Beiträge von jenni

    Als sie vor der Türe standen, hielt die Ärztin Andrea kurz an. „Wir haben die Eltern des Verletzten kontaktiert. Allerdings sind Sie auf einer Kreuzfahrt und stecken inmitten auf dem Meer fest. Sie haben gebeten, auszurichten, dass sie wissen, dass ihr Sohn bei Ihnen in den besten Händen wäre...“
    Andrea nickte verstanden. „Gut. Und, momentan schläft er noch, sollte aber bald aus der Narkose aufwachen. Seien Sie bitte leise und nachsichtig.“
    „Werde ich, leider nicht das erste Mal, dass ich so etwas miterlebe“, murmelte Andrea und die Ärztin verabschiedete sich mit einem traurigen Lächeln.
    Andrea atmete kurz durch und begab sich in das Zimmer. Langsam ging sie an Pauls Bett und setzte sich auf den Stuhl, der sich nebendran befand.
    Sie nahm Pauls Hand und strich mit dem Daumen darüber. Sie fühlte den Netzverband an ihrer Haut, der die Kanüle zum intravenösen Tropf hielt.
    Mütterlich, richtete sie die Sauerstoffbrille, die verrutscht war und strich störendes Haar aus dem Gesicht. Besorgt sah sie Paul ins Gesicht. Die Augenlider waren feuerrot, dafür hatten die Lippen jegliche Farbe verloren.
    Jetzt verstand sie, wie Semir sich gefühlt haben musste, als sie angeschossen im Krankenhaus gelegen hatte und er wartete, bis sie aufgewacht war.
    „Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll“, murmelte sie und strich Paul sanft über den Kopf, „Ayda und Lilli geht es gut. Nun ja, wie es jemanden nach einer solchen Situation geht. Susanne passt auf sie auf und sagt ihnen dann, wie es ihrem „Onkel Paul“ geht. Ich wäre echt froh, dann melden zu können, dass du wieder wach bist, in Ordnung?
    Sie atmete tief durch, sah kurz durch das Fenster (wo der Himmel inzwischen sich zu verdunkeln begann) und zuckte zusammen, als sich Pauls Finger um ihre Hand wickelten. „Paul?“, fragte sie leise und tatsächlich begannen sich die Augen leicht zu öffnen, als Andrea ihn ansah. Andrea stand auf, beugte sich über Paul und nahm Pauls Gesicht sanft in ihre Hände.
    Pauls Kopf legte sich leicht in ihre Richtung und zwei müde, gerötete Augen sahen sie an. „Hey, da bist du ja wieder“, lächelte sie und Paul wollte etwas sagen, doch wurde er von einem Hustenanfall übermannt.
    „Scht...du musst dich schonen...“, mahnte sie, doch wieder öffnete sich Pauls Mund. „Ayda...Lilli?“, fragte er heiser und ohne es zu wollen, musste Andrea lächeln und gab Semirs Partner als Antwort einen Kuss auf die Stirn.


    Kim und Hartmut begaben sich zum Eingang, als sie eine Nachricht von Semir erhalten hatten. Sie fragten eine Schwester, wo sich Untersuchungsraum 4 befand. Ohne Nachzufragen gab ihnen die Schwester sofort Bescheid und die Beiden begaben sich in den Raum.
    Johanna saß auf der Liege und hielt sich die verletzte Schulter, während Semir ihr über den Rücken strich und ihr gut zusprach.
    Die Beiden blickten auf, als sie Hartmut und Kim reinkommen hörten. „Joshi“, flüsterte Hartmut und ging auf sie zu und umarmte sie heftig.
    „Hartmut, Schulter ausgekugelt! Schulter ausgekugelt!“, stöhnte Johanna und Hartmut wich sofort zurück. „Entschuldige“, murmelte er rot anlaufend und Kim ging auf sie zu. „Sie sehen furchtbar aus, Schimke!“ Johanna lächelte traurig. „Dann sehe ich anscheinend besser aus, als ich mich fühle“, scherzte sie leise. „Paul?“, fragte sie nun wieder mit ernsterem Gesicht und auch Semir, blickte zu Kim. „Er wird wieder. Es sah zunächst nicht gut aus, aber er wird wieder. Ihre Frau ist bei ihm Gerkhan.“ Johanna sah Semir an. „Dann solltest du da hingehen.“, sagte sie und Semir schüttelte langsam mit dem Kopf. „Ich bleibe bei dir, bis dein Problem da behoben wurde“, sagte er bestimmt und wies auf Johannas Schulter. „Das habe ich eben befürchtet“, murmelte Johanna und alle sahen auf, als ein Arzt den Raum betrat. „Frau Schimke?“ Johanna nickte. „Ich werde Ihnen die Schulter wieder einrenken.“, kündigte er an und Johanna seufzte.
    Semir machte dem Arzt Platz und dieser sah sich die Schulter an. „Okay, das wird nun leider wehtun, Frau Schimke. Ich zähle auf drei okay?“
    Johanna nickte.
    „Eins…“ Mit einem Ruck verschob der Arzt Johannas Gelenk und diese schrie kurz auf, was danach in ein leises Ächzen überging. „Heilige Scheiße…“, murmelte sie und beugte sich nach vorne. Die anderen Drei, verzogen mitleidend das Gesicht. Kim blickte auf ihre Hosentasche, als sie spürte, wie ihr Handy vibrierte. „Bin gleich wieder da“, kündigte sie an und verließ den Raum.
    „Gut, ich werde Ihnen noch einen Stützverband anlegen. Anschließend werde ich Sie komplett durchchecken.“
    Johanna bemerkte, wie Semir immer wieder zur Tür schaute.
    „Jetzt geh schon. Das Gelenk ist wieder drin, also fühl‘ dich nicht verpflichtet! Ich hab ja noch Hartmut hier!“, sagte sie und Semir küsste sie sanft auf die Schläfe und ging dann aus dem Raum.

