Beiträge von jenni

    "Verdammt warum tut sich da nichts?", schrie Ben genervt und trat gegen die Tür. Semir, einigermassen wieder beruhigt, sah seinen Partner an, der mit der flachen Hand gegen die Wand schlug und den Rücken zu seinen Freunden drehte. Semir nickte Andrea zu und diese verstand. "Kommt, gehen wir kurz was zu trinken holen", begann sie und stiess Sarah, André und Tom weiter. Nun musste Semir nicht als Partner in der Autobahnpolizei das Problem angehen, sondern als bester Freund. Als er sah, wie die Gruppe verschwunden war, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder Ben. Die Schulter zuckten auf und ab und Semir konnte die verzweifelten Schluchzer hören. "Das ist nicht fair", stiess Ben hervor und ging in die Knie. Die Tränen flossen unentwegt über die Wangen und Semir kniete zu ihm. Zum ersten Mal traute er sich. Ben wirklich in die Arme zu nehmen und es nicht nur bei der Geste mit dem Rückenstreicheln zu lassen. "Ich liebe sie Semir! Ich will sie nicht verlieren!" Ben krallte sich an Semirs Jacke und wollte nicht loslassen. Er brauchte halt. Halt, dies durchzustehen. Diese Ungewissheit die ihn plagte um seine Freundin. "Sie wird es schaffen Ben! Ich weiss es!"
    "Ben Jäger?", fragte eine zarte Stimme und Beide sahen auf. Sie erblickten die Gesichter von drei Frauen. Zwei Erwachsenen und einer Minderjährige. Die Älteste, vermutlich mitte fünfzig, hatte braunes Haar mit grauen Strähnen und war nicht gerade gross. Die Anderen Beiden waren Annelie wie aus dem Gesicht geschnitten. Nur trug die eine ihr Haar kurz und trug eine Brille, während die andere eine Zapfenlockenfrisur trug.


    Ben stand auf und wusch sich, peinlich berührt, die Tränen aus den Augen. Die kleinste mit den Zapfenlocken ergriff das Wort. "Ich heisse Stefanie Reichen. Und das ist meine Mutter Sandra und Annelies mittlere Schwester Joanna!" Ben wollte ihr die Hand geben doch die Frauen umarmten sie. "Wie geht es ihr?" Annelies Mutter hatte noch einen leichten Akzent in der Stimme. "Sie wurde in kurzer Zeit zum zweiten Mal in den OP geschickt!" Sandras Augen begannen zu glitzern. Sie schlug sich die Hand vor den Mund um Schreie aufzufangen. "Wo ist Ihr Mann?" "Ex-Mann meinen Sie?" Bens Augen weiteten sich. Von dem hatte Annelie nie gesprochen. "Wir sind erst seit kurzem geschiedene Leute. Treue war nicht gerade ein Wort, dass er in seinem Wortschatz hatte!"
    Während Ben mit Annelies Mutter redete, kümmerte sich Semir um die jüngeren Schwestern, die sich mit ihm gesetzt hatte. Der Deutschtürke erzählte den Schweizerinnen alles genau im Detail. Stefanies Gesicht wurde wutrot. "Ich wusste doch, dass ihre Berufswahl sie noch umbringen wird!", schrie sie und lenkte so auch die Aufmerksamkeit von Ben und Sandra auf sich. "Stefanie bitte!", zischte sie und die Angesprochene verschränkte die Arme. "Stimmt doch! Was hast du sie unterstützt? Ich habe doch gesagt, dass sie zu zart für den Beruf ist! Ich hatte recht!"
    "Du hast doch immer recht", bemerkte Joanna mit Augenrollen und sarkastischem Unterton. "Und eins, sie begeht denselben Fehler wie du!" Sandras Augen weiteten sich. "Was meinst du?", fragte sie obwohl sie ahnte, was kommen würde.


    "Sie angelt sich einen Deutschen! Echt! Ich hatte doch mit allem recht!" Ben schien äusserlich ruhig zu bleiben. Doch Semir sah, wie er innerlich brodelte. Sandra reagierte ganz anders. Sie ging zu ihrer Tochter und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. "Die Einzige, die von ihrem Weg abkommnt bist du Stefanie", zischte sie mit Tränen in den Augen. "Du vergeudest dein Leben in dem du in das der Anderen pfuschen willst. Herr Jäger, ist bei Annelie geblieben! Ausserdem wirkt er nicht wie dein Vater, dem du aber sehr ähnlich bist!" Dies schien ein verbaler Schlag gewesen zu sein. "Ich gehe in die Cafeteria!", zischte Stefanie und hastete davon. "Ich werde mich darum kümmern", meinte Joanna mit einem Seufzen und rannte hinterher. Sandra schluchzte kurz. "Tut mir Leid Ben", mit dem zeigte sie, dass Ben sie mit dem "Du" ansprechen durfte, "aber sie ist Moment in einer schwierigen Phase!" Ben winkte ab und nahm sanft Sandras Hände. "Wir müssen einfach zusammenhalten im Moment! Und beten, dass Annelie es schafft!" In diesem Moment ging die OP-Türe auf.

    Kapitel 19


    Umsonst?


    Die Fahrt im Laderaum war unruhig und nervös. Dieter hasste solche Fahrten, besonders wenn der Sonnenschein nur leicht durch Ritze in den Raum gelingen konnte. Ausserdem war es kalt. Eiskalt in diesem Wagen und er befürchtete, dass sich Bens körperlicher Zustand so verschlimmern würde. Doch der Junge kämpfte tapfer, dass sah er genau. Semirs Leben stand auf dem Spiel. Bens Augen strahlten Sicherheit, Mut und Stärke aus. Dieter bewunderte dies. Er selbst, hatte Angst. Angst um sein Leben, Angst um Semir und Angst um Ben. Zudem schien dieser Tayfun skrupelloser als Sanders selbst zu sein. Er würde sie umbringen, wenn sie ihre Rache an Semir vollenden konnten. Tausende Gedanken kreisten in seinem Kopf. Als Erstes natürlich sein Sohn. Sein geliebter Sohn. Er betete im Stillen, dass Gott seinen Sohn, falls er bei dieser Aktion sterben würde, beschützt. Ben sah die gefalteten Hände und das verzogene Gesicht Dieters. Er legte eine Hand auf die Betenden Dieters und lächelte ihn an. „Seine Hilfe können wir wirklich gebrauchen“, sagte er mit ernster Stimme und Dieter nickte. „Ich bin zwar nicht der absolute Gläubiger“, gestand Ben und atmete tief durch, „aber…Allah und Gott sind derselbe. Also sollte er Semir beschützen. Und uns! Egal was passiert!“


