Als Semir den Gang der Intensivstation zu Bens Zimmer entlang schritt, wurde er immer langsamer. Er wusste, entweder war sein Freund schon von ihm gegangen oder er war kurz davor. Der Besuch bei seinem toten Partner Tom Kranich war mehr eine Flucht vor dem was unausweichlich war. Umso erstaunter war er, als er Dr. Stefanovic und eine Horde junger Assistenzärzte und Pflegepersonal, gutgelaunt aus Bens Zimmer treten sah.
Etwas irritiert beschleunigte er seinen Schritt und machte sich schon auf das Schlimmste gefasst. Als er das Intensivzimmer betrat zitterten seine Hände und seine Beine drohten nachzugeben.
Er sah nur Sammy die mit ihrem Kopf auf Ben lag und leise weinte.
Oh mein Gott, Ben war extubiert, dann war er doch zu spät, sein Freund hatte aufgegeben.
Als er näher herantrat hob Sammy erschrocken ihren Kopf in seine Richtung, als sie Semir erkannte sprang sie auf und warf sich ihm an den Hals.
Sein Blick wanderte verwirrt zu Ben und den angeschlossenen Geräten. Er traute seinen Augen kaum, als sein Freund seine Augen aufschlug und ihn direkt anschaute. Jetzt war es um Semir geschehen, seine Beine gaben endgültig nach und er landete unsanft mit Samantha auf dem harten Boden.
„Oh du meine Güte, das hat ihn jetzt umgehauen“, und tätschelte ihm sanft auf die Wangen.
Schnell drückte sie den Notfall-Knopf, aber dieses Mal nicht für Ben, der mit einem leichten Grinsen in seinem Bett lag.
Als Dr. Stefanovic den weggetretenen Semir auf dem Boden liegen sah, wusste er schon was geschehen war. Er kannte den kleinen Polizisten mittlerweile sehr gut und wusste auch um die Beziehung zu seinem Patienten. Es wunderte ihn nicht, dass es ihn nun von den Beinen geholt hatte. Er hatte wahrscheinlich damit gerechnet, dass sein bester Freund verstorben war.
Nach ein paar beherzten Schlägen ins Gesicht schlug Semir Gerkhan erschrocken seine Augen auf.
Der kräftig gebaute Arzt hob Semir die Hand hin und zog ihn auf die Beine.
Sanft drückte Sammy den Halbtürken auf den Stuhl neben Ben und verließ zusammen mit dem Arzt Bens Intensivzimmer. Sie brauchte jetzt eine kurze Auszeit und wollte den beiden einen Moment zusammen lassen.
Als alle den Raum verlassen hatten, nahm Semir sanft Bens Hand und hob sie einfach nur in seiner.
„Mensch Ben, das kannst du doch mit mir nicht machen! Als ich gegangen bin dachte ich.....“, er war nicht mehr in der Lage weiterzusprechen. Ein heftiger Weinkrampf schüttelte ihn und er legte seinen Kopf auf Bens Bett ab.
Da Ben noch nicht in der Lage war, tröstende Worte an seinen Freund zu richten, legte er seine Hand auf Semirs Kopf und ließ ihn einfach nur weinen.
Ben hatte es tatsächlich wieder ins Leben zurück geschafft, gegen jede Regel und gegen jede Vorhersage.
Es war in der Tat ein kleines Wunder!
Bens Gefühle standen völlig Kopf. Er hatte mitbekommen wie Semir zusammenbrach, weil er dachte, er sei gestorben und dann doch nicht. Es war wohl etwas Zuviel für seinen besten Freund. Auch war er noch nicht in der Verfassung ihn zu trösten. Es tat ihm so weh, wie Semir litt und er war so froh, dass er Semir doch nicht im Stich gelassen hatte.
Er wollte sich gar nicht ausmalen, was geschehen wäre, wenn Semir schon wieder einen Partner verloren hätte. Er hätte ja nicht nur einen Partner verloren, sondern auch seinen besten Freund und den Patenonkel seiner Tochter.
An seine Sammy wollte er gar nicht denken.
Er beschloss für sich, dass sich das kämpfen gelohnt hatte und er war so unendlich dankbar, dass er noch am Leben war. Auch wenn die nächsten Wochen wieder Schmerzen und Qualen bedeuteten, er würde diese auf sich nehmen.
Für sich und für Sammy, für Semir und seine Familie, für seinen Vater und Julia und für seine ganze PAST-Familie.
Jeder einzelne war es wert zu kämpfen und als seine Sammy die Intensivstation wieder betrat und er in ihre wunderschönen blauen Augen eintauchte, verschwanden auch die letzten Zweifel, dass er dies alles schaffen konnte.
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6 Wochen später:
Ungeduldig saß er auf seinem Krankenbett und wartete mit seiner gepackten Reisetasche auf Semir. Ben war überglücklich endlich diesen Ort der Schmerzen verlassen zu können.
Es waren seit seiner Rettung 6 Wochen vergangen und heute durfte er endlich nach Hause. Seine physischen Verletzungen waren weitestgehend abgeheilt. An seinen psychischen Wunden arbeitete er fortwährend mit Sammy und Semir, aber auch mit einem Psychodoktor. Dies musste er, ansonsten würden sie ihn nicht in den aktiven Dienst zurück lassen. Erst wenn der Psychologe grünes Licht gab, durfte er wieder mit Semir die Autobahn unsicher machen.
Er musste jedoch zugeben, dass es ihm bis heute schwer fiel über die Qualen und Demütigungen während seiner Gefangenschaften zu reden. Zu frisch waren die Erinnerungen an die Geschehnisse und er wollte einfach nicht ständig daran denken.
Er wollte in die Zukunft blicken und freute sich auf ein Leben mit seiner großen Liebe.
Es war ihm auch bewusst, dass ein harter und steiniger Weg vor ihnen lag und die vergangenen Ereignisse sie noch oft an ihre Grenzen bringen würden. Aber er war dieses Mal mehr als bereit, diesen Weg nicht alleine zu gehen, sondern gemeinsam mit seinem wunderschönen Engel.
ENDE
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So, das war es mit meiner Geschichte, ich hoffe sie hat euch gefallen. Wünsche euch allen alles Gute!
Ganz liebe Grüße
Saschas