Beiträge von Mikel

    soll mich dieses Kapitel positiv stimmen?
    Der Arzt ist der geborene Rhetoriker! Der versucht auch noch alles schön zu reden, was Ben passiert ist. Egal, ob das eine Verkettung unglücklicher Umstände war. Ich frage mich trotz Lehrkrankenhaus, muss das sein, dass Assistenzarzt eine Patienten noch zusätzlich leiden lässt.
    Auf Sarahs Reaktion bin ich ja schon gespannt, ob die das alles so widerspruchslos hinnimmt. Kann ich mir nicht vorstellen
    Ich hoffe nur, dass die Untersuchungsergebnisse der Biopsie eine Wendung für Ben bewirken und es langsam aufwärts geht

    Einige Zeit vorher … Auf der Anhöhe …
    Das typische Fluggeräusch eines Helikopters, der sich im Anflug befand, riss Ben aus seinen Dämmerzustand. Gebannt lauschte er auf seine Umgebung, kam da endlich seine lang ersehnte Rettung? … Kam da Semir? Völlig enttäuscht nahm er wahr wie, sich der Heli nach kurze Zeit wieder entfernte. …
    Ruhe kehrte ein, die durch ein aufgeregtes Stimmengewirr durchbrochen wurde. Da waren doch Menschen. Ein Rettungsteam? Neue Hoffnung durchströmte den Verletzten. … Ben wartete …Warum kam denn keiner zu ihm, die mussten doch mittlerweile vom Hundebesitzer wissen, dass er auf der Anhöhe mitten im Wald lag. Unbewusst stöhnte er vor Schmerzen leise vor sich hin. Wo blieb denn nur Semir? Hatte er ihn im Stich gelassen? „Du Narr!“, antwortete seine innere Stimme drauf. „Sein Freund würde ihn niemals im Stich lassen. …“

    Wie sollte er die da unten nur auf sich aufmerksam machen? Die Worte des Mannes fielen Ben siedend heiß wieder ein. Dachten die wirklich er sei tot? … Einer! …. Wenigstens einer sollte sich doch vom Gegenteil überzeugen … zu ihm kommen. Ein Polizist … ein Sanitäter … nur ein Mensch. … Pure Verzweiflung breitete sich in ihm aus und setzte einen Schub Adrenalin in ihm frei. Ok Ben, reiß dich zusammen ein letztes Mal! Motivierte er sich … Er wusste nicht wie, aber es gelang ihm tatsächlich seine Augen zu öffnen und seine Umgebung zu fixieren … mit einer letzten Kraftanstrengung hob Ben leicht seinen Kopf an und erkannte Menschen in weißen Overalls … SPUSI … fiel ihm dazu ein. Keiner blickte hoch zu ihm … Er wollte rufen … sich bemerkbar machen … kein Laut kam über seine Lippen … noch eine kleine Bewegung und dann durchströmte eine feurige Lohe von Schmerzen seinen Körper, das Gefühl innerlich zu verbrennen verstärkte sich… gequälte Laute kamen aus seinem Mund, die der Wald verschluckte … nichts passierte.
    Hoffnungslos fiel sein Kopf zurück auf den Waldboden …. Gepeinigt von Schmerzen stöhnte Ben vor sich hin … „Semir … Semir … wo bleibst du? … ich kann nicht mehr … ich bin am Ende!“ Die letzten Worte sprach er nur noch in Gedanken aus. Wieder versank sein Bewusstsein in der Dunkelheit ….

    *****

    Da war etwas, was Ben erneut in die Realität zurückgeholt hatte. Eine Bewegung … eine Berührung seines Körpers … Auf einmal lag etwas Warmes, Weiches neben seiner rechten Seite. Ben tastete vorsichtig mit seinem Daumen und spürte ein seidiges, weiches Fell. Der Hund war wieder da. Er hatte seinen Kopf auf seinen rechten Arm abgelegt. Die sachten Bewegungen des Verletzten entlockten ihm ein freudiges Winseln. Ben spürte an seinem Bein, wie der Hund freudig mit seiner Rute wedelte. In ihm erwachte abermals der Wille, um sein Leben zu kämpfen und die Hoffnung, dass es der Hund endlich schaffen würde, was ihm nicht gelungen war, die Aufmerksamkeit der anwesenden Menschen für seine hilflose Lage zu gewinnen.
    Angespannt lauschte Ben. Tatsächlich vernahm er wenige Augenblicke später stampfende Schritte, die sich ihm näherten. Das Knacken von morschen Ästen, das Rascheln von Laub, den keuchenden Atem eines Menschen, der den Berg hochgehetzt kam und eine jugendlich klingende Männerstimme redete den Hund an. Die Sprache hatte einen leichten holländischen Akzent und kam Ben merkwürdig vertraut vor. Der andere schnaufte hörbar aus.

    „Hallo Tassilo, was machst du denn nur? Du kannst doch nicht den Tatort meines Chefs verunreinigen. Der ist stink sauer auf dich und dein Herrchen!“

    Ben konnte förmlich spüren, wie der Mann abrupt stehen blieb, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Der andere stöhnte gequält auf und redete mit sich selbst weiter. Das blanke Entsetzen war aus seiner Stimme herauszuhören.

    „Oh mein Gott! … Ben! …. Ben Jäger! … Nein …Nein … Das darf nicht wahr sein. Die haben gesagt, die Leiche hier oben wäre ein Polizist. Aber doch nicht DU!“

    „Das ist deine allerletzte Chance Ben!“, motivierte sich der Verletzte selbst, „Der Kerl kennt dich und war nahe beim Hund.“ An den Bewegungen des Tieres merkte Ben, wie der Mann versuchte den Hund von ihm wegzuzerren. Das Tier weigerte sich und knurrte ihn an.
    Ben konzentrierte sich auf seinen Arm, auf seine rechte Hand und nahm eisern vor, du kraulst dem Hund das Fell. Er hätte vor Freude aufjubeln können, als seine Finger bewegten, sich in das Fell des Hundes krallten. Die Bewegungen waren kräfteraubend für den Verletzten.

    „Ich glaube, ich werde verrückt und sehe schon Halluzinationen! Ben … oh mein Gott Ben!“ keuchte der junge Mann völlig entgeistert. „Das darf ….“ Er stotterte, verschluckte den Rest des Satzes „Du …du …lebst … noch?“

    Er ließ sich neben dem Verletzten auf den Waldboden fallen. Laub raschelte. Ben merkte wie etwas Warmes seinen Hals berührte. Die Absicht des Unbekannten war klar, er wollte seinen Puls ertasten. Es war unheimlich wohltuend eine warme Hand zu spüren … menschliche Wärme zu spüren. Plötzlich wurden die Bewegungen des anderen hektisch, während er etwas in seiner Tasche suchte, schrie er lauthals los.

    „Ich brauche hier die Sanitäter! Schnell, die sollen sich beeilen! Der Mann hier lebt noch!“ Gleichzeitig hatte er sein Handy gezückt und wählte die Nummer des Notrufes. „Mein Name ist Polizeiobermeister Hendrik Mertens von der Spurensicherung Revier Köln Nord. Ich befinde mich in einem abgelegenen Waldstück namens Fuchsbachgrund. … Ja, genau da wo der Polizeieinsatz läuft … ja richtig … wir brauchen hier ganz dringend einen Notarzt und einen Rettungshubschrauber … nein keinen Notarztwagen, der braucht ja eine halbe Ewigkeit, bis er durch das unwegsame Gelände ankommt. Schauen, sie sich das mal auf der Karte an …. Ja gut … Beeilt euch! Es zählt jede Minute!“

    Hendrik nahm die linke Hand des Verletzten und umschlang sie. Mit der anderen Hand tätschelte er sanft dessen Wange.

