Beiträge von jenni

    Andrea und Susanne sahen auf, als sich die Haustüre öffnete und ein bekanntes Gesicht erschien. Kim Krüger lugte mit dem Kopf hinein und öffnete dann die Türe vollends.
    „MAMA!“, erklang es laut und Andrea kniete mit Tränen in den Augen auf den Boden und nahm ihre Töchter in den Arm. „Oh dem Himmel sei dank!“, schluchzte sie und drückte ihre Mädchen an sich. So stark, so dass sie, sie niemals hergeben musste.
    „Mama...die haben noch Paul...und Johanna! Papa muss sie rausholen! Papa muss sie rausholen!“, schluchzte Ayda und Andrea nickte. „Das wird der Papa machen! Er wird sie holen! Sie kommen wohlbehalten nach Hause. Das weiß ich!“
    Susanne entfernte sich von der Gruppe und ging zu Kim. „Chefin...“ Kim atmete tief durch. „Nach letzten Informationen sind Schüsse gefallen. Ayda hat Angst, dass es Renner, oder Schimke getroffen haben könnte. Einer der Geiselnehmer wollte auf die Kinder zielen, nachdem er sie „Kanaken-Bälger“ oder etwas in der Art genannt hatte!“ Susannes Augen rissen weit auf. „Nazis?“, fragte sie und Kim zuckte mit den Achseln. „Das wissen die Kollegen noch nicht. Aber Gerkhan ist bei Ihnen, ich denke, das wird nur eine Frage der Zeit sein, bis wir Klarheit haben...“
    „Ich hasse es, hier zu sitzen und nichts tun zu können. Ich hatte schon Angst, den Kindern wäre was passiert!“, flüsterte Susanne und Kim atmete tief durch.
    „Renner und Schimke haben alles getan, um sie zu schützen. Laut Ayda sehen die Beiden bereits schlimm aus. Jedenfalls wie nach einem Boxkampf, um die Kleine zu zitieren. Schimkes Patenkind war auch noch dabei, ich habe ihn zu den Eltern gefahren.“
    Susanne strich sich übers Gesicht. „Du meine Güte...“, murmelte sie. „König...das ist ein Pulverfass dort unten, dass die ersten Funken schon abgestoßen hat. Es dauert nicht mehr lange und es wird explodieren!“
    „Können wir nichts tun?“ Kim schüttelte mit dem Kopf. „Dorn hat sich auch schon erkundigt, aber wenn sich noch mehr einmischen, wird es nur noch schlimmer...außerdem...“ Susanne legte den Kopf schief. „Außerdem?“
    „Außerdem werden mir die Typen jetzt schon leidtun, wenn Gerkhan sie erwischt...“

    Endlich ist Semir da und kann seine Kinder in die Arme schließen. Doch was wird aus den anderen Leuten, aus Joshi und vor allem aus Paul, der ja wahrscheinlich verletzt ist? Und dann gibt es da noch das Problem mit dem Zellengenossen, der sich erhängt hat. Oh oh.. das sieht gar nicht gut aus... =O


    Jenni, ich bin begeistert wie schnell du die Kapitel schreibst. :thumbup:


    Auch wenn ich dich ermutigt habe, dir Zeit zu lassen Anne, hier trotzdem ein Tipp: Schreib deine Story, bevor du sie hochlädst. Diese Lektion musste ich auch erst lernen. Oder sie zumindest zu sagen wir: 80 - 85 % fertig haben. Dann kannst du nämlich die Teile täglich posten, ohne in einen Stress zu verfallen. Glaube mir, ich spreche aus Erfahrung :)


    Mit weit aufgerissenen Augen blickte Johanna auf Paul und den Angreifer, die regungslos auf dem Boden lagen. Ein leises Wimmern von Frauen und das entsetzte Stöhnen von Männern waren zu hören. Der Schock war fühlbar und man konnte ihn beinahe aus der Luft greifen.
    Erst nach einer gefühlten Ewigkeit, richtete Paul sich zitternd auf und hatte die Waffe seines Angreifers in den Händen.
    Der Angreifer selbst, lag mit einem Schuss inmitten der Brust, rücklings auf dem Boden. Seine Augen starrten leer zur Decke.
    Paul blickte schwer atmend auf Hagen und schnaubte wütend aus. „Bringen…Sie…Ihre Leute unter Kontrolle…“, zischte er und beugte sich leicht nach vorne, um sich auf den angewinkelten Knien abzustützen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und er versuchte, zu einem ruhigeren Atem zu kommen.
    „Nein, Kalle!“, schrie einer der anderen Schergen und wurde von Hagen zurückgehalten, der seine Waffe auf Paul richtete. „Waffe sofort fallen lassen!“, drohte er und Paul tat, wie ihm befohlen. Dabei fiel Johanna auf, wie seine Arme zitterten und er noch immer schnell ein- und ausatmete.
    „Sofort auf wieder zu deiner Kollegin Bulle, oder es knallt!“, drohte Hagen und stieß seinen Kollegen in eine Ecke, wo dieser weinend zu Boden ging.
    Paul hingegen, drehte sich zu Johanna und versuchte zu laufen, doch Johanna richtete sich sofort auf und atmete scharf ein als sie sah, wie Blut von Pauls Stirn floss und auf seinem linken Hosenbein lauter Rinnsale zu erkennen waren, die unterhalb der Weste hinuntergeschlängelt kamen.
    Paul verzog das Gesicht, drohte nach vorne zu kippen, doch Johanna konnte noch aufspringen und ihn auffangen. Zwar musste sie ihr ganzes Körpergewicht gegen ihn lehnen, doch sie schaffte es, ihn langsam auf den Boden zu legen.
    Sofort zog sie Paul die Weste aus und sah, dass auf der linken Bauchseite eine Kugel eingedrungen war.
    Paul hob seinen Kopf, sah die Wunde und legte sich stöhnend wieder zurück. Er hatte seine Hände auf die Wunde gepresst und atmete tief durch. „Drück weiter drauf“, befahl Johanna und zog ihr kariertes Hemd aus, das sie über einen uralten Batman-Pullover trug und begann, dieses zu zerreißen.
    Aus ihrem Rucksack, nahm sie ein Klebeband hervor und riss mehrere Stücke mit dem Mund ab.
    „Hoffentlich verreckt der Bulle!“, schluchzte der Angreifer, der noch immer kauernd in der Ecke saß.
    Johanna, ging gar nicht darauf ein, sondern legte die vorbereiteten Dinge neben sich auf den Boden und legte ihren Rucksack unter Pauls Beine und legte sie so ein wenig höher. „Ich muss mir das Ansehen Paul. Dafür musst du dich auf die gesunde Seite legen. Halt die Beine oben, okay?“
    Paul war erstaunt, wie ausgewechselt Johanna wirkte. Ihr Blick war voll konzentriert und jede ihrer Handlungen war geplant.
    Also tat er wie ihm befohlen und mit Johannas Hilfe schaffte er es, sich auf die Seite zu legen.
    „Okay, ich muss mir das Ansehen...“ Johanna hob langsam den dunkelblauen Pullover an und verzog mitleidend das Gesicht, als sie das Loch erblickte, aus dem noch immer Blut floss und dünne Linien auf der Haut hinterließen. Neben dem Loch befanden sich Brandwunden.
    „Scheiße...okay...“ Johanna faltete die abgerissenen Hemdstücke zusammen, drückte sie auf die Wunde und festigte den provisorischen Druckverband mit den abgetrennten Klebstreifen.
    „Ist die Kugel noch drin?“, fragte Paul keuchend. „Ich fürchte ja...“, flüsterte Johanna.