    Tayfun hielt auf dem Parkplatz des, noch leer stehenden, Hochhauses und stieg aus. Sanders wartete bereits dort. Mit verschränkten Armen und einer Zigarette im Mund, erwartete er seinen Kumpanen. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht“, bemerkte er trocken und Tayfun zuckte mit den Achseln. „Eine kleine Schwierigkeit. Hat sich aber schnell behoben!“ „Semir sollte aus dem Krankenhaus raus sein. Als ich nämlich kurz noch im Krankenhaus nachsehen ging, hatten die Schwestern eine riesen Panik geschoben, weil ein Patient geflüchtet war, ohne sich selbst zu entlassen!“ Tayfun lächelte. „Das ist unser Semir!“ Er ging hinten zum Laderaum und öffnete diese. Sofort hielt er wieder die Waffe fest in der Hand. „Aussteigen“, befahl er knapp und Dieter half Ben wieder, auszusteigen. „Hast du meinen Rat befolgt?“ Dieter sah Sanders an, der auf Bens Beinwunde zeigte. Widerspenstig nickte der Grossgewachsene. „Ich weiss, du kannst mich nicht leiden aber, ich hatte Recht. Hättest du die Scherbe nicht rausgezogen, hätte es viel schlimmer um deinen Kollegen gestanden!“ Ben atmete tief durch. „Was hast du Semir am Telefon gesagt?“ Sanders hob die Schultern. „Wieso sollte dich das interessieren? Ich meine…“ Doch dann konnte Sanders etwas in Bens Augen lesen, was dieser eigentlich verheimlichen wollte. Nämlich den Schmerz, über Semirs Tat.„Er hat dir eine gescheuert!“, schlussfolgerte er und Tayfun sah Sanders erstaunt an. „Semir Gerkhan hat zum ersten Mal seinen Partner geschlagen!“ Beide, Tayfun und Sanders, lachten, packten sich je einen der Gefangenen und begaben sich zum Wellnessteil des Hochhauses.


    Semir fuhr die Autobahn entlang die zu diesem Gebäude führte. Den ständig pochenden Schmerz in seinem Kopf versuchte er zu ignorieren. Seine Umgebung war klar und langsam konnte er auch wieder geordnet denken. Ein grosser Schritt. Schliesslich brauchte er jede Gehirnzelle, um seine Freunde zu befreien. Er bog in die Einfahrt und parkte. Als er ausstieg, bemerkte er auf dem Boden kleine Blutstropfen. „Oh nein…“, stiess er hervor und fuhr mit dem Zeigefinger darüber. Etwas vom Lebenssaft blieb an seinem Finger haften. Also konnten sie noch nicht lange hier sein. Er ging in das Gebäude und betrat den Aufzug. Er tippte einen Stock an und mit einem lauten Surren fuhr der Lift los. Durch den gläsernen Aufzug, konnte er in die Stadt sehen. Es begann langsam zu Dämmern. Die Häuser hatten Licht und der Kölner Dom erstrahlte im Rot des Sonnenuntergangs. Des blutigen Rotes. Er schluckte schwer und sah nach oben, wo die schwarze Decke des Aufzugs seine Sicht behinderte. „Bitte lieber Gott…bitte hilf mir…“, flüsterte er und atmete tief aus.Als er aus dem Aufzug stieg erblickte er direkt in die Mündung einer Pistole. Und in das lachende Gesicht Tayfuns. Semir schnürte es den Magen zusammen. „Du!“, zischte er und Tayfun winkte mit der freien Hand. „Schön dich wieder zu sehen Hain[1]!“ Semir wollte seine Waffe ziehen. „Lass‘ das besser bleiben!“, drohte er und nickte zu einer Türe, an der mit goldener Schrift das Wort „Schwimmbad“ stand.


    Semir hob kapitulierend die Hände und so konnte Tayfun Semirs silberne Waffe an sich nehmen. „Nun gut, dann will ich dir mal deine Freunde zeigen!“ Er drückte die Waffe in Semirs Rücken und wies ihn in den Raum.Als er Ben erblickte, weiteten sich seine Augen. Sein Partner war leichenblass und die Augen blutunterlaufen. Schweiss rannte die Stirn hinunter und das eine Bein war verletzt. Zwar wurde es provisorisch verarztet worden, doch sickerte schon wieder Blut durch den Verband. Dieter wirkte, bis auf eine bläuliche Wunde am Kopf, unversehrt. Zwischen den Beiden stand er. Sanders. „Überrascht?“, fragte dieser spottend und Semir sah kurz und entschuldigend zu Ben. Dieser verstand die Geste und nickte. „Jetzt nicht mehr“, antwortete der Deutschtürke dann und schluckte. „Lass‘ sie frei Kevin! Du hast nun mich!“ Kevin lachte lauthals. „Sicher, versprochen ist versprochen!“ Semir hörte das Plätschern des Wassers. Der Pool war anscheinend vor kurzem gefüllt worden. Kevin holte aus und schlug Dieter an die Schläfe. Bewusstlos sackte dieser zusammen. Semir stiess einen Schrei des Wutes aus und wurde von Tayfun gepackt. „Keine Sorge, ich bringe sie nicht um!“ Noch einmal holte Semirs ehemaliger bester Freund aus und stiess Ben in den Pool. Dieser schrie kurz und spitz bevor das Wasser seine Stimme ersterben liess.