    „Hey Ben! … Ben … hörst du mich? Ja, ich bin mir sicher, dass du mich verstehst. Wir kennen uns. Hey Kumpel, mache die Augen auf, ich bin es Hendrik Mertens! Wir waren zusammen auf der Polizeischule. Bitte, gib mir ein Lebenszeichen!“, flehte Hendrik Mertens förmlich den Verletzten an. … „Verdammt Kumpel, du machst mir jetzt nicht schlapp oder …“

    „… Schlapp? Redete der Kerl mit ihm? Wer machte hier schlapp?“, fragte sich Ben „Er wartete schon so lange … auf Hilfe … dass jemand zu ihm kam!“ Am liebsten hätte er seinem Retter an den Kopf geknallt, „Ich habe euch doch die ganze Zeit gehört, dass ihr da seid. … Warum dauerte es so lange, bis ihr zu mir gekommen wart?“ ... Doch sein Retter konnte seine lautlosen Vorwürfe und Fragen nicht verstehen. Alles war über die Lippen des Verletzten kam, war ein leises Stöhnen

    Wieder sprach er beruhigend auf den Dunkelhaarigen ein. „Ich sehe da unten schon die Sanitäter kommen. Hörst du? Da kommt Hilfe! Verstehst du mich Ben? Wir bringen dich gleich in ein Krankenhaus!“ Mehr zu sich selbst murmelte er leise weiter: „Oh Gott! … Wer hat dich denn nur so furchtbar zugerichtet.“

    kann mich schon recht gut in Sarah hineinversetzen ... da siehst du diesen Anruf von der Intensivstation ...
    Sarah ist vom Fach .. sie weiß, wie schwer Bens Erkrankung ist ... wie nahe er an der Klippe zum Tod steht
    kann schon verstehen, dass sie solche Ängste und Befürchtungen hat :/<X
    Anja bringt ihr also schonend bei, was sich in den letzten Stunden auf der Intensivstation zugetragen hat
    Semir kümmert sich um Ben ... eine Sorge weniger ....
    nur so langsam wünsche ich mir wirklich, dass es bei meinem Lieblingspolizisten gesundheitlich wieder aufwärts geht :)

    Zurück am Waldrand … einige Zeit später

    Martin berichtete Kim weiter, dass die beiden Leichen, laut Aussage des Zeugen, ziemlich weit voneinander entfernt gelegen hatten. Die eine Leiche lag nahe am Waldrand direkt neben dem Wanderweg, weshalb wahrscheinlich auch der Hund des Spaziergängers die Witterung aufgenommen hatte. Er beschrieb ihr Mario und dass das Opfer durch eine Schussverletzung mitten in der Brust getötet worden war. Die andere Leiche lag im oberen Drittel der Anhöhe. Hier durfte er bisher noch nicht den Tatort begutachten, da Dr. Pfeifle die Befürchtung hatte, er würde wertvolle Spuren und Hinweise zerstören.

    Kim ließ sich von Martin nicht davon abbringen, sie wollte unbedingt selbst mit dem Augenzeugen reden. Die Chefin der PAST konnte ihn beim Näherkommen eingehend mustern. Auf den ersten Blick hätte sie gesagt, es handelte sich bei dem weißhaarigen älteren Herrn, um einen Verwaltungsbeamten oder einen Buchhalter im Rentenalter. Mittlerweile hatte er auch schon wieder eine gesunde Farbe im Gesicht. Zu seinen Füßen lag ein weißer Schäferhund und blickte sie aus seinen dunklen Augen an. Ein wunderschönes Tier dachte sich Kim.

    Aus dem Leichenwagen wurde ein Zinksarg in den Wald getragen. Der Weg der Träger führte direkt an Frau Krüger vorbei, die zwischenzeitlich den Rettungswagen zusammen mit Martin Hillenbrand erreicht hatte. Kim lief ein kalter Schauer bei diesem Anblick über den Rücken. Das Wissen, dass auch Ben Jäger in den nächsten Stunden in solch einen Sarg gepackt werden würde und weggebracht würde, brachte sie schier um den Verstand. Sie sammelte sich innerlich, bevor sie den Zeugen ansprach. Die Sanitäter hatten ihm eine Decke um die Schultern gelegt. Je näher sie kamen, desto mehr nahm Kim die Redseligkeit des Zeugen wahr. Na so schlecht schien es dem alten Herrn aber nicht zu gehen. Im Gegenteil, als sie den Inhalt des Gesprächs mitanhören konnte, war ihr Eindruck, das ist doch ein kleiner Wichtigtuer. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Direkt vor ihm blieb sie stehen. Sein Blick richtete sich nach oben und er schaute ihr direkt ins Gesicht, als sie sich vorstellte.

    „Guten Tag, mein Name ist Kim Krüger und ich bin die Vorgesetzte des Beamten, den sie dort oben im Waldstück gefunden haben. Ich hätte da noch ein paar Fragen an Sie, falls sie sich in der Lage sehen, diese zu beantworten.“

    Ein freudiges Aufleuchten trat in seine Augen und bestätigte Kim in ihrer Annahme, es handle sich um einen „Wichtigtuer“.

    „Ich bin Herrmann Wedekind, Verwaltungsbeamter im Ruhestand!“ Schon allein die Art wie er seinen Namen aussprach, sich vorstellte, weckte in ihr negative Emotionen. „Ja, ich habe die beiden Toten gefunden. Hatten sie das Foto an den Hauptkommissar geschickt?“ Dabei deutete er auf Martin, der neben Kim stand, die zustimmend auf die Frage nickte. „Ja, das ist der Mann, der da oben liegt, da bin ich mir ganz sicher!“ unterstrich er seine Aussage. Er wurde ein bisschen nervös, weil sein Hund sich erhoben hatte und ständig an der Leine zog. Der Schäferhund stellte seine Ohren, lauschte und schnupperte. Irgendetwas hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Tassilo wurde unruhig und fing an zu bellen. „Aus Tassilo! Wirst du wohl jetzt still sein!“, herrschte ihn sein Herrchen an und zog wie verrückt an der Leine. „Platz Tassilo! … Die Situation ist wohl auch für meinen Hund ein wenig aufregend!“, meinte Herr Wedekind ein wenig entschuldigend.

    Kims Gesicht wurde nach dieser Aussage totenbleich. Ihre Stimme vibrierte vor Erregung. „Und sie sind sich ganz sicher, dass er tot ist?“ Wusste der Typ überhaupt, wieviel Überwindung es sie gekostet hatte, diesen Satz auszusprechen.

    „Wissen sie was Frau Krüger? Ich bin ausgebildeter Ersthelfer! Ich war lange Jahre in unserer Behörde für den Sanitätsdienst zuständig. Habe regelmäßig Kurse besucht!“, verkündete er mit einem gewissen Stolz und Arroganz in der Stimme. „Wenn ich ihnen sage, dass der Mann da oben tot ist, dann ist er das auch! Sein Körper war bereits kalt, als ich versuchte einen Puls zu ertasten und ich denke mittlerweile hat die Leichenstarre bei ihm eingesetzt!“
    Kim schluckte bei dieser Äußerung, gleichzeitig entging ihr nicht die Reaktion des Rettungssanitäters mit dem glatt rasierten Schädel, der seitlich versetzt hinter dem Zeugen stand. Der ältere Mann runzelte die Stirn und verdrehte genervt die Augen nach oben. Sein Gesicht drückte nur Missfallen und Skepsis aus. Konnte man dem Zeugen wirklich glauben? Zweifel kamen in ihr auf. Wie ein elektrischer Impuls durchfuhr sie ein Gefühl …. Eine Ahnung …. und bestärkten sie in ihrer Meinung, so schnell wie möglich zu Ben zu kommen, koste es was es wolle und egal wer sich ihr in den Weg stellen würde. Nicht einmal der kleine Giftzwerg Dr. Pfeifle würde sie aufhalten können.

    Und noch was geschah …
    Herr Wedekind hatte sich erhoben und seine Ausführungen mit seinen Händen unterstreichen wollen, dabei unabsichtlich die Hundeleine losgelassen und wollte mit dem Fuß darauf treten. Tassilo, der kanadische Schäferhund, schien auf diesen Moment der Unaufmerksamkeit seines Herrchens gewartet zu haben. Der weiße Hund riss sich los und flitzte an Kim und Martin laut bellend vorbei in den Wald. Drinnen schrie jemand mit einer schrillen Stimme wütend auf „Könnt ihr denn nicht mal auf einen Köter aufpassen ihr verfluchten Idioten? Der zerstört hier doch alle Spuren! Bin ich denn nur von Nichtsnutzen umgeben! Mertens, sie haben doch eh nichts zu tun, kümmern sie sich um das Vieh! Schaffen Sie den Köter von meinem Tatort weg! Aber Pronto!“

    „Dr. Pfeifle höchst persönlich, wie er leibt und lebt!“ kommentiere Martin Hillenbrand dass lautstarke Gebrülle im Wald. Nur schemenhaft konnte man die Bewegungen der Männer der Spurensicherung in ihren weißen Overalls im Wald erahnen.