    „Wie gesagt, der Kerl soll verrecken! VERRECKEN!“
    „SCHNAUZE!“, schrie Hagen und Johanna zuckte zusammen. „Können Sie ihn am Leben erhalten?“ Auf Hagens Frage nickte Johanna langsam. „Wenn Ihr Scherge mich meine Arbeit machen lässt und nicht immer seine Kommentare abgeben muss.“, merkte sie an und zog langsam wieder den Pullover über den Verband.
    Sie spürte, wie Paul zitterte und zusammenzuckte. „Langsam Paul, langsam!“, flüsterte sie ihm ins Ohr und beobachtete Hagen dabei, wie dieser zum jammernden Nichts ging und ihm eine Ohrfeige verpasste.
    „Jetzt beruhige dich mal! Noch n’ Toten können wir echt nicht gebrauchen!“
    „Aber Kalle...“
    „Das war seine eigene Schuld! Hätte er nicht auf die Kinder schießen wollen, hätte der Bulle nicht reagiert!“, erwiderte Hagen und richtete seinen Blick wieder auf Johanna und Paul. „Außerdem wenn der Bulle stirbt, haben wir ein wirkliches Problem!“
    Johanna schnaubte kurz und nahm einen weiteren Abriss ihres Hemdes und zog eine Wasserflasche aus dem Rucksack. „Ich muss sehen, wo die Wunde am Kopf ist Paul...“, murmelte sie und hob langsam Pauls Kopf an. Sie erblickte eine Streifschusswunde am Haaransatz und wusch diese aus. Paul zuckte dabei zusammen und bis die Zähne zusammen. „Entschuldige...“, murmelte Johanna.
    „Tu was du tun musst“, flüsterte Paul und atmete tief durch.
    „Semir holt uns hier raus, die Kinder haben an ihn geglaubt und das müssen wir nun auch tun...“, murmelte Johanna und Paul nickte leicht. „Er hat mir schon einmal das Leben gerettet. Er kann das!“, bestätigte er sie, „Aber ich hoffe, die Kleinen sind in Sicherheit!“


    „Dann sind es Ihre Kinder?“ Johanna schüttelte mit dem Kopf. „Nein…aber ich kann nur die Worte meines Kollegen wiederholen!“, sagte sie leise. Und als Hagen sich entfernte, blickte Johanna Paul in die Augen.
    „Blind die Fische, deine Augen sind doch braun!“
    „Wie ihre Seele“, knurrte Paul.
    „Hagen ich will nicht mit solchem Dreck in einem Raum sein“, beschwerte sich ein Gesindel und eine der Fahrgäste schüttelte fassungslos mit dem Kopf. „Es sind Kinder! Lassen Sie sie in Ruhe!“, zischte sie und der Angesprochene sah die Frau mit dunkler Miene an. „An Ihrer Stelle würde ich die Klappe halten! Sie wissen, was passieren kann!“ Sofort schloss die Frau wieder den Mund und starrte eingeschüchtert auf den Boden.
    „Wenn Sie diese Kinder nicht im Raum wollen, dann lassen Sie sie gehen!“, sagte Johanna, nun sicherer in der Stimme, „Sie können am allerwenigsten für das, was hier geschieht!“ Hagen blickte voller Verachtung auf Johanna hinunter, doch dieses Mal wich sie seinem Blick nicht aus.
    „Sie werden langsam vorlaut meine Gute! Aber nun gut…“ Hagen nahm das Walkie-Talkie hervor. „Noske? Wir werden die Kinder schicken. Sie bringen, gewisses…wie soll ich sagen, Konfliktpotential in die Runde. Das kann ich mir nicht leisten! Sie werden einfach den Weg zurücklaufen und Ihnen entgegenkommen.“
    „Verstanden“, erwiderte Noske und Hagen beendete das Gespräch. „Ihr habt’s gehört, ihr kleinen Dreckbatzen. Ihr seid frei!“ Paul nahm Ayda zu sich, während Johanna den Kleinen half, sich aufzurichten.
    „Du weißt wo durch?“ Ayda nickte auf Pauls Frage. „Ich hab Angst!“, gestand sie und Paul nickte. „Ich weiß. Lauf einfach den Weg entlang und schau nicht zurück. Ich bin sicher, dein Papa wartet auf dich und deine kleine Schwester. Und pass‘ bitte auch auf Benedict auf. Du bist nun die Große. Schaffst du das?“
    Aydas Mund verzog sich und in ihren Augen sammelten sich Tränen, dennoch nickte sie. „Johanna und ich kommen nach. Dann werden wir den Urlaub nachholen und fahren mit meinem Auto, okay? Außerdem werden wir lecker grillen!“ Ayda versuchte zu lächeln, doch sie verzog weiter den Mund und fiel Paul um den Hals. „Pass bitte auf dich auf!“, flüsterte sie ihm ins Ohr und nahm Benedict und Lilli an die Hand. Von Hagen wurden sie zur Türe begleitet.