    [1]Türkisch für „Verräter“

    Sarah und Andrea rannten durch die Gänge, Sarah mit ihrem Sohn in den Händen und Andrea hatte Aida Huckepack genommen. Die Nachricht hatte ihnen André geschickt, der zuvor von seinem Partner angerufen wurde. Sarah, die Annelie noch besser kannte als Andrea, ging auf ihren Mann zu und sah ihn mit grossen Augen an. Sie brauchte nichts zu sagen - André verstand sofort. „Wir wissen noch nicht wie es um sie steht! Sie sitzt immer noch im OP!“ In Sarahs Augen sammelten sich die Tränen. „Hätten wir sie doch nicht eingeladen…hätten wir euch doch nicht eingeladen!“, warf sie sich vor und Bens Kopf schoss in die Höhe. Seine Augen waren vom Weinen rot gefärbt. „Sag‘ sowas nicht!“, drängte er mit tränenerstickter Stimme. „Uns war es eine grosse Ehre als ihr uns als Paten vorgeschlagen hat! David ist etwas vom Besten, was in meinem und Annelies Leben“, er pausierte kurz und atmete tief durch, „passieren konnte!“ Sarah sah Ben an der seine Mundwinkel verzog. Der Schmerz, das Bild der blutenden Annelie, sass tief in ihm. Semir konnte sich das nicht ansehen. Er stand auf und ging auf eine der Schwestern zu. „Herr Gerkhan, Frau Reichen wird gerade noch operiert! Ich kann Ihnen nichts sagen!“ Ihre Stimme wirkte leicht gereizt. Sie ging in den OP-Raum. „Da stimmt doch was nicht“, meinte nun auch Tom ungeduldig und lief auf und ab. „Ich hasse es zu warten, wirklich!“ Andreas Stimme war ungewohnt tief und zittrig. „Sie wird es schaffen“, sagte Semir optimistisch. „Sie ist eine Kämpfernatur und das wissen wir alle!“ Ben nickte, wenn auch zögerlich. Er sah, wie Semir sich neben ihn setzte und seine Hand wieder auf Bens Rücken legte. „Alles wird gut!“ sagte er bestimmt.


    Es vergingen noch weitere zwei Stunden, bis sich die OP-Türe öffnete und ein Arzt des alten Schlages trat hervor. „Sind Sie die Angehörigen von Frau Reichen?“ Semir stand auf und sagte: „Wir hier“, er deutete auf alle ausser Ben, „sind gute Freunde und er ist ihr Lebensgefährte!“ Der Arzt nickte. „Haben Sie ihre Verwandten informiert?“ Ben schüttelte mit dem Kopf. „Hat sie noch Verwandte?“ Semir nickte. „Ihre Eltern und zwei Schwestern!“ Tom ging auf Ben zu. „ Hast du ihre Nummern?“ Er nickte und nahm seine Geldbörse hervor. Er übergab Tom einen Notizzettel und dieser entfernte sich. Ben stand auf. „Wie geht es ihr?“ fragte er und der Arzt seufzte. „Ich muss ehrlich mit Ihnen sein. Das Messer hat Frau Reichens Lunge verletzt. Es ergab ein Loch in dem Organ. Sie muss künstlich beatmet werden, bis sich das Loch mithilfe der Medikamente verschliesst. Zudem hatte sie einen hohen Blutverlust. Das Fieber konnten wir einigermassen senken. Aber, ein Restrisiko bleibt. Wir haben sie ins künstliche Koma verlegt!“ Semir sah Ben an. Er wirkte ruhig. „Kann ich zu ihr?“, fragte er leise. „Wir haben sie auf die Intensivstation verlegt. Solange die Verwandten nicht da sind…“ Semir seufzte. „Können Sie in diesem Fall keine Ausnahme machen? Er ist ihr Lebensgefährte!“ Der Arzt sah in die treuen Augen Semirs. Er atmete tief durch. „Nun gut, aber ich kann es nur ihm gestatten. Jedoch dürfen sie ans Fenster der Station.“ Semir nahm Ben bei der Hand. „Komm‘“, sagte er sanft und Ben folgte ihm.


    Der Arzt führte sie zu der Station die, für Ben jedenfalls, immer nach Tod roch und die Stille perfektionierte. Manche Scheiben hatten Vorhänge, die geschlossen waren. Annelies Zimmer befand sich am Ende des Ganges. „Herr…“ „Jäger“, vollendete Ben den Satz und der Arzt nickte. „Herr Jäger. Sie müssen den Kittel anziehen. Und eben. Erwarten Sie nichts. Sie liegt im künstlichen Koma.“ Ben nickte und sie gingen zum Zimmer. Semirs, Sarahs, Andrés und Andreas Atem stockte. Leichenblass lag Annelie in ihrem Bett. Das schwarze Haar führte dazu, dass sie noch bleicher wirkte, als sie sonst schon war. Sie wurde mit einem Schlauch in der Luftröhre beatmet. Ein EKG-Gerät zeigte ihren Herzschlag. Und die Kurven waren sehr tief. „Grosser Gott!“, hörte Semir Sarah ausstossen. Alle sahen zu, wie Ben zu ihr ans Bett ging. Sie hörten Schritte und sahen Tom auf sich zukommen. „Konntest du sie erreichen?“ Er nickte. „Sie haben sogar noch dem Arzt bestätigt, dass Ben zu ihr dürfte.“ Toms Blick war traurig. „Sie wollten nach Bonn reisen, um Bens Eltern kennen zu lernen und Ben selbst!“ Semir schluckte. Diese Ironie des Schicksal war doch jedesmal wieder albern. „Wir müssen die Taufe verschieben! Ohne Annelie will ich sie nicht durchziehen!“ Auf Sarahs Satz hin nickte André. „Ich werde mich Morgen um alles kümmern!“, versprach er ihr.


    Ben setzte sich auf den Stuhl und sah seine Freundin mit traurigen Augen an. „Was machst du nur für Sachen?“, murmelte er und unterdrückte einen Schluchzer. „Du musst durchhalten hörst du. Für unsere Freunde, Verwandte und David! Was soll der denn ohne seine quirlige Patentante machen? Oder ich, was soll ich ohne mein nervige Begleitschaft tun?“ Tränen sammelten sich in seinen Augen und tropften auf das Bettlaken. „Ich liebe dich Annelie! Seit bald nun einem Jahr! Und wir wollten noch unsere Zeit doch geniessen, bevor wir in die „Planung“ gehen würden! Soll ich die drei oder vier Jahre alleine verbringen?“ Er nahm ihre eiskalte Hand und schwieg.