    Nach einigen Minuten wurde es innerhalb des Waldes richtig laut und hektisch.

    die beste Nachricht in diesem Kapitel: Dieser Assistenzarzt kann die kommenden zehn Tage Ben nichts mehr antun
    der Typ ist sich ja nicht mal, bewusst was er angerichtet hat bzw. hätte anrichten können, wenn man seine Gedankengänge so liest
    die OP hörte sich schon ziemlich brutal an ... und der nächste Schlauch kommt aus Ben heraus <X<X<X
    gibt es an dessen Oberkörper eigentlich noch ein heiles Fleckchen
    auch wenn Anja mit ihrer Erfahrung und Ruhe versucht zu retten was zu retten ist, dieser Satz von Ben sagt doch alles "Ich will nicht sterben"
    eigentlich dachte ich, im Krankenhaus ist man um geheilt zu werden ... doch auf der Intensivstation darf mit Erlaubnis des Oberarztes der Assistenzarzt einen Patienten fast umbringen? ...Momentan stelle ich mir die Fragen, hat das für den Oberarzt bzw. dem Assistenzarzt Konsequenzen
    und sagt Anja Sarah die Wahrheit von Fachfrau ... zu Fachfrau ...
    denn ich als Angehörige ... würde dem Oberarzt was anderes erzählen X(X(X(

    am Anfang habe ich noch ein wenig gelächelt, als du die Leiden von Elisa beschrieben hast. Doch das ist mir schlagartig vergangen, als ich bei dem Teil von Ben ankam.
    Wenn ich mir was wünschen dürfte, Elisa soll ihren Platz mit Ben tauschen. Vielleicht vergeht es ihr dann weiter Gift zu verspritzen
    so und nun zu Ben:
    Das ist doch nicht dein Ernst ;(;(;(X(X(X( dieser Oberarzt lässt schon wieder seinen Assistenten ran????
    geht es noch??? Ist der das lebende Versuchkannichen für den jungen Arzt?
    Ich möchte mal behaupten, wenn Sarah an Bens Bett gesessen wäre, hätte der sich keine zwei Meter mehr nähern dürfen
    auch wenn er einen Stromschlag abbekam und sich verletzte, das ist doch im Vergleich zu den Verletzungen die er Ben erneut zugefügt hat, noch harmlos
    allein der letzte Satz, dass der Oberarzt Unterstützung braucht, um die Verletzung verarzten zu können
    mir wird es völlig anders und der Satz: Schlimmer geht immer, reicht gar nicht aus, um Bens Leiden darzustellen.
    Sarah ... bitte komm und sorge dafür, dass dein Mann eine Chance bekommt, gesund zu werden.

    Langsam kehrte erneut das Bewusstsein von Ben wieder zurück. … An der Stelle, wo Marios Kugel in seinem Körper eingedrungen war, verspürte er an seiner linken Brustseite unterhalb der Schulter nur ein leises Brennen. Kein Vergleich zu der Hölle, die sich in seinem Unterleib und der rechten Rückenseite abspielten. Die Schmerzen raubten ihm immer wieder die Besinnung und Ben tauchte wieder ab in seine Traumwelt … dort wollte er bleiben … keine Qualen mehr … keine Schmerzen mehr … kein Kampf mehr … nur einfach Frieden.

    Etwas Feuchtes berührte sein Gesicht. Etwas schleckte über seine rechte Hand. Ben spürte die Wärme an seiner rechten Seite … so angenehm … so wohltuend … Die Sinne des schwer Verletzten nahmen ihre Arbeit auf. Da war ein Hund bei ihm? … Ein Suchhund? Hatte man ihn endlich gefunden? Rettung? Semir, war er endlich da? Ben lauschte auf die Geräusche in seiner Umgebung, die gefiltert wie durch Watte, zu ihm durchdrangen. Er vernahm die tiefe Bassstimme eines Mannes.

    „Aus Tassilo, aus … geh da weg!“, befehlend klangen diese Worte. … Glichen einer Drohung.

    Sie galten wohl dem Hund. Nein … er sollte dableiben … nicht weggehen … flehte Ben innerlich. Er wollte sich bemerkbar machen … da war ein Mensch? Das bedeutete Hilfe …ihm fehlte einfach die Kraft … sein Körper gehorchte ihm nicht mehr … kein Laut kam über seine Lippen … mit einer letzten Energieleistung schaffte es Ben seine Finger zu bewegen … der Hund bemerkte es … fing aufgeregt an zu bellen … wollte die Aufmerksamkeit seines Herrchens auf den Verletzten lenken… Doch der andere … er tat nichts, ignorierte das Verhalten seines Hundes.

    „Aus Tassilo, ruhig jetzt! … Geh da weg! … Bist du jetzt still! Ich will telefonieren!“, ertönte die Stimme mit einem leichten Unmut im Tonfall.

    „Bist du blind?“, fragte Ben sich „Siehst du nicht, dass ich Hilfe brauche? Komme doch her zum mir! Verdammt noch mal! … Hilf mir doch!“ Ihm stockte fast der Atem, als er die nächsten Worte des Hundebesitzers vernahm. Ben kam sich vor, wie ein stummer Zuhörer eines Hörspiels, in dem er ungewollt die Hauptrolle spielte.

    „Hallo hören Sie mich … meine Name ist Herrmann Wedekind … ich bin hier mit meinem Hund spazieren gegangen … jetzt hören sie mir doch endlich mal zu und lassen mich ausreden … hier liegen zwei Leichen mit Schusswunden … wo ich bin … mitten im Wald … Können sie nicht mein Handy orten? … Ja, ich gehe zum Waldrand und warte auf die Polizei … ja ich bin mir sicher. … Ja, ich bin ausgebildeter Ersthelfer mit reichlich Erfahrung! Was denken Sie denn, wenn ich sage, dass die beiden Männer tot sind, ist das so! … Na klar, habe ich mich davon überzeugt! … Richtig! … Kein Puls, keine Atmung und eiskalt …. Bei dem einen Mann bilden sich am Rücken die ersten Leichenflecke. … Was folgern sie daraus? … Sehr gut erkannt, Herr Kollege! … Sie müssten mal den einen Kerl sehen, wie der ausschaut ... Oh Gott mir wird schlecht, wenn ich den nur anschaue! … Mir wird es ganz schwindelig!“

    „Tot? Fühlte sich so tot an? … Nein … ich lebe noch, wie kannst du behaupten, dass ich tot bin!“, durchfuhr es Ben voller Entsetzen. Er wollte sich aufbäumen, doch sein Körper versagte den Dienst. … Innerlich schrie er lauthals „Ich höre dich doch kotzen du Vollposten! … Komm endlich her zu mir! … Überzeuge dich, dass ich noch am Leben bin … ich habe so furchtbare Schmerzen … warum hilfst du mir nicht du Idiot … Komm doch endlich!“ Doch letztendlich blieb es ein stummer Hilfeschrei, den niemand vernahm, außer dem Hund, der noch immer neben ihm lag.
    Ben hörte das Rascheln der Blätter, das Knacken von Ästen, wenn man darauf tritt und das Holz bricht … die Geräusche entfernten sich von ihm … „Lauf nicht einfach wieder weg. Bleib hier bei mir.“, wollte er schreien … kein Laut kam über seine Lippen …. Er wollte seine Augen öffnen … sie gehorchten ihm nicht … Sich erneut bemerkbar machen … Nur wie! … Die rechte Hand … die Finger … war das anstrengend … aber der andere sah es nicht. Seine Schmerzen lähmten ihn förmlich. Ben stöhnte gequält auf … der andere hörte es nicht.

    „Tassilo komm jetzt endlich! … Stell dich nicht so an!“, blaffte die Stimme wütend.
    Der Hund jaulte … er bellte, doch der andere schimpfte nur mit ihm … Das Tier wurde von ihm weggezogen, obwohl es sich sträubte … Tassilo knurrte sein Herrchen an … bellte, wollte die Aufmerksamkeit seines Herrchens auf Ben lenken und wurde zum Gehorsam gezwungen, während Bens innere Stimme schrie „Bleib hier, geh nicht weg. Lass mich nicht allein!“

    Äste knackten … Laub raschelte … der Hund jaulte mehrmals schmerzhaft auf … er war endgültig weg … und Ben war wieder allein. Mit einem Male war ihm kalt … furchtbar kalt … Seine Gedanken drifteten ab … Wo blieb denn Semir nur? … Wo blieb sein Freund? … Er hatte es bisher doch immer geschafft rechtzeitig zu kommen. Ben brauchte ihn doch so sehr. … Was war wohl mit Aida und Andrea passiert? … Hatten sie es geschafft? Andreas letzte Worte fielen ihm wieder ein … Kämpfen? … „Kämpfe um dein Leben Ben! Wir brauchen dich!“ … Sollte er wirklich weiterkämpfen? … Die Rettung schien so greifbar nah und war auf einmal so unendlich weit weg. Die andere Seite war so verlockend! Keine Qualen … keine Schmerzen … Langsam schwanden dem Schwerverletzen wieder die Sinne …

    „Kann ich ihnen weiterhelfen?“, erkundigte sich eine Beamtin bei Kim Krüger, nachdem sie aus dem Helikopter ausgestiegen war und sich orientierungslos umblickte.

    „Ich suche Herrn Hillenbrand, den Einsatzleiter. Wir haben vorhin miteinander telefoniert. Der ermordete Polizist da vorne im Wald ist vermutlich einer meiner Beamten!“, heißer und gepresst kamen die Worte über ihre Lippen.