    Ach Semir. Du bist einfach zu neugierig. Kannst du das mal abstellen? :D Einfach mal abwarten, sonst ist doch der Überraschungseffekt weg. Ich wusste bei beiden Patenkindern nicht, was mich erwarten wird :)



    Dass Semir bei Susannes Kind unbedingt wissen will was es wird und wie es heißt kann ich mir sehr gut vorstellen, das passt zu unserem kleinen Türken. :)


    Dein Schreibstil ist sehr emotional und detailliert, die Kapitel lesen sich so als wenn man selber dabei wäre. :thumbup:


    Und ja, das letzte Kapitel war sehr ruhig... vielleicht die Ruhe vor dem Sturm??? :D

    Bei Elli gibt es IMMER die Ruhe vor dem Sturm Anne. Darauf kannst du dich schon einstellen ;)

    Als Johanna erwachte, spürte sie, dass etwas mit ihrer linken Schulter nicht stimmte. Sie fühlte sich taub an und gleichzeitig glaubte sie, dass das Gelenk selbst in Flammen stand. Außerdem spürte sie etwas Kaltes an ihrer Wange und als sie aufsah, erblickte sie Hagen, der mit blutüberströmtem Kopf die Waffe auf sie gerichtet hatte.
    „Du mieses, kleines Miststück!“, zischte Hagen und Johanna hielt sich an der verletzten Schulter und spürte nun, dass diese ausgekugelt war.
    Bis auf die Wunde am Kopf, schien Hagen jedoch unverletzt zu sein. Wieso hatten die Bösen immer Glück?
    Johanna schrie, als sie von Hagen am verletzten Arm hochgezogen wurde. Sie spürte, wie das ausgerenkte Gelenk lose hin und her wackelte und so ihre Muskeln und Sehnen reizte. „Nochmal so etwas und ich vergesse mich!“, zischte er und Johanna spuckte ihm als Antwort ins Gesicht. Hagen drückte sie auf den Boden und platzierte seine Knie auf ihre Schultern. Johanna kreischte und schrie. Immer wieder überschlug sich ihre Stimme und die Tränen, flossen ihr über die Wangen. „Das reicht du miese, kleine Schlange!“ Hagen drückte ihr die Waffe auf die Stirn. „Bald kannst du deinem blonden Kollegen, Hallöchen im Himmel sagen!“ Johanna schloss die Augen und kniff sie zusammen, als sie einen Knall hörte.
    Doch anstatt der erwarteten, erlösenden Schwärze, spürte wie, wie etwas Feuchtes an ihrem Gesicht haften blieb. Sie sah auf und konnte sich noch gerade zur Seite drehen, als Hagens Körper auf den Boden fiel. Inmitten seiner Brust klaffte ein Loch und die leeren Augen starrten in den Wald hinein.
    „Johanna!“, hörte sie eine bekannte Stimme und als sie sich, zitternd aufrichtete und umdrehte, erblickte sie Semir, der mit der Waffe in der Hand, den Hang hinunterrutschte und auf sie zukam.
    „Semir“, seufzte sie erleichtert und spürte, wie alle Dämme brachen. Sie begann zu weinen, fiel auf ihr Gesäß und hielt sich die verletzte Schulter.
    Semir kniete zu ihr hinunter und legte, steckte seine Waffe mit dem berühmten Dreher ein und legte dann beide Hände auf Johannas Wange. Er spürte das getrocknete, krustige Blut an ihren Wangen.
    „Ganz ruhig, ich bin ja da…“, flüsterte Semir und Johanna öffnete ihre zusammengekniffenen Augen. Sie waren feuerrot, strotzten nur vor Tränen und die Angst war ihr deutlich anzusehen. Sie lehnte sich nach vorne und fiel Semir auf die Brust. Er legte seine Arme um sie. Semir nahm sein Handy hervor und wählte eine Nummer. „Noske? Ja…ich hab‘ sie. Hagen ist tot…Sie haben die Schüsse gehört? Gut, dann bewegen Sie mit Ihren Männern mal Ihren Arsch hierher. Denn Sie ist verletzt!“
    Johanna weinte bitterlich. Semir legte sein Handy zurück in die Tasche und strich Johanna über den Rücken. „Alles wird gut…“, sagte er leise und küsste Johanna auf den Haarschopf.


    Kim und Andrea zuckten auf, als sie einen Klingelton hörten. Sofort nahm Kim ihr Handy hervor und nahm ab.
    „Krüger?“, begrüßte sie ihren Anrufer. „Noske! Und?“ Neugierig verfolgte Andrea, Kims Mimik, wobei diese nur leer auf den Boden starrte und nickte. Ihr Pokerface war einmalig. „Vielen Dank. Ja…gut, danke Noske!“ Mit diesen Worten hängte sie auf und atmete tief durch. „Und?“, fragte Andrea ungeduldig.
    „Gerkhan hat Schimke gefunden. Verletzt, aber lebend.“, antwortete Kim und Andrea atmete ebenfalls erleichtert aus. „Gott sei Dank! Und dieser Hagen?“
    „Tot…“, sagte Kim knapp und steckte ihr Handy zurück in die Hosentasche. „Es ist vorbei“, schluchzte Andrea und strich sich die letzten Tränen aus den Augenwinkeln. „Definitiv!“, murmelte auch Kim.
    „Andrea! Chefin!“ Beide Frauen sahen auf und erblickten Hartmut, der mit schweißüberströmten Gesicht und keuchend auf sie zukam. Die Frage, die er stellen wollte, war ihm direkt im Gesicht anzusehen, also stand Kim auf und ging zu ihm. „Gerkhan hat sie gefunden. Sie wird nun hier hergebracht. Sie lebt, Freund!“ Hartmut versuchte zu Atem zu kommen, doch auch an ihm war die Erleichterung, deutlich spürbar.
    „Gott sei Dank“, murmelte er und ging zu Andrea.
    „Lilli? Ayda?“
    „Bis auf ein, zwei Schrammen, sind sie unversehrt. Dank Paul und Johanna. Wenn du der Kleinen, keinen gebührenden Respekt zollst, kriegst du es mit mir zu tun!“ Hartmut musste unfreiwillig lächeln. Er nickte. „Das werde ich“, versprach er und widmete sich wieder Kim. „Paul?“, fragte er und Kims Gesicht verdunkelte sich wieder. „Noch ist niemand gekommen. Anscheinend dauert die OP noch immer an. Anscheinend ist es wirklich schlimmer, als vermutet!“ Hartmut schluckte. „Aber er schafft das! Bestimmt!“, murmelte er und in dem Moment ging die Türe auf und eine Ärztin kam hervor.
    „Gehören Sie zu Renner?“ Alle nickten.
    „Blum. Ich habe Ihren Kollegen operiert. Es war knapp, da durch die Kugel schwere innere Blutungen entstanden waren, doch er wird wieder. In einer Woche, wird er sogar das Krankenhaus wieder verlassen können. Natürlich, wird er danach noch einige Schonzeit brauchen, außerdem wird er noch einige Kopfschmerzen von dem Aufprall im Bus haben, aber er wird wieder vollkommen gesund!“
    „Dem Himmel sei Dank!“, sprach Kim den Gedanken aller aus. „Wenn Sie wollen, können Sie zu ihm!“ Hartmut und Kim blickten zu Andrea. „Geh‘ du nur. Wir warten noch auf deinen Mann und Johanna!“, sagte Hartmut und Kim nickte zustimmend.
    „Gut“, sagte Andrea, stand auf und folgte der Ärztin.


