Beiträge von Campino

    Dienststelle - 8:00 Uhr

    Am Vorabend hatten die beiden Polizisten nichts mehr ausrichten können - der Chefin gaben sie einen Überblick über die Ermittlungen und Geschehnisse seit dem Mord an ihrem Kontaktmann im Kölner Hafen. Dass sie über die Diskothek und die zufällige Drogendealerin Chloe Kruske an den zufälligen Drogenlageristen Hubert Kruske gekommen sind - und natürlich damit auch an Gregor Stimmer, nach dem bereits gefahndet wurde. Mit der Fahndung nach Chloe wollte Anna Engelhardt noch die Nacht abwarten - Jugendliche neigten zu Kurzschlussreaktionen, die genauso gut wieder ins Gegenteil umschlagen konnten und plötzlich würde das Mädchen mit den schwarzen Haaren wieder bei ihren Eltern vor der Tür stehen.

    Semir übernahm die Aufgabe, bei Kruskes anzufragen. "Guten Morgen, Herr Kruske - ich kann mir denken dass die Nacht unruhig war." Er hörte eine müde, weit entfernt klingende Stimme: "Unruhig ist kein Ausdruck, Herr Gerkhan. Abgesehen von der Angst dass die beiden Typen nochmal aufkreuzen würden dominiert die Sorge um Chloe." Semir nickte, für Hubert Kruske natürlich nicht sichtbar. "Gehe ich Recht in der Annahme, dass Chloe noch nicht wieder aufgetaucht ist?" "Das ist leider so." "Gut Herr Kruske. Wir werden nun eine Fahndung nach ihrer Tochter einleiten - zu ihrem eigenen Schutz. Zivilfahnder stehen vor ihrem Haus, falls Stimmer oder sein Komplize nochmal zurück kommen. Wir werden ihre Tochter finden."

    Der Kommissar beendete das Gespräch und gab dann an seinen Kollegen Dieter Bonrath die nötigen Infos zur Fahndung nach Chloe. Ben saß derweil bei Andrea am Tisch und hatte den Kopf auf die Hände gestützt. "Gregor Stimmer hat im Knast einiges an Beziehungen aufgebaut - soviel in die Drogen- als auch in die Schutzgeldszene. Weiß der Himmel mit wem er dieses Geschäft im Moment abzieht, und wer da noch mit drin hängt." Der ältere Polizist stellte sich schräg hinter seine Frau und Ben, um ebenfalls auf den Monitor zu schauen. Ihn sahen einige Mugshots von Verhafteten an - und ebenfalls von einigen, die längst wieder freigelassen wurden. "Also von dem, was ich bei der Verfolgungsjagd von dem Typen sah, kommen eigentlich nur die drei in Frage...", sagte Ben und Semir stimmte ihm zu, als er auf drei Männer mit kurzen grauen Haaren zeigte. Werner Pahnje, Emil Kamper und Frank Mahler. "Einer gefährlicher als der andere...", murmelte Semir dabei, was Ben mit einem sarkastischen Nicken und einem Seitenblick auf Semir quittierte... es klang schon wieder ängstlich und der junge Polizist erinnerte sich an das Gespräch, das er vor einigen Tagen mit Semir geführt hatte.

    Die beiden Männer fuhren daraufhin auf Streife in der Hoffnung, dass die Fahndung Ergebnisse zeigen würde und sie dann schnell eingreifen könnten - ausserdem mussten sie ja auch ihrem Tagesgeschäft nachgehen. "Ein paar Kollegen mehr wären nicht schlecht.", sagte Semir, während er das Dienstauto durch den morgendlichen Berufsverkehr steuerte und Ben gleichzeitig seine Lederjacke öffnete, weil die Heizung sich im Auto schnell bemerkbar machte. "Das kannst du ja sofort ankurbeln, wenn du Dienststellenleiter bist.", bekam er direkt von Ben zurück und der erfahrene Polizist musste auflachen. Im Gegensatz zu Ben hatte Semir schon einigen Einblick in die politischen Entscheidungen, die sich in den oberen Etagen der Polizei abspielten.

    "Ben, ich werde nur die Dienststelle Autobahnpolizei leiten... ich werde kein Minister oder Polizeipräsident. Glaubst du nicht, die Chefin versucht alles, damit wir mehr Personal kriegen?" Natürlich war Ben nicht komplett ahnungslos und sein Spruch gegenüber Semir nicht zu 100 % ernst, dennoch konnte er sich vorstellen dass Semir als jemand mit Erfahrung auf der Straße vielleicht andere Argumente vorbringt als Anna Engelhardt. Die war, bevor sie die Dienststelle vor vielen Jahren übernommen hatte, natürlich auch im normalen Polizeidienst, allerdings in der Kriminalitätsbekämpfung lange Zeit beim Wirtschaftsdienst, danach noch eine zeitlang auf der oberen Verwaltungsebene. Dort lernte sie vor allem, Geschicke zu leiten. "Warten wir mal ab... was passiert.", wiegelte Semir wieder etwas ab, als das Funkgerät knarzte.

    "Cobra 11 für Zentrale." "Cobra 11 hört.", antwortete Ben auf Andreas Stimme aus dem Lautsprecher. "Ich habe mir mal erlaubt, euren Kunden Hubert Kruske etwas unter die Lupe zu nehmen. Dabei ist mie etwas aufgefallen." Beide Männer schauten sich an und lauschten gespannt. "Wundert mich, dass ihr da nicht selbst drauf gekommen seid." Ein Satz, der die Spannung der beiden nicht löste und Semir verdrehte die Augen. "Was ist es denn?" Sie konnten Andrea kichern hören. "Hubert Kruske gehören nicht nur einige Supermarkt-Filialen und die Apotheke im Kölner Vorort - sondern auch ein Grundstück im Schrebergarten Waldesruh. Ich schicke euch die Unterlagen aufs Handy, das wäre doch ein guter Ort um mal für ein paar Nächte unter zu tauchen." Semir nickte und Ben bedankte sich für die Informationen.

    Als sein Handy per Signalton mitteilte, dass Andreas Infos angekommen waren, zog Ben die Stirn etwas in Falten. "Ich weiß nicht - meine Teeniezeit ist ja noch nicht so lange her...", begann er und erntete sofort ein glucksendes Lachen von Semir. "Aber wenn ich abtauen würde, würde ich nicht in die Hütte meines Vaters gehen. Ich ginge davon aus, dass mein Vater dort als allererstes suchen würde." Semir fand Bens Einwand berechtigt... dennoch war es ihre Pflicht der Möglichkeit nachzugehen, und so machten sich die beiden Polizisten auf den Weg zum Schrebergarten.

    Innenstadt - 7:30 Uhr

    Gregor war alles andere als ein Frühaufsteher, im Gegensatz zu seinem Kumpel Frankie. Der kam mit wenigen Stunden Schlaf aus und war dann sofort bei der Sache. Heute noch mehr. Er saß in seinem Mercedes vor der Tankstelle, über der sein Kumpel George seine Wohnung hatte. Vor einer Stunde hatte er über eine der wenigen Telefonzellen, die es in Köln noch gibt, Hubert aus dem Bett geklingelt, obwohl der, zusammen mit seiner Frau, vor Sorge um seine Tochter sowieso nicht in den Schlaf fand. Das, was der Supermarktbetreiber dem Kriminellen zu sagen hatte, gefiel Letzterem überhaupt nicht. Frankie tobte, er schrie, er drohte Hubert schlimmstes Ungemach an - doch was brachte es. Hubert würde weder die Drogen noch das Bargeld wieder beschaffen können. Es lag nun in der Asservatenkammer der Polizei und dort würde es erst einmal bleiben.

    Frankies Fingerknöchel waren weiß, so sehr umkrampft hielt er das Lenkrad seines Youngtimers, als sein Freund mit freundlichem Lächeln aus dem Tankstellengebäude kam mit zwei Coffee to go in der Hand. "Ich weiß nicht, was es an diesem Morgen so blöd zu grinsen gibt.", bellte sein Chef in dem Moment, als Gregor einstieg und einen Becher weiterreichte. "Vielleicht kann ich deine miese Laune ja aufhellen." "Da gibts nichts aufzuhellen. Ausser du hättest die beiden Kids schon an den Füßen in einem dunklen Keller aufgehängt und sie warten nur noch auf mich."

    Gregor pustete in den dampfenden Kaffee während Frankie einen tiefen Zug nahm und dabei offenbar kein Schmerzempfinden verspürte. "Was ist denn los?" "Was los ist? Die Bullen waren gestern bei Hubert, wie du vielleicht unschwer erkannt hast, als wir abhauen mussten. Und als der Zug Blaumänner dort wieder abgefahren ist, war der Statt um eine gute Viertelmillion an Drogen und Drogengeld reicher. Das ist los!", machte Frankie mit seiner Reibeisenstimme unmissverständlich klar, dass eines ihrer Lager aufgeflogen war. "Fuck... die Pillen waren doch so gut wie verkauft." "Was du nicht sagst. Jetzt rate mal, wer das dem dicken Meerten beibringen darf." Ein Niederländer hatte sich als Käufer für die Drogen gefunden, der Deal stand kurz vor dem Abschluss. Sie würden nicht nur eine Stange Geld verlieren, sondern vor allem Reputation in der Szene.

    "Hat der Apotheker gesungen?" Frankie schüttelte verkniffen mit dem Kopf. "Offenbar hat seine Tochter was gefunden. Das Gör hat die Pillen in einer Diskothek verkauft - deshalb waren die Bullen dort. Sie hat gesagt wo sie es fand und da hatte Hubert keine Wahl mehr." Gregor blickte zweifelnd zu seinem Freund und wunderte sich, dass er noch keine Eilmeldung einer brennenden Apotheke oder eines verwüsteten Supermarktes gehört hatte. "Und das glaubst du? Sollen wir ..." "Hinfahren? Natürlich - lass uns das doch abkürzen und sofort zum Polizeirevier fahren und uns stelle."