    Die Polizistin begleitete Kim Krüger ein Stück und zeigte auf einen VW-Bus, der direkt am Waldrand neben dem Rettungswagen geparkt war, auf welchen Einsatzleitung stand. „Dort sollten Sie Herrn Hauptkommissar Hillenbrand finden!“
    Kim Krüger kannte Martin Hillenbrand aus früheren Einsätzen. Vor ihrer Zeit als Chefin auf der PAST hatten sie öfters mit ihm zusammengearbeitet und gemeinsam Fälle gelöst. Daraus hatte sich ein sehr freundschaftliches Verhältnis entwickelt, welches nach wie vor Bestand hatte. Seine imponierende Zwei-Meter-Sportlerfigur war unübersehbar. Wie immer trug er seine alte zerschlissene Jeansjacke, eine verwaschene schwarze Jeans und ein kunterbuntes Hawai-Hemd, das über dem Hosenbund hing. Bei einer anderen Gelegenheit hätte Kim darüber geschmunzelt nur heute nicht. Er kam ihr auf dem Feldweg mit schnellen Schritten entgegen.

    Der Leiter der Mordkommission erschrak, als er seine Freundin, Kim Krüger, aus der Nähe betrachtete. Die Nervenanspannung der letzten Tage hatte deutlich Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Wenn er ehrlich war, hatte er Kim das letzte Mal in solch einer schlechten Verfassung gesehen, als ihr damaliger Partner und Freund erschossen worden war. Mitfühlend nahm er sie einfach in den Arm und ließ sie spüren, dass er für sie da war … dass er ihr ein Freund war.
    „Danke Martin!“, wisperte sie, als sie sich voneinander lösten.
    „Tut mir leid Kim, was da passiert ist. Keine schöne Geschichte. Sind denn wenigstens die Frau und die Tochter deines anderen Beamten in Sicherheit?“, erkundigte er sich.
    „Ja, sie sind zurzeit auf dem Weg ins Krankenhaus! Kannst du mir schon was sagen, was hier passiert ist Martin? Wer hat ihn gefunden? Hast du seine Leiche schon gesehen?“, überfiel sie ihn mit ihren Fragen. Sie schniefte einmal kurz auf und lauschte angespannt dem Bericht ihres Kollegen.

    „Ein Spaziergänger mit seinem Hund hat vor ca. einer Stunde die Meldung gemacht, dass er hier zwei Leichen mit Schussverletzungen gefunden hat. Er sitzt dort vorne im Heck des Rettungswagens. Der Anblick hat ihn anscheinend ein wenig mitgenommen!“ gerade noch rechtzeitig schluckte er den Rest seiner Worte hinunter. Fast wäre ihm rausgerutscht, dass es sich dabei hauptsächlich um die Leiche des Polizisten gehandelt hatte, die den Zeugen so geschockt hatte. „Die Sanitäter kümmern sich um ihn. Ich habe ihm auch das Foto gezeigt, welches du mir vorhin auf Whatsapp gesendet hast. Ja, er ist sich absolut sicher, dass eine der beiden Leichen dein Beamter ist!“

    Kim Krüger konnte nicht verhindern, dass sie bei dem letzten Satz aufschluchzte. „Oh, mein Gott, dann ist es wirklich wahr!“ Martin nahm sie erneut in den Arm. Für einen Moment ließ sie in seinen Armen ihren Schutzpanzer, den sie um sich herum aufgebaut hatte, fallen und ließ ihrer Trauer freien Lauf. Als Kim sich beruhigt hatte, blickte sie aus verquollenen Augen ihren Freund und Kollegen an. Ihre Stimme vibrierte als sie ihn ansprach.
    „Kann ich ihn sehen? Ich will zu ihm! Ich will mich überzeugen, dass er es wirklich ist! Bitte Martin!“
    „Momentan geht gar nichts. Die SPUSI war zuerst da und hat den gesamten Bereich abgesperrt. Wie du ja hier deutlich sehen kannst.“ Dabei deutete er auf die gelben Polizeiabsperrbänder. „Bisher habe ich erst eine der beiden Leichen gesehen und einen Teil des Tatorts in Augenschein nehmen können. Die Kollegen sind dabei die Beweise zu sichern und alles zu untersuchen. Keine Chance, die lassen da niemanden durch, Anordnung von Herrn Dr. Pfeifle höchstpersönlich. Er war mit seinem Team einer der Ersten am Tatort und hat alles abriegeln lassen. Du kennst ihn doch noch oder?“
    „Oh ja! Wer könnte diesen Giftzwerg vergessen?“, entgegnete sie mit einem ironischen Unterton, „Ich war der Meinung, der ist längst im Ruhestand!“
    „Nein! Die kommenden sechs Monate haben wir noch die Ehre mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen!“

    Kim dachte an ihre letzte Begegnung mit dem Herrn Dr. Pfeifle. Wer könnte diesen jähzornigen, kleinen fetten Mann vergessen. Seine Wutanfälle waren gefürchtet und seine Mitarbeiter wagten nicht, ihm zu widersprechen. Aber er war eine Kapazität im Bereich der Forensik. Deswegen wurde ihm in der Vergangenheit manche seiner Macken verziehen. Während des Gesprächs bewegten sie sich weiter in Richtung des Waldrandes auf den Rettungswagen zu….

    *****
    Einige Zeit vorher …. Im Wald auf der Anhöhe ….
    ‚Wollten ihn die da drüben noch nicht?‘, fragte sich Ben, als er langsam aus dem Abgrund der Dunkelheit auftauchte. Der Dunkelhaarige nahm kaum etwas wahr, nicht einmal sich selbst oder seine Umgebung. Es war, als wäre er in einer Art Zwischenwelt gelandet. Er war sich sicher, einen Blick auf die andere Seite des Daseins geworfen zu haben. Da war doch eben Laura gewesen, seine letzte große Liebe … Bildete er sich das nur alles ein? Er hatte mit ihr gesprochen. Sie war in seinem Armen gelegen und ihr wunderbares Lächeln hatte ihn angestrahlt. Ihm war als könnte er noch die Wärme ihres Körpers fühlen … Doch da war noch jemand gewesen … Ben überlegte … richtig … Semir! … Semir, sein Freund, war auf der anderen Seite des Lichtbogens gestanden. … Er hatte Lilly, sein Patenkind, auf dem Arm getragen und Aida stand neben den beiden. Sie winkten ihm Freude strahlend zu … schienen ihn erwartet zu haben, ihm etwas zuzurufen, dass er zu ihnen kommen soll … Die Bilder verschwammen ineinander.
    Das Licht, wo war dieses warme angenehme Licht hin … Ben hatte sich dort so wohl gefühlt … keine Schmerzen … alles war gut … alles war gut. Dorthin wollte er wieder zurück … Doch da waren wieder Semir … die Kinder … Es war für ihn wie Gabelung eines Weges, wo sollte er hin, für welchen Weg sollte er sich entscheiden … die Drei warteten auf ihn … und noch jemand war da … Andrea! Sie tauchte aus dem Schatten eines Baumes auf … Ben war hin und hergerissen … auf einmal war alles weg. … Es wurde dunkel um ihn herum.

    Ich kann es aber nicht verstehen, dass Semir nicht mitgeflogen ist. Ben ist für ihn auch Familie, genauso, wie Andrea und die Kinder. Und man hofft doch bis zum Schluss, dass es ein Irrtum ist. Und glaubt es erst, wenn man es mit eigenen Augen sieht.

    verstehe dich schon Silli .. klar ist Ben für Semir ein Teil der Familie :)
    doch für Semir ist es in der Situation traurige Wahrheit ;(;(;( spätestens in dem Moment, als Kim Krüger vom Tatort die Bestätigung bekommt, dass eines der Opfer Ben Jäger ist .. :(

    na super .. die liebe Assistenzarzt ist verantwortlich für Bens Zustand ;(=O=O=O
    ich verstehe ja, dass Ärzte auch lernen müssen
    nur das ging definitiv zu Lasten von Ben .. hat das wirklich sein müssen
    ein erneuter Eingriff ... Thorax-Drainage ...
    lass doch den ärmsten einfach mal zur Ruhe kommen
    ansonsten ... war das wieder einmal schönes medizinisches Lehrstück :thumbup:

    Kim Krüger wusste, dass das Drama, das sich in den vergangenen Minuten vor ihren Augen und den Mitarbeitern der Dienststelle abgespielt hatte, sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte. Noch nie in ihrem Leben hatte Kim einen Menschen, der ihr Nahe stand, so am Boden zerstört und zerbrochen erlebt wie den türkischen Kommissar in der vergangenen Stunde.
    Gleich nach seiner Ankunft hatte der Notarzt Andrea Gerkhan versorgt, die mit einer Rolltrage zum RTW transportiert worden war. Anschließend kümmerte der Arzt sich um Aida und ihren Vater. Der Notarzt und der Sanitäter führten den Türken zum Rettungswagen. Der Kommissar selbst trug seine Tochter, die unter dem Einfluss des Beruhigungsmittels halb schlafend auf seinem Arm hing. Die Hecktüren des Rettungswagens wurden geschlossen und langsam rollte er mit eingeschaltetem Blaulicht vom Hof.

