute. Sie duckte sich tief nach unten und ihre Angst entdeckt zu werden, gewann die Oberhand. Sie gewann die Einsicht, hier konnte sie nichts mehr ausrichten. Zunächst galt es ihre Spuren sorgsam zu verwischen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Polizisten mit Suchhunden die Fährte zum Einödhof fanden. Auf dem Weg zurück zum verfallenen Bauernhof erklangen erneut die Geräusche eines sich nähernden Helikopters auf, der das Waldstück überflog. Hatten die Polizei sie doch entdeckt? Wurde sie schon gesucht? Eigentlich hasste sie Feuer, doch dies war ihre einzige Möglichkeit um in kürzester Zeit alle Hinweise zu vernichten. Zurück auf dem Hof schleppte sie die Leiche ihres Bruders zu ihrem Van. Sie hatte ihn vorher in die alte Decke eingewickelt. Mit ihrem Reservekanister kehrte sie in den Schuppen zurück und goss das Benzin aus und zündete es an. Das gleiche machte sie im Wohnhaus. Beide Gebäude brannten in kürzester Zeit lichterloh.

    Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Was war geschehen? Mario verhaftet? Der würde dicht halten, da war sie sich sicher. Mario hatte genaue Instruktionen, an welchen Anwalt er sich zu wenden hatte. Dr. Hinrichsen würde sich um alles Weitere kümmern. Eine Frage beschäftigte sie, während ihr Wagen langsam den Waldweg entlang rumpelte. Hatten die Flüchtigen unerwartet Hilfe bekommen? Egal … über ihre Kontakte zur Justiz, würde sie schon alle notwendigen Informationen bekommen. Zuerst würde sie sich erst mal um die Bestattung ihres Bruders kümmern, bevor ihre Stunde der Rache kam. Ja sie hatte Zeit, Geduld, die nötigen finanziellen Mittel und einen unermesslichen Rachedurst.

    *****

    Kim Krüger stand regungslos oberhalb des Wanderweges im Wald. Währenddessen wurde der verletzte Polizist ganz behutsam von den Sanitätern und dem Notarzt den steilen Abhang hinuntergetragen. Als die Retter am Wanderweg angelangt waren, wurde die Trage auf dem Boden gelegt. Unter dem Notarzt und den Sanitätern brach hektische Betriebsamkeit aus.
    Wie gelähmt und voller Entsetzen beobachtete Kim die Rettungskräfte bei ihren Bemühungen Ben am Leben zu erhalten. Leise murmelte sie vor sich hin „Ben … halte durch! Nicht aufgeben!“ Als der Zustand des Schwerverletzten stabilisiert war, wurde er zum wartenden Helikopter gebracht. Wenige Minuten später startete der Rettungshubschrauber mit dem schwerstverletzten Kommissar an Bord in Richtung Uni Klinik Köln.

    Selbst als der Rettungstrupp den Wald verlassen hatte, war Kim Krüger unfähig sich zu bewegen. Als die Fluggeräusche des abfliegenden Hubschraubers verklangen, betrachtete Kim immer noch fassungslos aus ihrer Perspektive das Schlachtfeld, das die Rettungskräfte am Fundort mitten im Wald und am Wanderweg hinterlassen hatten. Eine Unmenge an Verpackungsmaterial, Bens blutverschmiertes Shirt und seine Jacke lagen einfach vor ihr auf dem Waldboden. Die Worte des Notarztes hallten in ihrem Kopf nach wie ein Echo ‚…jede Minute zählt …‘. Alleine schon die Vorstellung, wie lange man den schwerstverletzten Ben unbehandelt hatte liegen lassen, die Rettungskräfte an ihrer Arbeit gehindert hatte und dies vielleicht die entscheidenden Minuten gewesen waren, um sein Leben zu retten, trieben sie fast in den Wahnsinn. Ihre Wut und Empörung galten nur einer Person, die sie letztendlich dafür verantwortlich machte: Dr. Pfeifle.