    Frankie gab seinem besten Freund einen nicht ganz so sanften Schlag auf den Hinterkopf. "Mann ey, denk doch mal für fünf Minuten nach. 100%ig steht der Kerl jetzt unter Polizeischutz. Wir gehen dahin und sofort klicken die Handschellen." Gregor schwieg. "Ja... macht Sinn.", sagte er und fügte dann an: "Dann wird dich meine Neuigkeit vermutlich freuen. Ich hab durch etwas Telefonieren rausbekommen, dass unser Lagerist eine Hütte in einem Schrebergarten besitzt. Soll da schon länger nicht aufgetaucht sein." Nun war es Frankie, der in seinem cholerischen Denken gerade nicht den Weg durch den Nebel fand. "Und was sollen wir dort? Glaubst du, der hat noch ein Lager von anderen Dealern?", rief er wütend. "Nein - aber vielleicht finden wir dort seine Tochter und mit etwas Glück auch den Jungen - falls dir das noch wichtig ist."

    Der grauhaarige Kriminelle dachte kurz nach. Rache gefiel ihm immer gut und schließlich war das Mädchen ein ausschlaggebender Grund, warum ihr Versteck aufflog. Dass sie dort wegen dem Jungen waren natürlich auch. Und da Hubert doch ziemlich wohlhabend war, hatten sie vielleicht dadurch die Chance, ein wenig von dem finanziellen Verlust durch den Wegfall der Drogen wieder aufzufangen, wenn sie das Mädchen finden würden. Er nickte langsam. "Freuen ist übertrieben. Aber die Info ist nicht schlecht - wo müssen wir hin...?"

    Schrebergarten - 18:15 Uhr

    Felix stockte der Atem, ihm wollten die Beine versagen und das Herz in der Brust zerspringen. Wie konnte sie das tun... warum? Er wusste nicht, wie lange er an diesem einen Fleck stand und auf die grauenvolle Szenarie starrte... das Blut, die Kerzen, Chloes lebloser Blick... vielleicht waren es Sekunden, Minuten, gefühlt waren es Stunden - bis endlich Bewegung in ihn kam. Er kniete vor Chloe nieder und schlang seine Arme um ihren Körper um sie ein wenig aufrecht hinzusetzen, um sie zu schütteln. "Chloe? Chloe?? Sag bitte was! Chloe??", kam mit erstickter Stimme aus seinem Mund und er spürte, wie seine Augen sich in Hilflosigkeit mit Tränen füllten. Er kannte das Mädchen nur ein paar Tage, aber es hatte sich in ihm eine emotionale Verbindung aufgebaut, die sich schwer erklären ließ.

    Er spürte, wie ihr Kopf schlaff auf seine Schulter fiel und in seiner Aufregung nahm er nicht wahr, dass ihre Stirn an seinem Hals, warm von den Kerzen war. "Fuck... Chloe... es tut mir so leid.", sagte Felix mit tränenerstickter Stimme, denn natürlich hatte er die Szene aus ihrem Zimmer im Kopf, als sie ihn quasi rausgeworfen hatte weil sie dachte, er würde sie nur für die Medikamente gegen seine Kopfschmerzen ausnutzen. Er wäre nur nett zu ihr, der Außenseiterin, weil es ihm nützte. Wollte sie ihn dann mit diesem Anblick bestrafen, damit er sah, was er angerichtet hatte?

    Der Junge war in einem emotionalen Ausnahmezustand, dass ihm das naheliegendste - einen Krankenwagen zu rufen - erstmal nicht in den Sinn kam. Er wollte das Mädchen festhalten und ihr wenigstens jetzt das Gefühl geben, nicht alleine zu sein - denn dieses Gefühl kannte er nur zu gut. Weder spürte er die Wärme, die von ihr ausging, noch ihren flachen Atem am Hals. Erst als sich ihre Arme ebenfalls um seine Schultern schloßen, riss er erschrocken die Augen auf und ein kurzer Schrei entglitt ihm, bevor er von dem Mädchen zurückwich.

    Ihre Augen hatten wieder einen Fixpunkt, und als Felix sie loßliess, stützte sich Chloe auf den Händen ab. Felix dagegen atmete schwer wie ein Marathonläufer und blickte nun völlig verständnislos zu dem jungen Mädchen. "Was... wieso... was soll das?" Er wusste nicht, ob er sie erleichtert wieder in den Arm nehmen sollte, sich freuen sollte oder ob der makabaren Inszenierung erbost und empört sein sollte. Er hörte erstmal nur Chloes traurige Stimme: "Ich... ich wollte das Gefühl haben, dass ich jemandem wichtig bin. Dass jemand traurig ist, wenn ich das tue, was du siehst. Dass ... dass ich jemandem nicht egal bin." Dabei blickte sie zu Boden auf das Kunstblut um sie herum, dass verdammt echt und realistisch aussah.

    Der Junge war erstmal unfähig sich zu bewegen. "Und deswegen inszenierst du hier deinen Selbstmord, damit ich dich so finde?", fragte er und es fiel ihm schwer seine Emotionen in den Griff zu bekommen, denn er musste sich erneut einige Tränen wegwischen. Chloe sah ihn wieder an. "Ich habe schon oft darüber nachgedacht. Aber ich habe Angst davor, dass es nicht besser wird, selbst wenn ich tot bin. Wer weiß, was dann passiert. Aber ich stelle mir oft vor, wie andere reagieren würden. Wer überhaupt traurig wäre, neben Mama. Und du... vielleicht." Den Beweis, dass er tatsächlich traurig wäre, hatte sie jetzt denn natürlich war seine geschockte Reaktion eindeutig. Natürlich würde er nicht cool und locker reagieren, wenn er so eine Fremde gefunden hätte, aber seine Tränen und seine Reaktion, sie in den Arm zu nehmen, waren eindeutig für sie.

    Felix atmete durch und schaffte es, rational nachzudenken. Auch wenn es menschlich wäre - eine negative Reaktion würde Chloe absolut nichts bringen. Vor allem nicht in ihrem jetzigen seelischen Zustand. Er entschied sich also dagegen, zog seine Jacke erstmal aus und beugte sich dann wieder zu ihr herunter um sie in den Arm zu nehmen. Dass er dabei seinen Fuß in die Kunstblutlache setzte, störte ihn nicht. Für diese Geste war sie extrem dankbar, seine Reaktion war nicht ablehnend und auch sie schlang ihre Arme um seinen Hals und ihr kamen Tränen, die ihr Makeup verwischten.

    So saßen sie zusammengekauert eine zeitlang zwischen den Kerzen und hielten sich fest - er in seinen normalen Klamotten, sie in dem dünnen kurzen, blutverschmierten Nachthemd das auf auf eine morbide Art und Weise nicht unerotisch auf ihn wirkte. Ihre Hände krallten sich ein wenig in seine Sweatweste, während er die flache Hand auf ihren Rücken gelegt hatte, die langsam auf und ab streichelte. Er hatte so ein Gefühl noch nie erlebt, einem Mädchen so nahe zu sein auf diese Art und Weise. "Es geht einfach alles schief, Felix. Ich hab das so satt.", sagte sie dabei leise in sein Ohr. "Was ist passiert?" "Ich meine alles... die Schule... diese anderen Leute, du hast es ja erlebt. Ich will nicht zu ihnen gehören aber gleichzeitig fühle ich mich auch so einsam. Ich komme damit nicht klar."

    Felix verstand was sie meinte. Er war in der Schule kein krasser Aussenseiter, aber auch niemand der gerne im Mittelpunkt stand. Er war lieber für sich und kam damit aber auch ganz gut klar. Chloe hatte nichts an der Art und Weise der Mädchen, die in ihrem Alter waren - Gesellschaft vermisste sie dagegen trotzdem. "Ich brauche keine 15 Freundinnen um mich herum.", sagte sie leise. "Aber jemand, der einfach für mich da ist. Dem ich alles erzählen kann. So ein... bester Freund. Beste Freundin. Keine Ahnung." Wobei ihr klar war, dass sie diesen Freund vielleicht gerade im Arm hielt.

    Die Umarmung löste sich für einen Moment. "Die Polizei war heute bei meinen Eltern, kurz nach dem du gegangen bist. Die hatten irgendwie herausgefunden, dass ich bei meinem Vater Drogen gefunden habe, und die in der Disko vertickt habe. Danach bin ich weggelaufen. Ich habe Angst, dass ich dafür bestraft werde." Felix' Blick hob sich plötzlich. "Polizei?" Chloe nickte und sagte zaghaft: "Die haben auch nach dir gefragt. Die haben dich scheinbar gesehen, wie du aus der Apotheke gekommen bist." Plötzlich arbeitete es in dem Kopf des Jungen. Die Typen, die er vor der Apotheke sah, bevor er weglief - das waren eindeutig die Typen die er am Tag zuvor belauscht hatte. Aber der Kerl mit den langen dunklen Haaren... der war ein Andere. War das vielleicht ein Polizist? "Ich hab zwei Typen belauscht, die hatten sich mit deinem Vater über Drogen unterhalten. Und... die haben mich eben, als ich aus der Apotheke ging, verfolgt. Und danach ein Typ mit langen dunklen Haaren, aber ich weiß nicht, ob der zu den Typen gehörte." "Einer der Polizisten hatte lange dunkle Haare. Und einen Drei-Tage-Bart." Felix nickte - das kam hin. Die Polizisten hatten ihn gerettet, und er war geflohen. Verdammt, aber woher sollte er das wissen?

    "Du sagst, die Typen haben sich mit meinem Vater über Drogen unterhalten?", fragte Chloe nochmal nach und der Junge nickte. "So hörte es sich an." "Ich habe das, was ich verkauft habe, bei ihm im Büro gefunden." Felix schluckte - das ganze entwickelte sich langsam zu einem echten Kriminalfall, und er spürte Chloes Stimmungsschwankung, als sie von ihrem Vater sprach.

