Was für eine wahnsinnig geniale Folge. Erstklassig. Meine Euphorie ist auch heute bei der dritten Vorführung noch genauso groß wie bei der ersten. Diese Folge war bis zu einem gewissen Zeitpunkt auf dem besten Weg, die beste Folge aller Zeiten zu werden, ganz ehrlich!
Schon die ersten Minuten vor dem Vorspann sorgen für viel Gefühl und Emotionen, ja Nostaligie sogar. Zuerst die Überraschung über die Darstellung der AP in den 80ern, dann die tollen Bilder mit alten Gesichtern und schließlich das Gespräch zwischen Semir und die am Sekretärenpult sitzende Andrea. "Andrea, bringst du mir mal die Akten?".
Das Mysteriöse und Geheimnisvolle in dieser Folge beginnt schon auf dem Autobahnrastplatz, zieht sich durch die gesamte Folge und sorgt für eine enorme Spannung. Es gelingt von Anfang an, der Folge eine Intensität zu geben die es so nur sehr selten gegeben hat.
Und dann dieser Soundtrack, der diese Folge bereichert. Der beste Soundtrack einer Cobra 11 Folge überhaupt. Ich glaube, dass wir vor allem Frederik Wiedmann das zu verdanken haben. Denn schon in "Familienfest", wo er auch beteiligt war, gab es auch diese orientalischen gedämpfte Saxophonklänge, die einfach nur toll sind und wie die Faust aufs Auge zu dieser Folge passen.
Die stärkste Szene in dieser Folge ist zweifelos die in Alex´ Wohnung, als Semir Alex endlich die ganze Geschichte anvertraut und uns die Rückblenden präsentiert werden. Besser kann man das nicht inszenieren. Emotionen und Dramatik vom allerbesten mit vielen Slomos jedoch ohne Überdramatisierung und auch hier mit einem Gänsehaut-Soundtrack. Eine der stärksten Szenen der Cobra 11-Geschichte. Auch der anschließende Dialog: Semir: Ich werde nie die Augen dieser Frau vergessen"- Alex: "Bist du deshalb Polizist geworden?". Toll, so nah wie in dieser Folge ist man bisher selten an den Protagonisten gewesen.
Sehr überzeugt hat auch wieder Alex Brandt. Ich sag nur: "Na dann machen wir ihn doch mal ein bisschen locker".
Das Enttäuschende: Die Auflösung. Warum nur? Warum muss es am Ende wieder diese x-mal gesehene Lösung geben. Warum konnte es nicht wirklich ein Psychopath sein? Es ist ab einem gewissen Zeitpunkt leider mal wieder klar, dass zumindest einer dieser beiden alten Polizisten etwas damit zu tun haben könnte. Die dann ausgerechnet ganz zufällig auch noch an dem selben Tag bei der Autobahnpolizei zu Besuch waren.
Sowieso ist das Motiv von Tannert und Schweizer, das am Ende nur kurz nebenbei erläutert wird, mehr als dünn und enttäuschend. Wegen einer Erpressung, wegen Geldgier, bringen 2 ehemalige "Cobra 11" Kommissare 4 Menschen um und inszenieren diese ganze Show? Naja...Ebenso gibt es leider wenig Sinn, dass Ali als einziger neben Sina nicht umgebracht wurde, war er es doch schließlich, der gemeinsam mit Mehmet bei Tannert und Schweizer eingebrochen war. (daran will ich mich aber nicht weiter stören, für die Wendungen am Ende war der lebendige Ali nun mal notwendig; in den besten Filmen gibt es solche Ungereimtheiten)
Neben diesen genannten Drehbuchschwächen gibt es auch noch ein richtiges Logikloch. Zumindest was meine Wahrnehmung angeht. Tannert und Schweizer stecken also hinter allem. So, so. Und wer hat dann am Anfang auf Sina geschossen und Semir und Sina auf der Autobahn verfolgt? Schweizer und Tannert waren doch auf dem Fest?! Jaaa, natürlich kann man jetzt sagen, dass einer der beiden Semir nach dem Anruf von Sina gefolgt ist, so einfach könnte das sein. Und das wird sich wohl auch der Autor selbst eingeredet haben, dass das so gewesen sein könnte. Und trotzdem wirkt es sehr konstruiert, und ist einfach drehbuchtechnisch schwach und zumindest in meinen Augen unglaubwürdig.
Nicht alles ist jedoch schlecht an der Tatsache, dass sich am Ende Tannert und Schweizer als Drahtzieher herausstellen. Hierdurch konnte das Gefühlschaos, der Schock von Semir dramturgisch perfekt hervorgehoben werden. (hervorragende Szene in der Tiefgarage, vor allem bildlich) Sehr stark auch das Ende, als Semir es ist, der Tannert aus dem Wasser rettet. Hervorragend anschließend die Einstellung als man Semir in Zeitlupe weggehen sieht und im Hintergrund die Polizeiautos, die eintreffen.
Leider sehr abrupt geht es dann zur Schlussszene, die einmal mehr der Semir-Andrea Nebenstory dient. Erneut wird dem hoffnungsvollen Zuschauer, der denkt es könne sich noch alles zum Guten wenden, diese Hoffnung abrupt genommen. Starke Dialoge und einfach nur traurig und berührend, die Sache mit dem Kugelschreiber. Ich wiederhole mich: Dramaturgisch, ist das einfach alles vom allerfeinsten und toppt sogar noch "Freunde fürs Leben" und "Die kleine Prinzessin". Mit einem tollen symetrischen Bild im Gericht in Slomo wird der Zuschauer verdutzt zurückgelassen. Und doch bietet die Folge Informationen darüber, dass vielleicht trotzdem noch nicht alles verloren ist. Die Scheidungsunterlagen mögen zwar unterschrieben sein, aber sicher ist sich Andrea keineswegs, und auch die Beziehungspause zwischen ihr und Robert wird sicher nicht grundlos eingebaut worden sein.
Ich vergebe dieser Folge nach langem Überlegen, nun doch 10 von 10 Punkten. Trotz der negativen Aspekte. Und hätte es diese so vermeidbare Wende im Plotverlauf nicht gegeben, und diese wohl leider nicht vermeidbaren kleine Lücken, würde diese Folge für mich zu den besten 3-5 Folgen aller Zeiten gelten. So aber platziert sie sich "nur" in den Top 20 aller Zeiten.
Nico Zavelberg: Mit "1983" sei Ihnen "Der Mentalist" nun endgültig verziehen!