    Dieser tobte am Fuße des Abhanges herum, beschimpfte seine Mitarbeiter und gestikulierte wild umher. Langsam bewegte sich Kim in Richtung des Wanderweges, wo sie bereits von Martin erwartet wurden. Dieser machte sich nun ernsthaft Sorgen um seine Freundin, die wie eine wandelnde Leiche aussah. Das Drama, was sich in den letzten Minuten dort oben am Hang und direkt neben ihm auf dem Waldweg abgespielt hatte, schienen ihrer Gemütsverfassung den letzten Rest gegeben zu haben.

    Gabriela fuhr auf der holprigen Zufahrtsstraße zum verlassenen Einsiedlerhof. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen. Der Einbruch in Düsseldorf vergangene Nacht hatte zur vollsten Zufriedenheit ihres Auftraggebers geklappt. Neben dem Diebstahl der technischen Daten und Unterlagen, der Forschungsergebnisse und der bestellten Computersoftware hatte auch der Überfall auf die Firma für Designer-Schmuck geklappt. Die gestohlenen Edelsteine waren allein ein Riesenvermögen wert.

    Die Übergabe der Ware hatte am vereinbarten Treffpunkt stattgefunden. Wahrscheinlich waren die gestohlenen Daten schon längst unterwegs an die Auftraggeber im Ausland. Der Rest ihres Überfallkommandos war auf dem Rückweg in ihre jeweiligen Heimatorte. Schöne neue Welt der Technik, die es so einfach machte, mit einem Stick oder einer Festplatte gewünschte Informationen und Baupläne zu liefern. Man brauchte nur jemand, der sich damit auskannte.

    Dabei dachte sie an Nicolas Schneider. Fast wurde die dunkelhaarige Frau ein bisschen wehmütig. Sie hatte den Jungen gemocht, ihn ausgebildet, ausgewählt, ja ihn zeitweise sogar zu ihrem Liebhaber gemacht. Aber er war zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden. Sie hasste Risiken, die die Polizei auf ihre Spur hätte führen können. In Absprache mit ihrem Auftraggeber wurde er als Bauernopfer und mutmaßlicher Täter der Polizei dargeboten. Gabriela hatte ihn vergangene Nacht mit der Waffe von einem der Sicherheitsbeamten am Tatort erschossen. Sollten sie sich doch an dieser falschen Fährte die Zähne ausbeißen. Innerlich grinste die Diebin und Mörderin über diesen genialen Schachzug. Spätestens morgen oder übermorgen war sie wieder in ihrem Domizil in der Schweiz in Sicherheit zusammen mit ihrem Bruder und ihrem Cousin. Sobald der Erlös aus dem Verkauf der Edelsteine auf ihrem Schweizer Konto gutgeschrieben wurde, konnten sie sich alle drei endgültig irgendwo außerhalb Europas zur Ruhe setzen und ein neues Leben beginnen. Das hier sollte ihr letzter großer Coup gewesen sein.

    Dabei fielen ihr wieder die Geiseln ein und hier insbesondere der verletzte Polizist, der vor einigen Tagen Nico mit auf der Autobahn verfolgt hatte. Ihrer Ansicht nach waren er und sein türkischer Partner mit dafür verantwortlich, dass Nicolas verhaftet wurde und schließlich von ihr beseitigt werden musste. Ihr Auftraggeber hatte es letzten Endes ihr überlassen, was sie mit den Geiseln machte und wie sie diese endgültig aus dem Weg schaffte. Genüsslich leckte sie sich über ihre Lippen. Die Kidnapperin freute sich regelrecht darauf, den dunkelhaarigen Mann zu foltern, um ihn zu Tode zu quälen. Sie lachte bösartig vor sich hin. In ihren Gedanken malte sich die Schurkin schon aus, was sie mit dem Polizisten alles anstellen würde. Und der Türke, der würde seine Frau niemals wieder sehen. Einzig das Kind wollte sie irgendwo an einen Rastplatz in Frankreich frei lassen.