    "Vielleicht habe ich ja einmal Glück im Leben... und er hat wirklich was damit zu tun und muss ins Gefängnis." sagte Chloe mit fast tonloser Stimme und sah Felix an. "Wie kannst du sowas sagen?" "Mein Vater...", ihre Stimme stockte. "Er ist der Grund warum ich so bin. Warum ich mich von anderen abkapsel und warum ich lieber alleine bin und mich dann einsam fühle." In Felix Hals bildete sich ein Klos und er konnte spüren, wie die Stimme des Mädchens und ihr gesamter Körper zu zittern begann. "Chloe... du musst nicht weiterreden, wenn du willst.", sagte er nun ebenfalls wesentlich leiser und sah wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, bevor er sie wortlos wieder in den Arm nahm und ihren bebenden Körper spürte. Er wusste nicht, wie lange er sie im Arm hielt, bis er ihre leise Stimme direkt an seinem Ohr hörte, die die bittere Wahrheit sagte, die er bereits befürchtete: "Mein Vater hat mich jahrelang vergewaltigt..."

    Köln - 18:00 Uhr

    Semir und Ben hatten sich für halb sechs bei Kalle verabredet, jetzt trotteten sie relativ niedergeschlagen die kurze Treppe vor der Altbauwohnung herunter auf den Gehweg in Kölns Innenstadt, wo sie die Autos geparkt hatten. Kalle, ein Transvestit und früher so etwas wie Kevins Ziehmutter, konnte kein Licht ins Dunkel bringen. Sie berichtete zwar davon, dass Janines Mutter in Hamburg blieb, als Erik Peters mit den beiden Kindern Kevin und Janine nach Köln zog, ihr Aufenthaltsort hatte Erik aber immer verschwiegen. Kalle selbst lernte Erik dann erst in Köln kennen und durch die Geschäftspartnerschaft der beiden erfuhr sie dann einiges aus Eriks früherem Leben. Dass Janines Mutter später noch Kinder bekam - durchaus möglich, denn sie war scheinbar noch sehr jung, als Janine zur Welt kam.

    "Eins der möglichen Kinder könnte nun der Junge sein, der geflohen ist.", schlussfolgerte Semir nachdenklich, um allerdings gleich einzulenken. "Aber das ist natürlich reine Theorie." Ben stimmte ihm durch stummes Nicken zu. "Stellt sich dann nur die Frage - warum sucht er Janine mit einem uralten Foto? Warum weiß niemand, weder die Mutter noch er, dass Janine tot ist?", stellte der erfahrene Kollege direkt einige Fragen an, zu denen sein bester Freund einige Sekunden schwieg. "Ich meine, dass es kein neueres Foto gibt, ist ja logisch...", meinte er mit vorsichtiger Stimme.

    Semir nickte. "Das ist schon klar. Aber weiß er auch, dass das Foto schon 15 Jahre alt ist? Sucht er Janine als Teenie oder sucht er Janine als erwachsene Frau? Auf der Rückseite des Fotos steht kein Datum." Es waren zuviele Fragen offen, als dass man einen weiteren Ansatzpunkt gehabt hätte. Die Spur war kalt und jetzt war zunächst nur Hoffen und Bangen angesagt. "Wir müssen warten bis die Fahndung was ergibt. Entweder nach Stimmer, nach dem Jungen oder nach Chloe." Semir öffnete die Tür des Streifenwagens, mit dem er gekommen war. "Ich bin fast überzeugt, dass wir den Jungen und Chloe zusammen finden. Warum sollte das Mädchen sonst abgehauen sein." "Lass uns zur Dienststelle fahren und der Chefin zumindest grob einen Bericht geben, wenn sie noch nicht im Feierabend ist.", meinte dann auch Ben, bevor er seinerseits sich in den Dienstwagen setzte. Vielleicht hatte auch Andrea schon etwas über den Komplizen von Stimmer herausgefunden...


    Schrebergarten - selbe Zeit

    Es dunkelte bereits erheblich als Felix nach einem längeren Fußmarsch durch die Innenstadt, immer wachsam und leicht schreckhaft sich nach hinten umdrehend, am Schrebergarten am Stadtrand angekommen war. Er lag zum Rheinufer hin, es gab einen Kiesstrand an dem man, richtiges Wetter vorausgesetzt, schön baden und urlauben konnte. Doch jetzt war es kalt, das Wasser des Rheins war leise zu hören und der Nieselregen setzte wieder ein. Der Schrebergarten war mit kleine Straßenlaternchen auf den Wegen ausgestattet, so dass Felix keinerlei Probleme hatte, Namen der Wege oder Nummern der jeweiligen Hütten zu erkennen. Er war nervös, aufgeregt und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Hatte er heute nachmittag nach der Begegnung mit Chloe und ihrem emotionalen Ausbruch noch gedacht, dass die kurze Freundschaft bereits ein jähes Ende gefunden hatte, so sehr freute er sich über ihre Nachricht, sich hier mit ihm zu treffen.

    Immer, wenn er ein Geräusch hinter sich vernahm, schreckte der Junge auf. Einmal war es eine Katze, die über den Weg schlich. Einmal war es ein Uhu der von einem Baum zum anderen flog, und dabei seine unheimlichen Laute ab. Felix schluckte, er war für diese Art Abenteuer nicht gemacht.

    Endlich hatte er den Weg gefunden, in dem laut dem Aushängeplan am Eingang, Grundstück Nr.8 liegen sollte. Als er vor dem betreffenden Grundstück stand, stand er vor einer hohen Hecke, die eine Öffnung wie einen Eingang geschnitten hatte, wo ein Kiesweg bis zu der Tür der Hütte führte. Es war die mit Abstand größte und schönste Hütte im gesamten Schrebergarten und zeigte, dass Familie Kruske über das nötige Kleingeld verfügte, um sich etwas derartiges leisten zu können. Erleichtert stellte Felix fest, dass in der Hütte Licht brannte und Chloe somit wirklich da war. Das Licht war kein festes Licht, sondern flackerte merkwürdig - scheinbar hatte das Mädchen Kerzen aufgestellt.

    Er wollte schon klopfen, als er sich an die Nachricht erinnerte... er solle den Schlüssel unter einem der Blumentöpfe nehmen, die den Kiesweg flankierten - aber warum? Wenn Chloe drin war, dann konnte sie ihm doch öffnen. Felix verharrte kurz, bevor er sich doch entschloß zu klopfen, woraufhin aber keinerlei Antwort kam. Mit dem Klopfen beschleunigte sich auch das Klopfen in der Brust, was langsam zu Beklemmungen in selbiger führte, als weiterhin eine Antwort von Chloe ausblieb. Also befolgte Felix doch die "Anweisung" aus der SMS, hob den Blumenkübel hoch und fand darunter einen kleinen Schlüssel, mit dem er dann die Eingangstür öffnete.

    Als er in den Raum trat, der eine gemütliche Kombination aus Wohnraum mit Sitzecke und Esstisch, sowie einer Kochnische war, gefror ihm das Blut in den Adern. Er starrte auf den Boden, seine Hände begannen zu zittern und er musste sich an einem Stuhl neben ihm festhalten, damit ihm nicht die Beine wegklappten. Unzählige Kerzen säumten den Boden der Hütte, sie waren neben und hinter dem Körper von Chloe aufgebaut. Sie lag auf der Seite, in einem weißen Nachthemd, das ein grotesker Gegensatz zu ihren pechschwarzen Haaren war. Es wäre ein schöner, beinahe anregender Anblick gewesen, doch was überhaupt nicht in diese Szene passte, war die riesige Blutlache vor ihrem Körper, der blutverschmierte Unterarm so wie eine ihrer Rasierklingen, die auch an ihrem Spiegel hingen und von denen eine jetzt mitten im Blut lag. Das Flackern der Kerzen brach sich in ihren offenen Augen, die an Felix vorbei starrten...

    Krankenhaus - 16:20 Uhr

    Ben hatte sich durch den aufkommenden Feierabendverkehr gequält, um so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu kommen. Er wollte Jenny eh endlich mal wieder besuchen, und so konnte er das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Wenn sie noch Dinge aus Kevins Vergangenheit wusste, die Ben und Semir noch nicht wussten, könnte er wertvolle Informationen über den geheimnisvollen Jungen erfahren, der scheinbar tief in Schwierigkeiten mit zwei Größen aus dem Drogengeschäft Kölns steckte... warum auch immer. Der Polizist parkte den BMW auf dem Besucherparkplatz, bevor er mit eiligen Schritten Richtung Treppenhaus ging - den Aufzug wie immer ignorierend.

    Jenny saß aufrecht im Bett und las ein Fantasy-Abenteuer-Buch. Sie musste immer kleinere Pausen einlegen, wenn sie spürte dass sie Kopfschmerzen von der Gehirnerschütterung bekam. Aber es wurde von Tag zu Tag besser, und sie freute sich morgen oder übermorgen das Krankenhaus zu verlassen. Als es klopfte und sie nach einem kurzen "Herein" Ben begrüßen durfte, war ihr die Freude über die Ablenkung vom tristen Krankenhausalltag deutlich an zu merken.

    "Hey Ben. Schön, dich zu sehen.", sagte sie mit einem Lächeln und legte das Buch auf den Nachttisch. Ben kam zu ihrem Bett, er lächelte ebenfalls wenn auch etwas gestresst, das sah man ihm an. Er legte die Jacke ab, beugte sich zu Jenny herunter und umarmte die junge Frau. Sie standen sich freundschaftlich so nahe in der Trauer um Kevin in den letzten Wochen, sie kamen sich bereits sehr nahe als Kevin Monate zuvor im Gefängnis war und sie sich gegenseitig trösteten. Sie stützten sich gegenseitig und so war Jenny über Bens Anwesenheit immer erfreut. "Freust du dich, bald hier raus zu kommen?", fragte Ben und die junge Frau nickte eifrig. "Endlich wieder im eigenen Bett schlafen. Das eigene Essen essen.", setze sie mit Nachdruck hinterher.