    Eine gefühlte Ewigkeit stand Kim am Fenster und starrte dem Rettungswagen und Notarztwagen hinterher. Ihr Blick war durch ihre Tränen verschleiert. Mit ihren Handflächen hatte sie sich leicht vornübergebeugt auf dem Fensterbrett abgestützt und kämpfte darum ihre Fassung wieder zu gewinnen. Für einen Moment schloss sie die Augen und sah vor ihrem inneren Auge Bilder der Vergangenheit vorüberziehen. Ihre erste Begegnung mit Ben Jäger hier auf der Dienststelle, als er mit seinem Kollegen feixend unter ihrer Bürotür stand, … sein schelmisches Grinsen, das an einen Lausbuben erinnerte, der wieder einmal einen Streich erfolgreich durchgeführt hatte oder im Falle des jungen Polizisten den Dienstwagen geschrottet hatte … seine draufgängerische Art, seine kecken Sprüche, die sie manchmal wahnsinnig machten. Der junge Polizist hatte nur so vor Lebenslust und Tatendrang gestrotzt und das sollte alles der Vergangenheit angehören. In ihr wallte ein Gefühlschaos aus Trauer und Hoffnungslosigkeit auf. Kim Krüger konnte es einfach nicht begreifen und ihr Verstand weigerte sich krampfhaft dies als Wahrheit zu akzeptieren. Als sie für sich eine Entscheidung getroffen hatte, ging ein Ruck ging durch ihren Körper und sie drehte sich zu ihren Mitarbeitern um. Ihre Mimik war zu einer steinernen Maske erstarrt. Sie ließ ihren Blick in die Runde schweifen. In den Gesichtern ihrer Mitarbeiter las die Chefin ebenfalls tiefe Betroffenheit und Trauer. Horst Herzberger hielt die junge Jenny Dorn, die zwischenzeitlich auf die Dienststelle zurückgekehrt war, in den Armen und sprach beruhigend auf sie ein. Sein schlaksiger Kollege Dieter Bonrath saß neben ihm, aschfahl im Gesicht und wirkte wie gelähmt. Es war ein rabenschwarzer Tag für die Dienststelle, einen ihrer wertvollsten Mitarbeiter auf so tragische Weise zu verlieren.

    Susanne, die sich die ganze Zeit über rührend um ihre Freundin gekümmert hatte, war ebenfalls an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit angekommen. Die Nerven der Blonden lagen blank. Sie saß weinend an ihrem Schreibtisch, ihre Unterarme lagen auf der Schreibtischplatte und ihre Stirn darauf abgelegt. Ihr Körper bebte. Mit schlurfenden Schritten schlich ihre Chefin zu ihr hin. An ihren Füßen schien eine Zentnerlast zu hängen. Sanft legte Kim ihre Hände auf die Schultern der Sekretärin und zog sie zu sich hoch. Die beiden Frauen nahmen sich gegenseitig tröstend in den Arm und verharrten minutenlang so.
    „Susanne!“ murmelte Kim mit einer heißeren Stimme, „Susanne!“ langsam beruhigte die Sekretärin sich und löste sich leicht schluchzend von ihrer Chefin, wischte sich mit einem Taschentuch die Tränen aus dem Gesicht und schnäuzte sich lautstark. „Ja!“, nuschelte sie kaum hörbar. - „Susanne, bitte sind sie so lieb und fahren sie dem Rettungswagen zum Marienhospital hinterher. Herr Bonrath soll Sie begleiten. Kümmern Sie sich um Semir und seine Familie …. Bitte!“ Sie räusperte sich und versuchte den Kloß aus ihrer Kehle verschwinden zu lassen. „Herr Herzberger, als dienst ältester Mitarbeiter sorgen sie bitte dafür, dass die Dienststelle unter diesen Umständen so gut es geht weiterläuft!“ Die beiden erfahrenen Polizisten nickten ihrer Chefin zu.
    „Ich … ich habe den Helikopter … der Verkehrsüberwachung startklar machen lassen. Ich fliege rüber … zum Fuchsbachtalgrund! … Ich …“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Kim Krüger kniff die Lippen zusammen und kämpfte gegen ihre Trauer an. „Ich will Ben selbst sehen, nur dann … nur dann glaube ich es!“ Sie drehte sich um und konnte nicht mehr weiter sprechen.

    Kim Krüger war froh, dass der Hubschrauberpilot genauso schweigsam war, wie sie selbst. Vergeblich hatte sie versucht, vor dem Abflug den Vater und die Schwester von Ben Jäger telefonisch zu erreichen. Sein Vater befand sich auf einer Geschäftsreise in London und seine Schwester verbrachte zusammen mit ihrem Mann ihren Urlaub auf den Bahamas. Die Sekretärin von Konrad Jäger hatte versprochen, die beiden so schnell wie möglich zu verständigen.

    Während des Fluges tanzten wieder die Bilder der Vergangenheit vor ihrem inneren Auge herum. Sie dachte daran, wie sie damals Ben Jäger kennengelernt hatte, den Abend, an dem er mit ihr auf dem Empfang geflirtet hatte. Seine lockeren Sprüche, die sie manchmal bis zur Weißglut getrieben hatten, das sollte alles Vergangenheit sein. Nein und nochmal nein …. Ihre Trauer überwältigte sie. Abgrundtief seufzte sie auf und kämpfte gegen ihre Gefühle des Verlustes an. Sie konnte und wollte es immer noch nicht glauben, dass Ben Jäger nicht mehr unter den Lebenden weilte. Ein gequältes Stöhnen kam aus ihrem Mund. Tränen liefen ihr über die Wangen. Besorgt blickte der Pilot zu ihr rüber.

    „Ist alles ok Frau Krüger? Wir sind übrigens gleich da. Da vorne können Sie schon die Einsatzwagen der Kollegen sehen!“ Die trockenen Worte des Piloten rissen sie aus ihren Gedanken.

    „Machen Sie sich keine Sorgen, es ist alles ok.“ Sie wischte sich mit dem Handballen die Tränen von den Wangen. „Landen Sie da vorne auf der Wiese gleich unterhalb der Anhöhe. Ich laufe das kurze Stück! Sie können dann auch gleich zurückfliegen!“, wies sie den Piloten an.

    Sie blickte durch das Seitenfenster auf das Schauspiel, das sich dort unten auf den Wiesen vor dem Waldstück abspielte. Die umherlaufenden Menschen sahen wie kleine Puppen aus. Die flackernden Blaulichter der Einsatzfahrzeuge wirkten auf sie so unwirklich, spiegelten sich am Waldrand wieder. Ein Rettungswagen stand direkt am Waldrand unter einer Wildkirsche, die über und über mit weißen Blüten geschmückt war. Trügerische Idylle fiel ihr nur dazu ein.

    Je näher sie während des Sinkflugs dem Landeplatz kamen, desto besser erkannte Kim die Einzelheiten. Erneut fuhr sie sich mit ihrer Hand verzweifelt über das Gesicht und schloss ihre Augen. Der Versuch, mit dieser Geste die Bilder zu verscheuchen, scheiterte kläglich. Ihre Hoffnung, wenn sie die Augen öffnete, wäre dieser Alptraum vorbei, wurde nicht erfüllt. Die Landung des Hubschraubers erregte Aufsehen bei den umherstehenden Polizeibeamten.