    Dieser hatte die Hände gefaltet und seinen Kopf darauf gebettet. Noch nie hatte Semir seinen Partner in einer betenden Position gesehen. Er legte eine Hand auf Bens Schultern und spürte, wie dieser bebte. "Ich habe Angst", gestand er ehrlich und sah zu Semir auf. "Alles wird gut Ben! Das schwöre ich dir! Annelie ist zäh! Sie ist Schweizerin!" Ben legte den Kopf schief. "Okay, Deutschschweizerin!", korrigierte er sich selbst. "Wir holen sie da raus!", meinte auch Tom und sah seine Freunde durch den Rückspiegel an. Ben nickte nur zögerlich. "Ich hoffe es", murmelte er und sah, wie Tom in die Schrebergarten einfahr einbog. "Hier", er übergab Semir und Ben eine Waffe, "die habe ich zwei uniformierten abgenköpft!" Entgeistert nahmen die Beiden die Pistolen entgegen. "Annelie ist eine gute Freundin, mir ist jedes Mittel recht!" Ben war glücklich, dass er so gute Freunde hatte. Und das Tom besonders ruhig blieb. "Und im übrigen, dieser Aaron wird mir gehören, ist das klar?" Auf Toms Satz hin nickte Ben nur zögerlich. "Solange Annelie noch heil ist."


    Aaron sah auf, als er den Wagen hörte. "Um diese Zeit kommt doch niemand vorbei!", dachte er laut und Annelie bekam ein breites Grinsen. Doch sie konnte die Augen kaum noch offenhalten. Noch immer floss ein wenig Blut aus der Wunde und ihre Hose war an dieser Stelle schon rot. "Jetzt bist du dran", keuchte sie jedoch und Aaron sah sie entgeistert an. "Dann muss ich meinen Plan ändern!" Er rammte die Klinge unter Annelies Brustkorb auf der linken Seite. Sie riss ihre Augen weit auf und stiess einen spitzen Schrei aus. "Tut mir leid Süsse", Aaron schnitt Annelies Fesseln auf und warf die junge Frau auf den Boden, "aber dein Freund sollte wenigstens sehen, wie du stirbst!" Er flüchtete durch die Hintertür. "So long Darling!" Annelie hörte die Tür hinter sich zuknallen. Sie spürte das feuerheisse Blut, dass aus der Wunde floss und den Boden langsam zu benetzten begann. "Bitte nicht", schluchzte sie. Der Schmerz hielt sie nun wieder wach. "Ben...hilf' mir!"



    Tom sah, wie Aaron herauskam. "Den krieg' ich!" schrie er und rannte Semir und Ben davon. "Kümmert ihr euch um Annelie! Sie muss da drin sein!" Semir erblickte, wie Ben zu dem Haus lief und die Tür aufriss. Sofort kam Semir hinter ihm her. "ANNELIE!", hörte er seinen Partner schreien. Bens Freundin lag auf der Seite und hielt sich mit der Hand auf eine Wunde, unterhalb des Brustkorbs. "B-Ben?", stockte sie hervor und lächelte, als ihr Freund sich über sie bog. "Du bist gekommen!" In Bens Augen sammelten sich die Tränen. "Ja, ja ich bin da mein schatz!" Er wusch ihr eine dreckige Haarsträhne aus dem Gesicht. Semri nahm sofort sein Handy hervor und verständigte einen Krankenwagen. Danach kniete er neben Ben und sah Annelie besorgt an. "Du bist auch hier?" Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern und ihre Augen fielen langsam zu. "ANNELIE NEIN!"

    Kapitel 18


    Vertrauen


    Sanders beugte sich vor und sah, wie Krüger in Hottes Armen landete und Beide in Richtung des Wagens spurteten. Er versuchte noch zu Zielen, doch sie stiegen in den Wagen und verschwanden. „Scheisse“, fluchte er und ging in das Zimmer, in dem er seinen ganzen Racheplan ausgetüftelt hatte. Er durchsuchte alles. Doch fand er es nicht. Sein schwarzes Notizbuch und der Ordner mit den Briefen fehlten. „Verdammt!“ Er trat gegen die Wand und ignorierte den aufkommenden Schmerz im Fuss. Nun drängte die Zeit. Sie waren ihm also auf den Fersen. Irgendwer hatte also weiterermittelt. Diese junge Frau mit den Fuchsaugen und der starken Ausstrahlung und dieser beleibte Polizist. Ein kalter Schauer übermahnte ihn und er musste nachdenken, trotz des Zeitmangels. Er nahm sein Handy hervor und wählte eine Kurzwahl. „Tayfun? Bist du aus dem Krankenhaus raus?“ Seine Frage wurde bejaht. „Sehr gut, du musst dringend mit den Beiden zu dem Zielort! Sie sind uns auf den Fersen!“ Mit diesen Worten hängte er auf. „Hoffentlich setzt Semir seinen Kopf durch“, zischte er weil er seinen Plan in Luft aufgehen sah. Seine Rache an Semir schien ihm so perfekt! Und nun waren diese anderen Autobahnpolizisten hinter ihm her.


    „Das war knapp“, keuchte Hotte und fuhr zur Autobahneinfahrt. „Knapper als knapp!“, stimmte Krüger zu und öffnete das Notizbuch. Ihre Aufmerksamkeit galt der letzten Zeile. „Er hat den Bestimmungsort nicht hingeschrieben!“, zischte sie wütend und war kurz davor, dass Buch wegzuschmeissen. „Aber wir wissen, dass sie Semir umbringen wollen! Also müssen wir ihn schützen, wenn er nämlich erfährt dass Ben und Dieter entführt wurden, läuft er Amok!“ Die Chefin sah ihn entsetzt an. „Also nicht wörtlich gemeint“, versuchte er sie zu beruhigen und sie nahm ihr Handy hervor. „Was haben Sie vor?“, fragte Hotte verwundert. „Ich werde Herrn Gerkhan alles sagen! Es ist besser, wenn er es von uns erfährt!“ In diesem Punkt konnte er nur zustimmen. Jedoch hatte er ein ungutes Gefühl. Irgendetwas sagte ihm, dass Semir bereits die Wahrheit wusste. Er konnte es sich nicht erklären aber dieser Druck in der Magengegend hatte er nur selten. Kim Krüger legte ihr Handy an ihr Ohr und wartete ab, bis jemand ab nahm. In der Klinik hatte sie sich die Nummer von Semirs Zimmertelefon geben lassen. „Herr Gerkhan?“ fragte sie als abgenommen wurde.


