Alex stand noch bei den Polizisten, hatte Ihnen gerade berichtet, was er wusste, da erreichte diese der Funkspruch des Einsatzleiters. Trotz sorgfältiger Suche hatten sie keine Kinder gefunden - weder tot noch lebendig. Wirklich erleichtert war jedoch niemand. Alex ging zum Haus zurück, wo immer noch diverse Zettel im Beet und Gras verteilt lagen. Er besah sich die einzelnen Blätter, die zum Teil Kopien bereits zerknüllter oder aus Fetzen zusammengesetzter Kopien zu sein scheinen. Mit seinem Smartphone knipste er Bilder von allen Dokumenten, die er fand.
Semir gab derweil alle notwendigen Daten von Ben an die Rettungskräfte weiter. Es tat ihm in der Seele weh, ihn so zu sehen und ihm weder die Hand halten geschweige denn sonst irgendwie helfen zu können. Dazu kamen seine blitzartige Erinnerungen: Er sah, wie die Verneblermaske auf Bens Gesicht saß. Und ihn überkam das Gefühl, auch er bekäme gerade wieder Hilfe beim Atmen - was ja tatsächlich mehrere Wochen gebraucht hatte. Er brauchte ein paar Atemzüge mit Blick in den freien Himmel, um sich klar zu machen, dass dahingehend bei ihm alles in Ordnung war. Mit etwas Erleichterung bemerkte er, dass Ben sich wieder etwas rührte, seit er ein Medikament bekommen hatte.
Ben hatte einen Stich verspürt. Anschließend hatte jemand an seiner linken Hand gearbeitet. Irgendwer klebte ihm etwas auf den Oberkörper. Ansonsten nahm er seine Umgebung nur schemenhaft wahr. Er hörte Semirs Stimme, was ihm signalisierte, dass er nicht alleine unter Fremden war. Er hörte ein zischendes Rauschen direkt vor seinem Gesicht, hatte aber den Eindruck, dass die kühle feuchte Luft, die da ausströmte ihm gut hat. Er hörte ein rasches Piepsen, das ihn an die letzte Deep-House-Party erinnert hätte - wenn da nicht die Übelkeit gewesen wäre, die in ihm tobte. Er hörte wie ihn jemand anfasse und ihn mit seinem Namen ansprach:
"Herr Jäger, hören sie mich?"
Er versuchte zu nicken, doch alleine der Versuch der Bewegung verstärkte die Übelkeit massiv. Er konnte sie nicht mehr kontrollieren und begann zu würgen - schnell nahm der Sanitäter ihm die Maske vom Gesicht und hielt ihm eine Nierenschale unter. Doch trotz heftigen Würgens kam nur Magensaft.
"Oh je, Sie Armer," bedauerte ihn der Arzt. "Nichts gegessen und dann das...Moment, ich gebe Ihnen gleich etwas dagegen..."
Ben spürte nur kurz einen Druck am Handrücken, dem er aber angesichts des Würgereizes keine Beachtung schenkte. Kurz darauf ließ der Brechreiz nach und Ben fiel erschöpft zurück auf die Trage. Der Sanitäter setzte ihm die Verneblermaske wieder auf und stimmte dem Notarzt zu, als der sagte: "Ich denke, wir schauen, dass wir schnell in die Klinik kommen..."
Semir hatte inzwischen Andrea angerufen:
"Andrea, mein Herz! Ich glaube, ihr müsst ohne uns Pizza essen. Wir müssen erst noch ins Krankenhaus. "
"Semir! Alles in Ordnung? Was ist mit dir?"
"Nichts. Andrea, mir geht es gut. Aber Ben liegt hier neben mir im Rettungswagen. Der Notarzt ist bei ihm..."
"Um Gottes Willen! Warum?"
"Er hat bei einem Brand gelöscht - ich denke, der Rauch...Aber er ist wohl ansprechbar. "
"Oh je! Natürlich ist dann die Pizza nicht mehr so wichtig!"
Nach kurzer Pause schlug Andrea dann vor: "Pass auf, wie wäre es, wenn wir uns in einer halben Stunde am Krankenhaus treffen? Wir können zu Fuß gehen. Ich bestelle Pizza und bringe Ben die Tasche mit seinen Sachen."
Dieses Angebot zauberte Semir ein Lächeln ins Gesicht.
"Das wäre ganz toll, Andrea! So machen wir das!"
Sowohl der Rettungswagen mit Sabrina als auch der mit Ben waren losgefahren. Da kam zuerst Matthias und kurz darauf Alex um die Ecke. Alex hatte von Bens Zusammenbruch noch gar nichts mitbekommen und war entsprechend betroffen. Sie vereinbarten, gemeinsam zum Krankenhaus zu fahren - Matthias übernahm Bens Wagen, in dem die Kindersitze für Ayda und Lilly waren. Er wollte ohnehin nach seinem Freund Lukas sehen und er hoffte inständig, dass es Laura besser ging, als er anhand des ersten Eindrucks im Einsatz befürchten musste.