Beiträge von jenni

    10.

    Semir fuhr zum Gerichtsmediziner, den er dank Ben „Doc“ genannt hatte und stieg mit Hotte aus dem Wagen, nachdem sie geparkt hatten.
    Der Gerichtsmediziner wartete schon am Eingang und wies die Beiden in sein Büro. „Ich habe mir nochmals die Unterlagen des Doktors von Ben, deinem Hausarzt und die meinen angesehen, ausserdem erinnerte ich mich an deinen Bericht.“ Semir verschränkte die Arme und Hotte richtete seinen Hut. „Alle haben das gleiche über die Wunde gesagt, sie sei sehr sauber und schwach für einen Hundebiss.“ Semir nickte. „Es klingt vielleicht seltsam, aber ich hatte da eine verrückte Idee.“ Er stand auf, ging zu einem Regal und holte die Nachbildung eines Gebisses hervor. „Was, wenn Ben gar nicht von einem Hund gebissen wurde?“ Semir sah sich die Nachbildung an. „Hast du die etwa gerade gemacht?“ Der Mediziner nickte. „Allerdings, ich habe drum noch im Bericht des Krankenhausarztes gelesen, dass kleine, aber wirklich klitzekleine Metallpartikel in Bens Wunde gefunden wurden. Also kam ich auf diese Idee!“
    „Soll heissen jemand hat mit dieser Nachbildung Ben verletzt?“, fragte Semir und der Mediziner zuckte mit den Achseln.
    „Na ja, vielleicht ein wenig weithergeholt aber…“
    „…nein…nein das würde vieles erklären…“, murmelte Semir aber Hotte machte eine senkende Geste mit der Hand. „Aber eröffnet neue Fragen…findest du nicht auch?“ Semir seufzte. „Nicht direkt…aber nachdenklich macht es mich schon…wie kam Mahler oder Tayfun in Bens Haus und wieso hatte er nichts gemerkt?“
    „Ich habe diesbezüglich eine Blutprobe des Krankenhausarztes verlangt. Ich will einen toxischen Test machen“, mischte sich der Gerichtsmediziner wieder ein. „Vermutest du K.O. Tropfen?“, fragte Semir nach und der Angesprochene nickte.
    „Jedenfalls danke für deinen Bericht. Und für deine Mühe.“ Der Doc winkte ab. „Richte Ben noch gute Besserung von mir aus. Er soll sich schonen!“ Semir nickte lächelnd und verließ mit Hotte die Gerichtsmedizin. „Was willst du nun tun?“ Semir sah in den Himmel, wo sich die ersten Sterne versammelten und der Mond aufging. „Ich gehe noch zu Ben…Andrea und die Kinder sollten noch bei ihm sein…bringst du mich hin?“ Hotte nickte lächelnd.