    „Chefin, gerade eben hat mir jemand einen Zettel unter der Türe ins Zimmer geschoben!“ Kim Krüger kannte diesen Ton in Semirs Stimme genau. Der leidende, verletzte Polizist war verschwunden und machte Platz für einen von Wut angetriebenen Freund, der seinen Partner finden wollte. „Was steht auf dem Zettel?“ Hotte konnte im Gesicht seiner Chefin sehen, dass auf dem Zettel nichts Gutes stand. „Bleiben Sie wo Sie sind! Ich habe Ihnen gesagt dass…“ In diesem Moment wurde abgehängt. „GERKHAN!“ Die Stimme Kim Krügers überschlug sich und Hotte zuckte leicht.„Dieser…“ Weiter kam sie nicht. Sie stöhnte und knirschte mit den Zähnen. „Geben Sie Gas Herzberger! Ich will im Krankenhaus sein bevor Gerkhan abhauen kann!“ Hotte nickte und drückte aufs Gaspedal. Doch es war zu spät.


    Semir küsste seine Frau und diese seufzte. „Ich hoffe, du weisst was du da tust“, murmelte sie als sie ihrem Mann dabei zusah, wie dieser seine Kleidung anzog. „Er hat Ben und Dieter Andrea! Ich kann nicht zulassen, dass wegen mir Unschuldige sterben müssen!“ Sie wusste nichts zu erwidern. „Aber, was wenn du…“ Semir lächelte, zog Andrea an sich und küsste sie auf die Stirn. „Mir wird nichts passieren Schatz! Glaub‘ mir, alles wird gut!“ Sie umarmten sich noch einmal und Semir rannte aus dem Zimmer. Die Dienstwaffe im Schulterhalfter und der Verband abgenommen. Lediglich die Pflaster liess er noch auf den Wunden, damit diese nicht zu sehr beschmutzt wurden. Aber in seinem Fall, so dachte er, hätten sicher nicht einmal Stahlplatten gereicht. Er lief zum Wagen von Andrea und stieg hinein. Ohne zu zögern startete er den Motor und fuhr los. Noch war kein Polizeiwagen in Sicht, also waren Krüger und Hotte noch nicht zur Stelle. Er musste sie verpassen, jegliche Verzögerung könnten das Leben seiner Kollegen in Gefahr bringen.


    Dieter wollte gerade die Türe öffnen, als diese mit voller Wucht gegen sein Gesicht schlug und er seine Nase knacken hörte. Feuerheisses Blut schoss aus den Nasenlöchern und floss über die Lippen. Sofort hielt sich der Grossgewachsene die Hand vor den Mund und verzog das Gesicht. Tayfun betrat die Hütte mit einem schelmischen Grinsen. „Oh, dass tut mir jetzt aber Leid“, säuselte er und sah zu Ben, der ihn schon wieder mit giftigem Blick ansah. „Du kannst noch so oft versuchen, mich mit deinem Blick zu töten Ben, es wird dir nichts bringen!“ Ben zog es den Magen zusammen. „Jäger wenn ich bitten darf!“ Seine Stimme war leise und zittrig. „Du willst mir drohen?“, fragte Tayfun herausfordernd und brach in schallendes Gelächter aus. „Sieh‘ dich doch an! Du kannst ja kaum gehen!“ Er deutete auf den Verband, wo inzwischen mit Blut vollgesogen war, weshalb Ben blass war. „Du hast keine Ahnung Kumpel! Nun habe ich die Fäden in der Hand.“ Ben sah, dass direkt an der Türe ein Kleinlaster geparkt war. Der Kofferraum offen. „Du wirst bald Semir wiedersehen! Sicherlich ist er gerade aus dem Krankenhaus getürmt, um euch zu retten!“ „Sie Schwein!“, klang es dumpf von Dieter und Tayfun wollte mit seiner Waffe zum Schlag ausholen, doch Ben humpelte zu ihm hin und hielt den Schlag auf. Sehr zur Verwunderung von Tayfun. „Immer noch genauso dreist“, meinte der Türke dann mit verachtender Stimme und versuchte, Bens zornigem Blick auszuweichen.


    „Nur weil du mit Semir zusammenarbeitest musst du dir nichts darauf einbilden!“ Tayfun zog die Hand weg, aber Bens Blick blieb. Trotz des milchigen Gesichtes wirkte die Mine noch immer einschüchternd. „Steigt ein!“ Ben wollte einen Schritt gehen, als ein unerträglicher Schmerzwall seinen Körper übermannte und er einzuknicken drohte. Doch Dieter, mit seinem blutverschmierten Gesicht, hielt ihn auf. Unter Tayfuns diabolischem Grinsen, half der Ältere seinem Kollegen aufzustehen und stützte ihn. „Da siehst du’s!“ belehrte Tayfun Ben und sah, wie dieser nicht vor Schmerz, sondern vor Wut zitterte.Dieter war vorsichtig und sanft, als er Ben in den Laderaum half. Beide erschraken, als Tayfun die Türe zuschlug und abschloss. „Wir waren so kurz davor“, meinte der Ältere enttäuscht. „So schlecht ist das auch wieder nicht! Wir können Semir retten! Wir müssen uns zwar noch ausdenken wie, aber wir schaffen das Dieter!“


    Kim Krüger rannte Hotte voraus. Dieser war erstaunt, in einem welchen Tempo die junge Frau in den Stöckelschuhen rennen konnte. Unter den verwunderten Blicken der Schwestern hielt sie Andrea auf, die gerade aus dem Zimmer kam. „Wo ist ihr Mann?“, fragte sie schroff und Andrea zuckte leicht zusammen. Doch sagte sie nichts. „Frau Gerkhan, ich weiss unser erstes Treffen lief nicht wie geplant, aber ich muss wissen wo ihr Mann ist!“ Wieder nichts. Keuchend, näherte sich Hotte von hinten. Völlig aus der Puste berichtete er Andrea, was sie in Kevins Zimmer gefunden hatten. „Andrea, du musst uns sagen wo Semir ist! Es ist für ihn, besonders in seinem Zustand, alleine einfach zu gefährlich!“ Andrea sah nicht in Hottes, sondern in Krügers Gesicht. Sie erblickte die reine Sorge und Ehrlichkeit in den Augen der Chefin ihres Mannes. Sie atmete tief durch. „Ich habe mir die Adresse gemerkt. Es ist das neu gebaute Hochhaus im Industriegebiet!“ Krüger packte Andrea an den Schultern und zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie ein erleichtertes Lächeln. „Das war die richtige Entscheidung“, lobte Krüger sie und tippte Hotte an. „Wir haben keine Zeit zu verlieren Herzberger! Auf!“ Mit einem grossen Stöhnen rannte Hotte hinterher. Andrea faltete die Hände und legte sie kurz an die Stirn. „Hoffentlich kommt alles gut!“