    In diesem Moment bog sie auf die Einfahrt zum Anwesen ein und sah augenblicklich die Holzbretter, die vor dem vernagelten Fenster des Holzschuppens auf dem Boden lagen. Eines der Bretter hing noch lose in seiner Verankerung an der Wand herunter und wackelte im Wind. Die Schuppentüre war verschlossen. Eine düstere Ahnung stieg in ihr hoch. Sie stoppte den Van vor dem Wohnhaus und hupte. Keiner kam zur Begrüßung heraus.

    Ihre Rufe nach ihrem Bruder und Mario verhallten. Keiner antwortete. Sie spürte förmlich, dass hier etwas nicht stimmte. Hatte sie den verletzten Polizisten unterschätzt? Der war doch schon halbtot gewesen! Nein, nein … wie sollte von dem Gefahr drohen? Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Gabriela zog ihre Schusswaffe aus dem Holster, entsicherte diese und näherte sich vorsichtig dem Schuppen und öffnete die verschlossene Eingangstür. Es war ruhig, zu ruhig, keine Stimmen waren zu hören. Die Lichtstrahlen fielen ins Innere und warfen bizarre Muster an die Schuppenwand.

    Als Gabriela den Raum betrat, stockte ihr der Atem und ein Schrei des Entsetzens entfuhr ihr. Ihr Bruder lag leblos in einer riesigen Blutlache am Boden. Sie hatte in ihrem Leben schon viele Tote gesehen und wusste sofort, dass auch ihr Bruder nicht mehr unter den Lebenden weilte. Vor Wut und Trauer heulte sie laut auf, brüllte hysterisch vor sich hin … fast schon unmenschliche Laute entrangen sich ihrer Kehle …sie schrie ihr Leid und ihren Kummer heraus. Vor der Leiche ihres Bruders fiel die Dunkelhaarige auf die Knie, drehte ihn um und nahm Luca in den Arm. Sein Gesicht, sein Hals, seine Kleidung … alles war blutverschmiert. Die klaffende Risswunde am Hals, an der etwas die Schlagader zerfetzt hatte, war unübersehbar. Ihr Bruder war einfach verblutet. Zärtlich küsste ihn Gabriela auf die Stirn und wiegte ihn wie ein Baby in ihrem Arm sanft hin und her. Ein Tränenstrom bahnte sich seinen Weg über ihre Wangen.

    Luca war der Letzte, der aus ihrer ehemaligen Großfamilie übrig geblieben war, der das Massaker der Serben auf ihrem Gutshof überlebt hatte. Die längst versunkenen Bilder des Grauens aus ihrer Vergangenheit bahnten sich den Weg zurück in ihr Gedächtnis, die Folterungen, die Schändungen, die Morde, alles was man ihr und ihren Eltern und Großeltern, Schwestern und Brüdern damals angetan hatte. Alles kam in diesem Moment wieder in ihr hoch, schienen von ihrem Verstand Besitz zu ergreifen. Das Gefühl wahnsinnig zu werden, wurde übermächtig. Ihre Atmung rasselte, sie keuchte.

    Nach und nach legte sich der Schock über den Tod ihres Bruders.

    Langsam beruhigte sich Gabriela wieder und ihr messerscharfer Verstand, der sie und ihren Bruder damals vor den Serben gerettet hatte, gewann wieder die Oberhand. Noch etwas bahnte sich seinen Weg in ihr Gehirn: Hass, grenzenloser mörderischer Hass, auf die Personen, die ihren Bruder auf dem Gewissen hatten. Die Frau blickte sich suchend im Schuppen um, versuchte die vorhandenen Spuren zu lesen und zu begreifen, was sich hier ereignet hatte. Die Blutspuren am Boden, entlang der Schuppenwand, die rausgerissenen Bretter und das aufgebrochene Fenster erzählten ihr recht schnell, was hier passiert war. Die Geiseln hatten ihre Kidnapper überwältigt und waren geflohen. Wen hatte sie jetzt unterschätzt? Den verletzten Polizisten … nein ungläubig schüttelte sie den Kopf. Der war fertig gewesen, sie fragte sich, wie er es überhaupt geschafft hatte, den Schuppen zu verlassen. Ein Spruch ihres Ausbilders in einem Militärcamp kam ihr in den Sinn: Unterschätze niemals eine Mutter, die ihr Kind beschützt.