    Ben nickte der Schwester dankend zu, die ihn umgezogen hatte und strich Andrea beruhigend über die Schulter und diese nickte dankend. „Tut mir leid Ben, ich mache mir einfach Sorgen…“, gestand sie und Ben lehnte sich zurück ins Bett, der Nasenschlauch war ihm entfernt worden, dabei atmete er tief durch. „Ich mir auch…vor allem um Semir…“, sagte er leise und verzog dabei heftig das Gesicht. „Ben…du solltest dich schonen…reg‘ dich bitte nicht auf…deine Arterie!“ Ben atmete tief durch und pustete kurz. „Schon gut…so empfindlich bin ich auch nicht.“
    Es klopfte an der Türe und Ben richtete sich auf. „Semir, schon?“, fragte er sich und Andrea zuckte mit den Achseln. „Oder die Schwester, dass Aida sie schon in den Wahnsinn getrieben hat…“, scherzte sie und stand auf. Sie ging zur Türe und öffnete sie, dabei stieß sie einen undefinierbaren Laut aus, als eine Waffe ihre Stirn berührte. „Nur langsam Schätzen…“, säuselte Melanie und ihrer ihr kam Tayfun hervor.
    Ben griff sofort zu seinem Nachttisch und zog die Waffe aus der Schublade. Dann richtete er sie auf die Beiden. „Nanana Benni, nicht das der Kleinen was passiert…oder den ganz Kleinen…“ Ben zögerte kurz, presste die Lippen aufeinander. Ein kurzer, heftiger Schmerz ging durch seine Schusswunde, doch er beachtete ihn nicht. Er löste sich von der Infusion und richtete sich auf.
    „Lass‘ die Waffe fallen Melanie“, zischte er und stand endgültig auf. „Oh…wie süss…aber findest du nicht, ich sollte dir alles nehmen…was du mir genommen hast?“
    „Ich habe dir gar nichts genommen“, stöhnte Ben und spürte erneut einen heftigen Stich durch seinen Oberkörper gehen. „Geht’s dir nicht gut?“, fragte Tayfun amüsiert und Andrea schrak auf, als sie einen kleinen, roten Punkt auf Bens Bauch sah. „Bitte…Ben…knall sie ab, achte nicht auf mich!“ Doch Ben konnte nicht…er konnte doch nicht einfach die Frau seines besten Freundes alleine lassen. „Schalte ihn aus, aber töte ich nicht“, befahl Melanie und Tayfun ging auf Ben zu, holte aus und Ben wollte schiessen, doch Tayfun war schneller. Er schlug Ben ins Gesicht und benommen ging dieser zu Boden. Melanie zog Andrea mit sich und diese schrie. „Nein…bitte Ben…“ Sie spürte Mahlers Waffe im Rücken. „Ein falsches Wort und ich schicke Tayfun zu den Kindern…“ Andrea presste die Lippen zusammen und ging ohne ein Wort mit den Beiden mit. Sie stiegen in ihren schwarzen Audi und fuhren davon.

    Kurz nachdem, erschienen Hotte und Semir. Sie stiegen aus und liefen zu Bens Zimmer, wo sie ein Wimmern vernehmen konnten. „Das ist nicht gut…“, murmelte Semir und öffnete die Türe. Ben richtete sich gerade auf. Seine Hand war auf den Bauch gepresst und viel Blut floss aus der Wunde. Es hatte den unteren Teil des T-Shirts und das Hosenbein eingenommen gehabt. Ben sah zitternd zu Semir, hob seine blutüberströmte Hand und versuchte, mit seinen blau angelaufene Lippen ein Wort zu formen. „…Semir…Hilfe…“, stieß er aus und brauch zusammen. Semir konnte noch gerade auf ihn zu gehen und ihn auffangen. „Hotte hol sofort einen Arzt!“, schrie Semir panisch und zuckte zusammen, als Ben einen lauten Schmerzensschrei von sich gab. Mehr Blut floss aus der Wunde. „Verdammt …Ben…du hast mir versprochen nichts zu tun…“, gab Semir geschockt von sich und suchte nach einem Laken, um es auf die Wunde zu drücken.
    Ben packte Semirs Pulloverstoff und umklammerte ihn fest. „Semir…sie haben Andrea…was ist mit den Kindern?“ Semir riss seine Augen noch weiter auf. „Es tut mir leid…ich konnte ihr nichthelfen…“, sagte Ben leise und stieß wieder einen lauten Schrei aus. „Verdammt wo bleibt der Arzt?“, kreischte Semir beinahe und drückte Ben an sich. „Halt durch Kumpel bitte…“ Ben sah Semir direkt in die Augen, seine Lippen waren noch blauer. „Es tut mir echt leid…Semir…ich habe…ich wollte nicht…“ Semir presste die Lippen zusammen.
    Hotte kam zurück. „Ich habe die Kinder bei einer Schwester gesehen…oh mein Gott…“, stieß er hervor und ein Ärzteteam kam hinter ihm hervor. „Gehen Sie von ihm weg Herr Gerkan“, bat der Arzt und nahm eine Atemmaske hervor, um Ben Luft zuzuführen.
    Geschockt ging Semir aus dem Raum, Bens Blut an den Händen und der Kleidung. „Das…ist ein Alptraum…“, stieß er aus, hörte sein Handy klingeln und ging auf die Toilette, um den Blicken der Schwestern aus dem Weg zu gehen.
    „Gerkan?“, begrüsste er den Anrufer und sein Blick verdunkelte sich, „Tayfun!“

    Auuuu, wenn man da einem so mit der Pinzette in der Schulter rumgebohrt wird, das muss doch wehtun >< armer Ben.
    Aber ich kann Elina nur beipflichten Chris, echt spannender Thriller, ich weiss nicht was ich sagen soll ausser, weiter!!! :thumbup:

    9.

