Ben blickte aus dem Fenster und sah, wie der Schnee langsam zu fallen begann. Der Erste in diesem Jahr. Seine Lider waren schwer und eine steht's anhaltende Müdigkeit begann ihn einzuholen. Anscheinend war seine Erkältung doch nicht so ein Kinderspiel, wie er immer dachte. Und bis zum Revier ging es noch eine halbe Stunde. Doch er wollte sich nicht der Müdigkeit herrgeben, die Angst vor Albträumen und der kleine Junge gingen ihm einfach nicht aus dem Kopf. Doch irgendeinmal musste er seinem Körper ruhe geben. Doch die Frage nach dem Wann stellte er sich schon gar nicht.
Semir sah seinen Partner an. Er sah genau dass Ben gegen die anhaltende Müdigkeit kämpfte und sich vehement weigerte, zu schlafen. "Ben", der Angesprochene sah Semir an, "so gib' deinem Körper doch Ruhe!" Ben lächelte müde und lehnte sich gegen die Türe. "Ich kann nicht", flüsterte er leise und Semir stiess einen sorgvollen Seufzer aus. "Verdammt Ben! Bitte, es sind noch 25 Minuten bis zum Revier! Schlaf solange! Ansonsten schick' ich dich nach Hause!" Nun fiel dem Jüngeren kein Gegenargument mehr ein. Also tat er ihm befohlen und liess der starken Müdigkeit nun ihre Freiheit. Semir atmete erleichtert aus und konnte sich nun wieder der Strasse widmen.
Es roch nach Medikamenten und Blut. Der Raum war hell und das Licht grell. Wo war er?
"Wir brauchen mehr Konserven!" hörte er eine helle, laute Stimme schreien und langsam wurde das Bild klarer. War er in einem Krankenhaus? "Ben", flüsterte eine leise Stimme und er erkannte sie sofort. "Semir?" Er drehte sich um. Nichts. Wo war er? "Ben hilft mir..." Eine Hand griff sein Handgelenk und Ben drehte sich um. Er sah direkt in Semirs Gesicht, welches leichenblass war. Die Lippen blau und die Augen zeigten nur noch den Tod. "Semir!" Ben sah sich sein Partner an. Sein Shirt war aufgeschnitten und in der Brust klaffte eine Schusswunde. Ben beugte sich zu seinem Partner, griff seine Hand.
"Ich will nicht sterben..." In den Augen des Deutschtürken sammelten sich Tränen und Ben fühlte sich hilflos. "Du wirst nicht sterben...Unkraut vergeht nicht", stiess er hervor und biss sich auf die Unterlippe. "Mir ist kalt..." Ben drückte Semirs Hand fester. "Kämpf dagegen an Semir!" Semirs Hand war eiskalt und er schaffte es nicht, Bens Druck zu erwidern. "Ben..." Ben ging näher an Semirs Kopf und dieser neigte sich zu ihm. "Danke für alles..." Die Augen Semirs schlossen sich und Ben spürte den letzten Atemhauch an seinem Gesicht. "Nein...nein Semir!"
"NEIN!" Semir verursachte vor Schock beinahe ein Unfall und wurde mit lautem Gehupe beschimpft. "Gott Ben!" stiess Semir hervor und legte sich symbolisch die Hand auf die Brust. Als er jedoch Bens bleiches und vor Entsetzen erstelltes Gesicht sah, war seine Wut schnell verflogen. "Ben..." Er legte seinem Partner eine Hand auf die Schulter und spürte, wie Ben bebte und zitterte. "Alles in Ordnung?" Ben konnte seine Gedanken kaum ordnen. "Scheisse", flüsterte der Jüngere leise und sah, wie seine Hände zitterten und kaum unter Kontrolle zu bringen war. Er ballte sie zu Fäuste und lockerte sie wieder. "Ben was ist los?" Was sollte er nun tun? Lügen? Die Wahrheit sagen? Immerhin hatte Semir ihm schon viel aus der Vergangenheit erzählt und er durfte an seinem Familienleben teil haben. "Ich...ein Albtraum..." Selbst einen ganzen Satz konnte er vor Schock nicht zusammenbringen. "Gut, ein Albtraum und weiter?" Ben sah Semir an und dieser sah die pure Angst in den Augen seines jüngeren Partners. "Ich..." Sag es!, schrie immer wieder eine Stimme in seinem Kopf. Und er wollte es sagen. "Ich habe von deinem Tod geträumt..." Semirs Miene war zuerst geschockt, dann aber nach kurzer Zeit