    Ihr Partner nickte zustimmend, es gab viele schönere Dinge als im Krankenhaus zu sein. Doch sein Lächeln verschwand dann langsam. "Jenny, ich bin halb dienstlich hier. Und es tut mir leid ein Thema anzusprechen was vielleicht ein paar... Wunden aufreisst.", sagte er langsam und zögerlich. Jenny nickte, quasi als Einverständnis, dass sie bereit ist, Fragen zu ertragen. Und wenn Ben es so ankündigte, konnte das Thema eigentlich nur Kevin heissen.

    "In unserem aktuellen Fall haben wir einen Jungen verfolgt. Auf der Flucht hat er dieses Foto verloren.", erzählte Ben von den Geschehnissen des Tages und reichte Jenny das zusammengefaltete Bild. Als sie es aufklappte, stockte ihr Herz und sie bestätigte Ben das, wofür er eigentlich keine Bestätigung brauchte. "Das ist Janine. Das ist Kevins Schwester." Der Polizist nickte. "Wir wissen nicht, wer der Junge ist. Wir wissen nur, dass ein paar Jungs aus der Drogenszene hinter ihm her sind. Wir brauchen Informationen. Wenn er ein Bild von Janine mit sich herumträgt, könnte er zu Kevins Familie gehören." "Oder vielleicht ein Schulfreund von Janine?" Ben schüttelte den Kopf. "Ich würde sagen, dass er dafür zu jung war. Janines Tod liegt schon fast 15 Jahre zurück, und der Junge war vielleicht zwischen 15 und 20."

    Jenny nickte und sah auf das Foto. Es war ein anderes als die, die Kevin in seiner Kiste hatte. "Hat Kevin mal irgendwas erwähnt... von weiteren Geschwistern, Cousins... irgendsowas?" Jenny blickte zum Fenster heraus in den dunstigen Regen, auf die graue Großstadt. "Es ist komisch. Jetzt, wo ich so drüber nachdenke... wir haben eigentlich nie viel geredet. Merkwürdig.", sagte sie leise. Hatten sie sich mal belanglos über die Familie unterhalten? Kevin vermied dieses Thema aus seiner Richtung, weil es nichts positives zu berichten gab.

    "Habt ihr schon mit Kevins Vater geredet darüber?" "Noch nicht. Aber wir wollen nachher noch zu Kalle... vielleicht können wir uns den Weg zu diesem Kotzbrocken dann sparen.", sagte der Polizist in voller Ehrlichkeit, vor allem nach dem Gespräch in den letzten Tagen, als Peters sich erst zögerlich kooperativ verhielt. Jenny dachte nach, und sie formte ihre Gedanken zu Wörtern. "Kevin und Janine waren Halbgeschwister. Janine hatte ja eine andere Mutter." Ben nickte, den Gedanken hatten sie auch schon. "Wir haben auch vermutet, dass Kevin von diesem Jungen, sollte es ein Bruder sein, gewusst haben muss. Er hätte sich doch um einen kleinen Bruder genauso gekümmert, wie um seine Schwester."

    "Vielleicht ist es nur Janines ... Halbbruder. Gleiche Mutter wie Janine, anderer Vater. Und somit hätte er nichts mit Kevin zu tun.", dachte Jenny den Faden weiter. Das würde dann aber bedeuten, dass sich ihre Spur nach dem Jungen im Sand verläuft. Sollte es sich um einen Halbbruder von Janine handeln, der de facto erst zwei Jahre vor Janines Tod zur Welt kam, konnte Kevin nichts von ihm gewusst haben... und somit auch niemandem etwas anvertrauen. "Das klingt logisch...", murmelte Ben und sah ebenfalls noch einmal auf das Foto.

    "Aber warum sucht er jetzt nach seiner Halbschwester, die schon seit 15 Jahren tot ist?", dachte die junge Frau laut. "Vielleicht weiß der Junge das gar nicht." Jenny versank in Schweigen, bevor sie erneut Gedanken ausformulierte: "Dann hat er nur ein Bild von ihr als Jugendliche... und sucht sie jetzt? Mit einem 15 Jahre alten Bild... das klingt alles verwirrend." Ben konnte ihr nur zustimmen... und sie spürten beide auf einmal wieder, wie sehr sie den jungen Mann vermissten...

    Der DWDL-Artikel ist für uns Fans endlich die finale Aussage, auf die wir gewartet haben. Es geht auf jeden Fall weiter! Dass das "Wie" der springende Punkt ist, war klar.

    Den Umschwung auf evtl. 90-Minüter alle paar Monate damit zu begründen, dass das in ARD/ZDF funktioniert, verstehe ich nicht. Bozen-Krimis oder SOKOs oder Fall für Zweis sollten nicht der Maßstab sein. Zudem bezweifle ich, dass es dort Cliffhanger gibt, die sich von Episode zu Episode hangeln (gucke das alles nicht).

    //edited by Admin:

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    Wenn man "das alles nicht guckt" sollte man auch nicht drüber urteilen, und vor allem nicht soviele falsche Fakten in drei Sätze packen.

    SOKO-Serien sowie "Ein Fall für zwei" dauern keine 90 Minuten. Und zumindest in "Ein Fall für zwei" gab/gibt es eine durchgängige Hintergrundstory, die auch teilweise Einfluss auf "Tagesfälle" der Folge hatte. (Cliffhanger gab es auch zwischen den Staffeln)

    Wie oft du negativ auf dem Rassismus-Thema rumreitest, obwohl es in der Pia-Staffel auch andere Themen gab, ist bezeichnend.

    Kölner Vorort - 15:30 Uhr

    Semir und Ben hatten keine Zeit verstreichen lassen als klar war, dass Chloe reißaus genommen hatte. Eine Großfahndung nach Chloe wurde angedacht, doch die konnte nur die Chefin anordnen. Also ließ sie sich über den neuesten Stand der Ermittlungen in Kenntnis setzen, diesmal allerdings telefonisch. Die beiden Männer standen vor der Apotheke und telefonierten per Lautsprecher. "Wie hoch schätzen sie die Gefahr ein, dass die Männer Jagd auf das Mädchen machen?", fragte die ernste Stimme von Anna Engelhardt und Semir wog den Kopf hin und her, was die Chefin natürlich nicht sehen konnte. "Das ist schwierig zu sagen. Ich würde eher sagen, dass der Junge gefährdeter ist, schließlich waren die Typen hinter ihm her. Bei Chloe wussten sie, wo sie war." "Nur wissen sie das jetzt auch nicht mehr.", merkte Ben an. "Eine Großfahndung nach Stimmer wurde bereits in die Wege geleitet. Andrea versucht gerade alles über den Mann heraus zu finden, damit wir auch seinen Komplizen identifizieren können.", gab die Chefin als Information weiter, während Semir ein wenig tippelte, weil ihm kalt war. "Was wollen zwei gefährliche Drogendealer nur von zwei harmlosen Teenagern...", dachte er laut nach. "Naja, ob sie harmlos sind, wissen wir noch nicht. Chloe hat immerhin versucht in einer Disko Drogen zu verticken, und wenn der Junge auch nur im Entferntesten mit Kevin verwandt ist...", doch Ben beendete den Satz nicht.

    "Machen sie sich ein Bild der beiden Teenager. Sie sind vor Ort, reden sie nochmal mit dem Vater. Auch wenn es natürlich interessanter wäre, etwas über den Jungen heraus zu bekommen, haben wir bei ihm aber keinerlei Ansatzpunkt. Bei dem Mädchen dagegen schon. Sollte die Fahndung nach Stimmer was ergeben, melde ich mich sofort bei Ihnen.", sagte die Chefin dann und wollte schon auflegen. "Moment, vielleicht haben wir bei dem Jungen doch einen Ansatzpunkt.", dachte Ben laut nach und sah Semir an, der ein wenig verständnislos blickte. "Was willst du tun? Wieder zu Kevins Vater?" Der Polizist mit dem Wuschelkopf schüttelte eben jenen. "Welchen beiden Menschen hat Kevin mehr anvertraut, als uns?", versuchte er seinem besten Freund ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Der blickte kurz in den Himmel, als sei dort in grauen Wolkenschleiern die Antwort versteckt. "Jenny?" Ben nickte. "Und wer noch?" Nur ein Pusten durch die Lippen war Semirs zweite Antwort, den er stand gerade auf dem berühmten Schlauch. "Kalle...", sagte Ben und meinte Kevins Ziehmutter aus Kindheitstagen. "Stimmt. Wenn Kevin von dem Jungen wusste, dann dürfte es einer von den beiden auch wissen." "Dann sollten sie die beiden vielleicht fragen.", gab die Chefin einen überaus wertvollen Tip, bevor sie das Gespräch beendete. Zu einer Großfahndung nach Chloe konnte sie sich nicht durchringen, zu undurchsichtig war die Sachlage um den ganz großen Apparat in Gang zu bringen.

    "Wir teilen uns auf. Ich fahre zu Jenny ins Krankenhaus.", sagte Ben, nachdem Semirs Smartphone wieder in dessen Jeans verschwand. Der nickte wiederum und meinte "Ich sehe mich hier noch etwas um. Ich werde mir mal Chloes Zimmer ansehen, vielleicht finden wir etwas, was uns weiterhilft." "Wir treffen uns dann bei Kalle.", sagte Ben zum Abschied und ging mit schnellen Schritten zu Semirs BMW, nachdem der ihm den Schlüssel zugeworfen hatte. Trotz des demolierten Hecks war das Auto noch fahrtüchtig. Der kleine Polizist kehrte in die Apotheke zurück, wo neben Chloes Vater auch mittlerweile dessen Mutter eingetroffen war und kreidebleich im Gesicht war. Ihr Mann hatte sie mittlerweile informiert, was in den letzten Stunden vorgefallen war.

    "Ich würde mir gerne mal Chloes Zimmer ansehen. Vielleicht gibt es einen Hinweis darauf, wo sie sich aufhalten könnte." Mit zögerlichen, langsamen Schritten führte Chloes Mutter den Polizisten in das Zimmer des Teenagers, wo sich Semir aufmerksam umsah. Er sah die Klamotten auf dem Bett, die Bandposter die allesamt etwas Düsteres ausstrahlten. Im Kleiderschrank wollte Semir nicht unbedingt rumwühlen, trotzdem öffnete er die Türen ein Stück und sah hinein.