    Kapitel 17



    Kampf



    Dieter beugte sich über Ben und löste mit seiner Plastikscherbe auch noch das Schloss des noch gefesselten. "Gleich bist du frei." Auf Dieters Satz hin klickte es und Ben fühlte, wie der Druck um den Knöchel seines gesunden Beines schwand. "Danke Dieter", sagte Ben und atmete tief durch. "Wenigstens ein Bein in dem ich den Blutzyklus noch spüre!" Dieter konnte über diesen Scherz kaum lachen. "Ich sehe mal, ob ich die Tür irgendwie aufkriege!" Der grosse Polizist ging zur Tür und sah sich das Schloss an. "Sollte eigentlich genauso leicht zu öffnen sein wie unsere Fussfessel." Ben versuchte aufzustehen, schaffte es sogar ein paar Meter zu gehen, um Dieter die Scherbe zu überreichen. Der Schmerz war ihm egal. Er wollte Semir retten. Sei's drum, dass sein Bein brannte, schlimmer wie jede Verbrennung, oder dass seine Augen sich langsam wie Glasmurmel anfühlten. "Meinst du, du schaffst das?" Auf Bens Satz hin wurde Dieters Lächeln breit und er hob symbolisierend die Scherbe. "Ich glaube, dass wird mein neues Standartwerkzeug!" Er steckte sie in das Schloss und begann darin rumzubohren. "Leg' dich noch hin Ben! Du wirst naher alle Kraft brauchen!" Bens Gesicht strahlte. "Wir gehen hier raus mein Junge! Wir retten Semir, werden als Helden gefeiert und du kommst in ein Krankenhaus!" Ben nickte heftig. Er war froh, dass sein Partner Blut geleckt hatte.
    Er ging zurück aufs Bett, zog das gesunde Bein an den Körper und legte sich die Decke um. Er sah Dieter dabei zu, wie dieser dabei war, dass Schloss zu knacken.



    Tayfun schlich sich durch das Marienkrankenhaus. Natürlich wusste er, dass Köln ihn kannte vom Fernsehen und von den Zeitungen her. Also beschloss er, sich verdeckt zu halten. Er hatte sich, mitten auf dem Weg, von Sanders getrennt.
    Das Basecap tief ins Gesicht gezogen, erkundigte er sich nach Semirs Zimmer. Die junge, ahnungslose Schwester verriet ihm mit einem skeptischen Lächeln im Gesicht die Nummer und Tayfun bedankte sich. Zwar knapp, aber er tat es. Er lief die Treppen hinauf. Aufzüge waren für ihn zu riskant. Wenn er flüchten müsste, hätte er diese Möglichkeit genommen. Er ging also die Stufen hinauf zu Semirs Zimmer. Jedoch kann ihm niemals in den Sinn, reinzugehen. Dieses Mal war er nicht der Leiter des Planes, sondern ein Handlager. Ihm gefiel diese Bezeichnung nicht, aber seine Freiheit hängte von Sanders ab. Ein Anruf im Gefängnis und er wäre wieder drin. Und das wollte er nicht. Er genoss die Luft des Freiseins zu sehr. Also bog er sich dem Willen und tat, wie ihm geheissen. Seine Gang konnte er später noch aufbauen. Da gäbe es keinen Semir Gerkhan mehr und das Problem "Ben Jäger", würde er dann auch aus der Welt schaffen.
    Er nahm den Zettel und schob ihn unter der Türe durch, richtete sich wieder auf und rannte los.




    Semir sah, wie der Zettel in das Zimmer kam und sah zu Andrea. Diese nickte, ging zur Tür und hob den Zettel, sie las den Inhalt und erbleichte sofort. Semir sah sie zwar nur von hinten, doch das Zittern, dass Andrea von sich gab, entging ihn nicht. "Schatz?", fragte er besorgt und sie drehte sich um. Ihm etwas zu verheimlichen, brachte es nicht. Er war Polizist. Er würde die Wahrheit sowieso rausfinden. Ohne Worte überreichte er den Zettel. Semir las ihn, Andrea sah dass er sich anstrengen musste, aufgrund der Kopfschmerzen wollten seine Augen nicht richtig arbeiten. Doch es reichte, um die schreckliche Wahrheit ans Licht zu bringen. "Das ist Kevins Handschrift", sagte er entsetzt und hielt sich eine Hand vor den Mund. Aber nicht das Entsetzten machte sich in ihn breit, sondern die Schuldgefühle. "Ich habe Ben für nichts eine reingehauen! Er hatte mir die pure Wahrheit gesagt, du hattest mir die Wahrheit gesagt!" Andrea sah, wie ihr Mann bebte und sich beinahe vor Vorwürfe zerriss. "Du warst nicht du selbst", versuchte sie ihn aufzuheitern. Sie ging auf ihn zu, legte ihm beide Hände auf die Schulter und drückte ihn an sich. "Sie haben Ben Andrea..." Semir sah sie an. "Kommt nicht in Frage!", zischte diese sofort. "Nicht in deinem Zustand!" Doch Andrea sah bereits diesen Gesichtsausdruck und wusste, dass sie ihren Mann nicht mehr aufhalten konnte.