    „Mahler und Tayfun sind draussen…“ Ben begriff zunächst nicht ganz. „Andrea…Mahler ist tot…“, sagte er leise und Semirs Frau schluckte. „Ja…Wolf Mahler…aber nicht Melanie Mahler…“ Bens Augen weiteten sich. „Melanie?“, wiederholte er und versuchte sich aufzurichten, fiel aber ins Kissen zurück, weil sein ganzer Oberkörper brannte und schmerzte. Andrea strich ihm über die Schulter. „Du wirst gut beschützt…alles wird wieder gut…“
    „Aber was ist mit euch…wegen Tayfun?“ Andrea lächelte traurig. „Wir gehen zu meiner Mutter, dort werden wir ebenfalls beschützt werden, du siehst, Frau Krüger hat schon für alles gesorgt. Eigentlich hätten wir schon direkt gehen sollen…aber ich, wir hatten uns alle schreckliche Sorgen um dich gemacht!“
    Ben versuchte zu lächeln. „Hättest du doch nicht müssen, ich bin zäh. So leicht bringt mich nichts zu Fall…“ In Andreas Augen hatten sich Tränen gesammelt. „Andrea…“ „…es ist nichts schon gut…“ Sie beugte sich nach unten, wo sie eine Tasche hatte, die Ben vorhin nicht aufgefallen war. „Ich habe dir frische Kleidung und ein paar Sachen zur Unterhaltung mitgebracht. Semir besteht nämlich darauf, dass du hier bleibst, denn momentan ist ja das mit deiner Wunde noch ziemlich instabil. Und wir wollen dich alle noch ein wenig hierbehalten…“
    „Hey, nun hab‘ ich ja einen Grund gefunden, die Schwester nochmals zu holen, alleine umziehen, fällt mir bei diesem Geschläuche nämlich ziemlich schwer!“, versuchte Ben Andrea aufzuheitern, doch die Sorge um die Familie, um sich und Ben, stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie bemerkte seinen besorgten Blick und presste die Lippen zusammen. „Tut mir leid…“, sagte sie leise und Ben überwand die Schmerzwelle, beugte sich zu Semirs Frau und umarmte sie, ungeachtet der Schläuche, ungeachtet der höllischen Schmerzen, die er der Schuss- und Bisswunde zu verdanken hatte. Andrea legte selbst sanft ihre Arme um Bens zitternden Körper und liess ihren Tränen freien Lauf.

    Semir setzte sich auf seinen Schreibtisch, startete den Computer und blickte mit traurigem Gesicht auf Bens Platz.
    Mahler und Tayfun also, ein neues Bonnie und Clyde Gespann? Wenn ja, wäre es eines, das man nicht unterschätzten durfte. Beide an sich waren schon rachsüchtig und unberechenbar, aber zusammen?
    Für ihn gab somit aber der Tod Wolf Mahlers einen Sinn – Selbstmord? Auf gar keinem Fall, dahinter steckte Melanie Mahler, das war für ihn klar. War es auch sie, die für die Bisswunde bei Ben gesorgt hatte? Dies alles musste er nun herausfinden, mit taubem Arm, völlig übermüdet und voller Besorgnis.
    Es klopfte an der Tür und Hotte trat herein. In seiner einen Hand, ein Kaffeebecher, in der anderen eine Schachtel mit Keksen. „Du musst was essen mein Junge“, sagte der liebliche und dickliche Polizist mit väterlicher Stimme und Semir lächelte. „Danke Hotte…“, entgegnete er, als der Angesprochene die Dinge auf den Schreibtisch stellte und dem Deutschtürken beruhigend auf die Schulter klopfte.
    „Kann ich dir bei irgendwas helfen?“
    Genau dies liebte Semir an Hotte so. Die Hilfsbereitschaft, die Freude Gutes zu tun, ach wie würde er es dies vermissen, wenn es Hotte nicht mehr geben würde. Er hoffte, dass dies nie eintreffen würde.