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    Ich entschuldige mich für die Verspätung. Ich war den ganzen Tag unterwegs und hatte dann noch einen Migräneanfall. Aber nun endlich der neue Teil :)


    „Das darf nicht wahr sein“, flüsterte Andrea, als die Schwester sich entfernte und Kim schüttelte ihren Kopf. „Er wird es schaffen, ganz sicher. Die Operation wird ein Erfolg sein und er wird wieder auf die Beine kommen“, sprach sie sich selbst Mut zu und Andrea nickte. Jedoch setzte sie sich auf die Wartebank und massierte sich die Schläfen.
    „Andrea…“ Kim setzte sich neben sie und legte eine Hand auf ihren Rücken. „Er hat…Kim er hat sich vor meine Kinder geworfen und die Kugel abgefangen. Ich will den Kindern nicht mitteilen müssen, dass ihr „Onkel Paul“ gestorben ist, weil er ihnen geholfen hat! Das werden sie sich niemals verzeihen!“ In Andreas Augen sammelten sich Tränen und sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Kim legte einen weiteren Arm um sie und drückte sie an sich. Andrea spürte, wie sie dazu eingeladen wurde, alle aufgestauten Emotionen loszulassen. Ihre Schultern bebten unendlich und ihr Schluchzen glitt in voller Lautstärke durch die Fingerritzen. „Was, wenn Semir nun auch noch was passiert!“
    Kim drückte Andrea noch fester an sich. „Das wird nicht passieren. Du kennst doch keinen Mann. Ich würde mir eher Sorgen um den anderen Typ machen!“ Andrea nickte langsam. „Er wird Schimke zurückbringen und Renner wird das Ganze überstehen. Wir müssen nur daran glauben. So wie wir daran geglaubt haben, dass deine Kinder wieder in Sicherheit kommen und unversehrt bleiben.“ Andrea hob ihr Gesicht aus den Händen und nahm von Kim dankend ein Papiertaschentuch an. „Entschuldige“, flüsterte sie und Kim schüttelte mit dem Kopf. „Nicht dafür, Andrea! Nicht dafür!“, flüsterte sie und blickte auf das OP-Schild, das hell leuchtete.


    Johanna stolperte und fiel auf den feuchten Boden, als Hagen sie stieß um ihr Tempo zu beschleunigen! „Lauf endlich!“, zischte er und Johanna richtete sich zitternd auf. Sie spürte, wie ihre Knie brannten und als sie hinuntersah, waren die Hosenbeine aufgeschürft und Blut vermengte sich mit Dreck.
    „Lauf!“, schrie Hagen nochmals und Johanna tat, wie ihr befohlen. Noch immer tränten ihre Augen vom Gas, doch langsam fragte sie sich, ob dies nicht auch von der Angst war, der ihren Körper vollends eingenommen hatte.
    „Keine Sorge, du bist nur meine Absicherung…“, murmelte Hagen und Johanna atmete tief durch. „Lassen Sie mich raten, Ihr Papi wird Sie abholen und retten!“
    „Kluges Mädchen und wenn du schön brav bleibst, wird dir auch nichts passieren!“, knurrte Hagen und stieß sie erneut, doch dieses Mal konnte sie die Balance halten. Auch wenn ein schrecklicher Schmerz durch ihre Knie fuhr.
    Sie liefen weiter durch den Wald und so langsam bildete sich in Johannas Kopf eine Karte. Ihre Kindheitserinnerungen kamen zurück und die Gegend wurde immer klarer.
    Es war der Ort, wo sie immer Geister gesucht hatte. Sie erinnerte sich, wie ihre Familie sie immer davor warnte, dass ein steiler Abhang kommen würde und sie nicht so schnell laufen sollte.
    Doch war das wirklich eine gute Idee?
    Johanna beschloss, mehr auf ihr Herz, als auf ihren Verstand zu hören und dieses schrie danach, diese Gelegenheit auszunutzen. Also beschleunigte sie ihren Schritt und hörte, wie Hagen sich ihrem Tempo anpasste.
    „Na endlich! Begreifst du nun, dass wir schneller machen müssen?“
    Auf einmal begann Johanna zu rennen. Sie ignorierte den Schmerz in ihren Gliedern und hörte, wie Hagen ihr hinterherrannte.
    Als sie zur Schlucht kamen, wollte er sich auf sie stürzen, doch Johanna ließ sich auf den Boden fallen und sah, wie Hagen über ihr hinwegflog und sich der Schlucht näherte. Jedoch riss dieser Johanna am Arm und zog sie mit sich.
    Mit lautem Geschrei prallten diese auf dem Hügel auf und rutschten die Erde hinunter, wo sie Beide regungslos liegen blieben.

    Also:


    Der Name Frank Traber, verwirrte mich als ehemalige Zuschauerin des Team 2 ein wenig. Aber das war bestimmt keine Absicht und es wurde schnell klar, dass hier nicht von DEM Frank Traber die Rede ist.


    Ich kann mich nur wiederholen. Die Beerdigung hast du wirklich gut getroffen. Einen engen Bekannten oder Freund zu verlieren ist wirklich schwer. Diese Erfahrung habe ich leider schon hinter mir gebracht. Und deshalb finde ich, hast du dies super rübergebracht.