    „Scheiß, drauf!“, zischte der eine, hob seine Waffe und Paul schoss hoch. Er packte den Mann an den Armen und stürzte mit ihm zu Boden. Zwei Mal knallte es heftig und Hagen und die Kinder drehten sich um. „PAUL!“, schrie Ayda und wollte auf ihn zu rennen, jedoch wurden sie und die Kleinen von Hagen gepackt und aus dem Haus gestoßen.
    Lilli und Benedict begannen zu schreien und hörten nur weitere Schüsse und laute Schreie. Geistesgegenwärtig nahm Ayda die Beiden an den Händen und zog sie mit sich in Richtung Wald. Sie rannten, den abgelaufenen Wegen entlang, bis eine bekannte, kleine Silhouette ihnen entgegenkam.
    Lilli war die Erste, die realisierte, wer auf sie zukam. Sie begann laut zu weinen. „PAPA!“, schrie sie und tatsächlich fiel sie Semir in die Arme, der ihnen entgegengerannt kam. Semir krallte sich sofort an seine Tochter und eine Träne der Erleichterung, floss aus seinem Augenwinkel. Jedoch wurde sein Gesicht sofort wieder ernst, als er Benedicts und Aydas feuerrotes und angstverzerrtes Gesicht sah.
    „Papa…“, schluchzte Ayda hervor und fiel ihm ebenfalls in die Arme. Benedict hingegen, stand hilflos daneben und weinte so sehr, dass ihm das Nasenwasser über die Lippen lief und die Tränen silbern auf der Haut wirkten.
    „Joshis Patenkind“, wimmerte Ayda erklärend und Semir streckte seinen Arm aus und nahm auch den Kleinen in den Arm.
    Ayda war die Erste, die sich löste. „Die…Papa…du musst sofort dort hin!“ Semir sah seine Tochter verwirrt an. „Was ist passiert, Ayda!“ Ayda rang merklich nach Luft und versuchte, den Atem unter Kontrolle zu kriegen. „Die haben uns rausgeschickt, doch der eine, wollte auf uns schießen. Da…da hat Paul…!“ Ayda legte ihr Gesicht in die Hände, kniete auf den Boden und begann erneut zu weinen.
    Semir brauchte nicht hellsehen zu können. Sein Gesicht wurde schneeweiß.
    „Gerkhan?“, erklang es hinter ihm und Noske erschien mit einem uniformierten Polizisten. „Lassen Sie die Kinder nach Hause bringen. Schnell!“ Noske wies seinen Kollegen an und dieser nahm die Kinder an die Hand und ging mit ihnen zu einem der Autos. „Gerkhan, was ist?“ Semir atmete tief durch.
    „Irgendwas muss passiert sein, kurz bevor sie gingen.“
    „Die Staatsanwaltschaft will nicht nachgeben. Dan Denzler gilt als gemeingefährlich. Ich habe sein Spiel durchschaut, als er als V-Mann bei uns tätig war. Aber das es so weit kommt…Es tut mir leid. Als ich die Kinder gesehen habe, wusste ich sofort, dass es ihre Töchter sind…Schließlich waren sie ja mal bei einer Veranstaltung der Polizei dabei.“
    Semir atmete tief durch. „Die Staatsanwaltschaft muss nachgeben Noske! Da drin sind mein Partner, eine Kollegin sowie mehrere Unschuldige, die für Ihre Machenschaften nichts können! Sie müssen da rausgeholt werden, oder ich gehe eigenhändig da rein!“
    „Da gibt es noch ein anderes Problem…“, deutete Noske an und Semir zog eine Augenbraue hoch.
    „Denzlers Zellengenosse hatte sich vorgestern mit dem Bettlacken erhängt!“

    Semir lässt sich also schon entlassen - das war so klar.


    Mhm...ich finde auch, man könnte hier den Ermittlungen ein wenig Energy Drinks geben. Aber ich bin sicher, du hast da für uns noch eine Überraschung parat :)

    Ja, hellbraun! :D
    Aber ein echter Deutscher ist blond und blauäugig! Und da ist er schon durchgefallen.

    Ja aber die Rassisten von heute dürfen auch nicht mehr zu wählerisch sein ;) Kleiner Scherz.


    Danke für die Anmerkung. Für die nächsten Stories ist der Fakt auf jeden Fall gesichert.