    „Du könntest mir helfen, diese Videoaufnahmen von beiden Gefängnissen anzusehen…vier Augen sehen mehr als zwei!“ Hotte nickte, nahm sich Bens Schreibtischstuhl, nachdem er tausende von Krümeln abgeklopft hatte, stellte ihn neben Semir, nahm seine Lesebrille hervor und nickte. „Ich bin bereit!“, kündigte er an und Semir legte die CD in seinem Computer, den er mit dem Grossbildschirm verbunden hatte.
    Lange Zeit war nichts zu sehen und Semir gab schon lauter Seufzer von sich, während Hotte Semir bat, die Aufnahme des Frauengefängnisses anzuhalten. „Was ist Hotte?“, fragte er neugierig und Hotte lief auf den Bildschirm zu, drückte kurz und zoomte. „Sieh dir das mal an!“ Es war die Aufnahme eines Empfangs, im Spiegelbild konnte man die Reflektion von Mahler, Wolf Mahler sehen. „Was? Das gibt keinen Sinn!“, stieß Semir aus, stand auf und stellte sich neben Hotte. „Rucksack, Taschen, klar was der vorhatte…aber, wieso zum Teufel wurde SEIN Ausbruch nicht gemeldet? Ich meine, er war ja auch für lebenslänglich weggesperrt worden“, sagte Hotte verblüfft und Semir schüttelte fassungslos mit dem Kopf. „Ich habe keine Ahnung, aber das Gefängnis werde ich mir vornehmen, egal was die Krüger sagt!“
    In dem Moment klingelte das Telefon und Semir nahm ab. „Ja Gerkan?“, begrüsste er seinen Anrufer und hörte aufmerksam zu. „Was?“, stieß er aus, hängte auf und nahm seine Jacke. „Hotte wir müssen sofort zum Doc, komm‘ mit!“ Der Angesprochene nickte, holte seine Jacke ebenfalls und folgte Semir.

    Soooo, endlich bin ich auch dazugekommen zu lesen. Meine Herren, war ja auch mal Zeit :D.
    Ich persönlich finde die Story, zumindest der Anfang, sehr gut, auch wenn ich ein Benanhängern bin;), so gucke ich Cobra schon seit André und Tom war lange Zeit mein Lieblingspartner. Also bin ich ihm das schuldig :).
    Ausserdem, ich wiederhole mich, ist die Story sehr gut geschrieben und der Anfang fesselt! ich bin gespannt, was noch kommt :)

    WEiter so! :thumbup:

    Gruss
    Jenni

    8.

    „Und Ben?“, fragte Semir nach und Kim lächelte. „Personenschutz, Wachposten und…Ihre Frau ist bei ihm…Sie hatte mich angerufen und sich gesorgt gehabt, weil Sie sich nicht gemeldet hatten. Ich habe Ihr alles erzählt…sie fuhr sofort zu ihm. Ihre Kinder sind bei Ihrer Schwiegermutter, nach dem Besuch bei Herrn Jäger, die Wohnung wird ebenfalls beschützt.“
    „Wie viele Nächte auf der Couch?“, fragte Semir mit wimmernder Stimme und Kim schüttelte mit dem Kopf. „Keine…Sie versteht es. Und…ich habe auch meinen kleinen Beitrag dazu gegeben…“ Semir beugte sich zu ihr vor und sie wich zurück. „Bitte…keine Küsse…der eine hat mir schon gereicht!“, lächelte sie und startete den Motor wieder. „Was nun?“, fragte Semir und Kim fuhr los. „Ich werde Sie im Revier abliefern, suchen Sie alles, alles was man über die Beiden in ihrer Zeit im Gefängnis finden kann, aber wirklich alles! Und ich will wissen, wie die Beiden Knastgeschwisterchen sich kennen gelernt haben“ Semir nickte. „Das wird mir nicht schwerfallen. Die werden sowas von drankommen…“
    „Hoffentlich…was macht ihr Arm!“
    „Tut schon gar nicht mehr weh…“, sagte er gehässig und schnallte sich richtig an. „Gut…ich will dass Sie die Beiden fertig machen. Und ich werde ihnen dabei helfen…“ Die Beiden sehen sich lächelnd an. „Danke Frau Krüger…“
    „Schon in Ordnung…“