    Semir saß vornübergebeugt da. Die Unterarme ruhten auf seinen Oberschenkeln. Mit einem leeren Blick starrte er vor sich hin auf diesen Bildschirm und sah doch nichts … hörte nichts.
    Seine Welt war zerbrochen.
    Ein energisches Zupfen an seinem Hemd riss den Türken zurück in die Realität. Er runzelte die Stirn, schaute zur Seite und blickte in Aidas Gesicht. Erst jetzt verstand er, dass seine Tochter mit ihm redete und was sie zu ihm sagte.
    „Papa! … Papa! … Hörst du mir überhaupt zu?“, maulte sie ihn energisch an.
    „Ja, Schatz!“ antwortete er mehr automatisch „Was ist denn los?“
    „Papa! Du musst doch los! Du musst Ben helfen! Er wartet auf dich! Mama hat ihm versprochen, dass du kommst, um ihn zu retten!“
    Mit einem Schlag war es aus und vorbei. Bei den Worten seiner Tochter legte sich ein unsichtbares Band um seine Kehle, würgte ihn und schnürte ihm die Luft ab. Tränen schossen ihm in die Augen und er biss die Lippen krampfhaft zusammen, um nicht lauthals loszuschreien. Sein getrübter Blick war auf Aidas Gesicht gerichtet. An ihrer Mimik konnte er erkennen, auch seine Tochter hatte begriffen, dass etwas Schreckliches mit Ben passiert sein musste. Ihr Körper bebte und sie krabbelte auf seinen Schoß. Mit ihren Armen umschlang sie seinen Nacken und wisperte mit ihm aufschluchzend ins Ohr: „Papa … Papa? Ist was mit … Ben? …. Ihr … seid ….“, sie schniefte … „alle so furchtbar traurig!“ … wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. „Papa … Papa … ist … ist … Ben … tot?“
    Semir konnte ihr nicht antworten … nur noch nicken und seine Tochter an sich drücken. Weinend vergrub sie ihr Gesicht an seiner Schulter. Ihre Tränen durchtränkten sein Hemd … Mehr mechanisch strich er ihr über das Haar. Wie sollte er Aida denn trösten? Semir verstand es doch selbst nicht. War das der Preis, den er zahlen musste, damit seine Familie gerettet worden war? Das Schicksal war einfach nur grausam und dieses Wissen raubte ihn fast den Verstand. Neben dem Verlust seiner Familie war das, das Schlimmste, was man den Türken antun konnte. Ein Schauder nach dem anderen jagte durch seinen Körper. Seine Gedanken fingen an sich im Kreis zu drehen. Der Türke war innerlich völlig zerrissen. Er spürte den zierlichen Körper seiner Tochter, der von einem Weinkrampf nach dem anderen geschüttelt wurde. Seine Seele, sein Herz fochten einen inneren Kampf aus. Auf der einen Seite war er der Familienvater, der die Not seiner Tochter und seiner Frau wahrnahm. Gerade in diesem Moment brauchten sie ihn als einen Fels in der Brandung, der ihnen Halt gab, der ihnen Trost spendete, wo er doch selbst Trost gebraucht hätte. Sein letztes bisschen Verstand, das ihm unter dem Eindruck der Erlebnisse der letzten Tage, Stunden, Minuten geblieben war, wollte den endgültigen Beweis, dass sein Freund Ben tot war. Es fühlte sich für ihn so an, als rief die Seele seines verstorbenen Freundes Ben nach ihm. War es Einbildung oder Magie? Wurde er verrückt? Oder einfach nur der Wunsch nach dem letzten Beweis, dass Ben tot war. Wie an einen Strohhalm klammerte sich seine Seele an diesen letzten Hoffnungsschimmer. Doch dann nahm sein Verstand wieder die tränenerstickte Stimme seiner Tochter war. Es war ein einziger Hilfeschrei, der ihm zeigte wie sehr das Mädchen litt, wie sehr seine Tochter ihren Vater brauchte.

    Semir wusste nicht wieviel Zeit verstrichen war, in der er völlig verzweifelt mit Aida im Arm dagesessen hatte und seinen schlimmsten Kampf ausfocht. Irgendwann legte sich eine Hand auf seine Schulter. Der Türke schaute auf und blickte in das Gesicht von Kim Krüger. Es war zu einer eisernen Maske erstarrt. Ihre Augen waren gerötet und total verquollen. Sie sah elend und mitgenommen aus. Man sah ihr an, wie sie darum kämpfte, nicht ihre Fassung zu verlieren. Mit einer dumpfen, fast schon monotonen Stimme an sprach sie ihren Kommissar an und riss ihn endgültig aus seiner Lethargie.
    „Semir! … Herr Gerkhan, hören sie mich? Ich habe gerade mit der Einsatzleitung im Fuchstalgrund gesprochen.“ Sie räusperte sich. „Ich … ich … habe denen ein Foto von Ben Jäger per Handy geschickt. Einer der Toten …“ Sie schwieg für einige Sekunden, sammelte sich erneut und biss sich auf die Lippe, bevor sie stockend weiterredete „… einer der Toten ist der Beschreibung nach Ben Jäger. … Er trägt eine rot-karierte Jacke … und … und der Zeuge behauptet … ihn … nach dem Foto … erkannt zu haben!“ In den Augenwinkeln von Kim Krüger schimmerte es feucht und sie rang krampfhaft darum, nicht wieder ihre Fassung zu verlieren.

    Hinter ihm erklang ein herzzerreißender Aufschrei „Neeeiiiiinnnn!“. Ohne dass Semir sich umblickte, wusste er, der Schrei war von Andrea gekommen. Der Schrei ging über in ein haltloses Aufschluchzen. Wie im Zeitlupentempo kam der Sinn der Worte seiner Chefin im Gehirn des Türken an. Das letzte Fünkchen Hoffnung war zerstört. Sein Herzschlag beschleunigte sich in ungeahnte Dimensionen. Semir fing an zu zittern und gleichzeitig brach ihm der Schweiß aus. Von seinen Händen ausgehend, breitete sich eine Eiseskälte in seinem Körper aus. Immer wieder murmelte der Kommissar ein paar Worte vor sich hin „Nein …Ben …. nein …Ben bitte nicht Ben … nein …!“ Es war wie der Wunsch, einen Zauberspruch auszusprechen und der Spuk war vorbei. Das was geschehen war, würde wieder rückgängig gemacht werden. Jedoch da war noch eine andere Stimme in seinem Kopf, die ihm klar machte … es ist aus und vorbei … Ben, sein Freund … sein Partner … er lebte nicht mehr … diesmal gab es keine Rettung für seinen Partner. Semir schmeckte den salzigen Geschmack der Tränen auf seinen Lippen, die unaufhaltsam rannen. Wie in Trance drangen die nächsten Sätze von Frau Krüger zu ihm durch.

    „Herr Gerkhan … ! Es ist ein Rettungswagen hierher unterwegs. Er sollte jeden Moment hier eintreffen. Er wird Sie und ihre Familie ins Krankenhaus bringen!“ Er schüttelte den Kopf und protestierte: „Nein …. Nein … ich muss zu Ben!“

    Kim Krüger ging leicht in die Hocke, um auf einer Blickhöhe mit ihrem Kommissar zu sein. „Denken Sie nicht die Lebenden brauchen sie mehr wie …!“ Sie konnte es einfach nicht aussprechen.

    Semirs Blick wanderte von der Meldung auf dem Bildschirm zu von seiner Tochter, die sich wie eine Ertrinkende an ihn klammerte hinüber zu seiner Frau, die von Weinkrämpfen geschüttelt, in Susannes Armen lag. Der Anblick seiner Liebsten schockte den Türken endgültig. In diesem Moment wurde Semir klar, es machte keinen Sinn, die Wahrheit zu verdrängen. Sein bester Freund und Partner Ben Jäger war tot.
    Irgendwann standen ein Notarzt und die Sanitäter neben ihm, sprachen ihn und Aida an und hängten ihm eine Decke zum Wärmen um. Zuerst kümmerte sich der Arzt um seine Tochter, die aber um nichts in der Welt ihren Vater los ließ. Er spürte einen kleinen Stich am Arm, als der Notarzt ihm etwas spritzte. Dies alles ließ er widerstandslos über sich ergehen. Aida, auf den Armen tragend, wurde er von einem der Sanitäter zum Rettungswagen geführt.

    also dieses Kapitel ist definitiv nicht dafür geeignet, dass mein Blutdruck sich beruhigt
    erst diese Verzweiflung von Sarah, die Ärmste, nach dem Anruf mit dem Grünschnabel, ... kann so mit ihr fühlen
    und dann wieder ein Anruf ... und Break ...
    schön, dass der liebe Oberarzt sich um Ben kümmert ... hätte der Kerl auch ruhig gleich machen können
    dann denkt man, alles ist gut und Ben kann sich erholen
    denkste :!::?: ... was ist denn bitte jetzt wieder los ?(?(?(

    Kim Krüger beobachtete von ihrem Büro aus die Wiedervereinigung der Familie Gerkhan. Erleichterung machte sich in ihr breit und sie hoffte in diesem Augenblick, dass die Entführung ein gutes Ende genommen hatte. Als sie sich auf den Weg machte, um die beiden zu begrüßen, stutzte sie. Sie vermisste etwas. Erwartungsvoll blickte sie zur Eingangstür, in der Hoffnung, dass sich diese öffnen würde und Ben Jäger ebenfalls das Büro betreten würde. Doch nichts dergleichen geschah.