    Zärtlich strich Semir über das entblößte Schlüsselbein von Andrea und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange. „Das war wunderschön“, hauchte er ihr ins Ohr und Andrea strich Semir über den Nasenrücken und tippte dann auf die Nase. „Ich muss sagen, das war eine gute Idee, Paul mit den Kindern loszuschicken. Ich bin beeindruckt“, lächelte sie und ließ die Bettdecke aus weichem Samt über Semirs Körper streichen.
    Semir grinste und begann, den Hals seiner Frau abzuküssen, bis sein Handy klingelte und Andrea ihren Blick gegen den Nachttisch richtete.
    „Könnte das Paul sein?“, fragte sie und Semir machte unbeirrt weiter. „Er wird schon klar, kommen“, grinste er und Andrea drückte Semir von sich. „Schatz bitte!“, mahnte sie und Semir ließ sich genervt auf seine Seite fallen. „Meinetwegen!“, knurrte er, nahm sein Handy in die Hand und blickte auf den Bildschirm.
    „Die Krüger…“, murmelte er und nun war es Andrea, die genervt stöhnte. „Du hast gesagt ich soll abnehmen“, eckte Semir an und nahm den Anruf entgegen. „Frau Krüger, habe ich nicht heute meinen freien Tag?“, begrüßte er mit einem Grinsen seine Chefin doch als diese sofort zur Sache kam, verschwand sein Lächeln und sein Gesicht wurde dunkel.
    „Wo? Siegener Wald? Verstehe…nahe Gummersbach…ich komme!“ Hektisch nahm Semir ab, sprang aus dem Bett und zog sich seine Boxershorts über.
    „Semir…“, raunte Andrea und sah aber dann, wie ernst die Mimik ihres Mannes war. „Semir?“, fragte sie nun besorgter und der Angesprochene drehte sich zu ihr um.
    „Der Bus wo Paul und die Kinder drin waren, wurde entführt!“ Sofort schoss auch Andrea hoch. „Was? Wo? Wann?“, stieß sie hektisch aus. „Nahe Siegener Wald kam der Wagen zum Stehen. Angeblich nehmen die Geiselnehmer nun die Geiseln in ein Landhaus, um Zeit zu schinden. Ich muss sofort dort hin!“
    Semir zog sich fertig an und steckte seine Dienstwaffe in den Halfter.
    In dem Moment klingelte es an der Türe und Semir rannte in den Flur um sie zu öffnen. Vor ihm stand Susanne.
    „Die Chefin hat mich sofort informiert! Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte!“ Semir hörte, wie Andrea, nun ebenfalls angezogen, sich hinter ihn gesellte.
    „Aber…dein?“
    „Meine Mama kümmert sich um das Kleine. Aber du brauchst mich nun dringender!“, murmelte Susanne, die nun vollkommen Andreas Gefühle als Mutter verstehen konnte. „Geh‘ du dort hin. Die Krüger wartet dann dort auf dich!“ Semir nickte dankend, küsste Andrea innig und rannte dann zu seinem Wagen, wo er davonfuhr.
    „Danke“, flüsterte Andrea und Susanne betrat das Haus.
    „Wo ist Dana?“
    „Übernachtet bei Freunden“, antwortete Andrea und setzte sich mit bleichem Gesicht auf die Couch. Susanne setzte sich neben sie und legte eine Hand auf Andreas Oberschenkel. „Hoffentlich geht es ihnen gut“, flüsterte Andrea und spürte die Tränen aufkommen. Sie versank ihr Gesicht in den Händen und begann zu weinen. Susanne atmete tief durch und nahm sie in den Arm.


    „Meine Füße tun weh“, weinte Lilli und Paul hob sie hoch auf seine Arme. „Kannst du noch?“, fragte Johanna zu Benedict und dieser nickte. „Ja, geht schon Tante Joshi“, murmelte er und gemeinsam mit den anderen Gefangenen, näherten sie sich einem verlassenen Landhaus, wo Hagen die Türe aufbrach und die Leute hineinwies.
    Sie wurden in den Wohnraum gebracht, wo alle sich gegen die Wand setzten. Johanna und Paul setzten sich nebeneinander, um so eine Liegefläche für die Kinder zu bieten. Hagen nahm das Walkie-Talkie in die Hände. „Gut Noske. Wir sind angekommen. Sie haben von nun an nochmals eine Stunde. Und wenn ich bis dann keine Ergebnisse habe, wissen Sie was passiert!“ Hagen hängte auf, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Ayda sah zu Johanna. „Die werden uns töten, oder?“, flüsterte sie ihr ins Ohr, da sie sah, dass Lilli und Benedict, müde und schlaff auf Pauls Schoss lagen.
    „Man wird uns rausholen…“, antwortete Johanna und Ayda stöhnte. „Joshi, ich bin kein kleines Baby mehr!“
    „Ich weiß…aber wenn ich selbst nicht daran glaube, verzweifle ich selber!“, antwortete Johanna ehrlich.
    „Ayda wir müssen positiv denken, dein Papa wird kommen, darauf wette ich!“, sagte nun auch Paul und strich Lilli über den Kopf, die nur noch leise wimmerte. „Das wird er…Papa kommt“, versicherte sich nun auch Ayda und atmete tief durch, als einer der Geiselnehmer sie genauer ansah. „Ey Hagen, wir haben ein Kanaken-Mischling unter uns!“, zischte er und Ayda zuckte zusammen. Hagen kam auf die Gruppe zu und beugte sich über Semirs Tochter. „Nicht nur sie, das andere Mädchen auch noch“, flüsterte Hagen und nun kuschelte sich Lilli stärker an Pauls Brust. „Ihre Kinder, Herr Hauptkommissar?“ Pauls Augen formten sich zu engen Schlitzen. „Nein, aber wenn sie es wären, wäre ich unheimlich stolz darauf“, erwiderte er und Hagen wippte mit dem Kopf hin und her. „Ich weiß ja nicht. Sie haben gute Erbanlagen. Blond, helle Augen…“
    Paul sagte nichts.

    Okay, nun ist die Katze aus dem Sack. Du hast es dich also wirklich getraut, Melli. Alex ist tot.
    Oh man, wie wird Semir damit umgehen? Schliesslich ist das eine schlimme Nachricht.
    Hoffentlich bleibt unser Türke ein Stehaufmännchen und lässt sich davon "kaum" beeindrucken.