    Es war ein halbwegs normales Teenie-Zimmer, wenn es auch an manchen Stellen etwas Düster war. Ein paar handgemalte Zeichnungen hingen an Chloes Spiegel, meist waren es düstere Tiere wie schwarze Raben oder entstellte schwarze Hunde. Sie hatte ein Talent für Details. Auch die Kette mit der Rasierklinge nahm Semir kurz in die Hand, als er hinter sich die Existenz von Chloes Mutter bemerkte. "Hat ihre Tochter mal über Probleme gesprochen?" Die Frau schüttelte den Kopf. "So viel... reden wir im Moment nicht. Sie ist halt in der Pubertät.", meinte sie und erntete einen etwas verständnislosen Blick von Semir, der die Kette mit den Rasierklingen kurz in die Hand nahm. "Sie hört halt diese Musik. Ich meine... in dem Alter." Semir hörte der Frau gar nicht wirklich zu. Es waren Ausflüchte einer Mutter, die den Bezug zu ihrer Tochter längst verloren hatte. "Kennen sie einen Ort, wo Chloe hingeht, wenn sie alleine sein will? Ein Treffpunkt, ein Platz im Wald, vielleicht bei einem Freund?", fragte er, doch bereits die erste Reaktion, ein verwirrter, nichtssagender Blick der Mutter, ließ die Hoffnung auf Informationen sterben. Der Polizist ließ seinen Blick nochmal streifen...

    Kölner Innenstadt - 15:00 Uhr

    Es dauerte etwas, bis sich Felix' Puls beruhigte. Selbst nachdem er sicher war, dass er den Kerl mit den langen schwarzen Haaren abgehängt hatte und bereits nach einer Busfahrt wieder in der Kölner Innenstadt angekommen war, hatte er das Gefühl, dass er Kammerflimmern bekam. Mit schnellen Schritten lief er durch die Fußgängerzone, liess sich von der Obdachlosen Klara, die er vor einigen Tagen kennengelernt hatte, nicht lange aufhalten und blickte sich immer wieder nervös um. Sie waren jetzt hinter ihm her... scheinbar hatte er etwas gehört oder gesehen, was er nicht hören oder sehen durfte. Fuck, was sollte er jetzt tun? Abreisen? Sich in den nächsten Zug zurück nach Hamburg setzen und nie wieder zurück kommen?

    Vermutlich hätte jeder Junge, der gerade die Angst von Felix im Nacken hatte, genau so entschieden. Doch sowohl die Sehnsucht danach, seine Schwester zu finden, als auch ein anderes Mädchen mit schwarzen Haaren in seinem Kopf, hielt ihn davon ab. Chloe. Ihre Wut, ihre Traurigkeit und ihre Enttäuschung hatte sich in seinen Kopf gebrannt. Die Enttäuschung über den falschen Verdacht, Felix hätte sich nur wegen ihrer Schwester und vor allem wegen der Apotheke ihres Vaters an sie "heran gemacht". Hatte er sich heran gemacht? Er war doch nur freundlich ...

    Während er durch die Straßen lief und nicht wusste, wo er hin sollte, begann der Regen seine Stoffkapuze des Pullovers zu durchweichen. Er vermied das besetzte Haus, denn er hatte immer noch Angst, verfolgt zu werden und somit alle Bewohner in Gefahr zu bringen. Wobei er schon mit bekam, dass es für "falsche" Personen im Haus ziemlich unangenehm werden konnte. Irgendwann verkroch er sich unter eine Brücke im Stadtpark, wo sich die Fußgängerwege kreuzten. Er saß dort im Halbschatten, man würde ihn wohl nicht direkt sehen, wenn er dort saß. Er zückte sein Handy und wollte schon eine Entschuldigungs-Nachricht an Chloe tippen, doch nach dem dritten Versuch, etwas zu formulieren was sich nicht peinlich anhörte, gab er es auf.

    Stattdessen versuchte er nochmal sich zu erinnern. Der Typ, der ihm gerade eben hinter gerannt war, war weder der kleine grauhaarige noch der Kräftige gewesen, der ihm bis an die Bushaltestelle gefolgt war. Jetzt erst fiel ihm wieder ein, was er gerufen hatte... dass er von der Polizei sei. Felix hatte das während der Flucht gar nicht realisiert, weil in Stresssituationen sein Gehirn nicht einwandfrei funktionierte. Wie groß war die Chance, dass der Typ wirklich Polizist war? Und wenn ja, was wollten sie von ihm, er hatte doch nichts getan.

    Größer war die Chance eher, dass es einer der Verbrecher war. Er wäre bei dem Wort "Polizei" stehengeblieben, und sie hätten ihn gehabt. Bei der Drohung: "Wir reißen dir die Ohren ab, weil du etwas gehört hast, was du nicht solltest." wäre Felix sicher nicht stehengeblieben. Er ließ seinen Kopf auf den Rucksack fallen und seufzte... dieser verfluchte Kopf. Hätte er nicht gerade bei Chloe einen Cluster-Anfall gehabt... was ja noch ein weiteres Problem offenbarte. Er hatte keine Medikamente mehr. Er wusste, dass Chloe welche hatte, er wusste aber auch dass er in jede Apotheke einbrechen könnte. Und wenn die Anfälle wieder kamen, und der Cluster nicht zufälligerweise jetzt beendet wäre, würden ihn die Schmerzen dazu zwingen.

    Sollte der Mann aber tatsächlich von der Polizei gewesen sein, wäre er vermutlich in weiteren Schwierigkeiten. Denn die Polizei würde es wohl nicht dabei belassen, ihn in Ruhe zu lassen, wenn einer ihrer Beamten es für nötig hält, Felix zu Fuß zu verfolgen. Er griff sich mit beiden Händen an den Kopf, seine Finger gruben sich tief in seine Haare. Verdammt, wie sollte er aus diesem Schlamassel nur rauskommen. Er hatte nichts verbrochen und wegen dem Ladendiebstahl wird man ihm wohl kaum so hartnäckig verfolgen. Er überlegte einen Moment, zu einer Wache zu gehen.

    Doch der Regen wurde stärker in diesem Moment, und am liebsten hätte sich der Junge irgendwo ins Warme verkrochen. Er rollte sich am Nachmittag in seinem Schlafsack, den er im Rucksack mit sich trug, zusammen, doch trotz seiner Kleidung und Jacke wollte keine wirkliche Wärme aufkommen. Bei seiner Mutter zuhause in Hamburg war es zwar unordentlich, er musste sich um alles kümmern während seine Mutter wahlweise auf einem Trip, betrunken war oder schlief... aber es war zumindest warm. Er erfuhr daheim nur sehr wenig Liebe, weil seine Mutter in ihrem kaputten Zustand dazu nicht in der Lage war, aber es war wenigstens warm. Jetzt war es nur kalt und nass, seine Finger fühlten sich wie Eis an und seine Muskeln zitterten. Er würde es hier nicht lange aushalten...

    Der Minutenzeiger schien fest zu frieren, denn es war gerade mal halb vier, als sein Smartphone sich meldete. Erstaunt und neugierig schaute er drauf und sein Herz wollte einen Hüpfer machen. "Wir müssen uns sehen. Um 18 Uhr, Schrebergarten Waldesruh, Grundstück Nr.8... der Schlüssel liegt unter dem dritten Blumenkübel. Ich warte auf dich. Es tut mir so leid. Chloe." Plötzlich fühlte Felix in sich doch eine Wärme aufspüren, nachdem er die Nachricht gelesen hatte. Eine Wärme, die das Zittern verdrängte und ihn lächeln ließ.

    Köln - 14:00 Uhr

    Für einen Moment war es im Verkaufsraum der Apotheke der Familie Kruske mucksmäuschenstill. Auch Jo, die normalerweise immer einen kessen Spruch auf den Lippen hatte, blieb der Mund halboffen stehen. Semir fand zuerst die Stimme wieder. "Gefunden? Wie meinst du das... gefunden?", fragte er etwas verwirrt. Eine Apotheke war kein üblicher Ort, wo man zufällige Drogenfunde machte. Und Hustensaft wird sie kaum als Drogen verkauft haben. Chloe blickte nervös zu Boden. "Ich habe hinten in Papas Büro vor dem Tresor ein Päckchen mit Tabletten gefunden. Darauf war ein lachender Smilie eingestanzt... naja...", sie blickte auf wie die Unschuld vom Lande, die sie nicht war. "Ein bisschen weiß ich halt auch darüber." Ben zog die Augenbrauen nach oben. "Du weißt ein bisschen was darüber? Und wenn du irgendeinem Typ nun eine neue Form von Viagra in der Disko verkauft hast?"

    Semir verzog den Mund ein wenig ob Bens salopper Frage, Jo musste grinsen bei der Vorstellung, dass der Typ über wie Wirkung seiner Drogen wohl ordentlich verwirrt sein dürfte. "Kannst du uns zeigen, wo du das Päkchen gefunden hast?", fragte Semir dann interessiert und das Mädchen nickte stumm. Wie eine Trauergemeinde schritten die beiden Polizisten und auch Jo hinter Chloe her, durch die Tür in den Flur und dann in den ersten Raum.

    Vater Kruskes Büro war nicht abgesperrt. Eigentlich führte ja Chloes Mutter die Apotheke, aber dieser Raum war Huberts Reich, denn hier erledigte er auch die Geschäfte für seine Supermarktkette. Das Büro war nicht abgesperrt, denn vor seiner Frau und seiner Tochter hatte er nicht zu verheimlichen, der einzigen Mitarbeiterin Jo vertraute er total. Chloe ging in dem Raum an eine Wand, wo ein etwas größeres Bild hing und deutete auf den Boden. "Dort hab ich das Päkchen gefunden. Ich habe eine selbst probiert, aber mir wurde nur schlecht davon, also habe ich sie verkauft.", sagte sie und wurde von zwei strengen, aber misstrauischen Augenpaaren angeguckt. Jo fühlte sich unwohl bei ihrem Chef im Büro zu stehen, und ging mit einem kurzen "Wenn Chloe mich braucht, rufen sie mich bitte.", wieder zurück in den Verkaufsraum.