    Andrea und Susanne sahen auf, als das Festnetztelefon klingelte. Sofort stand Andrea auf und nahm ab. „Semir?“, begrüßte sie ihren Anrufer und spürte, wie sich ihr Herz verknotet hatte.
    „Andrea, hör mir gut zu. Paul wird gerade ins Marienhospital geliefert. Könntest du die Stellung halten gehen? Ich weiß es ist viel verlangt aber…“
    „Wie schwer ist es?“
    „Er wurde in den Bauch getroffen und hat stark geblutet. Ich weiß, die Kinder…aber…ich hab Angst um ihn!“
    Andrea blickte zu Susanne und die beiden besten Freundinnen, verstanden sich ohne Worte. Jede konnte in den Augen der anderen sehen, was diese sagen wollte. Also reichte nur ein Nicken von Susanne.
    „Ich gehe hin, Schatz. Die Kinder schlafen und ich habe mich auch wieder ein wenig beruhigt! Außerdem hat Paul ihnen das Leben gerettet, das bin ich ihm schuldig! Susanne bleibt bei ihnen! Aber was machst du?“
    „Die Mistkerle haben Johanna noch immer in ihrer Gewalt!“
    Andrea schluckte. Sie hatte von Semir schon einige Geschichte über Hartmuts neue Assistentin gehört und alle waren durchwegs positiv gewesen. Auch hatte Ayda ihr erzählt, wie schützend Johanna sich über sie gebeugt hatte, als der Bus verunfallt war.
    „Schnapp‘ sie dir!“, sagte Andrea. „Und pass auf dich auf!“ Mit diesen Worten hängte sie auf und nahm ihre Jacke von der Garderobe.
    „Paul?“ Sie nickte. „Er wurde angeschossen. So wie Ayda und Lilli es gesagt haben!“ Susanne atmete scharf ein. „Hältst du mich auf dem Laufenden?“ Andrea nickte. „Sicher, ich rufe auch gleich Kim an.“
    „Andrea? Sicher, dass das für dich okay ist?“ Andrea blickte Susanne mit traurigen Augen an. „Ohne ihn würden meine Kinder vielleicht jetzt in einem Sarg liegen und in die Pathologie gebracht werden. Ich verdanke ihm mein ein und alles, Susanne. Ich bin ihm was schuldig. Und ich weiß, dass sie in deinen Händen gut aufgehoben sind. Wenn du willst, kannst du auch dein Kleines hier her bringen lassen. Das würde auch die Kinder ablenken, wenn sie wieder wach sind!“ Susanne nickte. „Mach ich. Pass‘ auf dich auf!“
    Sie umarmten sich und blieben für eine kurze Ewigkeit in dieser Position verharren. „Bis später“, murmelte Andrea und verließ das Haus.
    Sofort stieg sie in ihren Wagen und fuhr in die Richtung des Marienkrankenhauses, wo sie auf einen Parkplatz fuhr und ausstieg.
    In dem Moment fuhr ihr ein silberner Kleinwagen entgegen und sie erkannte die Person sofort.


    „Andrea?“, erklang es von Kim, die aus dem Wagen ausstieg. „Dich wollte ich grade anrufen“, entgegnete Andrea und Kim winkte ab. „Die Rettungszentrale hat die Information weitergeleitet. Anscheinend wurde Renner grad in den OP geschoben.“ Andrea nickte verstanden und gemeinsam betraten die Beiden Frauen das Krankenhaus.
    Eine rundliche Krankenschwester ging auf sie zu. „Gehören Sie zu Renner?“ Andrea und Kim nickten verwundert und die Schwester zog die beiden Frauen zu sich. „Herr Doktor Stalder hat mir aufgetragen, mit Ihnen zu reden, da er sofort in den OP musste. Es eilte nämlich!“ Andreas Mine wurde immer besorgter.
    „Soll heißen?“, versuchte Kim ruhig zu klingen doch auch ihr merkte man die Nervosität an.
    „Bei Herrn Renner wurden schwere innere Blutungen und Verletzungen festgestellt. Es sieht nicht gut aus…“
    Kims Kiefer klappte augenblicklich nach unten und Andrea schüttelte ihren Kopf und hielt die Hände vor den Mund.
    „Es tut mir leid das Ihnen zu sagen, aber wenn Renner nicht mitkämpft, dann sehen die Chancen wirklich schlimm für ihn aus!“

    So ich bin mal dabei 'ne?


    Sehr emotional geschrieben. Das kennt man gar nicht von dir. Ich bin beeindruckt. Eine Beerdigung ist nie was schönes, auch, wenn sie zum Leben dazugehört.


    Bisher wie immer gut. Ich bin gespannt, mit was du uns überraschen wirst. Der Titel ist jedenfalls vielversprechend :)

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    Ach die gute Schrankmann. Was habe ich ihre Güte und Herzenswärme vermisst :D


    Erst nach einer gefühlten Ewigkeit, wagte es Semir, seine Augen wieder zu öffnen und spürte, wie diese brannten. Die Tränen liefen ihm unentwegt über die Wangen und er erblickte Noske, inmitten des Raums.
    „Sind…“ Semir musste husten. „Sind Sie des Wahnsinns?“, schrie er heiser. „Hagen hatte geschossen, mir blieb keine andere Wahl!“, rechtfertigte sich Noske und Semir sah zu Paul, der schrecklich hustete und stark gerötete Augen hatte.
    „Wir brauchen hier sofort einen Notarzt!“, schrie Semir und strich Paul eine störende Haarsträhne aus dem schweißigen Gesicht. Paul zitterte furchtbar und auch ihm flossen die Tränen unentwegt aus den Augen.
    Noske nahm sein Funkgerät hervor. „Wir brauchen sofort ein Med-Team! Ein Mann ist verletzt!“, gab er durch und blickte um sich. „Scheiße! Wo ist Hagen?“, fluchte er und bemerkte, wie sich Denzler auf einmal regte und fuhr erschrocken zurück. „Was zur?“
    Denzler richtete sich auf und zog seine Jacke aus, worunter eine Schussweste zum Vorschein kam. „Sie sind auch ein Vollidiot Noske! Wie Sie mich schnappen konnten, bleibt mir heute noch ein Rätsel!“
    Noske schien zu begreifen. „Moment, Sie haben…“
    „Ich habe gedacht Sie schalten richtig und lassen Hagen erschießen“, fluchte Semir, „Stattdessen führen Sie hier eine Ein-Mann-Show durch!“ Noskes Gesicht wurde schneeweiß. „Verdammt“, flüsterte er und Semir ignorierte ihn und konzentrierte sich auf Paul.
    „Hilfe ist unterwegs, Partner, halte durch“, feuerte er ihn an und Paul hustete und blickte Semir dann durch seine geröteten, glänzenden Augen an. „Semir…wo ist Johanna?“ Semir riss die Augen auf, schoss hoch und sah sich um. „Oh nein! NOSKE!“ Der Angesprochene sah ihn an. „Hagen hat sich Johanna geschnappt! Die Forensikerin!“
    Noske nahm zitternd sein Funkgerät hervor. „Noske hier! Alle verfügbaren Einheiten sollen den Wald durchsuchen! Hagen ist mit einer Geisel geflohen!“, befahl er und in dem Moment kam das Rettungsteam hinein.
    Semir winkte sie sofort zu sich und der Notarzt beugte sich zu Paul.
    Semir wich zurück, um den Männern Platz zu lassen und nahm sein Handy hervor, er ging nach draußen und wählte eine Kurzwahl.