    „Daran zweifle ich“, flüsterte Paul und Johannas Mine war ebenso versteinert. „Die haben schon ein- zwei Menschen auf dem Gewissen. Wieso sollte Noske nun darauf eingehen?“, murmelte sie und Paul zuckte mit den Achseln. „Wenn er ein bisschen Menschlichkeit in sich drin hat, sollte es klappen!“ Paul blickte Johanna ins Gesicht und sah eine hochgezogene Augenbraue. Sofort verstand er den Wink mit dem Zaunpfahl.
    „Oje…“, murmelte er.
    „Jap. Karriere, Karriere, Karriere. Würde sich schlecht machen, die Typen laufen zu lassen für ein paar Geiseln…“, erwiderte Johanna.
    „So meine Damen und Herren. Nun bitte ich Sie noch, alle Handys und persönlichen Gegenstände abzugeben!“, kündigte Hagen an.
    „Kommt dem auch noch früh in den Sinn!“, knurrte Johanna. „Bisher brauchte er es ja nicht. Er stand ja mit der Polizei in Kontakt“, murmelte er und Johanna blickte ihn verängstigt an. „Willst du damit andeuten, dass er…“
    „…der überlegt schon was passiert, wenn es schief läuft…und ich denke…wir haben dabei die Arschkarte gezogen!“
    Johanna verstand sofort. „Du hast deinen Ausweis auch dabei?“ Paul nickte. „Shit…aber wenn die, die Kinder mitnehmen wollen, drehe ich die persönlich durch den Fleischwolf!“
    „Was ist ein Fleischwolf?“, fragte Lilli, die das letzte Stück des Gesprächs gehört hatte. „Nicht so wichtig“, tat Johanna ab und nahm mit Paul zusammen die persönlichen Wertgegenstände sowie die Handys aus den Rucksäcken.
    Sie gingen nach vorne und gaben sie, zusammen mit den anderen Fahrgästen, Hagen ab.
    „Die Kinder?“
    „Im Gegensatz zu anderen, achten unsere Freunde darauf, ihre Kinder nicht im Medienhype untergehen zu lassen“, knurrte Paul und drückte Hagen seine Dinge in die Hand, worauf dieser die Brieftasche durchsuchte und lachte, als er die grünliche Karte aus Plastik erblickt hatte.
    „Oh, Kriminalkommissar Paul Renner“, sagte er hämisch und sofort ging ein erstauntes Raunen durch die Runde.
    „Das kann mir natürlich noch von Vorteil sein! Ihre Waffe?“
    „Nehme ich bestimmt nicht mit auf eine Wandertour!“, erwiderte Paul genervt. Hagen kicherte kopfschüttelnd und nahm Johannas Gegenstände entgegen. „Oh, und noch eine Forensikerin des KTU’s. Heute ist unser Glückstag Jungs!“ Ein Lachen ging durch die Schergen. „Ihr Beide, seid unsere Freikarte. Wenn Ihr zum Einsatz kommt und brav seid, habt ihr nichts zu befürchten!“


    „Dann lassen Sie wenigstens die Kinder gehen“, zischte Johanna und Hagen blickte auf Ayda, Lilli und Benedict.
    „Sie scheinen wohl die Einzigen hier drin zu sein. Wissen Sie, wieviel Kinder bei einer Geiselnahme wert sind?“
    „Nicht so viel wie ein Polizist und eine KTU-Beamtin“, erwiderte Paul auf Hagens Frage und dieser atmete tief durch.
    „Sie sind aber auch schwierig“, stöhnte er und hob sich wieder aus der Fahrerkabine. „Ey, Noske! Ich hab hier zwei Bullen in meiner Gewalt! Und drei Kinder! Ändert das deine Meinung?“
    Hagen sah, wie Noske zurückwich. Der Schock war dem stämmigen Mann deutlich anzusehen. Seine Planung wurde auf den Kopf gestellt und das war deutlich an der Mimik abzulesen.
    „Was wollen Sie, Hagen?“, fragte Noske.
    „Die eine Forderung kennen Sie ja. Aufgrund der Vorkommnisse, gebe ich Ihnen eine Verlängerung mit der Bedingung, auch den Zellenpartner unseres Kollegen freizulassen. Plus: Sehen sie sich diesen Bus an. Noch ein bisschen mehr und man kann ihn in der Mitte falten. Ich würde gerne meinen Ort verschieben. Hier in der Nähe gibt’s ein schönes, verlassenes Landhäusschen. Ich würde mich mit meinen Geiseln und Kollegen dorthin begeben. Danach melde ich mich wieder bei Ihnen, sollte ich irgendjemanden sehen, der uns folgt, stirbt für jeden Schritt, der die Person tut, eine weitere Geisel!“
    Noske atmete tief durch. „Gut…“, flüstere Noske, „wie weit ist das Haus entfernt?“ Hagen lächelte. „Einen Kilometer.“
    „Wir brauchen ein Kommunikationsmittel!“
    Hagen nickte auf Noskes Bitte. „Klar. Haben Sie Walkie-Talkies?“ Noske nickte und näherte sich mit einem der Geräte auf Hagen zu, blickte kurz in den Bus und riss die Augen auf. Jedoch sagte er nichts, gab Hagen die Geräte und wies seine Männer an, zurückzugehen, als die Geisel ausstiegen und unter Waffenzwang, losliefen.
    Noske richtete sich an einer seiner uniformierten Kollegen. „Ruft sofort bei der Autobahnpolizei an! Das waren Gerkhans Kinder, die sich unter den Geiseln befanden!“

    Also Taschentücher brauche ich momentan noch nicht, aber ein Brechkübel wäre nicht schlecht O_O.


    Mein Gott du hast es also tatsächlich gewagt. Und was noch für ein unschönes Ende. Da kann ich Nela begreifen, ich würde es auch nicht tun können, Job hin oder her, Professionalität hin oder her.


    Wie wird bloss Semir darauf reagieren? Hoffentlich kann ihn Andrea aufbauen, wobei sie ist ja selbst durch die Nachricht angeschlagen.


    Meine Güte, du schickst uns da durch eine mächtige Achterbahnfahrt meine Liebe.