    Ben wollte schon beginnen, in irgendwelchen Unterlagen rumzuschnüffeln, doch sein Partner hielt ihn zurück. "Ganz cool bleiben, wir haben keinen Durchsuchungsbeschluss." "Seit wann brauchen wir den?" "Glaubst du, ich will in meine neue Karriere als zukünftiger Dienststellenleiter sofort mit einem Eintrag ins Klassenbuch beginnen?" "Semir, dein Klassenbuch ist längst voll!" Der erfahrene Polizist verdrehte die Augen, und Ben hatte nicht Unrecht. Die beiden Autobahnpolizisten waren beim Polizeipräsidenten bekannter als bunte Hunde. "Trotzdem."

    Dann wandte er sich zu dem Bild, unter dem das Päkchen lag und schob es ein wenig zur Seite. Hinter dem Bild kam ein Wandtresor zum Vorschein und sofort war dem Polizist klar, wo das Päkchen Drogen wirklich her kam. "Ausserdem brauchst du eh nichts zu suchen.", meinte er in Bens Richtung, bevor er sich an Chloe wandte. "Ich nehme an, du weißt nicht, wie die Kombination ist, oder wie man den öffnet?" Das Mädchen schüttelte den Kopf und antwortete: "Ich wusste bis gerade eben nicht mal, dass es sowas hier gibt. Ich dachte, Papa bringt das Geld immer zur Bank oder lässt es am Supermarkt von einem Transporter abholen." Sie spielte weiter nervös mit der Kette und Semir hatte keinen Zweifel an ihren Worten. Er war sich sicher, dass in diesem Tresor nicht nur Dokumente und Bargeld war.

    "Sollen wir den Staatsanwalt anrufen?", fragte Ben etwas leiser, um einen Durchsuchungsbefehl zu bekommen und gleichzeitig auch Spezialisten, die einen Tresor leicht knacken könnten. "Nein, wir warten auf Herr Kruske persönlich. Vielleicht brauchen wir weder einen Durchsuchungsbeschluss, noch einen Spezialisten.", sagte Semir.

    Es dauerte eine halbe Stunde, bis Hubert Kruske sich aus der Supermarktzentrale loseisen konnte und aufgeregt bei der Apotheke seiner Frau eintraf. Natürlich war er nervös, Jo hatte am Telefon etwas von Polizei und Chloe erwähnt... beides trieb ihm die Schweißperlen auf die Stirn. Die Polizei an sich, wegen der heißen Ware in seinem Tresor... und was hatte Chloe damit zu tun? Als er in die Apotheke eintraf, saßen alle wieder im Verkaufsraum, nur Chloe durfte auf ihr Zimmer gehen. Die beiden Polizisten wiesen sich aus und erklärten, warum sie hier seien. Als Hubert Kruske erfuhr, dass Chloe Tabletten aus seinem Tresor verkauft hatte, musste er sich setzen.

    "Herr Kruske, ich denke wir brauchen nicht viel drum herum zu reden. Das Tütchen lag genau unter ihrem Tresor. Mit der Faktenlage, dass hier zwei der meistgesuchten Untergrundgrößen ein- und ausgehen wird es uns ein Leichtes sein, einen Durchsuchungsbeschluss zu bekommen, und ihnen hier alles auf den Kopf zu stellen. Und ihre Supermärkte gleich mit." Der Mann hatte den Ellbogen auf die Theke gestützt und biss sich in die Faust. Semir klang ein wenig versöhnlicher. "Sie sehen mir nicht aus wie ein typischer Drogendealer. Auch nicht wie ein Zwischenhändler. Sie lagern die Drogen nicht freiwillig, oder?" Kruske zog ein Taschentuch aus der Jackentasche und wischte sich die hohe feuchte Stirn. Jo saß etwas abseits und lauschte gespannt, sie kam sich vor wie in einem Krimi.

    Ben kam nun, nachdem er ein wenig hin und her getigert war und Semir das Wort überließ, dichter zu Herrn Kruske. "Ich helfe ihnen mal bei ihrer Entscheidungsfindung. Ihre Tochter hat einen Freund, und sowohl er, als auch vermutlich ihre Tochter werden von diesem beiden Männern verfolgt." Dabei legte er die Wahrheit ein wenig weiter aus... dass Chloe auch verfolgt wurde, wussten sie nicht. Doch der Bluff wirkte. "Wenn sie jetzt mit uns zusammenarbeiten, stellen wir sie unter Polizeischutz, bis die Typen verhaftet sind." Kruske lachte auf: "Wissen sie eigentlich, mit wem sie sich da anlegen? Ich hab von anderen Leuten gehört, die nicht mit denen zusammenarbeiten wollten, wozu die in der Lage sind." "Sie arbeiten also mit denen zusammen. Das ist ja schon mal etwas.", sagte Ben und richtete sich wieder auf, bevor er mit einem süffisanten "Jetzt kannst du weitermachen." zu Semir wieder auf und ab ging.

    Der verbiss sich einen Kommentar zu seinem Partner. "Also Herr Kruske, wie arbeiten sie mit denen zusammen?" "Ich bin nur ein Lager. Manchmal für Bargeld, manchmal für Drogen. Sie kommen wie normale Kunden und gehen wie normale Kunden." "Und was bekommen sie dafür?" "Denken sie, die würden mich bezahlen? Ich werde in Ruhe gelassen. Meine Supermärkte werden in Ruhe gelassen." Der erfahrene Polizist nickte. "Wieviel ist jetzt noch im Tresor drin?" "Ich... der kleinere der beiden hatte zuletzt gesagt, was noch drin ist hätte einen Wert von einer Viertelmillion." Die beiden Polizisten sahen sich an... das war nicht wenig. "Okay. Sie und ihre Tochter kommen mit uns mit zum Drogendezernat, dort werden wir ihre Aussage aufnehmen, und dann werden sie und ihre Familie unter Polizeischutz gestellt.", sagte Semir und Herr Kruske nickte. Er verließ den Verkaufsraum um nach oben zu gehen, und Chloe zu holen. Nur eine Minute später kam er zurück, das Gesicht kreidebleich: "Chloe ist verschwunden..."

    Köln - 13:45 Uhr

    Semir und Ben trafen sich wieder bei der Apotheke... Ben zu Fuß, etwas ausser Atem durch die Rennerei und vor allem komplett in seiner Gedankenwelt versunken. Semir kam mit dem havarierten BMW zurück, der trotz des demolierten Hecks noch fahrbar war. Der erfahrene Polizist sah seinem Partner sofort an, dass der mit den Gedanken gerade ganz woanders war. Auf der Bühne mit Kevin, in Kolumbien, in Kevins Wohnung ... überall wo der vor einigen Monaten verstorbene Polizist Spuren hinterlassen hat. Nicht mal einen Spruch machte Ben über das kaputte Dienstfahrzeug, als er sich zu Semir ins Auto setzte und ihm das Foto gab. Der warf einen Blick darauf, und obwohl sie Kevins Schwester nicht ständig vor Augen hatten, so kannten sie doch beide das Jugendfoto von Janine. Dieses war ein anderes, aber auch er würde die schwarzhaarige Schönheit sofort erkennen.

    "Puh... das ist... ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll... Zufall?", meinte der ältere der beiden Polizisten und ließ den Blick nicht ab. Er drehte das Foto, das wie aus einem Fotogeschäft auf Glanzpapier gedruckt war, um. Kein Datum auf der Rückseite, keine handschriftlichen Notizen. "Warum hat der Junge ein Foto von Kevins Schwester? Vielleicht... noch ein Bruder? Oder ein Freund?" Ben winkte ab. "Semir... ein Freund. Janine ist seit über 15 Jahren tot. Der Junge war vielleicht 17 oder 18.", widersprach Ben.

    Semir versank wieder ins Schweigen. "Kannst du ihn beschreiben, oder gings so schnell?" "Nein, ich denke schon dass ich ihn beschreiben kann. Wir müssen ihn zur Fahndung rausgeben. Was auch immer der Junge vor hat, oder warum er weggelaufen ist. Wenn die beiden Typen hinter ihm her sind, schwebt er in Lebensgefahr." Semir sah weiter auf das Bild und er versuchte die gemeinsame Geschichte von Kevin und Janine, die nur 15 Jahre dauerte, zu rekonstruieren. Er wusste, dass Kevin mit 3 oder 4 Jahren mit seinem Vater und Janine von Hamburg nach Köln gezogen war. Da war Janine also gerade mal 1 oder anderthalb Jahre alt. Und Kevin hatte seine Mutter nie kennen gelernt, Janine war also de facto "nur" seine Halbschwester, aber das wollte der junge Polizist damals nie hören. Er hatte Janine als seine Schwester abgöttisch geliebt.

    "Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn wir nochmal bei Peters Senior nachfragen würden, bei wem er sein Erbgut noch so verteilt hat. Jedenfalls hat Kevin von dem Jungen nichts gewusst, sonst hätte er das doch erzählt. Er hätte sich doch um seinen Bruder, oder Halbbruder, genauso gekümmert, wie um seine Schwester.", sagte Semir nach einer kurzen Weile und Ben nickte zustimmend. "Bestimmt.", pflichtete er ihm bei. Dann nahm er das Funkgerät und gab Andrea eine möglichst genaue Beschreibung nach dem Jungen, mit der Bitte um Weiterleitung an die Zielfahndung.