    Ben richtete sich leicht auf, als es an der Türe klopfte und er Kinderstimmen hörte. Die Türe öffnete sich und Aida stürmte herein. „Onkel Ben“, sagte sie mit sorgenvoller Stimme und rannte sofort aufs Bett zu. „Na mein Engel“, sagte Ben leise und Aida nahm sich einen Stuhl, kniete sich darauf und beugte sich über Ben. Hinter ihr kam Andrea mit Lili auf dem Arm herein. „Hey Ben…“, begrüsste sie ihn leise und der Angesprochene lächelte. „Schön, dass ihr mich besuchen kommt.“ Aida gab Ben einen Kuss auf die Stirn. „Hast du dolle Schmerzen?“, fragte sie mit süsslicher Stimme.
    „Es geht schon…“, antwortete Ben und Andrea nahm sich ebenfalls einen Stuhl, setzte sich und nahm Lili auf den Schoss. Diese brabbelte und streckte ihre kleinen Ärmchen aus. Ben tat dies mit einem und sofort packte Lili mit ihren Händchen Bens Hand.
    „Wirklich alles in Ordnung?“, fragte Andrea und Ben zuckte mit den Achseln. „Nun ja…wie man sich halt fühlt mit…“ Sie nickte.
    Dennoch bemerkte Ben ihre Bedrücktheit. „Andrea…alles in Ordnung?“ Sie lächelte gequält. „Natürlich, was soll schon sein…“, antwortete sie leise und strich Lili über den Kopf. „Andrea ich bin nicht blöd…“, erwiderte Ben und in dem Moment kam eine Schwester hinein. „Alles in Ordnung Herr Jäger?“ Andrea stand auf. „Dürfte ich Sie um einen Gefallen bitten?“ Die Schwester nickte. „Könnten Sie mir kurz auf die Kleinen aufpassen?“
    „Aber natürlich“, sagte die Schwester lächelnd und nahm die beiden Mädchen mit. Andrea atmete tief durch und setzte sich wieder. Sie nahm sanft Bens Hand. „Ben…eure Chefin hatte mich angerufen…und…wie soll ich dir das bloß sagen?“

    Semir kam im Büro an und wurde von allen erwartungsvoll angesehen. „Wie geht es Ben?“, fragte Hotte besorgt und Semir lächelte knapp. „Er wird durchkommen…“ Ein erleichterndes Seufzen ging durch die Runde. „Habt ihr schon was?“, fragte Semir danach und Jenny nickte. „Hartmut hat was geschickt.“ Sie lief auf ihren Schreibtisch zu und gab Semir eine Mappe. „Er hat sich in den Computer der beiden Gefängnisse gehackt. Mit der Erlaubnis der ollen Schranke“
    „Schrankmann“, korrigierte Hotte sie entrüstet und sie winkte ab. „Ja wie auch immer…sieh’s dir an! Da ist noch eine CD drin, wahrscheinlich die Aufnahmen!“
    „Danke Jenny“, sagte Semir und ging in sein Büro.

    7.