    Die darauffolgenden Minuten waren eine kompakte Hölle aus Stille und Verzweiflung. Man spürte deutlich im ganzen Raum, wie die Leute beteten, dass die Polizei sich melden würde und dem Dilemma bereits ein Ende setzten würde.
    „Wir fahren schon am Anfang vom Wald...“, flüsterte Johanna und Paul nickte. „Die lassen sich ganz schön Zeit!“
    Kaum hatte Paul diesen Gedanken ausgesprochen, stand einer der Fahrgastbesucher auf und stürzte sich ohne jegliche Ankündigung auf einen der Männer und es löste sich ein Schuss.
    Daraufhin zuckte der Kopf des Busfahrers auf und die Scheibe bedeckte sich mit einem großen Fleck aus Blut.
    Augenblicklich geriet der Bus ins Schleudern und mehrere Autos schafften es noch, auszuweichen.
    „Verdammt“, schrie Paul, sah Johanna an und diese verstand.
    „Kinder, runter!“ Sie zog Ayda, Lilli und Benedict nach unten und beugte sich wie ein Schutzpanzer über sie.
    Paul inzwischen, sprang über die Sitze zum Busfahrer und wurde dabei verängstigt von der bewaffneten Menge angeschaut.
    Ohne ein Wort zu sagen, zog Paul den Busfahrer vom Sitz und versuchte noch, den Wagen unter Kontrolle zu bringen, doch es war zu spät.
    Das mächtige Gefährt durchbrach die Leitplanke, kippte zur Seite und stürzte den langen Hang hinunter, bis es gegen einen Baum prallte und so stehen blieb.
    Die Erste, die erwachte, war Ayda. Sie richtete sich zitternd auf und bemerkte, dass ihr Knie aufgeschürft war. Verängstigt blickte sie durch die Menge und erblickte leblos wirkende Körper. Sofort, kniete sie sich wieder hinunter und rüttelte Johanna, die noch immer schützend über den Kindern war.
    „Joshi! Joshi!“, flüsterte sie und tatsächlich regte sich Hartmuts Assistentin. Ihr Oberkörper hob sich langsam und unter ihr kamen Lilli und Benedict, unversehrt, hervor, die ebenfalls langsam wach wurden.
    „Ayda…“, murmelte Johanna und sah sie besorgt an, „alles in Ordnung?“ Ayda nickte. „Knie ist ein wenig aufgeschürft, aber es geht!“, erklärte sie und nahm dann ihre kleine Schwester in Arm, die verwirrt um sich blickte und Tränen in den Augen hatte. „Alles gut Lilli…“, flüsterte sie und auch Benedict suchte halt bei ihr. Johanna war froh, wie geistesgegenwärtig Ayda reagierte und für die Kleinsten da war.
    „Paul…“, kam es Ayda in den Sinn und Johanna zog sich an einem Sitz hoch. Sie torkelte zur Kabine, wo Paul über dem Lenkrad hing und sich nicht rührte.


    „Paul...“, flüsterte Johanna leise und dieser rührte sich leise. „Au…“, zischte er, hob seinen Kopf und blickte Johanna an. Diese verzog kurz mitleidend das Gesicht, als sie die Wunden in Pauls Gesicht sah.
    „Geht’s?“, fragte sie besorgt und Paul nickte, worauf er jedoch kurz die Augen zusammenkniff. „Ich fühle mich, als hätte mir jemand mit dem Hammer ins Gesicht geschlagen!“ Johanna blickte auf das Lenkrad, auf dem Blutspuren waren. „Lenkrad trifft es eher, aber es kommt hin“, stimmte sie zu. „Bist du sonst verletzt?“ Paul schüttelte mit dem Kopf. „Nein ich glaub nicht…du?“ Johanna verneinte ebenfalls. „Glück im Unglück“, murmelte sie und erschrak, als sie etwas Eiskaltes in ihrem Nacken spürte und das Entsichern einer Waffe hörte. „Eine Bewegung und es knallt!“, hörte sie den Anführer und hob langsam die Hände. „Schon gut…keine Panik…“, flüsterte sie und Paul sah ihr genau an, wie Angst sie hatte.
    „Tante Joshi!“, schrie Benedict und Ayda hielt ihm sofort den Mund zu.
    „AUFWACHEN!“, schrie der Anführer und tatsächlich hoben sich einige der Schergen und auch Fahrgästen.
    Der, der von dem einen Fahrgast angegriffen wurde, richtete seine Waffe auf diesen und drückte ab. „Mieses Arschloch!“, zischte er und sah sich um.
    „Bis auf die, die wir gekillt haben, scheinen zwei tot zu sein und andere verletzt!“, berichtete er und der Anführer blickte zu Paul.
    „Da habt ihr was Schönes angerichtet!“
    „Ich weiß ja nicht wie es Ihnen geht, aber ich würde das schon einplanen, wenn ich eine Busentführung mache!“, gab er giftig zurück und von weitem waren Sirenen zu hören.
    „Scheiße die Bullen“, zischte einer und der Anführer richtete sich auf. „Kein Grund zur Panik! Wir können das zu unserem Vorteil nutzen! Sammelt die Leute zusammen.“ Die Schergen taten wie ihnen befohlen und sammelten alle Geiseln in der Mitte, wo sich Johanna und Paul wieder zu den Kindern setzten. „Geht’s?“, fragte Ayda, Paul besorgt und dieser nickte. „Sieht wahrscheinlich schlimmer aus als das es ist!“, beruhigte er sie und sie nickte verstanden.
    „Noske! Polizei!“, erklang es aus einem Megafon und als alle aus den zerschlagenen Scheiben blickten, sahen sie einen kräftigen Mann in Parker, mit besagtem Megafon in der Hand, sowie uniformierten Polizisten, die sich mit Waffe im Anschlag um ihn gestellt hatten.
    Der Anführer schlug das Fenster der Fahrerkabine kaputt und blickte nach draußen. „Noske, lange nicht gesehen“, rief er unbeeindruckt.
    „Hagen, lassen Sie die Geiseln frei!“, schrie er und Hagen grinste. „Keine Chance! Lassen Sie unseren Freund frei wie abgemacht!“
    „Dazu…da gibt es Probleme!“
    „Sie haben noch dreißig Minuten!“
    Hagen kroch zurück und wurde von seinen Schergen angeschaut. „Die geben schon nach“, gab er sich selbstsicher.

