Auf einem großen und belebten Platz in der Kollstraße hielten sie an und stellten den VW ab. Es war schwer bei den vielen Autos einen geeigneten Parkplatz zu finden, aber nach kurzem Suchen und mehreren Runden hatten sie doch einen gefunden. „Na, dann kann es ja losgehen!“ Tom schlug die Tür zu und ging zu Semir, der gerade mühsam versuchte das Auto abzusperren. „Mensch, Tom! Dieses Auto hat nicht mal noch einen Funkschlüssel! So etwas dürfte gar nicht mehr auf der Straße zugelassen sein!“ ärgerte er sich. Tom grinste nur und betrachtete währenddessen den großen Platz mit den vielen Menschen. „Wie sollen wir denn hier diesen Herrn Kuhn finden? Hier laufen ja hunderte von Leuten herum!“ stöhnte Semir, der es endlich geschafft hatte das leicht verrostete Schloss abzusperren.
„Komm schon! Jammern kannst du später auch noch, schauen wir uns doch mal um.“ gab Tom zurück. Die Beiden betraten den großen Platz und gingen ein Stückchen die Straße entlang. Hier waren dutzende Geschäfte, sowieso zahlreiche Restaurants und Lokale zu finden. Mehrere gutgekleidete Leute kamen ihnen mit vollen Einkaufstaschen entgegen und warfen ihnen oft abschätzige Blicke zu, andere warteten bei Haltestellen auf Straßenbahnen oder Busse um zum gewünschten Ziel zu gelangen. Sogar die U-Bahn und mehrere Schnellzüge hatten hier eine Station.
„Und was jetzt?“ fragte Tom. „Wir warten einfach!“ Semir ging auf eine der Haltestellen zu, breitete eine, mit Löchern übersäte, Decke aus und setzte sich auf den Boden. „Wir warten, beobachten die Leute und hoffen, dass wir Herrn Kuhn unter ihnen entdecken!“ Tom sah ihn verwundert an und starrte auf die Decke. „Wo hast du die denn her?“ Semir grinste ihn an. „Die hat mir Andrea mitgegeben. Ist bei uns im Keller gelegen und haben anscheinend die Mäuse etwas angeknabbert.“ „Ihr habt Mäuse in eurem Haus?“ „Tom, jetzt tu nicht so, als hättest du noch nie welche gehabt. Halt einfach die Klappe und setzt dich her! Vergiss nicht, wir sind Penner!“
Der Tag verging, es wurde dunkler und auch zusehends kälter. „Was meinst du, Tom? Brechen wir das Ganze ab und fahren nach Hause? Mir ist nämlich saukalt und wir sitzen hier schon den ganzen Tag rum.“ Semir wurde langsam ungeduldig. „Mir wäre es lieber, wenn wir noch etwas warten würden.“ „Vielleicht hat uns dieser Philip auch angelogen. Wer garantiert uns, dass dieser Bengel die Wahrheit gesagt hat?“ In diesem Moment war Tom eine bestimmte Person aufgefallen. „Semir, schau mal, da vorne! Könnte er das sein?“ Neugierig blickte Semir in die Richtung, die Tom ihm zeigte. Er sah eine, etwa 40 Jahre alte Person, die eine aufgebauschte, alte Hose und einen schäbigen, abgetragenen Sweater trug. Außerdem trug der Mann eine alte, abgenutzte Mütze. „Tom, du hast Recht! Ich glaube, das ist er!“
Tom wollte gerade etwas sagen, als der Mann bereits in ihre Richtung blickte und sie anstarrte. Durch ihr schäbiges Aussehen schienen sie hier unter all den eleganten und gutgekleideten Leuten wirklich aufzufallen. Der Mann ging nun in langsamen Schritten auf sie zu und musterte die Beiden. „Seid wohl neu hier, was?“ fragte er. „Ja, ich dachte, ich komme mal hier her um zu sehen, ob der Platz mehr Kohle einbringt.“ antwortete Tom und versuchte dabei so gut es ging seine Stimme zu verstellen. „Was der hier will,“ er zeigte auf Semir, „weiß ich nicht. Hab ihn selbst erst vor ein paar Minuten kennen gelernt.“ Tom und Semir hatten beschlossen, dass es wohl besser wäre, wenn sie sich lieber nicht kennen würden und so tun, als hätten sich beide heute zum ersten Mal getroffen. „Ich bin auch auf der Suche nach etwas Kohle. Sind Sie von dieser Gegend hier?“ fragte nun Semir. Der Mann nickte. „Dann kennen Sie sich hier ja sicher aus. Wissen Sie, ob hier jemand einen Job anbietet, bei dem man sich leicht etwas verdienen kann?“ fuhr er fort. Der Mann kratzte sich mit seinen Fingern an der Wange und schien kurz zu überlegen. „Hm, ihr seht wirklich so aus, als könntet ihr etwas Geld dringend gebrauchen. Vielleicht hab ich tatsächlich etwas für euch. Kommt drauf an, was ihr denn dafür tun würdet.“ „Och, also ich wäre eigentlich für alles offen.“ antwortete Semir sofort. „Ich auch.“ fügte Tom hinzu. „Das hört sich gut an! Wirklich gut! Und der Boss bezahlt auch großartig, für euch könnte eine Menge Geld dabei herausspringen. Mit wem habe ich denn die Ehre?“ „Raffael Fuchs!“ antwortete Tom und schüttelte dem Mann die Hand. „Adrian Kraus!“ sagte Semir und gab ihm ebenfalls die Hand „Und wer sind Sie?“ „Nennt mich einfach Norbert, mein Nachname ist nicht wichtig.“ gab der Mann als Antwort. Tom wurde hellhörig, anscheinend hatten sie wirklich Glück und niemand geringerer als Norbert Kuhn stand vor ihnen. Also hatte Philip doch die Wahrheit gesagt. „Wissen Sie Norbert, ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn es etwas gäbe, bei dem man Kohle machen könnte. Ich würde wirklich alles dafür tun!“ wiederholte Semir nochmal um zu zeigen, wie ernst es ihm war. „Und ihr seid bereit alles dafür zu tun, egal was ich euch sage?“ „Ja!“ war Semirs Antwort. Norbert nickte. „Na dann kommt mal mit!“
Semir und Tom folgten ihm. Dabei warfen sie sich kurz einen Seitenblick zu und beide wussten, was der andere dachte. Der erste Teil war geschafft. Sie hatten nach dem langen Warten heute Kontakt zu Norbert Kuhn, jetzt war der nächste Schritt an der Reihe.