    „Gerkhan? Wie schaut‘s aus?“, erklang es vom anderen Ende und Semir amtete tief durch. „Wir haben ein Problem Chefin“, murmelte er.
    „Was ist passiert?“
    „Noske wollte sich beweisen und hat einen riesen Mist gebaut. Der Hauptverdächtige ist mit Johanna Schimke von der KTU geflohen!“
    „Verdammter Mist! Und Renner?“
    „Wurde verletzt und wird gerade von den Ärzten untersucht! Chefin, Sie müssen Hartmut informieren.
    „Das werde ich! Was werden Sie nun tun?“
    Semir atmete tief durch und sah, wie Paul auf einer Trage aus dem Haus geschoben wurde. Ein Sanitäter hielt einen Tropf hoch und ein anderer, hatte eine Sauerstoffbrille angelegt. Pauls Pullover war hochgekrempelt worden und Johannas provisorischer Verband war nun durch einen professionellen Druckverband ausgewechselt worden.
    „Den Mistkerl kriegen und Johanna befreien“, antwortete Semir, hängte auf und rannte dem Notfallteam hinterher, die sich dem Krankenwagen genähert hatten und anhielten, als sie Semir sahen.
    Semir gesellte sich neben Paul und sah ihn besorgt an.
    Das geschundene Gesicht trug ebenfalls nicht gerade zur Beruhigung bei.
    „Semir“, flüsterte Paul heiser, „du musst Johanna wiederfinden…“ Semir nickte und strich seinem Partner über den Arm. „Das werde ich! Du hast für heute genug getan! Ich komme bald nach und bis dahin hältst du die Ohren steif, klar?“
    Paul nickte mit geschlossenen Augen und die Ärzte hoben ihn in den Krankenwagen, der danach mit lautem Sirenengeheul, nachdem ein Sanitäter Semir mitteilte, in welches Krankenhaus Paul geliefert wird, davonfuhr.

    Ein rechter Zeitsprung. Wer weiss, vielleicht klärst du uns ja noch auf. Ich hoffe jedenfalls, das alle Fragen beantwortet werden.
    Ich hoffe auch, dass er endlich mit seiner Verletzung besser zurecht kommt. Wir brauchen unseren türkischen Hengst auf den Strassen. :) Und nicht versinkend im Selbstmitleid. Das passt nicht zu ihm und ehrlich gesagt, so will man ihn einfach nicht sehen :(


    Hagen blickte aus dem Fenster und grinste, als er zwei Menschen sah, die sich dem Haus näherten. „Läuft“, murmelte er und nickte zu einem seiner Schergen. Dieser verstand und begab sich zum Eingang.
    Alle hörten, wie sich die Türe öffnete und der Befehl gegeben wurde, zum Wohnzimmer zu gehen. Johanna und Pauls Augen wurden groß, als sie sahen, dass Semir den Mann, um den es überhaupt ging, begleitet hatte.
    „Denzler“, sang Hagen begeistert, „seht ihr Leute, ich hab doch gesagt, es klappt.“, blaffte er vor seinen Schergen und diese nickten mit einem Grinsen.
    „Und was jetzt?“, fragte Denzler und hatte die Arme verschränkt. „Alter Freund, freust du dich denn nicht, uns zu sehen?“, fragte einer der Schergen und Denzler zog eine Augenbraue hoch. „Kommt auf Hagen darauf an, ob er uns treu bleibt oder den Plan seines Papas verfolgt!“
    Hagen spürte sofort die zweifelnden Blicke und ging auf Denzler zu. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst!“ Denzler verzog keine Miene. „Du weißt genau, wovon ich spreche!“, knurrte er und einer der Schergen, näherte sich nun dem Duo.
    „Hagen, was meint er damit?“, fragte er nun und Hagen drehte sich um. „Ich weiß es auch nicht mein Bester!“, log er und Semir lachte falsch auf. „Geben Sie doch zu, dass das hier alles eine Farce ist.“, fügte er seiner Geste hinzu und Hagen drehte seinen Kopf sofort zu Semir. „Ihr werter Anführer will euren guten Freund töten! Das alles war nur ein Vorwand, ihn hier her zu bringen und ihn dann umzubringen!“
    „Hagen, was der Bulle da erzählt…“
    Semir konnte Hagen deutlich ansehen, wie dieser um Worte zu ringen schien und die dunkle, eiskalte Fassade bröckelte. Er begann langsam im Kreis zu laufen.
    „Was wenn? Denzler ist im Knast! Er könnte uns verraten“, richtete er sich an seine Schergen und diese schüttelten mit dem Kopf. „Das würde Dan nie tun!“ Ihnen war deutlich anzusehen, wie sehr sich ihr Weltbild erschütterte.
    „Ich wollte eigentlich nur dich verraten, Hagen. Dich und deinen geliebten Papi.“ Hagen kniff die Augen zusammen.
    „Okay, das reicht!“ Er hob die Waffe, drückte ab und traf Denzler direkt in die Brust. Dieser ächzte kurz und ging dann zu Boden. Semir hob seine Waffe doch Hagen war schneller und richtete die Waffe auf die Geiseln. „An Ihrer Stelle, würde ich das nicht tun!“, knurrte er und sah zu den Schergen, die mit schneeweißem Gesicht auf Denzlers leblosen Körper blickten. „Sonst noch jemand?“ Ein eingeschüchtertes Kopfschütteln.
    „Gut, Bulle, geh zu deinen Kollegen“, knirschte Hagen und Semir tat, wie ihm befohlen.


