Jenny stöhnte lauthals, als sie sah, wie Beatrice noch weitere Akten und Unterlagen aus den Kisten holte, die Hartmut ihnen geschickt hatte. Seit Semir gegangen war, hatten sie ununterbrochen alles angeschaut.
„Irgendwie glaube ich langsam, dass das Ding keinen Boden hat!“, sprach Beatrice den Gedanken laut aus und Jenny nickte zustimmend.
„Geben Sie etwa schon auf?“, eckte Kim an und entdeckte in der Kiste von den Schweizer Kollegen einen gelben Umschlag in A4 Größe. Mit einem Post-It war eine Notiz vermerkt worden. „Nina mailen. Offiziellen Dokumente des EJPD…Brun? Was bedeutet EJPD?“ Beatrice sah auf Kims Frage auf und ging auf sie zu.
„Spontan würde ich sagen „Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement“.“, antwortete sie. „Also euer Justizministerium“, schlussfolgerte Jenny und Beatrice nickte. „Mein Chef sozusagen. Wo haben Sie das gefunden?“
Kim zeigte auf die Kiste. „War in den persönlichen Dingen von Kofler, die Ihre Kollegen uns zugesendet haben!“, antwortete sie auf Beatrice frage und öffnete den Umschlag. Ein Dokument erschien.
„Klage wegen Verleumdung und Erpressung…“ Nun stand auch Jenny neugierig auf. „Was, gegen Kofler und Nina Becker?“ Kim schüttelte mit dem Kopf. „Nein, Sie haben die Klage ausgesprochen über die Schweizer Justiz her. Gegenüber einem Dario Conrad.“
„Moment“, mischte sich Beatrice ein, „Conrad wie in…Müller & Conrad?“ Kim hob mahnend die Hand und las das Dokument zu Ende.
„Allerdings. Laut Anklage hatten Kofler und Becker zuerst gebeten, einen DNA-Test zu machen, damit eine Verwandtschaft nachgewiesen werden konnte. Conrad hatte vehement abgelehnt da er, Zitat: „Befürchte, dass aus dieser Geschichte nur Profit gemacht werden würde“. Er sagte sogar, dass er selbst, rechtliche Schritte einleiten werde, sobald eine Anklage von Becker und Kofler eintreffen würde.“
„Nettes Familienwesen…“, murmelte Beatrice und blickte auf Jenny, die zu Susannes Computer gehüpft war und angestrengt auf den Bildschirm starrte.
„Hier, seht mal!“ Sie zeigte einen Artikel der Kölner Tageszeitung. „Der Mann ohne Hintergrund. Vom Waisenkind zum Millionär. Dario Conrad zeigt, dass alles möglich ist! Seine Rüstungsfirma, die er mit seinem, inzwischen verstorbenen, Partner Cornelius Müller gegründet hatte, läuft so gut wie schon lange nicht mehr!“, las Kim laut vor und auf ihrer Stirn, hatte sich eine lange Falte, gebildet gehabt.
„Conrad könnte also der Bruder von Becker und Kofler sein. Er wäre die fehlende Verbindung…“ Kim nickte auf Jennys Schlussfolgerung. „Dorn, rufen Sie Gerkhan an, er soll direkt zu dem Gebäude fahren. Brun, Sie fahren ebenfalls dort hin! Ich will die Geschichte auch von Conrads Seite her hören!“ Beatrice nickte. „Natürlich.“, murmelte sie, packte ihre Jacke und verschwand aus der PAST.
„Gut gemacht, Dorn!“, lobte Kim und blickte auf das Telefon, das an Susannes Platz laut klingelte. Sie nahm ab. Jenny, unterdessen, wählte Semirs Nummer auf ihrem Handy und weihte ihn ein. Das Gespräch dauerte keine Minute und Semir gab zu verstehen, dass er sich auf den Weg machen würde um mit Beatrice die Sache aufzuklären.
„Krüger?“, begrüßte sie ihren Anrufer. „Ja…ja genau, dafür bin ich zuständig! ...Ja….WAS? WANN?“ Jenny riss beinahe die Tastatur vom Schreibtisch und sah ihre Chefin erschrocken an, besonders dann, als diese wutentbrannt den Hörer wieder auf die Station steckte.
„Was ist?“, fragte Jenny leise und Kim stemmte die Hände in die Hüfte. „Jäger ist aus der Einrichtung geflohen…“
Jennys Augen weiteten sich.
„Was? Aber wie?“
„Wollten Sie nicht sagen. Jedenfalls ist er weg. Spurlos…“