    Danach stiegen sie aus... denn immerhin hatten sie immer noch eine Befragung vor. Und jetzt würden sie wohl nicht nur zu den verkauften Drogen in der Disco Fragen haben, sondern auch zu dem merkwürdigen Jungen und Janines Foto. Sie betraten die Apotheke, die von dem Chaos draussen überhaupt nichts mitbekommen hat. Jo kam an die Theke und grüßte freundlich. "Guten Tag, die Herren. Kann ich etwas für sie tun?" Die beiden Herren zeigten routinemäßig ihren Dienstausweis. "Gerkhan Kripo Autobahn, das ist mein Kollege Jäger. Wir würden uns gerne mit Chloe Kruske unterhalten." Jo verlor augenblicklich jegliche Lebensfarbe. "Polizei? Kripo? Aber... was wollen sie denn von Chloe?" "Sind sie ... eine Schwester?", fragte Ben vorsichtig, denn für eine "Mutter" sah Jo noch zu jung aus. Die Frau schüttelte den Kopf. "Nein, aber ich arbeite hier schon seit Jahren und kenne die Familie. Geht... geht das denn ohne ihre Eltern?" "Solange sie freiwillig mit uns redet... aber mit den Eltern hätten wir uns auch ganz gerne unterhalten... vielleicht können sie die auch auftreiben.", antwortete Semir. Jo nickte etwas nervös und griff zum Telefon. Es dauerte ein wenig, bis Chloe ranging. "Chloe? Kannst du mal kurz runterkommen? Hier ... sag mal weinst du? ... Nein... komm bitte einfach mal kurz runter, okay?" Sie sagte nicht, dass die Polizei auf sie wartete... zum Glück. Chloe hätte gut und gerne auch hinten aus der rückwärtigen Tür türmen können. Doch dafür hatte das Mädchen mit den schwarzen Haaren und deutlich verschmierten Masquara wirklich nicht den Kopf, als sie in die Apotheke kam, während Jo versuchte, Hubert Kruske in der Supermarktzentrale zu erreichen.

    Chloe sah etwas verwirrt, als sie die beiden fremden Männer sah. Insgeheim hatte sie gehofft, Felix wäre zurück gekommen, niedergeschlagen und wollte sich entschuldigen. Aber der wäre vermutlich von Jo einfach hochgeschickt worden. "Hallo Chloe, wir sind von der Polizei. Ich bin Semir und das ist mein Partner Ben.", sagte Semir und nannte absichtlich die Vornamen um ein wenig Distanz abzubauen. Chloe blickte nicht gerade vertrauenserweckend drein, sie wischte sich das Masquara ein wenig aus dem Gesicht und verschränkte abweisend die Arme vor der Brust. "Hmm... ja. Was wollen sie von mir?", fragte sie mit fester, aber etwas gelangweilter Stimme. Ihre Angespanntheit konnte man aber dennoch sofort bemerken, sie wechselte andauernd das Standbein und blickte nervös zu Jo, die besorgt dreinblickte.

    "Chloe, wir haben gehört, du hättest vor zwei Wochen in einer Discothek ... versucht etwas zu verkaufen.", sagte Semir und Ben hatte ein wenig die Tür im Blick. Sollte Kundschaft kommen, würden sie das Gespräch in die Nebenräume verlagern. Jo spielte aufgeregt an ihrer Kette als Chloe kurz aufblickte. "Verkauft?", wiederholte sie, als bräuchte sie ein paar Sekunden mehr um sich eine Antwort... oder eine Lüge zurecht zu legen.

    Semirs Gesicht drückte Verständnis aus, und seine Stimme war väterlich. Das Mädchen war genauso groß wie er. "Pass auf Chloe. Wir sind weder vom Jugendamt noch vom Dezernat für Jugendkriminalität. Auch nicht von der Drogenfahndung." Chloe biss sich auf die Lippen und nickte. "Deswegen haben wir kein Interesse daran dich jetzt irgendwie dran zu bekommen, weil du etwas verkauft hast. Wir gehen davon aus, dass es das erste Mal war... oder?" Das Mädchen nickte zögerlich, bis sie verstand, was Semir sagen wollte. "Und dass es auch das letzte Mal war, oder?" fragte er in fast gleicher Stimmlage wie die Frage zuvor. Wieder nickte das Mädchen, diesmal etwas kräftiger und schneller. Der erfahrene Polizist lächelte, das Mädchen schien das Spielchen mitzuspielen.

    "Gut, Chloe. Dann musst du uns jetzt nur sagen, vom wem du die Drogen bekommen hast." Das kurzzeitige Vertrauen erlosch in Chloe wieder, als sie die Frage hörte. Sie dachte, die beiden wären nur zwei Polizisten, die sich Papierarbeit sparen wollten, und sagen würden: "Gut, dann ist es ja nicht schlimm - auf Wiedersehen." "Ich... ich weiß nicht." Nun schaltete sich Ben auch in das Gespräch ein. "Pass auf Chloe... wir ermitteln in einem Mordfall. Ausserdem wurde ein Junge, der eben hier rausgekommen ist, von zwei Männern verfolgt, die wir verdächtigen. War der Junge bei dir?" Wieder reagierte das Mädchen, diesmal mit Entsetzen. "Was... was ist mit Felix?" Semir nickte Ben anerkennend zu, zumindest wussten sie jetzt einen Namen. "Felix... wie noch?" Chloes Lippen zitterten. "Ich... ich weiß seinen Nachnamen nicht." Bevor sie weiter nach Felix und dem Foto fragen wollten, wiederholte Semir seine Frage nochmal: "Von wem hast du die Drogen bekommen. 'Ich weiß nicht' glauben wir dir nicht." Die Schülerin war von der Tatsache, dass man Felix verfolgt hatte, so überrumpelt, dass sie wahrheitsgemäß antwortete. "Ich habe es gefunden." "Gefunden? Wo gefunden?", fragte der erfahrene Polizist. "Hier... hier in der Apotheke."

    Köln - 13:15 Uhr

    Der Mercedes-Youngtimer, in dem Frank und Gregor saßen, fuhr nun langsam zu der Adresse, die beide sehr gut kannten - die Apotheke, wo sie ihre Vorräte aufbewahrten. "Das ist jetzt nach fünf Schulen der letzten Versuch, Frankie. Ich helfe dir ja wirklich gerne bei deiner Paranoia, aber irgendwann ist ja auch mal gut.", sagte Franks bester Freund genervt, und wurde von dem direkt freundschaftlich mit einem "Halts Maul!" unterbrochen. "Merkt man dass du kein Profi bist. Ich gehe kein Risiko ein." beharrte Frank. "Zur Not nehmen wir den Jungen eben mit. Fertig." Dann stiegen beide aus und gingen auf dem Bürgersteig langsam in Richtung der Apotheke. Sie konnten das Klingeln der Türklingel, die an der Tür hing und immer einen neuen Kunden ankündigte, auf der Straße hören, bevor sie sahen, wer aus dem Haus kam. Und Felix bemerkte die beiden Männer, noch bevor er wirklich auf den Gehsteig kam.

    Sein Herzschlag beschleunigte sich, als er die kratzige Stimme von Frank hörte und sofort erkannte. "Da ist er! Los!" Im ersten Affekt wollte der Junge den geordneten Rückzug ins Haus antreten... Doch das wäre eine Sackgasse und noch dazu bringt er Chloe in Gefahr. Also rannte er zunächst den Gehweg entlang, weg von den beiden Männern, die bedrohlich dicht an ihm dran waren. Doch weder Gregor noch Frank waren besonders gute Sportler, und so sahen sie zunächst die wehende Jacke des Jungen etwas kleiner werden.

    Die beiden waren höchstens einige Meter gerannt, da bog auf der Straße der silberne BMW von Semir und Ben um die Ecke. Sie hatten unterwegs, auf dem Weg zurück zur Dienststelle, die Adresse von Chloe bekommen, die auf ihrem Rückweg lag, und so wollten sie doch direkt vorbeischauen. Beide schauten erstaunt, als sie auf die Nebenstraße fuhren und dort plötzlich drei Gestalten, eine jung und zwei Ältere rennen sahen. "Ist hier ein Sportfest?", fragte Ben belustigt, während Semir die Stirn in Falten zog. "Kennen wir den nicht? Das ist doch Gregor Stimmer.", sagte Semir, sie hatten eben von Andrea noch ein Bild und einige Infos geschickt bekommen. Jetzt verlor sein Partner den Spaß aus dem Gesicht und sie bremsten am Gehweg genau dort, wo Felix vorbei lief.

    Die beiden Verbrecher bemerkten auch sofort, dass der silberne BMW nichts Gutes versprach. "Los, zurück zum Wagen.", befahl Frank und beide traten den Rückzug zu Franks Youngtimer an. Semir stieg also gar nicht erst aus, während Ben sich abgurtete. "Ich lauf dem Jungen hinterher. Der kann uns sicherlich erzählen, was hier gespielt wird.", sagte er noch und stieg aus dem Auto, um die Verfolgung zu Fuß aufzunehmen. Doch Felix hatte bereits einiges an Vorsprung, doch Ben war schnell und sprintete auf dem Gehweg hinterher.

    Frank startete sein Auto und gab sofort Gas, gerade noch knapp vor Semirs BMW, der nach Bens Aussteigen auch beschleunigte und das Blaulicht anschaltete. "Zentrale für Cobra 11, verfolge einen goldgelben Mercedes 280SL...", danach gab er den Ort und das Kennzeichen durch. Er verfolgte den alten Benz erst durch die Nebenstraßen, dann auf die Hauptstraße des Vorortes der Großstadt Köln. Semir Hirn arbeitete auch bei einer Verfolgungsjagd... mir Gregor waren sie auf der richtigen Spur, sonst würde der nicht so überhand das Weite suchen. Den kleinen Mann kannte er auch vom Sehen, und seine Erinnerung sagten ihm, dass der die größere Nummer im Geschäft war. Nur der Name wollte ihm partout im Moment nicht einfallen.

    Der erfahrene Polizist war auch genug beschäftigt, denn auf der Hauptstraße war um die Mittagszeit reger Fahrbetrieb. Frank sah immer wieder in den Rückspiegel, und im fielen immer neue Kreationen der Flucherei ein. Er war sauer, hatte er doch Angst dass sein bisher gut gehütetes Geschäft endgültig auffliegen würde, nur wegen des Informanten, den er aus dem Weg geräumt hatte. Doch jetzt musste er erst mal die lästigen Verfolger los werden. Ohne Rücksicht auf den restlichen Verkehr überquerte er eine Kreuzung mit roter Ampel, er konnte das Quietschen der Reifen hinter sich hören, als Semir eine Vollbremsung machen musste, um anderen Fahrzeugen aus zu weichen, die ebenfalls bremsten. "Verdammt nochmal!", rief er auf, obwohl er natürlich alleine im Auto saß, dann beschleunigte er wieder.