    aus Sarah Sicht war das ein sehr emotionales Kapitel ... kann ihre düsteren Gedanken verstehen
    wenn man bedenkt, was sie die letzten Tage durchlebt hat :(
    allein schon diese Minuten ... Stunden im Keller :(;(
    dazu ihr schlechtes Gewissen ... sag nur tödliche Stories .... und dieses doofe Noro-Virus, das verhindert hat, das Sarah Ben besuchen konnte ...
    und ihn vor diesem Assistenzarzt hätte beschützen konnte ;(;(;(
    fand die Stelle, wo Semir anruft ... konnte mich so richtig in sie hineinversetzen, wie nach dieser Dunkelheit regelrecht die Sonne aufging
    die Hoffnung zurückkehrte
    und Ben erträgt tapfer die Nebenwirkungen ...
    mal schauen, wer Ben den Kuss geben darf

    „Verdammt, wo bleibt denn nur der Notarzt? Die werden doch in der Leitstelle nicht so bescheuert gewesen sein und einen Kollegen mit PKW alarmiert haben!“, fluchte der erfahrene Sanitäter, der Bens Vitalparameter im Focus hatte. Sein Kollege und er suchten dabei krampfhaft nach einer Vene, um beim Verletzten einen Zugang zu legen.
    „Wie ich ihnen schon sagte Herr Falk, ich habe ausdrücklich einen Notarzt, der im Heli kommt, angefordert.“, kam es aus dem Hintergrund von Hendrik Mertens, der den Hund gedankenverloren zwischen den Ohren kraulte.
    Schwer schnaufend, wie ein Blasebalg, hatte auch Dr. Pfeifle den Verletzten erreicht. Nachdem er wieder genug Luft zum Reden hatte, blaffte er seinen Mitarbeiter an: „Mertens, haben Sie nichts Besseres zu tun, als einen Hund zu kraulen? Halten Sie hier nicht Maulaffen feil, sondern helfen Sie ihren Kollegen und schaffen Sie den Köter weg!“

    „Keine Chance auf meiner Seite Sven! Ich finde keine Vene!“, gab der jüngere Sanitäter, Frank Kühn, ein bisschen verzweifelt von sich und blickte seinen Kollegen hilfesuchend an, von dem er wusste, dass er auch als Krankenpfleger auf einer Intensivstation am örtlichen Provinzkrankenhaus arbeitete. Er kannte dessen Schicksal. Vor zwei Jahren hatte Sven Falk seine Arbeitszeit auf eine halbe Stelle reduziert, um seine todkranke Frau zu pflegen. Nachdem diese verstorben war, weigerte sich das Krankenhaus die Stunden wieder aufzustocken. So war er mit einer anderen halben Stelle beim Rettungsdienst gelandet, für die er vorher schon ehrenamtlich über Jahre tätig war.
    Routiniert suchte der erfahrene Mann, auf seiner Körperseite nach einer brauchbaren Vene, was bei dem schockigen Patienten gar nicht so einfach war.