    Voller Sorge kniete er zu Paul und nickte kurz Johanna zu. „Mensch, Junge. Was machst du für Sachen?“, flüsterte Semir und strich Paul über den Kopf. „Mist, wie immer. Aber ich habe eine gute Notärztin hier bei mir…“, lächelte Paul leise und verzog das Gesicht.
    „Wir kommen hier gleich raus, das verspreche ich euch!“ Johanna atmete tief durch. „Aber wie? Momentan verstehe ich deinen Plan nicht, Semir.“, murmelte Johanna und beobachtete Semir dabei, wie dieser Pauls Pullover hochgezogen hatte und mitleidend das Gesicht verzog. „Spielt einfach mit, mehr müsst ihr nicht wissen. Wenn Noske das tut, was ich denke, wird die Sache schneller vorbei sein als ihr denkt!“
    In dem Moment flog etwas in das Wohnzimmer und der ganze Raum füllte sich mit furchtbarem Rauch, der in den Augen brannte und sie zum Tränen brachte.
    Semir hatte sich augenblicklich schützend über Paul gebeugt, während er versuchte, die lauten Schreie zu ignorieren. „POLIZEI AUF DEN BODEN!“, erklang es und das Feuer wurde eröffnet.
    Semir drückte Paul an sich und zuckte, immer wieder zusammen, wenn es laut knallte. Unter den lauten Explosionen, hörte er eine bekannte Stimme, die schrie und immer wieder verzweifelt nach Hilfe rief. „Johanna!“, schrie er, doch er hörte nur ein Klirren einer Scheibe und dann schien sich alles in eine unheimliche Stille zu hüllen.


    Johanna spürte, wie Paul erneut ihre Hand fester drückte. „Geht’s?“, fragte sie besorgt und Paul atmete tief durch die Nase durch. Leicht nickte er mit dem Kopf. „Spiel hier nicht den Helden“, murmelte Johanna.
    „Damit kann ich aufhören, wenn wir hier raus sind…“, erwiderte Paul und stieß einen leichten Schmerzensschrei aus.
    „Langsam…“, mahnte Johanna und sah auf Hagen, der nervös auf das Walkie-Talkie blickte. „Immer noch nichts?“, fragte Paul.
    „Nein…Hagen wird auch langsam ungeduldig…“, antwortete Johanna.
    „Nicht gut…“ Johanna musste Paul Recht geben.
    Johanna bemerkte, wie sehr Paul zu schwitzen begann und nahm einer der abgerissenen Hemdstücke und trocknete damit sein Gesicht ab.
    Alle blickten auf, als Hagens Walkie-Talkie knackte. „Noske hier. Wir bringen Denzler in einer halben Stunde. Ein Kollege von uns, wird ihn begleiten.“
    Hagen grinste. „Danke für die Information. Over and out!“, sagte er und blickte zu den Geiseln. „Sieht aus, als hätten Sie Glück.“, säuselte er und Johanna schnaubte. Dennoch beugte sie sich enger zu Paul.
    „Du kommst hier raus…“ Paul lächelte leicht. „Du doch auch“, entgegnete er und krümmte sich erneut. „Mag sein, aber ich brauche die Hilfe nicht so dringend wie du!“ Sie strich Paul über den Haarschopf.
    „Ja Chef“, erwiderte Paul und seine Stimme wurde immer leiser. „Paul, wach bleiben, los!“, feuerte Johanna ihn an und rüttelte ihn leicht. Sie drehte ihn auf den Rücken und hob den Pullover an.
    Das Blut hatte inzwischen den provisorischen Verband eingenommen. „Scheiße…“, murmelte Johanna und wechselte den Verband aus. Dabei erhöhte sie den Druck, was Paul wieder aus seinem Dämmerzustand holte.
    Er stöhnte leicht und als Johanna den Verband wieder befestigt hatte, half sie ihm, sich wieder auf die Seite zu legen.
    „Entschuldige, aber du verlierst mir zu viel Blut!“
    „Hättest mich, aber sanfter wecken können“, versuchte Paul zu scherzen doch er merkte, wie tief Johannas Falte auf der Stirn geworden war.
    „Woher weißt du eigentlich, so viel, über Erste Hilfe?“
    „Wenn man die Tochter eines Ärztepaares ist, schnappt man unfreiwillig einiges auf“, erklärte Johanna und wusste, dass Paul dies nur fragte, um sie abzulenken. Doch sie nahm dies gerne an.


    Noske sah auf, als der silberne BMW zurückkehrte und Semir mit Denzler ausstieg. „Wie haben Sie das geschafft?“, pfiff er erstaunt aus und Semir zuckte mit den Achseln. „Ich sagte doch, ich kann überzeugend sein!“
    Noske blickte verachtend auf Denzler. „Gut, dann bring ich Sie mal zu Ihren Freunden!“ Denzler hob die Arme, die inzwischen von den Handschellen gelöst waren.
    „Moment. Ich gehe mit Gerkhan und sonst niemanden!“ Noch erstaunter blickte Noske zu Denzler und hob die Augenbrauen. „Woher der Sinneswandel?“
    „Geht Sie n’ Feuchten an Noske. Ich habe meine Gründe.“ Semir atmete tief durch. „Hören Sie Noske. Wir ziehen das jetzt durch!“ Noske nickte. „Meinetwegen, aber sobald was schiefläuft, gebe ich schlussendlich den Befehl zum Abschuss. Das SEK hat sich mittlerweile verteilt!“ Semir nickte wiederum. „Schon verstanden.“, murmelte er und begann, mit Denzler vorauszulaufen.
    Noske nickte zu einem uniformierten Polizisten und dieser hob sein Funkgerät. „Ziele nähern sich nun dem Austragungsort. Nicht schießen, ohne Befehl!“
    „Verstanden“, erklang es von der anderen Seite.

    Scheint so, als würde Semir die Sache tatsächlich durchziehen. Aber ich bin da Kim Krügers Meinung. Er wird seine Meinung noch ändern. Den Brief soll sie ja aufbewahren.
    Ich verstehe Semirs Schmerz, aber stagnieren hilft da überhaupt nicht. Unser türkischer Hengst soll seine Schulter in Ordnung bringen und dann wieder mit den Hufen scharen! Das passt mehr!