    „Also…kommst du alleine klar?“ Ben nickte auf Semirs Frage und der Deutschtürke stand auf. „Ich werde mal in die PAST fahren und hoffe, dass ich zwischendurch nicht auch noch krankenhausreif werde!“ Ben hob langsam seinen Arm und packte mit der Hand die Semirs. „Bitte pass‘ auf dich auf“, bat er und Semir lächelte. „Keine Sorge…pass‘ lieber auf dich auf ja? Und denk an dein Versprechen!“ Ben salutierte mit zitternder Hand und Semir winkte seinem Partner noch, bevor er die Türe zumachte.
    Er huschte an einer Schwester vorbei und wählte die Nummer der Chefin.
    „Herr Gerkan? Wie geht es Jäger?“
    „Den Umständen entsprechend gut…er muss sich einfach wirklich schonen“, antwortete Semir und erzählte von der genauen Diagnose. „Okay, wenn er sich nicht daran hält, haben Sie meine Erlaubnis, ihn mit Handschellen ans Bett zu fesseln!“ Semir musste grinsen und stiess die Türe zum Ausgang auf. „Haben wir schon was?“ Ein Seufzen war am anderen Ende zu hören. „Ja…aber nur Thesen, und die möchte ich Ihnen nicht am Telefon sagen. Würden Sie dafür bitte sofort in mein Büro kommen?“ Semirs Inneres verkrampfte bei diesem Satz unfreiwillig, jedoch atmete er tief durch.
    „Ich muss mir ein Taxi holen, versuche aber so schnell wie möglich bei Ihnen zu sein!“
    „Nein…ich komme Sie besser abholen…das Revier ist schon genug in Aufruhr. In fünf Minuten bin ich da!“ Mit diesen Worten hängte sie auf.
    Semir gefiel dies gar nicht. Noch selten hatte er seine Chefin so unruhig gehört gehabt. Sorge und gleichzeitig so etwas wie Wut hatte er vernehmen können. Er setzte sich auf die Treppe des Krankenhauses und sah zu dem Fenster, wo er Bens Zimmer vermutete. Was hatte es bloss mit dem allen auf sich? Er sah keinen Sinn.
    Doch wann hatte das Verbrechen jemals einen Sinn gehabt? Nie – das stand fest, jedenfalls hatte er es so in den vielen Dienstjahren erlebt gehabt.
    Viele Partner die gegangen waren, viele Verbrecher die Rache androhten. Semir mochte gar nicht zählen, besonders bei den Partnern nicht. André, Tom, Chris, alle waren nun tot und nicht mehr auf dieser Erde, zu früh aus dem Leben geschieden und nun hätte er beinahe Ben verloren gehabt.
    „Manchmal bin ich zu alt für diesen Scheiss…“, sprach er leise für sich und sah den silbernen Wagen der Chefin vorfahren.

    Er stand auf und ging auf die Beifahrerseite zu, öffnete die Türe und stieg hinein. Die Chefin lächelte ihn kurz aufmunternd an, bevor eine grosse Falte ihre Stirn zierte. „Sie klangen gar nicht gut Chefin“, gestand Semir und sie seufzte. „Was halten Sie von einer Ausfahrt?“ Semir zuckte mit den Achseln und Kim fuhr los. Sie spurte auf der Fahrseite für die Autobahn ein und trat aufs Gas. „Ich fand diese Sache komisch, dass Sie einfach so beschossen wurden und das gab mir wirklich zu denken. Also bin ich alle Ihre Verbrecher durchgegangen, von Ihnen und Herr Jäger…und was ich da gelesen habe, gefiel mir gar nicht!“
    Semir zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme. „Soweit ich weiss sitzen doch alle noch“, meinte er erstaunt und auf diesen Satz hin verdunkelte sich das Gesicht der Chefin. „Oder?“, fragte Semir nach und die Chefin seufzte. „Nein…es sitzen nicht mehr alle…“, flüsterte sie und schlug aufs Lenkrad. „Die werde ich so was von zusammenstauchen!“, zischte sie und Semir erschrak kurz. „Chefin nun mal raus mit der Sprache, was ist nun eigentlich los?“, fragte Semir neugierig und zugleich ein wenig verängstigt.
    „Vorgestern gab es einen Ausbruch…zwei Straftäter sind geflohen. Eine Person aus dem Frauengefängnis, die andere aus dem Strafvollzug…beide sind Ihnen mehr als bekannt!“ Semir ging die Personen durch, jedoch fand er nichts. Es wollte ihm nicht einfallen.

