14.
Ben zitterte. Jeder einzelne Muskel brannte und schmerzte ungemein. Immer wieder wimmerte und biss sich auf die Unterlippe. Besonders seine Wunden quälten ihn. Das Mädchen sah sich um. Wie konnte sie dem armen Mann helfen? Wärme! Das hatten sie doch in der Schule! Wärme beruhigt Muskeln. Sie zog die Decke vom Bett und wickelte sie um Ben. Sie hatte Angst. Angst vor ihrer Mutter, Angst, dass der Mann wegen ihr litt. Sie kniete zu ihm hinunter. „Bitte halten Sie durch!“ Sie merkte, wie er noch immer Schmerzen hatte und umarmte ihn, um zusätzliche Wärme zu geben. Ben versuchte, dass Zittern zu unterdrücken, doch die Muskeln arbeiteten auf Hochtouren. Sie drückte, mit der kleinen Kraft die sie noch hatte, ihn an sich. Für eine 13-Jährige war sie klein. Keine 1.50. „Kyle“, wurde sie deswegen scherzhaft immer auf der Schule von den Jungs genannt. Weil sie so klein und auch hübsch wie die australische Sängerin war. Bevor sie krank wurde.„Sie müssen sich hinlegen! Schaffen Sie das?“ Ben nickte. „Ich werde dich garantiert nicht noch mit meinem Gewicht belasten“, antwortete er mit zerknirschter Stimme und versuchte aufzustehen. Doch immer wieder sackte er wieder in die Knie und sie half ihm. Sie half ihm, mit ihren letzten Kräften, ihn aufs Bett zu legen und deckte ihn wieder richtig zu. „Wie ist dein Name?“, fragte Ben leise und sie seufzte. „Viktoria. Ich heisse Viktoria…bitte entschuldigen Sie. Meine Mutter ist nicht so“, Tränen sammelten sich in ihren Augen, „ich weiss nicht, was los ist. Seit heute Morgen ist sie so durch geknallt! Bitte verzeihen Sie ihr Herr…“„…Ben…einfach nur Ben…“, erwiderte er und wurde von einer nächsten Schmerzwelle überrollt.
Andrea erblickte das Telefon, als sie nickte und nahm ab. „Hartmut? Fragen kannst du später!“ Sie hörte aufmerksam zu und spürte die Blicke aller in ihrem Nacken. „Verstehe“, ihre Stimme klang enttäuscht. „Ja ich sage es. Danke.“ Sie hängte auf. „Und?“, fragte Semir ungeduldig. „Die Fingerabdrücke stammen alle von der Toten. Leider.“ Semir stöhnte und strich sich mit den Händen übers kurze Haar. Krüger kam aus ihrem Büro. „Ich habe eine Suchmeldung aufgeben lassen. Das LKA sucht nun mit. Hoffentlich sind sie uns dieses Mal eine Hilfe!“ Semir sah sie skeptisch an. „Es ist eine Lösung Herr Gerkhan. Und im Moment haben wir nichts besseres!“ Er nickte leicht. Immer wieder machte er sich Vorwürfe. Schwere Vorwürfe. Hätte er es bloss nicht getan. Hätte er Ben doch nicht einfach alleine gehen lassen. Wieso hatte er einen solchen Fehler begannen? Nervös lief er auf und ab. „Du wirst noch seekrank!“, mahnte Andrea und sah auf, als eine Beamtin der KTU auf sie zukam. „Hier noch einige Sachen aus der Wohnung“, sagte sie ohne Umschweife, „Hartmut sagte mir, sie könnten es brauchen!“ Andrea nickte dankend und nahm sie entgegen. Sie stellte die Dinge auf den Schreibtisch. Und verabschiedete sich von der Beamtin. Semir öffnete die Schachtel und suchte die Dinge hervor. Geldbörse, leere Notizblöcke, Schmuck. Andrea nahm sich der Blöcke an und fuhr mit dem Finger über sie. „Semir!“ Er sah sie an. Seine Frau zog ein Bleistift hervor und fuhr darüber. Leserlich, kam eine Nummer zum Vorschein. „Sieh‘ mal einer an!“, sagte sie.
Langsam beruhigte es sich. Ben konnte sich wieder aufrichten und atmete tief durch. Viktoria setzte sich neben ihm und hatte ein Glas Wasser in der Hand. „Danke“, flüsterte Ben und gönnte sich einen Schluck. „Ich weiss wirklich nicht was mit ihr los ist. Das ist einfach nicht meiner Mutter! Es ist sie einfach nicht!“ Sie schlug die Hände an den kahlen Kopf und begann bitterlich zu weinen. Ben nahm sie in den Arm. „Mein bester Freund ist wie ich, Polizist, er wird uns helfen können!“ Sie sah ihn an. „Sie sind Bulle?“ Er nickte. „Polizist um genau zu sein. Bullen sind faule Säcke. Wir sind die, die arbeiten.“ Sie seufzte. „Sie werden meine Mutter verhaften nicht wahr?“ Ben wusste nicht was antworten. Doch sie konnte genau in seinem Gesicht ablesen, dass es stimmte. „Sollte sie wirklich so weitermachen…dann muss es sein!“ Er sah sie erstaunt an. „Was sie da tut ist versuchter Mord Herr Jäger! Ich bin 13! Der Vater meiner beste Freundin ist Richter! Ich kenne mich aus!“