    Semir kannte die JVA gut. Immer um diese Zeit hatte der Gefängniswärter Müller Schicht und er war, nicht gerade vertieft in seine Arbeit. So wunderte es Semir auch nicht, dass er nicht gründlich durchsucht wurde. Er ging in eine der Warteräume und hob seinen Kopf, als die Türe geöffnet wurde und ein Mann mit rasiertem Kopf, feinem Gesicht und grünen Augen den Raum betrat. Seine Hände waren in Handschellen und er trug einen orangen Overall.
    Ein wenig verwirrt blickte er zu Semir und setzte sich, nach mehreren Bitten des Wärters, auf den Stuhl.
    „Zwanzig Minuten“, knurrte der Wärter und Semir nickte. „Das reicht mir, danke“, erwiderte er und die Türe schloss sich.
    Für eine Weile starrten sich Denzler und Semir bloß an. Die Luft war zum Schneiden dick, bis sich Denzler nach hinten lehnte.
    „Wenn Sie wegen der Geiselnahme kommen, vergessen Sie’s. Ich habe Noske schon meinen Entscheid mitgeteilt!“ Semir legte seine Arme auf den Tisch und faltete die Hände. „Ist mir nicht entgangen“, murmelte er.
    „Wieso also die Mühe?“, fragte Denzler verwundert. „Wieso haben Sie mich dann empfangen? Ich habe mich per Telefon angekündigt. Sie wussten, dass ein Türke kommen wird, wussten, wieso er kommt!“
    Denzler lächelte. „Touché“, murmelte er und atmete tief durch. „Wissen Sie, Gerkhan, richtig?“ Semir nickte. „Ja, ich habe als V-Mann gearbeitet und ja, ich habe schlimme Dinge getan. Aber nicht alles ist so wie es scheint.“ Semir zog eine Augenbraue hoch. „Wie ist es dann?“, fragte er und Denzler atmete tief durch.
    „Gerkhan. Ich bin nur ein kleiner Fisch in diesem großen Teich. Den größten Fisch, sehen Sie nicht, doch sein Nachkomme, hält gerade lauter Geiseln bei sich. Glauben Sie mir Gerkhan, wenn Sie mich ausliefern, werde ich den Tag nicht überleben und die Mühe Ihrer Kollegen, war umsonst! Mein Zellengenosse ist an dem Druck schon zerbrochen…und ist Hagen zuvor gekommen…“
    Semir begriff. „Hagen will Sie nur rausholen, um Sie zu töten.“ Denzler nickte.
    „Ich will ausplaudern. Das passt dem jungen und alten Hagen gar nicht!“
    „Wer ist sein Vater!“ Denzler sah um sich und schluckte „Dietmar Hagen!“ Semir glaubte, sich verhört zu haben.
    „Der Lokalpolitiker?“
    „Ja. Von außen her ist er der brave Politiker. Aber im Hintergrund dieser Sache, zieht er alle Fäden!“
    Semir atmete tief durch. „Ich verstehe Ihre Sorge. Aber dort befinden sich lauter Geiseln, von denen mindestens eine verletzt ist.“
    „Ich verstehe auch Sie Gerkhan. Aber verstehen Sie auch mich. Ich habe Angst. Sie kennen Hagen nicht, er ist unberechenbar!“
    Denzler öffnete mit Mühe seinen Overall und auf seiner linken Brust, war eine frische Brandnarbe, die die Form eines Hakenkreuzes hatte.
    „Das hat er mir verpasst, bevor ich von Noske verhaftet wurde. Ich hatte meine ersten Bedenken.“ Semir rieb sich über die Stirn.
    „Es gäbe doch noch eine Möglichkeit…“, murmelte Semir und Denzler hörte ein leises Klacken unter dem Schreibtisch. Als er hinunterblickte, sah er direkt in die Mündung einer Pistole. „Tut mir Leid Denzler, aber ich habe da jemanden, der mich braucht!“


    „Das kann nicht Ihr ernst sein!“, stieß Denzler aus und Semir entsicherte die Waffe. „Wollen wir wetten?“, flüsterte er leise und Denzler schluckte. „Ich weiß Sie haben Angst, aber ich werde nicht Ihr Leben gegen das von Dutzenden eintauschen!“
    „Sie sind wahnsinnig!“
    „Oder zu lange im Dienst!“, erwiderte Semir. „Wir können die Sache noch immer friedlich klären. Oder ich schleife Sie mit, oder aber ich werde vor Hagen Ihnen das Licht auspusten!“ Denzler blickte in Semirs Augen.
    „So viel bedeutet Ihnen das, ja? Sie stehen wenigstens für Ihre Sache ein, Gerkhan. So was gefällt mir natürlich…gut…ich werde Noske Bescheid geben, dass ich mit Ihnen anreisen werde. Aber Sie sorgen wiederum für meinen Schutz. Hagen wird mir kein Haar krümmen!“ Semir nickte und steckte die Waffe wieder ein.
    „Also haben wir einen Deal?“ Denzler nickte auf Semirs Frage. „Den haben wir. Aber ich kann es Ihnen nochmals sagen. Hagen ist unberechenbar. Von außen her mag er zwar der liebliche Politikersohn mit guten Manieren sein, aber hinter dem Rücken hält er schon das Messer und wird zustechen!“ Semir grinste hämisch. „Ich bin Türke, Denzler. Wenn es um Messerstechereien geht, bin ich immer schneller, das sollten Sie doch am besten wissen.“ Denzler musste, ohne es zu wollen, lachen.