    Soo. Baldrian habe ich mir schon mal bereitgestellt. Als regelmässige Leserin von Elvira hat man die sowieso in 5 Liter Flaschen auf Lager :D Taschentücher muss ich noch kaufen. *notier*


    Also rekapitulieren wir:


    Semir ist im Krankenhaus und anscheinend hat's ihn übel erwischt. Uh, lange Therapie. Ob unser türkischer Hengst das aushält?


    Verdächtiger ist jedoch, wie knapp der Arzt auf Semirs Frage nach Alex reagiert. Entweder er weiss wirklich nichts oder er will Semir nicht aufregen, was mir persönlich Sorgen bereitet.


    Also mich hast du auf jedenfall dabei. :)

    Leider muss ich diesmal etwas bemängeln. Ich finde das Ayda zu erwachsen handelt. Sie ist ja noch ein Kind und würde sicher nicht so cool. Es sind Ausdrücke, die sie sicher nicht sagen würde, aber das ist nur ein Empfinden von mir. Der Teil sonst hat mir sehr gefallen.

    Das ist für mich keine Bemängelung, sondern ein Verbesserungsvorschlag, Elli.
    Bei nächsten Stories werde ich mich definitiv darauf achten. :)

    Einer der Maskierten ging an Paul und der Rest der Gruppe vorbei und wies mit der Mündung der Waffe auf Ayda, die vor lauter Schluchzen beinahe um Luft rang. „Habt ihr gehört? Leise!“, drängte er und Johanna schüttelte fassungslos mit dem Kopf. „Sie hat Angst, um Himmels willen! Bitte…Sie muss kurz durchatmen! Eine Frau wurde von ihren…“ Johanna konnte den Satz nicht beenden. Sie wurde von dem Mann von Pauls Griff entrissen und er stieß sie zu Boden, wo sie unsanft aufprallte. „Tante Joshi!“, schrie Benedict voller Angst und als der Bewaffnete ausholen wollte, schoss Paul hoch, packte ihn am Waffenarm und schlug ihn zu Boden, worauf die anderen Kumpanen Paul überrumpelten und ihn nach vorne in die Fahrerkabine schleiften.
    „Nein“, schrie Johanna und wurde ins Gesicht geschlagen. Sie zuckte zusammen und blieb zitternd im Flur liegen. Ayda wusch sich sofort die Tränen aus den Augen, kniete zu Johanna hinunter und half ihr auf. In solchen Momenten spürte sie, wie sehr sie ihrem Vater ähnelte. Sobald sie jemand sah, der schwach und verletzt am Boden lag, vergaß sie jegliche Sorgen und ihr zartes Kinderalter. Benedict, drückte Lilli schützend an sich und versuchte, sie zu beruhigen, wobei er selbst noch immer vor Angst weinte.
    Paul wurde unterdessen zum Anführer gebracht, der zu ihm hinunterkniete und den freien Arm um seinen Hals schlang und mit dem anderen die Waffe an die Schläfe drückte. „Okay…ganz ruhig…“, murmelte der Bewaffnete und Paul versuchte, wieder zu ruhigerem Atem zu kommen. „Wie gesagt, wenn wir keine Unannehmlichkeiten wollen, versuchen Sie bitte, die Nerven zu behalten. Wir wollen ja nicht, dass den Kleinen etwas passiert!“
    Paul spürte, wie sich sein Inneres zusammenzog. „Ich bitte um Verzeihung…es wird nicht wieder vorkommen“, flüsterte er und ergab sich. Er durfte auf keinen Fall Semirs Kinder und Johanna, sowie den kleinen Benedict gefährden. Ganz zu schweigen von den restlichen Fahrgästen.
    „Na also, man hat ja Manieren…“ Der Mann zog Paul hoch und schubste ihn nach vorne, wo er, unter den strengen Augen der Schergen, zu Johanna lief und Ayda half, sie aufzurichten.
    Er erblickte eine Platzwunde an Johannas Stirn. Er riss ein Stück seines Pullovers ab und faltete es zusammen, danach drückte er es auf die Wunde. „Langsam“, flüsterte er, als er Johanna hochzog und bemerkte, wie diese unter Schwindel litt. Ayda half ihr sich zu setzten, während Paul sich die Wunde nochmals genauer ansah.
    „Der Mistkerl hat voll zugeschlagen“, murmelte Ayda und Johanna winkte ab. „Es geht schon!“
    „Du bist bleich, Tante Joshi“, flüsterte Benedict besorgt und auch Lilli nickte zustimmend. Ayda nahm eine Flasche Cola aus ihrem Rucksack und reichte sie Johanna. „Langsam trinken, das hilft“, murmelte sie und Johanna nickte dankend.
    „Ich weiß ihr habt Angst“, begann Paul langsam, „aber wir müssen ruhig bleiben. Sonst kann man uns nicht helfen…ich weiß es ist schwierig, ich hab auch Angst, aber wir schaffen das!“


    „Ich will nur heim“, schluchzte Lilli und Paul nickte. „Wir kommen nach Hause, Lilli! Ich verspreche dir das!“, sagte er und bemerkte, wie Lilli in die Richtung der toten Frau blickte. „Lilli, sieh nur mich an!“ Das kleine Mädchen gehorchte. „Ich und dein Papa holen uns alle hier raus! Wir haben vieles schon gemeinsam geschafft! Und das werden wir auch schaffen!“
    „Aber du siehst ihn doch gar nicht“, murmelte Benedict verwirrt. „Dazu brauchen wir uns nicht zu sehen! Ich weiß, dass Semir kommen und uns helfen wird! Das weiß ich einfach!“
    „Ich auch“, bekräftigte Johanna, Paul und Ayda nickte ebenfalls. „Papa wird kommen! Er wird uns helfen!“, sagte sie nun mit sichererer Stimme und blickte dann auf Johanna. „Tut es sehr weh?“, fragte sie besorgt und Johanna schüttelte mit dem Kopf. „Geht schon...“, antwortete sie und Paul wusch das Blut von Johannas Wange.

