Semirs Kopf hob sich trotz der Schmerzen abrupt, als sich die Türe öffnete und der Maskierte mit einem munteren Lied auf seinen Lippen, den Raum betrat. Als er jedoch erblickte, wo Semir lag und was er gerade tat, schwand das Lied und sein Gang wurde schneller. Semir konnte unter sich den bebenden Boden spüren, der den mächtigen Schritten beinahe nachgab.
Ohne es zu wollen, wurde Semir am Kragen gepackt und hochgezogen. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht zu schreien.
„Was sollte das denn?“, fragte der Maskierte gereizt, „Wollen Sie bereits sterben?“ Semir antwortete nichts. Er blickte seinem Angreifer nur tief in die Augen um seine Furchtlosigkeit zu demonstrieren.
„Keine Spielchen mit mir, Kanake! Oder du wirst es bereuen! Dann ist es mir nämlich scheißegal, was mir Hagen aufgetragen hat!“
Semir antwortete mit einem Spucken ins Gesicht. Der Angreifer konnte seinen Kopf im letzten Moment noch aus der Schusslinie bringen und antwortete mit einer saftigen Ohrfeige, dessen Klatschen den ganzen Raum einnahm und sogar Semirs leichtes Stöhnen übertönte. „Das reicht, du miese Ratte!“ Semir konnte sehen, wie sein Angreifer auf den Tisch mit den Utensilien zuging, ein Skalpell fasste und dieses an Semirs Hals ansetzte. Die Spitze bohrte sich bereits in das Fleisch und eine sanfte, kleine Linie aus Blut, schlängelte an Semirs Nacken hinunter.
„Hast gemeint, ich mache nicht ernst, oder?“, lachte der Maskierte hämisch, „Hast gedacht, ich würde Hagen hörig sein. Falsch gedacht! Auch wenn jemand deinen verzweifelten Schrei nach Hilfe gehört hat! Ist es zu spät! Es wird dich jemand bloß noch mit offener Kehle vorfinden. Ausgeblutet, wie ein Schwein. Ein passender Tod, findest du nicht?“
„Fahr zur Hölle“, antwortete Semir zischend und schloss die Augen. Er musste nicht mit ansehen, wie sein Blut diesen Wahnsinnigen besudelte und dieser auch noch die göttlichste Freude daran haben würde. Diesen Erfolg wollte er ihm nicht gönnen. Es reichte ihm schon zu spüren, wie er sterben würde. Doch er brauchte nicht auch noch ein Gesicht dazu sehen, dass sich daran ergötzte.
„Sollen das wirklich deine letzten Worte sein? Ziemlich unpassend für einen Grabstein, oder? Wie wäre es mit „Schade, dass ich Kanake war?“ Semir antwortete nichts, sondern spürte, wie der Maskierte das Skalpell löste und anscheinend ausholte. Der Maskierte stieß einen Schrei der Freude aus, welche doch von einem lauten Knall unterbrochen wurde.
„Schade, dass ich ein braunes Fäulnis war, passt besser…“, hörte er jemand keuchend und als er die Augen öffnete, sah er seinen Angreifer, bäuchlings vor ihm auf dem Boden. Inmitten seines Rückens klaffte ein Loch, aus dem Blut floss.
Semir blickte nach oben zur Treppe, die zu der Türe führte. Er sah Paul, der sich schwer atmend gegen das Treppengeländer gelehnt hatte und auf ihn runter blickte. „Du?“, fragte Semir erstaunt und Paul schritt das Treppengeländer hinunter und näherte sich seinem Partner. „Ja ich“, antwortete er knapp und kniete sich unter großen Schmerzen hinunter. Er packte das Skalpell des Täters und schnitt damit Semirs Fesseln durch. Dieser stöhnte und spürte, wie das Blut wieder durch die Hände floss. „Aber, du…heißt das?“
„Jap, die Schweine, haben dich in einen Keller des Krankenhauses geschleppt! Ich habe deinen Hilferuf gehört. Das Heizungsrohr verläuft durch mein Zimmer!“
„Du bist wahnsinnig!“, keuchte Semir mit einem leichten Lächeln und Paul musste dies erwidern. „Ich hatte auch den besten Lehrer“, erwiderte er und die Beiden umarmten sich kurz, wobei Semir beinahe gegen Pauls Oberkörper fiel und dieser kurz aufzuckte. „Semir…Schusswunde, Schusswunde!“, knirschte er und Semir lehnte sich zurück. „Gott, ‚tschuldige“, murmelte er und seine Augen weiteten sich, als er eine Silhouette hinter Paul erblickte. „Paul hinter…“ Doch Semir kam nicht dazu, den Satz zu vollenden. Rubeus Hagen schlug Paul mit einem Eisenrohr nieder und dieser ging getroffen zu Boden. Semir wollte aufstehen und sich wehren, doch Hagen war schneller. Er drückte Semir zu Boden, presste die Knie gegen die Schulter und umfasste Semirs Hals.