Nach meinem wirklich euphorischen Review von "Die dunkle Seite" fällt meine Bewertung heute bei weitem nicht so hochlobend aus. "Jung, weiblich, hochexplosiv" ist gut, sie ist stark und macht vieles gut, aber genau wie bei manchen guten! Folgen der letzten Staffel geben mir manche Dinge einen faden Beigeschmack, die meinen Eindruck der Folge beim ersten Mal anschauen wesentlich in eine negative Richtung gelenkt haben, und mich die Folge erst nach dem zweiten Mal anschauen mit doch etwas mehr Zufriedenheit zurückgelassen haben.
Da ich diesmal chronologisch die Folge Revue passieren lassen möchte, erstmal zu etwas sehr postivem, was auf der Hand liegt. Nämlich das Wiedersehen mit Felix, womit man nicht unbedingt gerechnet hätte. Die lockere Unterhaltungen im Dienstwagen von Semir wissen zu gefallen. Natürlich könnte man nun hin, und hinterfragen was ein Zivilist (dazu auch noch ein Kind) in einem Dienstwagen der Polizei verloren hat, welches dann auch noch ohne Bedenken einen Einsatz annimmt und den Jungen somit in Gefahr bringt, aber daran möchte ich mich diesmal nicht stören. Vor allem, da es anders auch einfach nicht machbar ist, da eben wie heute endlich mal wieder, der Anfang auf der Autobahn spielen soll.
Ein relativ großes Problem habe ich direkt am Anfang mit der Inszenierung von Ina auf der Autobahn. Für mich wirkt diese Szene einfach zu keinem Moment ernstnehmbar und unfreiwillig komisch. Ich weiß, dass ich eine solche Formulierung schon des öfteren in meinen Meinungsbeiträgen gebracht habe, aber anders kann ich diesen Eindruck, dieses Gefühl nicht schildern. Schön gerade auf dem Mittelstreifen geht die Figur mit undefinierbarem Gesichtsausdruck und ihren Stöckelschuhen den Autos entgegen?! Warum stolpert sie nicht, warum irrt sie nicht umher, warum schreit sie nicht? Warum keine Dramatik und so kalt präsentiert? Die Inszenierung damals in der Chris-Folge "Totalverlust" war identisch, als der alte Nachbar von Semir einfach mal so über die Autobahn spaziert und um ihn herum die Autos fliegen. Vielleicht ist es wie bei allem wirklich Geschmacksache, und anderen Zuschauern raubt es den Atem. Mir aber ganz und gar nicht.
Viel schlimmer wird diese Tatsache erst dann, wenn einige Zeit später klar wird, dass die Figur nicht mal aus Verzweiflung oder infolge eines Traumas so gehandelt hat sondern das Ganze auch noch gespielt und in voller Absicht passiert sein muss. Dass ein Mensch aus Verzweiflung zu der Tat greift sich einen echten Sprenggürtel anziehen zu lassen im Wissen, dass niemand ihn zünden würde, ist die eine Sache. Aber sich derart in Lebensgefahr zu bringen, dass sie sogar im letzten Moment erst durch Semir vor einem anrasenden LKW gerettet wird, ist einfach ein Widerspruch in sich und an dieser Stelle auch eine klare Kritik an die Glaubwürdigkeit des Buchs.
Alles was danach kommt ist sehr gut. Heinz Dietz gibt sich Mühe, die Emotionen bestmöglich herüberzubringen. Hervorragend beispielsweise die Szene als Luisa auf dem Revier mit dem Sprenggürtel auftaucht. Slomos werden nicht nur hier eingesetzt, auch beispielsweise direkt danach als Semir und Alex im Steinbruch davon erfahren. Nur eine kurze Einstellung in Zeitlupe als Alex das Handy auf laut stellt, mit beeindruckendem Hintergrund, optisch perfekt, Franco lässt grüßen.
Uwe Bohm ist für die Rolle des Psychopathen ein Glücksgriff. Die Dialoge zwischen seiner Rolle und den Mädchen sind sehr gut gewählt und lassen die Charaktere emotional sehr gut begreifen, auch wenn die Darstellerin der Ina meiner Ansicht nach nicht die Idealbesetzung ist. Vor allem leben aber diese Szenen auch von dem Visuellen.
Denn genial ist auf jeden Fall erneut der Look, auch wenn es mal wieder ein komplett anderer ist. Der Blaufilter macht optisch einiges her, hinzu kommen hervorragende Kameraperspektiven. Fast übertreibt man es sogar, perfekt war für mich damals der blaue Farbton in "Ohne Gewissen", der irgendwie nicht ganz so "aufdringlich" daherkam.
Dann habe ich noch ein Problem mit dem Banküberfall von Alex. Diesmal keine Tankstelle sondern eine Bank, es geht aufwärts. Allerdings auch aufwärts an Unglaubwürdigkeit. So wie das Agieren von Alex dargestellt wird, so habe ich ihn aus den letzten Folgen nicht in Erinnerung. Natürlich macht er des öfteren gerne einen auf coolen Cop, aber derart verharmlost wie das hier herübergebracht wird, ist sehr grenzwertig. Vor allem passt es gar nicht in das bis dato verwendete ernste zum Nachdenken anregende Erzählschema der Folge.
Und haarig wirds dann wieder beim "Finale". Alex und Luisa sind ins Wasser gesprungen, der Sprenggürtel ist nicht explodiert. Aber als Alex ihn anschließend durch die Luft wirft und Semir darauf schießt, schau an, explodiert zeitgleich das Boot, welches noch nicht einmal Berührung mit dem durch die Luft fliegenden Sprenggürtel hatte. Sorry, aber das geht echt gar nicht. So erzwungen, dass es weh tut... (Edit: Mavs Gegenargument ist überzeugend, trotzdem hatte die Figur ein besseres Ende verdient.)
Sehr zu überzeugen weiß dann aber wieder die Schlussszene. Die Geschichte ist positiv ausgegangen, es ist also sozusagen zu einem "Happy-End" gekommen und doch wird der Zuschauer nachdenklich zurückgelassen. Vor allem auf der Ebene der Dialoge merkt man einen enormen Unterschied zu früher. Nicht nur bei dieser Schlussszene.
Also versteht mich nicht falsch. Auch wenn der Beitrag jetzt größtenteils Kritikpunkte enthält, so sind das nur die Dinge, die verursachen, dass eben genau diese Begeisterung wie bei "Die dunkle Seite" nicht ganz da ist. Und das ist überwiegend auch Meckern auf hohem Niveau. Trotzdem ärgerlich, weil da noch deutlich mehr drin gewesen wäre.
Insgesamt gesehen ist es für mich also eine auf den zweiten Blick relativ gute Folge, die jedoch mit einer Menge an Schattenseiten daherkommt, die vor allem beim 1. Mal anschauen für Verärgerung gesorgt haben. Und da ich der Meinung bin, dass der erste Eindruck entscheidend ist, und man von Natur aus dazu tendiert sich die Dinge ab dem 2. Mal etwas schöner zu reden, vergebe ich allerhöchstens 8 von 10 Punkten.