    „So, und du wirst uns nun schön die Bullen rufen!“ Der Busfahrer sah seinen Angreifer mit verwirrtem Blick an, worauf der Bewaffnete das Funkgerät packte und mit einer Wucht gegen die Brust des Fahrers drückte. „Biste schwerhörig oder was? Bullen rufen!“, wiederholte er sich und der Busfahrer tat wie ihm geheißen.
    Als eine Stimme am anderen Ende zu hören war, nahm der Bewaffnete dem Busfahrer das Funkgerät aus der Hand.
    „Okay meine beste von der Notrufzentrale, hören Sie mal schön zu. Wir haben hier 15 Geiseln im Fernreisebus nach Siegen und haben Forderungen! Holen Sie uns also mal schnell Hauptkommissar Noske ans Telefon und zwar prompt!“
    „Noske?“, fragte sich Johanna leise und Paul sah sie fragend an. „Arbeitet beim Verfassungsschutz…“, erklärte sie und Paul verstand. Als KTU-Mitarbeiterin hatte Johanna natürlich mit mehreren Leuten zu tun.
    „Komische Auswahl für Verhandlungen“, murmelte Paul und spürte, wie sich Lilli fester an ihn krallte. „Ich hab Angst…“, schluchzte sie leise und Ayda legte einen Arm beschützend auf sie. „Wir kommen hier raus, Lilli. Wir schaffen das!“, sprach Paul ihr Mut zu.
    „Papa rettet uns alle!“, bekräftigte auch, Ayda aber Paul und Johanna hörten, wie sehr auch sie Angst hatte.
    „Ja wenn Semir das mitkriegt…die Typen tun mir jetzt schon leid“, murmelte Johanna und Paul bemerkte, wie auch ihre Stimme zitterte.
    „Alles klar?“
    Johanna blickte Paul an. „Ich weiß ja nicht wie’s bei dir ist, aber das ist meine erste Geiselnahme!“, flüsterte sie und atmete tief durch. Paul nahm Johannas Hand in die seine und strich mit dem Daumen über den Handrücken.
    „Wir kommen hier raus! Auch wenn ich mich da durchprügeln muss!“ Johanna sah Paul entsetzt an. „Du rührst keinen Finger“, flüsterte sie und er zuckte mit den Achseln. „Wenn es eine Gelegenheit gibt, muss ich die ergreifen, Joshi!“ Joshi schüttelte energisch mit dem Kopf. „Auf keinen Fall! Das ist zu gefährlich!“, zischte sie und Benedict setzte sich vor seine Patentante und klammerte sich um ihr Bein. „Tante Joshi…der coole Polizist wird doch kommen, oder?“
    Anstatt Johanna nickte Paul. „Semir wird kommen Benedict! Der wird uns helfen!“
    Johanna lehnte ihren Kopf zurück und strich Benedict über den Rücken. „Aber was wollen die Typen bloß?“
    In dem Moment begann der Bewaffnete am Funkgerät wieder zu sprechen. „Noske? Ja! Schön von Ihnen zu hören! Wissen Sie, wir vermissen unseren Kumpel, den Sie ja angestellt haben und nun in den Knast stecken. Den möchten wir gern wieder haben! Ansonsten gibt’s Ärger! Sie haben zwei Stunden, ich gebe Ihnen dann unsere Koordinaten durch. Sollten Sie sich weigern…“ Es erklang eine tiefe Stimme die andeutete, nicht auf den Deal einzugehen. Der Mann am Funkgerät nickte seinem Kollegen zu und dieser schoss ohne mit der Wimpern zu zucken auf die Frau, die geschrien hatte. Aus ihrem Hinterkopf schoss eine Fontäne von Blut und er Körper kippte vom Sitz auf den Boden.


    „NEIN!“, schrie Ayda und Lilli, sowie Benedict krallend sich kreischend und weinend an Johanna und Paul, die zusammengezuckt waren. Johanna hatte sofort ihre freie Hand auf den Mund gedrückt, um aufkommende Schreie abzudämpfen. Sie spürte, wie Paul seinen Griff um ihre Hand verstärkt hatte.
    „Oh mein Gott! Oh mein Gott, oh mein Gott…“, flüsterte Johanna wie in einem Mantra und ihr Atem pfiff durch die Fingerritzen.
    Der Mann am Funkgerät nahm dieses, nachdem er es der schreienden Menge entgegengehalten hatte, wieder an sich. „Gut, haben Sie gehört? Sie haben zwei Stunden, Noske!“ Mit diesen Worten hängte er das Funkgerät wieder in die Halterung und stellte sich auf das Podest neben dem Busfahrer.
    „Dürfte ich um eure Aufmerksamkeit bitten?“, schrie er und sofort verstummten die Schreie. „Sehr vornehm, vielen Dank! Keine Sorge, wir wollen nur unseren Kumpel rausholen. Er hat…ein kleines Missgeschick am Asylheim in Köln angerichtet gehabt. Er wurde erwischt. Ich hoffe, Sie werden trotzdem eine angenehme Fahrt haben. Sollte die Polizei den Forderungen nachgehen, brauchen Sie nichts zu befürchten“, er blickte auf den leblosen Körper der erschossenen Frau, „gut…das ist ein Bagatellschaden. Bitte beachten Sie ihn nicht. Den Leuten mit den Kindern bitte ich, die Plagegeister auf ein Minimum an Lautstärke zu halten. Vielen Dank!“