    Im Hintergrund keifte der dicke Forensiker herum: „Unternehmen Sie doch endlich mal was! Wozu sind Sie denn da? Der Mann stirbt ihnen unter den Händen weg! … „Sie sind ja die Unfähigkeit in Person!“ … Diese und weiter Beschimpfungen und Beleidigungen gab Dr. Pfeifle ohne Unterbrechung von sich. „Zu dämlich um eine Infusion zu legen … Wo haben sie denn ihre Ausbildung absolviert? … Sie kriegen eine Menge Ärger, das verspreche ich ihnen! … So was an völlig überforderten Rettungspersonal wie sie, habe ich noch nicht gesehen.“

    Der Glatzkopf reagierte überhaupt nicht auf die Anschuldigungen und die Beschimpfungen des Forensikers. Sein Focus lag ausschließlich auf der Versorgung seines Patienten.
    „Ok, ich probiere es am Unterarm.“, gab Sven Falk von sich und desinfizierte die Hautpartie, unter welcher er hoffte, eine Ader zu finden und stach gefühlvoll zu. … Die Augen seines Kollegen leuchteten auf, als sich das Kunststofffenster am Venenkatheter mit dunkelroter Flüssigkeit füllte. „Du hast echt Zauberhändchen!“, kam es anerkennend von Frank Kühn, der wusste, dass ihm dieses Kunststück nicht gelungen wäre.
    Über den Zugang verabreichte man Ben Medikamente und ließ die Infusion laufen. Anschließend packte Sven Falk mit Hilfe von Frau Krüger den Patienten in Rettungsfolien, um einen weiteren Wärmeverlust zu vermeiden. Dabei brachten sie die Beine in eine leichte Schocklage. Sein Kollege presste mit Druck die Infusion in die Vene und hatte sich einen weiteren Infusionsbeutel unter die Jacke geschoben, um ihn anzuwärmen.
    Erst als sich Sven Falk sicher war, im Moment alles in seiner Macht liegende für seinen Patienten getan zu haben, um ihm am Leben zu halten, erhob sich der ältere Sanitäter vom Waldboden.

    Dr. Pfeifle hatte ihn und seine Kollegen auch weiterhin die ganze Zeit über mit seinen giftigen und beleidigenden Kommentaren beschimpft. Die Adern des Sanitäters waren an den Schläfen vor Zorn geschwollen. Er hatte in seinen Berufsleben auf der Intensivstation und auch beim Rettungsdienst schon einiges erlebt, aber dieser Mensch war die absolute Krönung.

    „Und jetzt zu ihnen Herr Dr. Pfeifle.“ Er machte eine kurze Pause und holte tief Luft bevor er weitersprach. Mit einer gewissen Schärfe im Tonfall betonte er jedes Wort: „Dies ist momentan nicht ihr Tatort sondern ein Einsatzort für Rettungskräfte! ... Sie haben hier gar nichts zu melden! … Außerdem möchte ich bezweifeln, dass es ihnen als ausgebildeten Mediziner gelungen wäre, bei diesem schockigen Patienten einen venösen Zugang zu legen.“ Seine Hände hatten sich unbewusst zu Fäusten geballt, als er zwei Schritte auf den Forensiker zu schritt. „Also, was gibt ihnen das Recht, mich und meinen Kollegen mit ihren Kommentaren zu beleidigen? Sie behindern und stören unsere Arbeit. Um es deutlich zu machen, verschwinden sie von hier!“ Die Stimme des Sanitäters vibrierte vor Zorn. „Und noch was! …“ Sven Falk entwich geräuschvoll die Atemluft: „Beten Sie darum, dass der junge Mann überlebt! Denn hätten Sie uns nicht aufgehalten …!“ Den Rest seiner Worte schluckte er runter. Dr. Pfeifle wusste auf was der Retter anspielte. Mehr als einmal hatte der Sanitäter nach seinem Eintreffen am Tatort darum gebeten, sich das zweite Opfer anschauen zu dürfen. Wie einen Schuljungen hatte ihn der dicke Forensiker von oben herab abgekanzelt und den Weg in den Wald versperren lassen. Er wechselte die Gesichtsfarbe von dunkelrot auf blass und begab sich zurück zu seinen Mitarbeitern am Fuße des Hanges.