    „Tut mir leid Chefin, aber ich stehe auf dem Schlauch!“, gestand er und Kim fuhr auf einen Rastplatz, parkierte und schaltete den Motor aus. „Es war noch vor meiner Zeit Gerkan, deshalb kam ich zuerst auch nicht darauf. Ich ging also alle Täter durch die Sie und Jäger in der Zeit von Frau Engelhardt festgenommen hatten…dann ereilte mich die Meldung. „Und?“, fragte Semir noch ungeduldiger. Alles in ihm war unruhig und der Arm schmerzte, er hatte nun wirklich nicht die Beherrschung, einen auf Ratekandidat zu machen und Kim schien dies zu bemerken. Sie holte die Akten aus ihrer Umhängetasche, die sich auf dem Rücksitz befand und reichte sie Semir.
    Dieser öffnete Beide und als er die Fotos sah, schüttelte er mit dem Kopf. „Das kann nicht sein!“, stiess er aus und sein Mund wollte sich beinahe nicht schliessen. „Chefin das ist nicht möglich, die können nicht geflüchtet sein!“ Seine Stimme wurde laut und nun schlug er aufs Armaturenbrett. „Natürlich…deshalb Mahler…sie will sich rächen und für ihn kommt es sicherlich auch gelegen…man will uns Beide fertig machen!“
    „Mich würde es nicht wundern, wenn Sie bei der Schiesserei höllisches Glück gehabt hatten…“, theorisierte Kim und Semir schüttelte wieder mit dem Kopf. „Wie verdammt…wie konnten die Beiden türmen? Ich werde die Wärter so was von vornehmen!“ Kim hob eine Hand. „Das überlassen Sie lieber mir klar?“ Semir wollte ansetzten und sie unterbrach ihn. „Das lassen Sie wirklich meine Sorge sein Gerkan. An Ihnen ist es nun, zusammen mit Herzberger und Bonrath, Melanie Mahler und Tayfun zu kriegen!“

    Arme Julia...hoffentlich stehen sie und die Babies das durch, das wäre echt schlimm...und gemein...und...obwohl wir reden hier von euch...aber das wagt ihr doch nicht oder? Das wäre echt mies. Nun ja, lieber möchte ich nun wissen was Konrad nun tut...spannend. :thumbup:

    Ben wird tun müssen was Klara will, sonst kommt Semir dran...und so n' Stich von 'nem Skorpion kann für eine kurze Zeit echt wehtun, obwohl man danach keine Beschwerden mehr haben wird...aber das wollen wir ja ehrlich gesagt nicht!

    6.

    Wie erstarrt, saß Semir auf seinem Stuhl vor dem OP und streckte sich kurz. Ärzte und Schwestern liefen am ihm vorbei und niemand sah ihn an, oder würdigte ihn eines Blickes. Die Punkte auf dem Boden des Krankenhauses hatte er nun inzwischen auch auswendig gelernt und den Kaffeeautomaten hatte er geleert.
    Er hatte nur die Chefin angerufen gehabt. Andrea liess er aussen vor. Man hatte schon genug Probleme, da Aida kränkelte und Lili an Koliken litt, er wollte sie nicht mit weiteren Problemen belästigen obwohl er schon wusste, dass er diesen Gedankengang bald bereuen würde.
    Nach gefühlten Stunden, kam ein Arzt auf ihn zu. Adrett, gut aussehend und mit einer modischen Brille auf der Nase und einem Seitenscheitel. Er lief mit einem Lächeln auf Semir zu. „Herr Gerkan?“, fragte er nach und Semir stand auf, streckte die Hand aus. „Wie geht es meinem Partner?“, fragte er besorgt nachdem sie sich die Hand geschüttelt hatten.
    „Nun ja, Herr Jäger ist zäh Herr Gerkan. Der Schuss hat keine wichtigen Organe verletzt, eine Arterie wurde jedoch beschädigt, deshalb der hohe Blutverlust. Ich würde Herr Jäger gerne für zwei Wochen hierbehalten, da die Wunde sehr empfindlich ist und er ja…dazu neigt anscheinend sich vorzeitig aus dem Krankenhaus zu entlassen…das wäre sehr riskant. Er ist bereits in seinem Zimmer…und wach. Allerdings sehr schwach. Keine Aufregung, keine Reizungen!“ Semir nickte und liess sich von dem Arzt zu dem Zimmer bringen. „Ihre Chefin weiß bereits Bescheid…Sie können also den Besuch in aller Ruhe machen…jedoch…“
    „…ja…keine Aufregung…ich werde bestimmt darauf achten, ich möchte ihn noch ein Weilchen neben mir haben und quälen!“ Der Arzt grinste und entfernte sich, während Semir an die Türe klopfte. Ein schwaches „Herein“ bat ihn herein.

