16.
„Guter Scherz“, sagte sie und steckte das Mittel zurück in die Tasche. Ben schnaubte. „Glauben Sie mir“, begann er, „wenn ich im Moment zu etwas nicht aufgelegt bin, dann ist das zu scherzen!“ Ben glaubte, eine leichte Erstauntheit aus ihren Augen hervor nehmen zu können. „Wieso nehmen Sie es dann?“ Ben sah zu Viktoria. „Ich weiss ja nicht wie es Ihnen geht, aber ich werde bestimmt nicht das Leben eines jungen Mädchens gefährden.“ Sie lachte laut auf. „Mein Guter, ihr Leben ist schon gefährdet, weil die Ärzte gepfuscht haben und ich werde meine Tochter heilen!“ Ben glaubte immer noch nicht, was er da hörte. „Sind Sie wirklich von allen guten Geistern verlassen? Ihre Tochter hat Leukämie - Blutkrebs! Was sie braucht ist eine…“
„…SIE HAT KEINE LEUKÄMIE!“, schrie sie ihn an und hielt wie ein Kind die Ohren zu. Mit Tränen in den Augen rannte sie hinaus und schloss wieder die Riegel. Viktoria kam hinter dem Kissen hervor. „Sie ist wahnsinnig“, schluchzte sie, „einfach nur wahnsinnig!“ Ben ging langsam auf sie zu, setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. „Und sie sind es genauso! Warum haben Sie das nur getan?“ Über Bens Lippen, huschte ein Lächeln. „Weil ich weiss, dass mein Freund uns rechtzeitig finden wird. Er hat es schon mehrmals geschafft, mich vor dem Tod zu bewahren, er wird es auch dieses Mal schaffen!“ Viktoria schmiegte sich an den stattlichen Oberkörper dieses Mannes und liess ihren Tränen freien Lauf.
Semir, Hotte und Dieter standen, mit den Waffen im Anschlag, vor der Wohnung. Semir legte seinen Kopf an die Türe und hörte, wie jemand eilig etwas durchwühlte. Er nickte und trat die Türe direkt auf. „Polizei stehen bleiben!“, schrie er und ein hagerer Mann stand im Flur. In seinen Händen, ein Gewehr. „Kommen Sie nicht näher“, zischte er gehässig, „ich werde schiessen!“ Semir zog eine Augenbraue hoch. „Und ich bin Brad Pitt“, erwiderte er cool und zeigte mit der Waffe auf das Gewehr. „Sie können mich erschiessen, aber dann werden meine Männer erbarmungslos auf sie feuern!“ Der Mann biss sich auf die Unterlippe. Der Finger, der sich um den Abzug krümmte, zitterte. „Was wollen Sie?“, fragte er langsam. „Die Wahrheit über Frau Renniger und den Aufenthaltsort meines Partners!“ Der Mann legte das Gewehr auf den Boden und hob seine Arme nach oben. „Frau Renniger sollte den Mann entsorgen, den ich mir vom Leibe geschafft hatte, stattdessen stürzt sich dieses ignorante Miststück in den Tod. Da musste mich einen Ersatz suchen!“ Semir hielt die Waffe gespannt im Anschlag. „Wo ist sie?“ Er lächelte. „Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, ansonsten tun Sie der Kleinen weh. Das arme Ding hat Leukämie. Da mir dies aber zu langweilig war, habe ich einen Test gefälscht. Als Arzt, kommt man überall hin. Aber die Löhne sind echt mickrig, ich musste mir einen Nebenverdienst überlegen…“
„…in dem Sie armen Frauen die am Existenzminimum stehen, falsche Hoffnungen machen!“ Er nickte mit einem diabolischen Grinsen. „Nun muss ich Sie verlassen, meine Herren!“ Er zuckte kurz mit seinem rechten Arm. Eine kleine Handfeuerwaffe kam zum Vorschein und bevor Semir und die Anderen reagieren konnte, hatte sich der Mann in den Kopf geschossen. Semir rannte auf ihn zu und fühlte den Puls. „Verdammt“, zischte er und schlug mit der Faust auf den Boden. „Hört ihr das auch?“, fragte Dieter und ging an Semir vorbei. Der Deutschtürke und Hotte folgten ihm.
Ben und Viktoria sahen auf, als die Türe aufging und Viktorias Mutter erneut den Raum betrat. In ihren Händen, ein neues Handy. „Wir müssen gehen!“, sagte sie und packte ihre Sachen zusammen. Ben zögerte. Doch bevor er handeln konnte, zeigte sie bereits wieder mit der Waffe auf ihn. „Aufstehen!“, drohte sie und Ben tat wie befohlen. Jedoch fühlte er sich müde und matt. Jede einzelne Bewegung schmerzte. „Du auch Schatz“, sagte sie nun im sanfteren Ton doch Viktoria schaffte es nicht. Die Anstrengung, die sich bei der Hilfe für Ben hatte, war zu hoch gewesen. Ihre Kraftreserven waren aufgebraucht. Sie zitterte. Ben wickelte sie in die Decke ein und nahm sie auf den Arm. Solange er noch konnte. Er folgte ihr und drückte Viktoria an sich. Diese sah müde zu Ben. „Sie wirken schwach“, flüsterte sie und schniefte wieder. „Alles wird gut Viktoria, dass verspreche ich!“ Ben sah, wie die Frau sich auf das Personal achtete und immer erst dann weiterging, wenn ihr der Rücken zugedreht wurde. Als sie auf dem verlassenen Parkplatz des Motels waren, befahl sie Ben, Viktoria auf den Rücksitz zu legen. Unter grosser Anstrengung tat Ben dies und ihm wurde übel. Er zog seinen Kopf sofort aus dem Wagen und erbrach Galle auf den Asphalt. Doch die Frau störte das wenig. Sie reichte Ben mit gerümpfter Nase ein Taschentuch. Er wusch sich den Mund. „Einsteigen!“, befahl sie knapp. Ben tat, wie ihm befohlen. Seit er das Mittel eingenommen hatte, war eine Stunde vergangen und ihn ereilte bereits die Übelkeit er erblickte seine Haut, die noch eine normale Hautfarbe hatte. Sollte diese doch eine gelbliche Farbe annehmen. War es nur noch eine Frage von Minuten, bis seine Nieren aufgeben würden.