wieder gefasst. "Das war ein Albtraum Ben", begann er und bog langsam in die Einfahrt der Dienststelle, "das sind verdrängte Ängste. Hätte nie gedacht, dass du mich schon so magst." Ben verdrehte die Augen und schüttelte mit dem Kopf. "Es war alles so real...ich hab die Kälte deines Todes gespürt." Semir parkte den Wagen und stieg aus. Dann ging er zu Bens Seite und öffnete die Türe. "Es wird schon nichts passieren Ben!" versuchte er ihn zu beruhigen und Ben stieg aus. Das Zittern hatte sich ein wenig beruhigt und er nickte leicht. Griff jedoch zu seiner Kette. Er öffnete den Knoten und legte sie ab. "Du hast vielleicht recht", begann er und griff sich Semirs Hand, "jedoch: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser." Er legte die Kette in Semirs offene Handfläche und er sah Ben verwirrt an. "Mein Glücksbringer. Habe ich von Saskia bekommen. Und mir hat sie immer geholfen." Semir zuckte mit den Schultern und band sich die Kette um den Hals. Ben lächelte zufrieden. "Besser?" fragte Semir und Ben nickte. Semir klopfte seinem Partner auf den Rücken und drückte ihn leicht. "Sehen wir mal. Ob Susanne was für uns hat."
Susanne sass an ihrem Schreibtisch und blickte auf, als Semir und Ben das Büro betraten. Sie lächelte und stand auf. "Da seit ihr ja. Ich konnte die Eltern von unserer Studentin ausmachen. Jedoch sind Beide verstorben. Autounfall. Jedoch hat sie eine Freundin für anfällige Entscheidungen als verantwortliche Person eingesetzt. Ich hab sie angerufen. Sie wartet im Büro." Ben nickte leicht und Semir gab ein "Gut gemacht" von sich. "Für euch doch immer", erwiderte Susanne und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch.
Die junge Frau sass neben den Schreibtischen und zupfte immer wieder an ihrer Kleidung. Sie hatte langes, blondes Haar. Sie wirkte krank und mager. Jedoch lächelte sie schwach als sie Ben und Semir erblickte.
Sie stand auf und gab den Männern die Hand. "Sandra Köstner mein Name", stellte sie sich vor und Ben und Semir taten es ihr gleich. Sie setzte sich wieder und Ben begann als Erster. "Frau Köstner, waren Sie bereits bei unserem Pathologen?" Sie nickte mit Tränen in den Augen. "Ja...und er nannte mir auch die Todesursache. Wer tut nur so was schreckliches?"
"Das versuchen wir herauszufinden", antwortete Semir mit ruhiger Stimme und übergab der Frau ein Taschentuch. Sie bedankte sich und schneuzte kurz. "Wussten Sie auch, dass ihre Freundin Kokain schmuggelt?" Sandras Augen rissen weit auf und die Augen drohten beinahe aus den Höhlen zu fallen. "Nein! Wie..?"
"Sie hat die Drogen durch Kondome in den Magen befördert, wodurch sie , sie dann beim Zielort wieder ausscheiden konnte." Die zierliche Frau hielt sich die zitternde Hand vor den Mund. "Jesses...ich...ich wusste von nichts. Alexandra hatte Probleme seit dem Tod ihrer Eltern...aber nicht solch schlimme...zumindest dachte ich das." Sie stand auf und schüttelte immer wieder mit dem Kopf. "Ich...ich muss hier raus", Ben nickte nur und gab ihr seine Karte. "Falls Ihnen was anrufen sollte, rufen Sie uns bitte an." Sie ging ohne eine Antwort hinaus und schlug die Türe hinter sich zu.
"Glaubst du ihr?" fragte Semir direkt und Ben zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Aber sie sah echt zum fürchten aus." Semir lächelte kurz und zeigte dann auf Ben. "Du sahst vorhin auch nicht viel besser aus", bemerkte er und Ben versuchte sich nicht an die Bilder des Traumes zu erinnern. Er schloss kurz die Augen und schüttelte sich die Bilder aus dem Kopf. Als er die Augen öffnete, stand Semir bereits vor ihm. "Zieh nicht so ein Gesicht", er deutete auf die Kette auf seinen Hals und zwinkerte, "mir kann ja nichts passieren!"