    Neben dem Mercedes-Kombi, der Andrea und Aida gebracht hatte, standen die Streifenpolizisten Geiger und Vollhals und unterhielten sich mit dessen Fahrer. Er war ausgestiegen und lehnte sich am Autodach an und schien den beiden Polizisten irgendetwas zu erklären. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, da es von einem breitkrempigen Hut verborgen wurde. Nur das schulterlange graue Haar quoll darunter hervor. Sie dachte an das Foto, das gestern auf dem Handy von Ben gesendet worden war. Eine furchtbare Ahnung stieg in ihr hoch und sie beschleunigte ihre Schritte. Sie wollte selbst mit dem Fahrer reden. Draußen angekommen, musste sie erst Mal hoch blicken, da der Mann sie um fast einen halben Kopf überragte.

    „Hallo ich bin Kim Krüger, die Leiterin dieser Dienststelle! Danke, dass Sie Frau Gerkhan und ihre Tochter hierher gebracht haben!“

    „Ich bin Werner Hartner. Das habe ich doch gerne gemacht. Ich habe bereits Ihren beiden Mitarbeitern erklärt, wo ich Frau Gerkhan am Straßenrand aufgelesen habe. Sie hat etwas von einem verletzten Polizisten erzählt, den sie im Wald zurücklassen musste. Vielleicht kann ich Ihnen bei der Suche helfen.“, bot er weiter seine Hilfe an. „Ich war früher Förster und kenne diese Region ziemlich gut. Wenn Sie eine Landkarte von der Gegend haben, zeige ich ihnen, wo ich den Verletzten auf Grund der Beschreibungen von Frau Gerkhan vermute.“

    Gemeinsam betraten sie die PAST. Drinnen herrschte nach wie vor die Wiedersehensfreude. Die Kollegen und Kolleginnen hatten die Familie Gerkhan umringt, redeten wild durcheinander. Semir fiel als ersten auf, dass Frau Krüger die allgemeine Freude der anderen Mitarbeiter der PAST nicht teilte. Ihr Gesicht spiegelte ihre Sorgen um Ben wieder. In dieser Sekunde bemerkte auch er das Fehlen seines Freundes. Im Rausch der ersten Wiedersehensfreude mit seiner Tochter und Andrea war es ihm gar nicht aufgefallen. ….

    „Wo ist Ben, Andrea?“, erkundigte er sich leise bei seiner Frau. Er bemerkte in diesem Augenblick erst ihre blutbeschmierten Hände und ihre blutbefleckte Kleidung. Ein entsetzlicher Verdacht kam in ihm auf. Heißer wisperte er: „Ist … Ben …?“ Er konnte es nicht aussprechen.

    „Aida gehst du mal zu Susanne! Holt ihr zusammen einen heißen Kakao!“ Mit diesen Worten schob sie Aida in Richtung ihrer Freundin. Diese hatte verstanden, dass Andrea etwas erzählen wollte, was ihre Tochter nicht hören sollte. Sie wartete einen Moment, bis die Tür zum Aufenthaltsraum sich hinter den beiden geschlossen hatte. Ihre Hand strich über ihren Mund. Sie besann sich … schloss kurz die Augen und begann in Stichpunkten zu berichten, von der Gefangenschaft, den Grausamkeiten der Entführer, die sie Ben angetan hatten und von der gemeinsamen Flucht. Ihr Körper bebte dabei vor Erregung. An der Stelle, als sie von den Schüssen erzählte, die sie gehört hatte, machte sich Entsetzen unter den Anwesenden breit. Tränen stiegen in ihr auf und sie fing an zu zittern. Semir hielt sie ganz fest in den Armen. Schluchzend erzählte sie weiter. Tränen liefen über ihr Gesicht.

    „Ich weiß nicht, ob Ben noch lebt … ob wir verfolgt wurden … es war alles so schrecklich … aber … aber … Herr Hartner kann uns helfen Ben zu finden. Frau Krüger wir müssen zu ihm … ich habe ihm doch versprochen, dass Semir kommt. Und jetzt … jetzt .. verschwende ich Zeit, in dem ich dich begrüße Semir … ich …dich küsse und in den Armen liege … !“ Ihre Worte gingen in einen Weinkrampf über. Die Ereignisse in den letzten Tagen waren einfach zu viel für sie gewesen. Semir versuchte seine Frau zu beruhigen, hielt sie an sich gedrückt, während der ehemalige Förster den anwesenden Mitarbeitern der PAST auf einer Landkarte, die Stelle zeigte, an der er den verletzten Polizisten vermutete.

    Sofort machte sich Frau Krüger auf den Weg zur Leitstelle der PAST, um alle erforderlichen Maßnahmen zur Rettung von Ben Jäger einzuleiten. Als sie den Hörer in der Hand hielt, um den Rettungsdienst, die Bereitschaftspolizei und die Suchhundestaffel zu alarmieren las sie die neueste Meldung, die auf dem Bildschirm aufleuchtete.

    „Oh mein Gott … nein … nein! … Das darf einfach nicht wahr sein!“

    Schrill entfuhren ihr diese Worte. Dabei entfiel der Hörer ihrer Hand. Sie schlug die Hände vor das Gesicht, schüttelte fassungslos den Kopf und stürmte in ihr Büro und ließ die Rollos runter.
    Aufgeschreckt vom Verhalten der Chefin, drückte Semir seine Frau in Susannes Drehstuhl und murmelte: „Ich bin gleich wieder da mein Schatz!“ Einer der älteren Kollegen, der Andrea noch aus ihrer Zeit als Sekretärin der Dienststelle kannte, trat neben ihm und meinte: „Ich kümmere mich um deine Frau Semir!“
    Die wenigen Meter bis zur Leitstelle erschienen Semir endlos. Der Bildschirm zog ihn magisch an. Der Türke spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte und sich sein Magen in einen Eisklumpen verwandelte. Eine Sekunde später … Sein Entsetzen war unbeschreiblich, als er die Meldung las, die am Bildschirm aufleuchtete.

    ‚Meldung: Fund zweier männlicher Leichen, beide Anfang dreißig mit Schussverletzungen.‘ Als Fundort wurde genau die Stelle beschrieben, an der Andrea Ben im Wald zurückgelassen hatte. Der Boden fing an unter Semirs Füßen zu wanken, alles drehte sich. In letzter Sekunde schaffte es der Türke sich gerade noch an Schreibtischkante festzuhalten, sonst wäre er haltlos umgekippt. Vorsichtig tastete er nach dem Bürostuhl hinter sich und fiel förmlich auf die Sitzfläche. Dabei raste nur ein Gedanke durch seinen Kopf ‚Ben … bitte nicht! Bitte tue mir das nicht an … Beeeeennnn!‘ Es konnte nicht sein … es durfte einfach nicht wahr sein. Ungläubig schüttelte er den Kopf.
    Wie aus einer anderen Welt drang Dieter Bonraths Stimme zu ihm durch. Zeitversetzt begriff der kleine Türke, dass er den anwesenden Kollegen der Dienststelle die Meldung laut vorgelesen hatte. Eine unheimliche Stille trat auf der PAST ein.

    Guten Morgen,
    als hätte ich es geahnt ... der junge Arzt stolpert über seine eigene Überheblichkeit und Ben ist der Leidtragende
    zuerst hatte ich ja noch Hoffnung, dass alles gut ausgeht und der junge Mann sich von Anita führen lässt
    doch jetzt ;(;(;(=O
    und wer leidet Ben, ... dazu wieder diese Stromschläge ... die Arterie ist verletzt ... ach du meine Güte
    hoffentlich schreitet Semir ein!!! und verhindert noch mehr Qualen für Ben
    kann auch den Oberarzt nicht verstehen, es hätte bestimmt noch andere Patienten gegeben, an denen der junge Arzt üben kann

    Hallo Campino,
    Kompliment an Dich! :thumbup::thumbup::thumbup: Das war wieder eine einzigartige Geschichte, die ich mir regelrecht Kapitel für Kapitel reingezogen habe
    die ließ mich als Leser in eine Welt eintauchen, die ich zumindest sonst nur durch Zeitberichte ... Fernsehberichte kannte
    vor allem durch das Beschreiben der Charaktere, hier möchte ich Annie hervorheben, ihrer Emotionen ... ihre Gedankenwelt .... der Locations
    fühlte ich mich mitten drin und voll dabei ...
    Habe mit Semir gelitten ... dessen Erlebnisse gingen mir aber so was von unter die Haut .... ;(;(;(;(
    bei dem Konzert von Kevin und Ben wäre ich gerne live dabei gewesen :):):)
    und jetzt werde ich mich gleich auf die nächste Geschichte stürzen, wobei ich ja mittlerweile weiß, dass du all meine Hoffnungen zu nichte machst, dass Kevin in seinem neuem Leben angekommen ist :(

    Andrea hatte angehalten und sich umgedreht. Mühsam unterdrückte sie den ersten Impuls zurück zu Ben laufen zu wollen. Sie focht einen schweren inneren Kampf mit sich aus. Ihr Blick wanderte von ihrer Tochter in die Richtung aus, der sie gekommen waren. Tauchte am Waldrand ein Verfolger auf? Aus dem Waldstück flatterten Vögel aufgeschreckt hoch gen Himmel.