    Sanders betrat seine Wohnung und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Es roch befremndet. Nach Vanille und Mango. Diesen Duft hatte er nie in seiner Wohnung. Das Polieröl für seine Waffen roch immer nach Zitrone und seine Badesachen dufteten nach Mandeln. Vanille und Mango hatten keinen Platz in seinem alltäglichen Riechen. Also war es fremd! Und fremdes war nie gut! Er zog seine Waffe, die er in den Gürtel gesteckt hatte, hervor und entsicherte sie. Danach hörte er Getrampel und das Öffnen seiner Balkontüre. Er rannte sofort nach draussen. "Na los Herzberger!", hörte er eine Frauenstimme schreien. Doch auf dem Balkon war nichts zu sehen. Er sah sich um und erblickte eine Frau im langen Mantel und Anzug an der Feuerleiter. Sie hatte ihre Waffe in der Hand. "Waffe fallen Sanders!", mahnte sie obwohl sie ahnte, dass es nichts bringen würde. Und wirklich, Sanders schoss, ohne Rücksicht auf Verluste. Das Geschoss prallte an der Metallleiter ab und Krüger stieg hastig hinunter. Bei den letzten Tritten hörte sie Herzberger, unter dem lauten Donnern der Schüsse, schreien: "Lassen Sie los!" Sie sah nach unten und erblickte, wie Hotte mit offenen Armen da stand. Da liess sie los.

    Aaron zog langsam sein langes Armeemesser aus der Tasche, dass er einst aus einem Besuch der Schweiz mitnahm und klappte es auf. Annelie erkannte es genau und als Doppelbürgerin mit schweizer Wurzeln wusste sie genau, wie scharf diese Dinger waren. Er musste es vorhin geholt haben. "Sieh an", säuselte Aaron mit einem Lächeln und glit mit dem Finger über die stumpfe Seite der Klinge, "du kennst dieses Messer also. Victorix, super Marke!" Annelie spürte, wie sie nicht nur vor Fieber zitterte, sondern vor Angst. Natürlich hatte sie in ihrer kurzen Kommissarenkarriere schon viel erlebt doch, Foltern hatte bisher noch nicht dazu gehört. Sie sagte nichts. "Da ich vermute dass du einen Freund hast, muss ich dich leider deiner Schönheit berauben!" Er legte die freie Hand auf Annelies Kinn und diese biss ihm in den Zeigefinger. So tief, dass sie den kupfrigen Geschmack von Blut im Mund hatte. Erschrocken zog Aaron seine Hand zurück und sah entsetzt in Annelies fiebrige Augen. "Wage es ja nicht", zischte sie und leckte mit der Zunge das Blut von den Lippen. "Du kleine Kuh!", zischte Aaron, holte aus und wollte zuschlagen. Doch er hielt inne,nahm das Messer und schnitt Annelie tief in den linken Oberarm. "Pass' ja auf Kleines!", mahnte er und glitt mit der Spitze der Waffe über Annelies Dekoltee und stoppte bei der Brust, "oder die Klinge bohrt sich da viel schneller hinein als du es geplant hast. Annelie schluckte tief.


    "Du bist wirklich wunderschön", Aarons Stimme war wieder umgeschlagen. Seine erotischen Gelüste in der Peinigung waren wieder klar zu hören und Annelie überkam das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Jedesmal wenn er sie ansah, zog ein Schauer über ihren Rücken. Noch nie hatte sie so ein Ekelgefühl gegenüber einem Mann empfunden. Bevor sie Ben kennengelernt hatte war sie eine Lebefrau. Genau wie Ben. Sie bevorzugte es, eine Beziehung nicht länger als drei Monate zu halten. Doch bei Ben war dies nun anders. Sie liebte ihn. Mehr als alle Männer zusammen, die sie zuvor geliebt hatte. Und nun sollte dies durch diesen Peiniger zuende gehen? Sie konnte nicht anders. Ihre starke Fassade bröckelte. Die Tränen flossen über ihre Wangen.

    Semir bei Bens Grossvater unter Schutz
    ...
    ...
    ...
    auf so eine Idee muss mal erst Mal kommen! :D :D :D Einfach genial!
    Die Geschichte ist sehr spannend. Mal sehen, was auf mich noch zukommt! ;)
    Gruss
    Jenni

    Zitat

    „Wenn das wirklich so ist, musst du vorsichtig sein. Irgendwie passt es mir überhaupt nicht, wenn du hier bleibst.“

    Ich stimme Tom und den anderen Fb'lern vollkommen zu :S

    Zitat

    „Das könnt ihr doch nicht machen! Ihr Wahnsinnigen! Er wird sterben ...“



    Ja Hartmut gib's ihnen!!!!!!!!! :evil: :evil: KAROTTENKOPFPOWER!!! :D :D *anfeuer*
    Du steigerst dich von Kapitel zu Kapitel und ich habe gedacht das sei nicht möglich, bei deinem tollen Schreibstil! Es wird von sekunde zu Sekunde spannender. *schon mal baldrian bereitstell*


    LG und nochmal einfach :thumbup:
    JEnni

    Über 90 Feeds? *Augenreib* 8| ...
    ... 'ne hab' mich nicht verlesen! :D
    Vielen, lieben Dank, euch alle KNUDDEL!




    Kapitel 16




    Falsche Zeugnisse




    Hartmut sass vor seinem forensischem Gerät und wartete auf das Ergebniss der Blutprobe. Er verfluchte die Technik da der Prozess nur schleppend voranging. "Komm schon", forderte er auf, "sag Papa was du hast!" Seine Hände zitterten vor Nervosität und Schweissperlen bildeten sich auf seiner Stirn. "Sag' es oder ich hau' dir eins über!" Ein Kollege, der gegenüber von Hartmut an einem Mikroskop sass, hob den Kopf und sah den Rotschopf mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Tut mir Leid", murrte Hartmut und kratzte sich am Kopf. Er hasste nichts mehr als Warten. Auch wenn er selbst immer bei Ben und Semir die Geduld anpries, hielt er sich selten daran. Geduld war zwar in seinem Beruf wichtig, doch in solchen Situationen vergass man jede Moral und machte der Menschlichkeit Platz. In diesem Falle der Angst um Ben und Dieter und was mit ihnen geschehen war. Hartmut wusste nicht wie er reagieren würde, wenn tatsächlich herauskäme, dass das Blut von einem der Beiden stammt. Würde er ausrasten? Cool bleiben? Oder einen Conga tanzen? Er konnte es sich nicht ausmalen. Alles war wie in einem Schleier gehüllt wie damals, als er unter Druck Ben im Sarg finden musste. Jeglicher Schrei von Semir war damals nur ein dumpfes Geräusch, dass durch die dichte Nebelsuppe durchdrang und im Gehirn wieder die volle Lautstärke erreichte.
    "Was hast du da eigentlich?" Hartmut sah zu seinem Kollegen, der nun neben ihm stand und die Blutprobe mit skeptischen Blick ansah. "Und deswegen machst du so einen Aufstand?", fragte er ein wenig verblüfft und Hartmut atmete tief durch. Wenn er jetzt ausrastet wäre, hätte er alles schlimmer gemacht. "Heute is' einfach nicht mein Tag", winkte er ab und sein Kollege setzte sich wieder an seinen Arbeitsplatz. "Wie du meinst aber, könntest du aufhören so zu zappeln? Sonst steckst du mich noch an und ich kann mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren!" Hartmut nickte langsam und blickte zum Automaten, als er piepte. Er spukte ein bedrucktes Blatt Papier aus und was er las, war nicht das, was er lesen wollte.