    Ben lag auf dem Rücken in seinem Bett. Eine Kanüle im Handrücken versorgte ihn mit Blut. Ein Schlauch in einem Nasenloch war noch vorhanden. Mit Tapes war es an der Wange angeklebt. Semirs Partner trug einer dieser geschmacklosen Krankenhaushemden.
    Langsam ging der Deutschtürke auf seinen Partner zu und beugte sich über ihn. „Hey, wie geht’s dir Partner…“, fragte Semir leise und Ben lächelte schwach. Er war bleich im Gesicht und die Haut um seine Augen, war mit einem roten Schimmer überzogen.
    „Wie gerädert…aber nun ja, wenn einem so ‚ne Kugel durch den Bauch gejagt wird…“ Semir konnte sich ebenfalls ein Lächeln nicht verkneifen. „Setzt dich doch…“, bot Ben heiser an und Semir schnappte sich einer der Stühle, die in dem Einzelzimmer standen. Er setzte sich zu seinem Partner ans Bett. „Soll ich deine Familie kontaktieren…“ Ben schüttelte mit dem Kopf, neigte ihn dann zu Semir. „Wozu…mein Vater ist beschäftigt und meine Schwester geniesst die Zeit mit ihrem Mann…ich bin nur froh wenn du da bist!“ Semir atmete tief durch und schmunzelte. Tief im inneren, taten ihm diese Worte gut.
    „Weiß man schon, wer das war?“, fragte Ben und Semir verneinte. „Hartmut ist vor Ort und schaut sich alles zusammen mit Dieter und Hotte an…ich soll dir von ihnen und von der Chefin gute Besserung wünschen.“
    „Danke…“, entgegnete Ben leise und hatte Mühe, wach zu bleiben. „Du solltest vielleicht etwas schlafen…“, schlug Semir vor und Ben schüttelte mit dem Kopf. „Damit ich auch noch mit einem weiteren Hundebiss aufwache?“, zischte er schwach und Semir seufzte. „Ben das ist einmal passiert…wer sagt, dass es dir wie Mahler ergehen wird…und dieser hatte sich bestimmt mit den Wachhunden gestritten.“

    „Semir…dieser Traum war mehr als beunruhigend. Ausserdem hatte ich schon zuvor solche schreckliche…“
    „Du hast schon mehr solche schräge Dinge erlebt?“ Ben zuckte mit den Achseln. Es war kaum ersichtlich, doch Semir bemerkte es. „Nur einmal besser gesagt. Ich hatte geträumt das du…“ Semirs Aufmerksamkeit war geweckt, als Ben zu zittern begann. Der Deutschtürke nahm die Hand seines Partners und strich mit dem Daumen darüber. „Ben…du sollst dich nicht aufregen hat der Arzt gesagt. Ausserdem, zwei Wochen strickte Ruhe, kein Entkommen aus dem Krankenhaus.“ Das Zittern hörte abrupt auf und Ben sah Semir mit grossen Augen an, was durch den roten Schimmer noch furchtbarer aussah. „Bitte?“ Semir nickte. „Bitte Ben…nur das eine Mal, so wie ich den Arzt verstanden habe…könnte die Wunde schnell platzen…und da eine Arterie verletzt ist…bitte einfach…dieses Mal…versprich es mir! Nur dieses eine, einzige Mal!“
    Ben erblickte Semirs Augen. Voller Sorge und Angst um ihn. Nicht mal sein Vater, hatte ihm jemals einen solchen Blick geschenkt gehabt.
    „Gut…ich verspreche es…wenn du mir eines versprichst!“ Semir hob den Kopf. „Bitte…unterrichte mich in alles…ich verspreche wiederum auch, dass ich mich nicht aufregen werde…“ Semir lächelte. „Okay…einverstanden…“, erwiderte und Beide ahnten nicht, dass sie beobachtet wurden.