    „Mama? … Was ist passiert? Kommen die bösen Menschen, um uns einzufangen?“, fragte sie voller Angst. Andrea atmete mehrmals tief durch.
    „Nein mein Schatz!“ Ein Ruck ging durch ihren Körper. Sie mussten weiter. Der befestigte Weg ging über in einen betonierten Wirtschaftsweg und führte sie tatsächlich zu einer Straße. Die Autos bedeuteten Menschen und die ersehnte Hilfe für Ben. Von ihrer erhöhten Position aus konnte sie auf die dicht befahrene vierspurige Straße hinunterschauen. Ein Wildschutzzaun und eine undurchdringliche Hecke aus Büschen, Sträuchern, gespickt mit Dornen und Stacheln, trennten sie noch davon.

    Sie hätte vor Verzweiflung aufschreien können. Der Flurbereinigungsweg verlief parallel zur Schnellstraße. Als sie schließlich eine passende Lücke im Gestrüpp fanden, hob Andrea kurz entschlossen ihre Tochter über den Zaun und stieg hinterher. Eine kleine Böschung führte hinunter zum Straßenrand. Um die Stelle später wieder zu finden, band sie ihren grünen Mantelgürtel deutlich sichtbar an einen Busch fest. Die nächste Enttäuschung wartete auf sie. Es war eine Straße ohne Notrufsäulen. Voller Wut und Entrüstung rief sie gar nicht Ladylike „Fuck!“ und noch ein paar Ausdrücke, wobei sie ihrer Tochter die Ohren zu hielt. Hatte sich denn die ganze Welt gegen sie verschworen? Genau so kam sie sich vor.

    Die beiden stellten sich an den Straßenrand. Durch die Gesten ihrer Arme versuchte sie die Autofahrer auf ihre Notlage aufmerksam zu machen. Sie blickte an sich herunter. Nun ja, sehr vertrauenerweckend sahen sie nicht gerade aus. Ihre Hände waren blutverschmiert. Ihre Kleidung trug deutliche Spuren der Gefangenschaft, war verdreckt, teilweise zerrissen. Ihre eigene Jacke und Aidas Jacke hatten eingetrocknete blutige Flecken. Ihre Hoffnung, eines der Fahrzeuge würde anhalten, um ihnen zu helfen, wurde relativ schnell erfüllt. Ein älterer Mercedes Kombi bremste ab. Der Fahrer war schon genauso in die Jahre gekommen wie sein Fahrzeug. Unter seinem grünen Hut schauten ein paar gutmütige blaue Augen Andrea an. Seine grauen Haare rahmten sein braungebranntes Gesicht ein.
    „Hallo junge Frau! Kann ich Ihnen helfen?“, brummte seine wohlklingende tiefe Stimme.
    „Wir hatten einen Unfall, da hinten im Wald. Ein Freund von mir liegt da noch schwer verletzt. Haben Sie ein Handy, um Hilfe zu rufen?“, sprudelte es nur so aus Andrea heraus, während sie sich bückte und durch das geöffnete Fenster der Beifahrertür ins Innere des Wagens blickte. Der Fahrer schüttelte den Kopf.
    „Tut mir leid, so ein neumodisches Zeug besitze ich nicht junge Frau. Aber ich fahre sie gerne zur nächsten Polizeidienststelle, wenn sie möchten?“, bot er ihr weiter seine Hilfe an. Dabei öffnete er einladend die Beifahrertür. „Na kommen sie schon, steigen sie ein! Ihre Kleine sieht müde und mitgenommen aus.“
    „Kennen Sie die Dienststelle der Autobahnpolizei an der A3? Wissen Sie wie weit es noch bis dahin ist?“
    „Wollen wir uns nicht erst einmal einander vorstellen? Ich heiße Werner Hartner. Und ja, ich kenne die Zufahrt, die zu der Dienststelle gehört. Ich denke, so in gut fünfzehn oder zwanzig Minuten könnten wir dort sein! Hängt ein bisschen vom Verkehr ab.“

    Diese Antwort gab letztendlich den Ausschlag für Andreas Entscheidung. Sie überlegte noch einen Augenblick und zögerte, wog gedanklich alle Möglichkeiten und die Konsequenzen daraus ab. Wahrscheinlich würde nicht so schnell wieder ein Fahrzeug anhalten und wer konnte vorhersagen, wie dessen Fahrer oder Fahrerin reagieren würde. Es galt so schnell wie möglich Hilfe für Ben zu holen. Ihren Kollegen musste sie nicht viel erklären und ja … ihr Semir war dort. Ihr Entschluss stand fest. Sie forderte Aida auf, hinten im Auto Platz zu nehmen, inzwischen stieg sie vorne ein. Herr Hartner drehte sich ein wenig ächzend zu Aida um, seine Körperfülle behinderte ihn dabei ein bisschen.

    „Na Kleines! Möchtest du eine Schokolade? Neben dir auf dem Sitz in der blauen Tasche ist eine Tafel, nimm Sie dir ruhig!“

    „Tut mir leid, ich bin ein bisschen durcheinander. Mein Name ist Andrea Gerkan und das ist meine Tochter Aida. Mein Mann arbeitet als Polizist dort auf der Dienststelle. Bitte bringen Sie uns so schnell wie möglich dahin! Bitte … Ben braucht Hilfe!“

    Unter der Motorhaube des betagten Mercedes verbargen sich etliche Pferdestärken. Wider Erwarten fuhr der ältere Herr recht zügig und sportlich. Nach etlichen Kilometern, einen Autobahnkreuz in dem die Bundesstraße in die Autobahn überging, kam Andrea die Strecke vertraut vor. Sie erreichten tatsächlich nach ca. 15 Minuten die Zufahrt zur Dienststelle. Geschickt lenkte Herr Hartner Andrea während der Fahrt durch ein Gespräch ein bisschen ab. Er war pensionierter Förster und kannte sich in der Gegend, wo er sie am Straßenrand aufgelesen hatte, ganz gut aus, denn er hatte früher hier seinen Dienst geleistet. Durch einige gezielte Fragen hatte er eine gewisse Vorstellung, in welchem Waldstück und an welchem Wanderweg der verletzte Polizist liegen musste. Sein Fahrzeug war von ihm noch nicht richtig vor dem Eingang der Dienststelle gestoppt worden, als Aida ausstieg, die Eingangstür aufriss und laut rufend, reinstürmte.

    „Danke, noch mal Herr Hartner. Haben Sie noch einen Augenblick Zeit, vielleicht können Sie meinen Kollegen die Stelle auf der Landkarte zeigen, wo Ben auf Hilfe wartet.“
    „Natürlich, Frau Gerkhan! Gehen Sie schon mal vor, ich parke nur noch meinen Wagen!“ Andrea stieg aus und der Förster blickte sich suchend um, bis er einen freien Parkplatz für Besucher entdeckte.

    Zwei Polizisten, die im Streifendienst tätig waren, waren auf den Kombi und Aida aufmerksam geworden und kamen herbei geeilt. Freudig und erleichtert wurde Andrea von den beiden begrüßt. Während sie ihrer Tochter ins Innere des Büros folgten, kümmerten sich die beiden Polizisten um Herrn Hartner.
    Mit einem Knall flog die Eingangstür gegen die Wand. Die Blicke der anwesenden Mitarbeiter gingen in Richtung Eingangstür. Schlagartig verstummten die Gespräche.

    „Papa, Papa, … wo bist du?“ rief eine hell klingende Kinderstimme.
    Aida hatte ihren Papa unter den anwesenden Mitarbeitern der Dienststelle sofort erkannt und rannte auf ihn zu. Semir stand vor Susannes Schreibtisch. Beim Klang der Kinderstimme zuckte er im ersten Moment zusammen, drehte sich um und fiel auf die Knie. Mit weit ausgebreiteten Armen stürmte das Mädchen auf seinen Vater zu.
    „Aida … Aida … bist du das wirklich?“, stieß er ungläubig hervor. Überglücklich drückte Semir Aida an sich und küsste sie überall ab. „Oh mein Gott, dass ich dich wieder habe! Wo ist Mami? Wo ist Ben?“
    „Ich bin hier Semir!“, beantwortete sie leise die Frage ihres Mannes.
    Dessen Blick wanderte nach oben in das Gesicht seiner Frau. Er stand auf, nahm Aida auf den Arm und hielt seine Familie fest umschlungen. Tränen der Freude und der Erleichterung rannen ihnen über die Wangen.
    „Andrea … Aida … Oh mein Gott, dass ich Euch wieder gesund wieder habe …!“ immer und immer wieder schluchzte der Polizist auf. Dabei hielt er seine Familie im Arm und küsste abwechselnd seine Frau und Tochter.