    "An dem Tag, als er gegen Tayfun aussagte?" Krüger sah Hotte an und dieser erzählte von dem Fall mit Semir und Tayfun. Das Semir als Jugendlicher gegen Tayfun und seine Gang ausgesagt hatte, weil diese einen Menschen niedergestochen hatten. "Sanders, hier den Zeilen zufolge, hatte ihm den finalen Stoss gegeben es zu tun, da er Semir schon lange kannte und seine kriminalistischen Taten nicht gut hiess. Und wenn man den letzten Abschnitt liest, hat man das Gefühl, dass alles wieder gut geworden war!" Hotte verschränkte die Arme, die Lesebrille noch immer auf der Nase. "Was es aber nicht war", ergänzte er und sah seiner Chefin dabei zu, wie sie umblätterte. "Das ist ja wie in einer Zeitmaschine", murmelte sie und zeigte ihrem Kollegen das Datum, "ein Zeitsprung von 15 Jahren in nur einer Seite! Erstaunlich. Wieso hatte er solange nichts mehr reingeschrieben?" Gemeinsam lasen sie den Eintrag durch und seufzten leise, als sie damit zuende waren. "Drogen, schlechter medizinischer Abschluss, arbeit als Assistenzarzt in einer Privatklinik. Semir aber hatte ein gutes Leben als Autobahnpolizist angefangen! Ich erinnere mich noch gut. Er war etwa so in Bens Alter, als er zu uns gekommen war." "Gemäss seiner Dienstakte stimmt das zeitlich überein. Aber das ist doch noch kein Grund, seinen besten Freund umbringen zu wollen!" Hotte zuckte mit den Achseln. "Menschen haben schon aus niedrigeren Gründen eigene Verwandte umgebracht." Trotz Hottes Kommentar blieb sie skeptisch. Das war ihr eindeutig zu wenig! Sie steckte das Buch ein und suchte weiter. "Wenn uns hier jemand erwischt", stöhnte Hotte und half ihr dabei. Sie fanden, in einem kleinen Fächlein versteckt im Boden, einen Ordner. Krüger wischte den Staub ab und öffnete ihn.




    Ben stöhnte und hielt sich sein Bein, als eine Schmerzwelle seinen tauben Körper übermahnte und Schweissperlen auf seine Stirn jagte. Dieter sagte nichts, sondern beugte sich zu ihm vor und hielt Bens Schultern. Er spürte, wie sein Kollege bebte und zitterte vor Schmerz. Nun wurde auch ihm endültig klar - sie mussten hier raus! Nicht nur wegen Semir, sondern auch wegen Ben. Dieser atmete tief durch und lehnte sich an die Wand. "Geht's wieder?" fragte Dieter besorgt und Ben nickte. "Ich habe eine Idee", murmelte er und wies auf die Scherben der zerstörten Handys. "Such da mal eine lange, dünne!" Dieter ahnte, was Ben vorhatte und tat, wie ihm geheissen. Er übergab, nach kurzer Suche, Ben eine der Scherben und dieser steckte sie in das Schloss der Fussfessel. "Einmal vergesse ich meine Tasche mit den Dietrichen!", grummelte Ben da sich die Arbeit mit dem Plastik als schwieriger herausstellte als gedacht. Da er, wegen Semirs "Unfall", so überstürzt aus der Wohnung gestürmt war, hatte er diese wichtige Utensil einfach vergessen. Dieter hatte sich ebenfalls eine genommen und versuchte seine Fussfessel zu öffnen. "Hoffentlich schaffen wir das, bevor die Beiden wieder da sind. Ohne unsere Waffen stehen wir nämlich ein bisschen dumm da!" "Bisschen ist gut", erwiderte Ben leise und und knurrte, als seine Scherbe ausseinander brach. "Na super!", stöhnte er und warf sie genervt auf den Boden. Dabei hörte er ein leises Klicken und sah in Dieters triumphierendes Gesicht. Er löste die Fessel. "Die Erfahrung mein Junge, die Erfahrung!"



    "Alles Drohbriefe von Tayfuns Truppe!", stiess sie entsetzt hervor. "Sie beschreiben hier wie Sanders Leben zur Hölle gemacht wurde. Aber nicht von ihnen!" Hotte nickte. "Sie haben es Semir in die Schuhe geschoben! Und in seinem damaligen, labilen Zustand hatte Sanders das sofort geglaubt!" Die Chefin nickte. "Anscheinend hatte sich Sanders dann Tayfuns Gruppe angeschlossen, als diese dann aber wieder von Gerkhan zerschlagen wurde, zusammen mit Jäger, hatte Sanders stabiles Leben wieder Risse..." Sie schlug die letzte Seite im Ordner auf. Es zeigte ein ärztliches Gutachten, dass Tayfunn psychisch und physisch labil war und Sanders ihn in Pflege nehmen würde. "Sanders hatte zum Schluss als Gefägnisarzt gearbeitet?" Genervt schlug Krüger den Ordner zu und sah Hotte mit ernstem Gesicht an. "Am Besten wir gehen ins städtische Gefängnis und fragen nach. Irgendjemand wird dort Bescheid wissen!" Hotte nickte zustimmend. Beide wollten gerade losgehen als sie hörten, wie die Türe geöffnet wurde und jemand seine Waffe entsicherte.