    Gleichzeitig mit seinen schrillen Anweisungen ertönten aus weiter Ferne die Fluggeräusche eines sich nähernden Helikopters an. Das Getöse der Rotoren wurde immer lauter und selbst im Wald waren die Verwirbelungen der Luft zu spüren, die der Rettungshubschrauber bei der Landung verursachte. Wenige Minuten nachdem der Lärm der Motoren verstummt war, kamen der Notarzt und ein weitere Sanitäter den Hang hochgestürmt. „Dr. Vogel“, stellte sich der sportliche Mann mittleren Alters für die anwesenden Personen vor, die ihn noch nicht kannten, „Was haben wir hier Sven?“, fragte er den Sanitäter, den er von etlichen Einsätzen und Fortbildungen her kannte.
    Routiniert berichtete der Sanitäter über seinen Patienten. „Schweres stumpfes Bauchtrauma mit Verdacht auf Polytrauma, Rippenserienbruch rechts und vermutlich auch links, Schussverletzungen, Stichverletzung!“ Bei seinen Ausführungen deutete Sven Falk kurz auf die betroffenen Körperstellen und berichtete weiter davon, wie man den Patienten aufgefunden hatte, wie es zu der zeitlichen Verzögerung bei der Behandlung kam, die Ursache der Verletzungen und über dessen Vitalwerte, welche Medikamente und wieviel Volumen verabreicht wurde und alle wichtigen Daten für den Notarzt.

    Frau Krüger wurde vom Sanitäter, der den Notarzt begleitet hatte, zur Seite gedrängt und beobachtete wie gebannt den weiteren Verlauf der Rettungsaktion. Routiniert wurde der Schwerverletzte intubiert und weiter stabilisiert, um ihn für den Transport zum Krankenhaus vorzubereiteten.

    „Hat er Angehörige?“, fragte der Notarzt in Richtung von Frau Krüger „dann verständigen Sie diese. Wir bringen ihn in die Uni-Klinik Köln!“

    „Wie sind denn seine Chancen Dr. Vogel?“, erkundigte Kim sich. Der Arzt runzelte angespannt die Stirn und blickte Kim ernst an „Nicht gut! Er hat schwere innere Verletzungen und verliert viel Blut. Nur eine schnelle Operation kann ihn vielleicht noch retten! Sie entschuldigen bitte, es zählt jede Minute!“

    wieder mal ein Kapitel mit Berg- und Talfahrt :);(
    ist kann Bens Gedanken bei diesem Erwachen verstehen. =O man macht nichts und bekommt einen Stromschlag ;(;(
    seine Zukunftsängste ... in dem Moment hatte ich echt Angst, dass er in ein tiefes psychologisches Loch fällt
    und dann die Überraschung ... der Erreger, der für alles verantwortlich ist, wurde entdeckt und es gibt ein Medikament, das das Wunder einer Heilung verspricht ...
    das Fazit aus dem Ganzen: Erstaunlich, was so ein kleines fieses Virus, das man mit bloßen Auge nicht mal sehen kann, so alles anrichten kann
    auch wenn die kommenden Tage bestimmt nicht einfach werden für Ben: .... es geht bergauf :thumbup: und bitte jetzt keine weiteren Komplikationen Susan

    Zurück am Waldrand

    „Wir brauchen die Sanitäter! Schnell schickt sie rein!“, brüllte jemand aus dem Wald heraus „Er lebt noch!“ Ohne eine Sekunde zu verlieren, rannten die beiden Sanitäter im Vollsprint, bepackt mit ihren Notfallrucksäcken und ihrer Ausrüstung, in den Wald.