    „Ich drehe dich langsam auf den Rücken“, flüsterte Johanna und tat, wie sie es Paul angekündigt hatte. Paul selbst, hielt sich an Johannas Armen fest und atmete tief durch, als ein weiterer Schmerz durch seinen Unterleib fuhr. Er wusste nicht ob es Einbildung war, doch er dachte zu fühlen, wie die Kugel sich durch seine Muskelschichten drückte und weitere Blutgefäße verletzte.
    Johanna, stopfte ihren Rucksack aus und benutzte ihn für Paul als Kissen.
    „Es tut zu weh...nicht auf den Rücken...“, murmelte Paul und Johanna nickte verstanden. Sie setzte sich neben Paul mit ausgestreckten Beinen und bot für ihn so eine Stütze, damit er auf der Seite liegen bleiben konnte. Paul entschied sich, lieber auf Johannas Oberschenkel den Kopf zu legen als auf den Rucksack.
    „Besser?“, fragte sie und Paul nickte leicht. „Ja...danke...“
    Er spürte, wie Johanna ihm über den Kopf strich und dann seine Hand nahm, als er suchend nach der ihrer suchte.
    „Wir kommen raus! Wir kommen hier raus!“, flüsterte Johanna und Paul drückte stärker an ihrer Hand. „Bestimmt“, flüsterte er.
    Johanna spürte, wie Paul zitterte und sie löste sich von seinem Griff und zog von ihrem Rucksack her eine eingepackte Decke hervor und legte sie über Paul.
    „Woher?“
    „Benedict ist immer ein wenig übermotiviert und meistens, wenn ich mit ihm nach Hause fahre, ist er todmüde und will schlafen. Deshalb habe ich eine dabei.“
    Paul lächelte leicht, verzog das Gesicht und wurde von einem Zitteranfall übermannt.
    Johanna hob ihren Kopf und sah, wie Hagen noch immer mit dem Panikmacher diskutierte.
    „Kalle war vielleicht nicht dein Freund! Aber meiner! Und sieh, was dieser Bulle getan hat!“, kreischte er beinahe und Johanna konnte sehen, wie sich in Hagens Gesicht etwas regte. „Mach nur weiter, dann berechtigst du mich endlich dazu, Bruno!“
    Bruno hob eine Augenbraue hoch. „Drohst du mir?“, zischte er, „Du drohst mir? Nur weil dein Papi uns unterstützt? Zu deiner Info! Du brauchst uns! Ohne uns kriegst du Denzler nicht aus dem Knast! Sei dir sicher!“
    Hagen grinste hämisch und verschränkte die Arme. „Ich brauche dich Bruno? Dass ich die Anderen brauche, ja stimme ich dir zu. Mein Vater unterstützt uns? Ja auch richtig aber...“ Hagen schnipste mit dem Finger und einer der anderen Schergen packte Bruno und stieß ihn auf den Boden. Dabei riss er ihm die Waffe aus der Hand und übergab sie Hagen. „...ich brauch dich nicht Bruno!“ Hagen nickte zu dem Schergen, der Bruno festhielt und dieser zog den Gefangenen hoch. „Such nach einem Keller, oder irgendwas. Bring ihn zum Schweigen. Aber nicht töten. Ich habe was anderes mit ihm vor!“ Der Scherge nickte und zog Bruno mit sich in einen anderen Raum. Noch von weitem waren die Schreie zu hören.
    „Denzler?“, flüsterte Johanna und Pauls schweißüberströmtes Gesicht wurde dunkel. „Wahrscheinlich Dan Denzler. Eine Gallionsfigur der rechten Bewegung hier in Köln. Kein Wunder, haben die Typen Semirs Kinder so angegriffen. Die passen nicht in ihr Weltbild.“ Johanna schluckte. „Du jedoch als Blonder umso mehr. Kein Wunder, haben die dich bisher verschont gehabt!“
    „In dem Falle ist es mir aber lieber, hier zu liegen...“, knirschte Paul und hustete. Er suchte wieder nach Johannas Hand und drückte zu, um sich von den Schmerzen abzulenken.
    „Sag’ so was nicht!“, flüsterte Johanna mahnend und zog die Decke besser über Pauls Körper. „Aber definitiv lieber ich als die Kinder...“, erwiderte Paul und Johanna atmete tief durch. „Das schon...trotzdem...“, murmelte sie und blickte in die Gruppe der anderen Fahrgäste, die stumm in der Ecke saßen und geistesabwesend hin und her wippten. „Ich hoffe, dieser Noske hat bald eine Idee...ich will langsam hier raus“, knurrte Johanna und Paul erwiderte nichts.


    „WAS?“, stieß Semir aus und blickte mit Kopfschütteln auf Noske. „Die Staatsanwaltschaft will auf den Deal zwar eingehen, allerdings weigert sich Denzler. Anscheinend hatte er eine Art Eingebung in Untersuchungshaft, nachdem sich sein Zellengenosse umgebracht hat. Außerdem entspreche es nicht dem Deal mit der Polizei!“ Semir schlug die Hände über den Kopf. „Das ist nicht wahr! Noske, mein Partner und eine von Hartmuts Freunds Leuten sind da drin. Geschweige denn viele, unschuldige Fahrgäste!“
    „Wir können Denzler nicht zwingen!“
    „Aber wir können einen neuen Deal anbieten!“, schrie Semir und ein paar der uniformierten Polizisten waren zusammengezuckt.
    „Gerkhan so läuft das nicht bei uns! Denzler kann uns Informationen über verstecke V-Männer, sowie andere Maulwürfe bieten! Außerdem wär es der Staatsanwaltschaft beinahe lieber, wir schießen die anderen ab. Ein paar Probleme weniger!“ Semir schüttelte erneut heftig mit dem Kopf. „Ich fasse es nicht...“ Er atmete tief durch, zog seinen Waffenhalter aus und legte seine Jacke ab. „Ich brauche ein Messer?“ Noske stutzte.
    „Bitte?“
    „EIN MESSER!“, schrie Semir und einer der uniformierten Polizisten, reichte Semir eines. „Danke“, knurrte er und schnitt die Innenseite seiner Jacke auf.
    „Gerkhan, was haben sie vor?“
    Semir antwortete nicht, sondern nahm die Pistole aus dem Halfter und stopfte sie in das Futter.
    „In welchem Knast ist Denzler?“
    „Was?“
    „Welcher Knast?“
    „JVA Köln...“
    Semir zog seine Jacke an und verschloss sie. „Gerkhan, Sie werden Denzler nicht überzeugen können. Besonders weil Sie...“
    „Weil ich türkischer Herkunft bin?“, fragte Semir auffordernd und Noske schluckte trocken. „Ich wollte Sie damit nicht beleidigen Gerkhan aber...“
    „...Sie kennen mich nicht Noske. Aber ich kann sehr überzeugend sein, wenn ich will! Außerdem hält mich niemand...“
    In dem Moment knackte Noskes Walkie-Talkie und er nahm ab.
    „Hagen?“, begrüßte er seinen Anrufer.
    „Wie geht es voran?“, fragte dieser und Noske blickte zu Semir, diese formte mit den Lippen ein „Bitte!“ und Noske seufzte. „Wir sind dran! Es sollte alles klappen! Allerdings gibt es ein Problem mit Denzlers Zellengenosse…er lebt nicht mehr…hat sich umgebracht“, antwortete er deshalb und Semir atmete erleichtert durch.
    „Nun ja, Für das, können Sie nichts dafür Noske. Dennoch scheinen Sie mit unserer Hauptforderung voranzukommen. Das ist gut, denn wissen Sie, es gab einen kleinen Zwischenfall, das haben Sie wahrscheinlich gehört!“ Noske schnaubte. „Allerdings! Ich schwöre Ihnen Hagen...“
    „Niemand ist tot. Noch nicht. Allerdings geht es Ihrem blonden Kollegen nicht gut. Die Forensikerin versucht zwar alles, aber er wird irgendwann verbluten! Das kann ich Ihnen garantieren! Sie haben nun also eine lebendige Sanduhr, die zwar nicht rieselt, aber leise vor sich her tropft! Also, schaffen Sie es?“
    Noske wollte zu Semir blicken, doch hinter sich hörte er Reifen quietschen und als er sich umdrehte, fuhr ein silberner 3er BMW mit qualmenden Reifen davon. „Ich denke, das wird einzurichten sein...“, murmelte er und hängte auf.