Nach dem Besuch auf Intensivstation wollte Alex unbedingt nach Hause - zu wissen, dass er Semir so nah war, aber er ihm nicht helfen konnte, machte ihn wahnsinnig! Außerdem würde Tareq entlassen und noch einen Wechsel in seinem Zimmer wollte er nicht.
Tareqs WG war in einer kleinen Wohnung im Dachgeschoss eines Altbaus ohne Aufzug. Deshalb schlug Hartmut, der seine beiden Helfer abholte, vor, dass Tareq ein paar Tage bei Alex bleiben sollte. Alex war einverstanden, denn ihm war bewusst, dass ihm die Anwesenheit des Syrers gut tat. Er grübelte dann weniger dunkel über den Zwischenfall mit Semir und sein sonstiges Leben nach. Und im Vergleich zu den Nöten, die Tareq beschäftigten - der war noch in der Probezeit gewesen und sein Chef hatte ihm jetzt den Wachdienstjob, mit dem er sich mühsam über Wasser hielt, gekündigt. Sein Bruder und sein Vater waren in Syrien verschwunden, seine Mutter und seine zwei Schwestern in einem jordanischen Flüchtlingslager Repressalien und Belästigungen ausgesetzt - kamen Alex seine eigenen Sorgen gering vor. Tareq war dankbar dafür, dass Alex ihn für die Tage, bis er gut genug mit seinen Krücken umgehen konnte, bei sich aufnahm. Er sah, wie Alex sich quälte, kaum die Ruhe fand, die er selbst benötigt hätte, um gesund zu werden. "Semir muss ein guter Freund sein...Möchtest du lieber mit dem Tod kämpfen? Für ihn?" Alex sah Tareq an. Die langen schwarzen Locken trug der gerade offen, er hatte etwas von einem Löwen. Was meinte er? "Ich sehe, dass du schreist." Sagte Tareq und legte dem Polizisten die Hand auf die Schulter.War dieser Ausdruck Absicht gewesen? "Ja. Ich hätte ihn schützen müssen, ich habe hätte schneller sein müssen. Ich wäre jetzt lieber an seiner Stelle, als hier. Um mich wäre es nicht schade. Aber Semir..." Er sah seinen Gast an, der ihm einen besorgten Blick zuwarf. "Alex, jeder hat eine Aufgabe. Die suchen wir nicht selbst. Aber wir finden sie in uns. Komm, lass uns dem Mann mit den roten Haaren helfen!" Alex seufzte und nickte.
Gemeinsam spielten sie das Spiel weiter und kommunizierten mit Bayram Kader. Sie ließen ihn glauben, Abdel Waarit sei die Flucht aus dem Krankenhaus vor der Polizei gelungen und er würde nun auf weitere Anweisungen warten.
In der PAST herrschte Katerstimmung. Nach dem, was Susanne ihnen mitgeteilt hatte, bangten alle um Semir. Sie trafen sich im Besprechungsraum.
"Meine Herren, lassen Sie uns die Lage besprechen," forderte Kim Krüger mit Sorge in der Stimme Ihre LKA-Kollegen auf. Der Wichtigtuer stand auf und wies in Richtung Jenny und Endres :" Ich habe ja keine Ahnung, wie und wo Sie das her hatten. Aber das mit Ahmed Toprak scheint eine Fehlinformation gewesen zu sein : Der hat nichts mit Bayram Kader zu tun - es gibt keinerlei Verbindungen und er hat auch keine Cousinen. Die Kollegen von der Drogenfahndung waren allerdings ganz entzückt... ""Das stimmt nicht ganz," erwiderte Jenny: "Ihr Ahmed Toprak hat keine Cousine. Aber es gibt einen weiteren Ahmet Toprak - mit" t" statt "d" - ebenfalls wohnhaft im Norden von Bonn und der hat eine Cousine namens Didem Demir. Diese wiederum ist auf Druck ihres Vaters eine Beziehung mit Bayram Kader eingegangen. Wir haben Hinweise darauf bekommen, dass er die Frau misshandelt. Wahrscheinlich ist er bei ihr in Neu-Tannenbusch. " Der Wichtigtuer wurde erst bleich, dann rot im Gesicht, bevor er Kim Krüger anzischte:" Hatten wir nicht vereinbart, dass wir die Ermittlungen übernehmen. Das ist eine klare Missachtung... "".... der Fakten. Wenn Sie jetzt nicht handeln und jeder noch so kleinen Spur nachgehen, verschaffen wir Kader weiteren Vorsprung. Und das könnte Menschen das Leben kosten." fiel Kim dem Anzugträger ins Wort. "Trotzdem..." wollte er sich wehren, "sollten wir jetzt zusammen arbeiten. Wir informieren das SEK. In einer Stunde muss in Bonn alles klar zum Zugriff sein," überfuhr der einsatzerfahrene Weinzierl - der eine weitere Blamage verhindern wollte - seinen Chef. Der hatte begriffen, dass jetzt der falsche Zeitpunkt für Auseinandersetzungen war und ging hinaus zum Telefon.
Alle Fahrzeuge wurden besetzt, da rannte Hartmut auf den Hof und rannte zum Dienstwagen der Leiterin. "Chefin, haben Sie einen Moment? Wir müssen dringend etwas besprechen," rief Hartmut in das heruntergelassene Fenster hinein. Kim Krüger war nicht traurig, dass sie sich nicht weiter mit dem Wichtigtuer auseinander setzten musste und wünschte ihren Leuten über Funk einen erfolgreichen Einsatz. Dann stieg sie aus und ging mit Hartmut in die PAST.
" Herr Freund, was gibt es denn so Dringendes?" "Also, Abdel Waarit ist doch noch am Leben..."
"Ja, aber nicht ansprechbar. Was ist denn? " Hartmut knetete nervös seine Hände:"Also, ähm, ich habe mich als Abdel Waarit ausgegeben. Und Bayram Kader geschrieben, dass ich aus dem Krankenhaus geflohen bin." Ungläubig sah Frau Krüger ihren Mitarbeiter an. "Sie haben WAS?" Hartmut zog schützend seine Schultern etwas höher und drehte seinen Laptop zu Frau Krüger. "Hier, das Forum über dessen Private Nachrichten Abdel Waarit seine Befehle von Bayram Kader empfangen hat." Frau Krüger las scrollte sich durch den Text und die Nachrichtenhistorie. "Also, ich verstehe nicht alles, aber Bayram Kader weiß, dass seine Frau und sein Schwager verstorben sind. Er geht jedoch davon aus, dass diese zuvor die beiden Mädchen getötet haben. Wer hat denn das bloß an die Zeitung rausgegeben?" Hartmut nahm den Laptop schnell zu sich :"Ich habe eine weitere Nachricht empfangen. Wenn ich darauf klicke, sende ich eine Empfangsbestätigung" sagte er und zeigte auf den Brief-Button. Kim Krüger sah ihn an, rollte seufzend mit den Augen und nickte.