Dienststelle - 8:00 Uhr
Am Vorabend hatten die beiden Polizisten nichts mehr ausrichten können - der Chefin gaben sie einen Überblick über die Ermittlungen und Geschehnisse seit dem Mord an ihrem Kontaktmann im Kölner Hafen. Dass sie über die Diskothek und die zufällige Drogendealerin Chloe Kruske an den zufälligen Drogenlageristen Hubert Kruske gekommen sind - und natürlich damit auch an Gregor Stimmer, nach dem bereits gefahndet wurde. Mit der Fahndung nach Chloe wollte Anna Engelhardt noch die Nacht abwarten - Jugendliche neigten zu Kurzschlussreaktionen, die genauso gut wieder ins Gegenteil umschlagen konnten und plötzlich würde das Mädchen mit den schwarzen Haaren wieder bei ihren Eltern vor der Tür stehen.
Semir übernahm die Aufgabe, bei Kruskes anzufragen. "Guten Morgen, Herr Kruske - ich kann mir denken dass die Nacht unruhig war." Er hörte eine müde, weit entfernt klingende Stimme: "Unruhig ist kein Ausdruck, Herr Gerkhan. Abgesehen von der Angst dass die beiden Typen nochmal aufkreuzen würden dominiert die Sorge um Chloe." Semir nickte, für Hubert Kruske natürlich nicht sichtbar. "Gehe ich Recht in der Annahme, dass Chloe noch nicht wieder aufgetaucht ist?" "Das ist leider so." "Gut Herr Kruske. Wir werden nun eine Fahndung nach ihrer Tochter einleiten - zu ihrem eigenen Schutz. Zivilfahnder stehen vor ihrem Haus, falls Stimmer oder sein Komplize nochmal zurück kommen. Wir werden ihre Tochter finden."
Der Kommissar beendete das Gespräch und gab dann an seinen Kollegen Dieter Bonrath die nötigen Infos zur Fahndung nach Chloe. Ben saß derweil bei Andrea am Tisch und hatte den Kopf auf die Hände gestützt. "Gregor Stimmer hat im Knast einiges an Beziehungen aufgebaut - soviel in die Drogen- als auch in die Schutzgeldszene. Weiß der Himmel mit wem er dieses Geschäft im Moment abzieht, und wer da noch mit drin hängt." Der ältere Polizist stellte sich schräg hinter seine Frau und Ben, um ebenfalls auf den Monitor zu schauen. Ihn sahen einige Mugshots von Verhafteten an - und ebenfalls von einigen, die längst wieder freigelassen wurden. "Also von dem, was ich bei der Verfolgungsjagd von dem Typen sah, kommen eigentlich nur die drei in Frage...", sagte Ben und Semir stimmte ihm zu, als er auf drei Männer mit kurzen grauen Haaren zeigte. Werner Pahnje, Emil Kamper und Frank Mahler. "Einer gefährlicher als der andere...", murmelte Semir dabei, was Ben mit einem sarkastischen Nicken und einem Seitenblick auf Semir quittierte... es klang schon wieder ängstlich und der junge Polizist erinnerte sich an das Gespräch, das er vor einigen Tagen mit Semir geführt hatte.
Die beiden Männer fuhren daraufhin auf Streife in der Hoffnung, dass die Fahndung Ergebnisse zeigen würde und sie dann schnell eingreifen könnten - ausserdem mussten sie ja auch ihrem Tagesgeschäft nachgehen. "Ein paar Kollegen mehr wären nicht schlecht.", sagte Semir, während er das Dienstauto durch den morgendlichen Berufsverkehr steuerte und Ben gleichzeitig seine Lederjacke öffnete, weil die Heizung sich im Auto schnell bemerkbar machte. "Das kannst du ja sofort ankurbeln, wenn du Dienststellenleiter bist.", bekam er direkt von Ben zurück und der erfahrene Polizist musste auflachen. Im Gegensatz zu Ben hatte Semir schon einigen Einblick in die politischen Entscheidungen, die sich in den oberen Etagen der Polizei abspielten.
"Ben, ich werde nur die Dienststelle Autobahnpolizei leiten... ich werde kein Minister oder Polizeipräsident. Glaubst du nicht, die Chefin versucht alles, damit wir mehr Personal kriegen?" Natürlich war Ben nicht komplett ahnungslos und sein Spruch gegenüber Semir nicht zu 100 % ernst, dennoch konnte er sich vorstellen dass Semir als jemand mit Erfahrung auf der Straße vielleicht andere Argumente vorbringt als Anna Engelhardt. Die war, bevor sie die Dienststelle vor vielen Jahren übernommen hatte, natürlich auch im normalen Polizeidienst, allerdings in der Kriminalitätsbekämpfung lange Zeit beim Wirtschaftsdienst, danach noch eine zeitlang auf der oberen Verwaltungsebene. Dort lernte sie vor allem, Geschicke zu leiten. "Warten wir mal ab... was passiert.", wiegelte Semir wieder etwas ab, als das Funkgerät knarzte.
"Cobra 11 für Zentrale." "Cobra 11 hört.", antwortete Ben auf Andreas Stimme aus dem Lautsprecher. "Ich habe mir mal erlaubt, euren Kunden Hubert Kruske etwas unter die Lupe zu nehmen. Dabei ist mie etwas aufgefallen." Beide Männer schauten sich an und lauschten gespannt. "Wundert mich, dass ihr da nicht selbst drauf gekommen seid." Ein Satz, der die Spannung der beiden nicht löste und Semir verdrehte die Augen. "Was ist es denn?" Sie konnten Andrea kichern hören. "Hubert Kruske gehören nicht nur einige Supermarkt-Filialen und die Apotheke im Kölner Vorort - sondern auch ein Grundstück im Schrebergarten Waldesruh. Ich schicke euch die Unterlagen aufs Handy, das wäre doch ein guter Ort um mal für ein paar Nächte unter zu tauchen." Semir nickte und Ben bedankte sich für die Informationen.
Als sein Handy per Signalton mitteilte, dass Andreas Infos angekommen waren, zog Ben die Stirn etwas in Falten. "Ich weiß nicht - meine Teeniezeit ist ja noch nicht so lange her...", begann er und erntete sofort ein glucksendes Lachen von Semir. "Aber wenn ich abtauen würde, würde ich nicht in die Hütte meines Vaters gehen. Ich ginge davon aus, dass mein Vater dort als allererstes suchen würde." Semir fand Bens Einwand berechtigt... dennoch war es ihre Pflicht der Möglichkeit nachzugehen, und so machten sich die beiden Polizisten auf den Weg zum Schrebergarten.