"Verdammt warum tut sich da nichts?", schrie Ben genervt und trat gegen die Tür. Semir, einigermassen wieder beruhigt, sah seinen Partner an, der mit der flachen Hand gegen die Wand schlug und den Rücken zu seinen Freunden drehte. Semir nickte Andrea zu und diese verstand. "Kommt, gehen wir kurz was zu trinken holen", begann sie und stiess Sarah, André und Tom weiter. Nun musste Semir nicht als Partner in der Autobahnpolizei das Problem angehen, sondern als bester Freund. Als er sah, wie die Gruppe verschwunden war, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder Ben. Die Schulter zuckten auf und ab und Semir konnte die verzweifelten Schluchzer hören. "Das ist nicht fair", stiess Ben hervor und ging in die Knie. Die Tränen flossen unentwegt über die Wangen und Semir kniete zu ihm. Zum ersten Mal traute er sich. Ben wirklich in die Arme zu nehmen und es nicht nur bei der Geste mit dem Rückenstreicheln zu lassen. "Ich liebe sie Semir! Ich will sie nicht verlieren!" Ben krallte sich an Semirs Jacke und wollte nicht loslassen. Er brauchte halt. Halt, dies durchzustehen. Diese Ungewissheit die ihn plagte um seine Freundin. "Sie wird es schaffen Ben! Ich weiss es!"
"Ben Jäger?", fragte eine zarte Stimme und Beide sahen auf. Sie erblickten die Gesichter von drei Frauen. Zwei Erwachsenen und einer Minderjährige. Die Älteste, vermutlich mitte fünfzig, hatte braunes Haar mit grauen Strähnen und war nicht gerade gross. Die Anderen Beiden waren Annelie wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur trug die eine ihr Haar kurz und trug eine Brille, während die andere eine Zapfenlockenfrisur trug.
Ben stand auf und wusch sich, peinlich berührt, die Tränen aus den Augen. Die kleinste mit den Zapfenlocken ergriff das Wort. "Ich heisse Stefanie Reichen. Und das ist meine Mutter Sandra und Annelies mittlere Schwester Joanna!" Ben wollte ihr die Hand geben doch die Frauen umarmten sie. "Wie geht es ihr?" Annelies Mutter hatte noch einen leichten Akzent in der Stimme. "Sie wurde in kurzer Zeit zum zweiten Mal in den OP geschickt!" Sandras Augen begannen zu glitzern. Sie schlug sich die Hand vor den Mund um Schreie aufzufangen. "Wo ist Ihr Mann?" "Ex-Mann meinen Sie?" Bens Augen weiteten sich. Von dem hatte Annelie nie gesprochen. "Wir sind erst seit kurzem geschiedene Leute. Treue war nicht gerade ein Wort, dass er in seinem Wortschatz hatte!"
Während Ben mit Annelies Mutter redete, kümmerte sich Semir um die jüngeren Schwestern, die sich mit ihm gesetzt hatte. Der Deutschtürke erzählte den Schweizerinnen alles genau im Detail. Stefanies Gesicht wurde wutrot. "Ich wusste doch, dass ihre Berufswahl sie noch umbringen wird!", schrie sie und lenkte so auch die Aufmerksamkeit von Ben und Sandra auf sich. "Stefanie bitte!", zischte sie und die Angesprochene verschränkte die Arme. "Stimmt doch! Was hast du sie unterstützt? Ich habe doch gesagt, dass sie zu zart für den Beruf ist! Ich hatte recht!"
"Du hast doch immer recht", bemerkte Joanna mit Augenrollen und sarkastischem Unterton. "Und eins, sie begeht denselben Fehler wie du!" Sandras Augen weiteten sich. "Was meinst du?", fragte sie obwohl sie ahnte, was kommen würde.
"Sie angelt sich einen Deutschen! Echt! Ich hatte doch mit allem recht!" Ben schien äusserlich ruhig zu bleiben. Doch Semir sah, wie er innerlich brodelte. Sandra reagierte ganz anders. Sie ging zu ihrer Tochter und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. "Die Einzige, die von ihrem Weg abkommnt bist du Stefanie", zischte sie mit Tränen in den Augen. "Du vergeudest dein Leben in dem du in das der Anderen pfuschen willst. Herr Jäger, ist bei Annelie geblieben! Ausserdem wirkt er nicht wie dein Vater, dem du aber sehr ähnlich bist!" Dies schien ein verbaler Schlag gewesen zu sein. "Ich gehe in die Cafeteria!", zischte Stefanie und hastete davon. "Ich werde mich darum kümmern", meinte Joanna mit einem Seufzen und rannte hinterher. Sandra schluchzte kurz. "Tut mir Leid Ben", mit dem zeigte sie, dass Ben sie mit dem "Du" ansprechen durfte, "aber sie ist Moment in einer schwierigen Phase!" Ben winkte ab und nahm sanft Sandras Hände. "Wir müssen einfach zusammenhalten im Moment! Und beten, dass Annelie es schafft!" In diesem Moment ging die OP-Türe auf.