    Sofort erkundigte sich der Einsatzleiter über Funk nach dem Grund. „Das eine Opfer lebt noch Chef … der Polizist lebt noch … Mertens hat es gerade festgestellt, als er den Hund einfangen wollte und ihn untersucht hat!“, quäkte es aus dem Lautsprecher des Funkgerätes. Kim Krügers Herz fing an zu rasen, sie hatte das Gefühl alles würde sich drehen. Die Erkenntnis, dass sie recht gehabt hatte, raubte ihr fast den Verstand. Sie sackte in sich zusammen. In letzter Sekunde konnte sie Martin Hillenbrand auffangen, sonst wäre sie ins Gras gestürzt.
    „Geht’s wieder?“, fragte er besorgt nach, als sie am Auto lehnend, um ihre Fassung rang. Ihr Gesicht war leichenblass. Sie nickte zustimmend. Ihr Blick wanderte rüber zum Zeugen, der wie erstarrt da saß. Scheinbar wurde diesem bewusst, was er mit seiner Aussage angerichtet hatte. Sie machte sich los von Martin, der sie weiter festhalten wollte. Er ahnte was sie vorhatte. „Lass mich los Martin! Ich will zu Ben … Jetzt gleich!“, fauchte Kim.
    „Aber Kim! Du kannst doch nicht …!“ Den Rest seiner Worte hörte sie nicht mehr. Sie hetzte hinter den Sanitätern her in das Waldstück. Völlig außer Atem erreichte sie den Tatort auf der Anhöhe. Mertens, der Kollege der Spurensicherung, stand mit Tassilo an Bens Füßen. Die Sanitäter hatten bereits damit begonnen, Ben zu versorgen.

    Da waren auf einmal noch andere Stimmen. Eine sympathische Männerstimme sprach Ben in einem beruhigenden Tonfall an. „Hallo, ich bin Sven Falk. Herr Jäger, mein Kollege und ich sind Rettungssanitäter und wir werden ihnen helfen.“ Mühselig wandte er seinen Blick in Richtung des Sprechers, dessen Hände ihn berührten. Da waren Fragen … ein Licht, das ihn blendete … erklärende Worte … Ben versuchte deren Sinn zu erfassen … eine Schere, mit deren Hilfe die Kleidung aufgeschnitten wurde … Hände, die ihn systematisch von oben nach unten abtasteten. Die vorsichtigen Bewegungen der Helfer lösten ein Erdbeben von Schmerzen in ihm aus. Mehr als einmal stöhnte er qualvoll auf oder schrie vor Schmerzen …

    Kim Krüger blieb wie angewurzelt stehen und schluchzte auf, „Ben… oh mein Gott Ben …!“ der Rest ihrer Worte erstarb bei dem Anblick des dunkelhaarigen Polizisten. Es fröstelte seine Chefin, obwohl es gar nicht kalt war. Das Gesicht des Verletzten war bleich, ausgelaugt. Die kleinen Kratzer und Risswunden, die geblutet hatten, verstärkten noch den Eindruck. Dem Tod näher als dem Leben lag er vor ihr auf dem Waldboden. Über seinem Mund und seiner Nase war eine Maske gestülpt, die ihn mit Sauerstoff versorgte. Der ältere der beiden Sanitäter hatte sein T-Shirt mit einer Schere aufgeschnitten und untersuchten ihn. Qualvoll wimmerte er bei jeder Berührung auf. Es ging ihr durch und durch. Sein T-Shirt hatte sich mit der Schusswunde an der linken Brustseite verklebt. Die offenen Wunden an seiner linken Seite waren blutverkrustet. Sein gesamter Oberkörper war blutverschmiert, übersät mit Blutergüssen und Schwellungen. All diese sichtbaren Verletzungen gaben ihr nur den Bruchteil einer Vorstellung, welches Martyrium der junge Mann in den letzten Tagen und Stunden ertragen hatte.
    Als der glatzköpfige Sanitäter, auf dessen Namensschild Sven Falk stand, ihr auffordernd zunickte, kniete sie sich neben dem Verletzten nieder.
    Vorsichtig ergriff sie seine rechte Hand. „Ben? Ben? Verstehen Sie mich?“

    … diese Frauenstimme … da war noch jemand der ihn kannte … in ihr lag so viel Sorge … so viel Flehen … Ben überlegte … Die Krüger … hier? … Wo war Semir? … Seine Augenlider waren schwer wie Blei und dennoch sie gehorchten ihm. Er schaffte es wieder diese zu öffnen. Angestrengt kniff er seine Augen zusammen, alles war verschwommen. Wie durch einen Schleier blickte er in das entsetzte Gesicht von seiner Chefin … Sein Blick schweifte umher. Semir? … Semir? … Wo war er denn nur? Wortlos formten seine Lippen den Namen seines Freundes, den er so sehr herbeisehnte. Sein Versuch zu sprechen scheiterte kläglich. Nur ein paar armselige Laute kamen aus seiner Kehle, gedämpft durch die Sauerstoffmaske. Sie waren eher ein Ausdruck seiner Schmerzen, als der Hilferuf nach seinem Partner.

    Zu ihrer Überraschung verspürte Kim, wie sich die Finger des Verletzten bewegten, den Kontakt zu ihrer Hand suchten. Sacht streichelte sie erneut über dessen Handrücken. Sie blickte in sein Gesicht und der schmerzerfüllte und gleichzeitig flehende Ausdruck seiner dunklen Augen machte sie fast wahnsinnig. Verzweifelt versuchte er zu sprechen. Wortlos formten seine Lippen einen Namen, deutlich sichtbar unter Sauerstoffmaske: SEMIR.

    „Nicht sprechen Ben! Ich habe Sie schon verstanden. Keine Sorge, ich schicke ihnen Semir, versprochen! Aber halten Sie durch Ben, nicht aufgeben! Bitte!“ Fast flehentlich kamen die Worte aus Ihrem Mund. Ihre Hände fuhren durch sein Haar. Sie spürte die blutverkrusteten Schwellungen, das mit Blut verklebte Haar. Sie konnte es nicht verhindern, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Das Grauen, das sie verspürte, ließ sie verstummen.

    „Reden Sie weiter mit ihm Frau Krüger!“, forderte sie der erfahrene Sanitäter auf.

    „Ben … alles wird gut! Hören sie mich? Schauen Sie mich an! Andrea und Aida sind in Sicherheit … Semir ist bei ihnen …. Nein nicht die Augen schließen … Komm bleiben Sie bei uns … Sie haben es doch gleich geschafft! Gleich ist der Arzt da!“ Vorsichtig strich Kim ihm dabei über die Stirn. „Hey lassen Sie die Augen auf … nein nicht sprechen Ben …. Alles wird gut!“

    Das Gewirr an Stimmen um ihn herum nahm zu. So sehr sich Ben auch bemühte, er konnte seine Augen nicht mehr offen halten … es ging einfach nicht mehr. Schwer atmend kam noch eine weitere Person hinzu. Jemand fluchte … Es tat einfach alles nur so furchtbar weh. Ben war an seine absolute Grenze gelangt und konnte diese unbeschreiblichen Schmerzen nicht mehr aushalten. Ohne dass er es merkte, liefen ihn die Tränen aus dem Augenwinkel, an der Wange entlang. … „Lasst mich doch! …Nicht mehr anfassen! … Ihr tut mir so furchtbar weh! … Hört auf, nicht mehr anfassen!“ Verzweifelt wollte er lauthals losschreien. … Doch seine Kehle blieb stumm … mit geschlossenen Augen hörte der Verletzte die angespannten Anweisungen des Sanitäters mit der netten Stimme, deren Sinn er nicht erfasste

    „Komm schon Ben nicht aufgeben, Du hast so lange durchgehalten …“ Es war Kim Krügers beschwörende Stimme, die noch einmal zu ihm durchdrang … Aufgeben? … Er hatte doch nicht aufgegeben … er wartete auf Semir … doch auf einmal war es irgendwie anders … Ben schwebte. Sein Körper fühlte sich schwerelos an und er driftete wieder ab in die Dunkelheit…