    Die Hauptstraße machte eine Linkskurve, rechts davon war der Marktplatz. Der Betrieb war längst versiegt, die letzten Händler klappten gerade die Marktstände zu und verluden Kisten im LKW. Eine junge Fahrerin in einem Kombi bemerkte in der Linkskurve die Sirene von Semirs BMW und reagierte prompt falsch... statt zur Seite zu fahren, bremste sie mitten in der Kurve. Gregor hielt sich vor Schreck die Hände vors Gesicht, doch Frank reagierte richtig und fuhr links an dem parkenden Hindernis vorbei. Da Semir allerdings zu dicht aufgefahren war, verriss er das Lenkrad nach rechts und geriet ins Schleudern. "Oh Scheisse!!", rief er noch, als er sich einmal um die eigene Achse drehte und sein BMW erst durch einen Stapel Äpfelkisten rutschte und schließlich mit einem lauten Krachen im Verkaufswagen einschlug.

    "Fuck...", zischte er und konnte die Verfolgung nicht wieder aufnehmen. Das Fahrzeug war zwar fahrtüchtig, aber er musste aussteigen und schauen, dass niemand verletzt war, denn sofort kamen Menschen auf den Marktplatz und ein lautes Stimmengewirr erfasste den Polizisten, der sich auch zunächst, nachdem er feststellte, dass er keinen Personenschaden angerichtet hatte, sich mit dem Markthändler befassen musste, dessen Verkaufsstand er demoliert hatte. "Ich hab den Flüchtigen verloren und brauche hier noch zwei Streifen, bitte.", gab er genervt über Funk durch, bevor er die Menschenmasse langsam beruhigte.

    Ruhig ging es bei Ben dagegen nicht zu. Der kleine Kerl war wieselflink, vor allem als er begann in die Gassen zwischen den Häusern abzubiegen um Ben abzuhängen. "Hey, bleib stehen! Verdammt, ich bin von der Polizei!!", schrie Ben heiser, und jedes Wort kostete Kraft beim Laufen. Die Nase schmerzte bei jedem schnellen Tritt und jeder Erschütterung die durch seinen Körper ging. Felix hörte die Stimme, er hörte die Worte, aber er nahm sie nicht wahr. Wenn er rannte, lief sein Hirn auf Sparflamme. Ausserdem könnte es auch ein Freund der Verbrecher sein, der ihn mit der Polizei-Aussage nur täuschen wollte. Nein, der Junge wollte kein Risiko eingehen, denn er wusste dass es aus war, wenn er den Gangstern in die Hände fiel. Er schlug weitere Haken um Mülleimer und Container herum, als er auf einen hohen Zaun zuhielt, der zwei Gassen voneinander trennte.

    Ben wurde langsamer, denn es war unmöglich für den Jungen da drüber zu kommen, denn der Zaun war 2 Meter hoch. "Endstation, Junge.", japste Ben noch, als er bemerkte, dass Felix gar nicht langsamer wurde. Stattdessen lief er eine leichte Kurve und auf die Ecke zu, wo der Zaun die Hauswand kreuzte. Felix nutzte seine ganze Sprungkraft und sprang mit einem Fuß an die Mauer in einer Höhe vom vielleicht einem halben Meter und drückte sich kraftvoll von der Mauer ab. So schaffte er es, die zwei Meter hohe Zaunkante zu ergreifen und sich hoch zu ziehen, da er selbst sehr leicht war. "Verdammter Mist...", murmelte Ben, der gar nicht den Versuch unternahm.

    Er hörte noch das Aufklatschen der Schuhe auf der anderen Seite... dann war klar, dass der Junge weg war. Ben stützte sich mit den Händen auf seinen Knien ab, um Luft zu holen... dabei fiel sein Blick auf ein Stück Papier, das auf dem Boden an der Hauswand lag. Scheinbar war es dem Jungen aus der Tasche gefallen, und Ben ging hin, um es aufzuheben. Es war ein Foto. Als der junge Polizist es betrachtete, wurde ihm schlecht. Er liess es sinken und ein "Fuck" entfuhr es ihm, bevor er kurz zum Himmel blickte und er sich mit einer Hand an der Hauswand abstützte. Dann sah er nochmal darauf, und es gab keinen Zweifel, wer ihn da anlächelte.

    Er zog sein Handy aus der Tasche. "Semir? Hier ist Ben." "Hast du ihn?" "Nein... er ist entwischt... was sind das für Stimmen? Was ist bei dir los?" "Nichts, ich komm zurück zur Apotheke, wir treffen uns dort." Semir klang missmutig. "Warte Semir. Der Junge hat etwas verloren.", sagte Ben mit seltsamer Stimme, die seinem besten Freund sofort auffiel. "Was verloren?" "Ja... ein Foto." "Was denn für ein Foto?" Ben schwieg, bis Semirs Stimme wieder zu hören war. "Ben, Hallo? Bist du noch da? Was für ein Foto hat der Junge verloren?" Der Polizist warf nochmals einen Blick auf das Mädchen mit den schwarzen Haaren. "Auf dem Foto ist ... Kevins Schwester."

    Köln - 13:00 Uhr

    Mit zitternden Händen hatte Felix die kleine Ampulle mit Nasenspray genommen und sich das Medikament tief in den Körper gespritzt. Chloe hatte ihn, als sie zurück ins Zimmer gelaufen kam, gekrümmt auf ihrem Bett gefunden und beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Der Anfall war einer der stärksten Sorte, die Felix jemals hatte und das junge Mädchen konnte seine schmerzhaften Stöhnlaute bereits auf dem Flur hören. Er hatte gehofft, ganz romantisch, würde ihn der kurze Kuss von Chloe sofort heilen, doch das gab es nur im Märchen. Später fand er es schade, dass dieser Kuss für immer mit diesem unmenschlichen Schmerz verbunden blieb. Trotzdem war er seiner neuen Gefährtin unendlich dankbar, dass sie sich um ihn kümmerte und das notwendige Medikament besorgte.

    Und doch waren sie zu spät. Wartete man während einer Attacke zu lange, wirkte das Nasenspray nicht mehr. Die Schmerzen nahmen nicht ab. Chloe hatte sich im Schneidersitz auf ihr Bett gesetzt, den Rücken an die Wand an der Kopfseite des Bettes gelehnt und die Beine auf dem Bett ausgestreckt. Sie hatte dann Felix Kopf in ihren Schoss gelegt, und streichelte ihm durch die langen, schwarzen Haare. Immer wenn er aufstöhnte, wenn der Schmerz wie ein Bohrer oder ein Blitzschlag durch sein Auge in seinen Kopf fuhr, sprach sie leise zu ihm. "Es hört gleich wieder auf. Gleich ist es gut."

    Sie sah auf die Uhr. Jo hatte gesagt, eine Attacke kann bis zu drei Stunden dauern. Um 11 Uhr ungefähr hatte die Attacke begonnen, jetzt wurde es gleich 13 Uhr. Wenn Felix Pech hatte, müsste er das Märtyrium noch eine Stunde durchstehen. Jo kam zwischendurch nach oben, ihr stand der Zugang zur Wohnung frei, weil sie schon so lange bei ihnen arbeitete und eine gute Freundin der Familie war. Als sie bemerkte, dass das Nasenspray nicht anschlug und dass Chloe voll und ganz mit Streicheleinheiten beschäftigt war, ließ sie kalte Luft ins Zimmer, den Sauerstoff war bei einer Clusterattacke sehr hilfreich. Den Drang zur Bewegung hatte Felix auch, doch es war ihm, trotz aller Schmerzen, sehr angenehm bei dem jungen Mädchen zu liegen, auch wenn er sich bei Schmerzstößen regelrecht neben ihr aufbäumte.

    Irgendwann gegen viertel nach eins nahmen die Schmerzen plötzlich ab. Der mittlere, konstant währende Schmerz verebbte, die Schmerzspitzen, die minütlich in seinen Kopf stießen, blieben aus. Chloe merkte es, dass sein Körper sich entspannte, die Verkrampfheit wich und seine Hand müde von der rötlich gefärbten Schläfe rutschte, die er fortwährend gerieben hatte, als könnte er damit den Schmerz vertreiben. "Ich glaub... es ist vorbei.", sagte er mit müder Stimme. Es war der einzige Mutmacher, zu wissen dass es irgendwann einfach aufhört. Nach starken Attacken blieb nur etwas normaler Kopfschmerz zurück.

    "Was war das? Hast du das öfters?", fragte Chloe mit leiser Stimme, als könnten ihm laute Geräusche irgendwie Schmerzen zufügen. Der Junge wollte sich aufsetzen, doch diese Lage, jetzt wesentlich schmerzfreier, immer noch in Chloes Schoss und ihre Finger in seinen Haaren, war derart angenehm, dass er erstmal liegen blieb. "Hmm ja... seit einigen Jahren, immer anderthalb Monate lang." "Jo hat was von Clusterkopfschmerz gesagt." Er hatte das schon einmal gehört, aber wieder verworfen. Letztendlich wusste er nur, dass dieses Nasenspray half. "Wo bekommst du das Spray sonst her... oder hast du das zuhause immer verschrieben bekommen?", fragte sie und sah auf das Gesicht des Jungen herab. Da er seitlich lag, blickte sie ihm auf das seitliche Profil seines, noch recht jungenhaften Gesichtes, obwohl er schon soviel erlebt hatte. Er schwieg.

    "Hallo, Felix? Ich habe dich was gefragt?", wurde sie etwas lauter und wuschelte ihm nun liebevoll durchs Haar. "Ich... ich habs bekommen. Als Gegenleistung." "Gegenleistung wofür?" Er seufzte. Warum musste sie das fragen, er wollte es nicht erzählen, weil er sich im Gegensatz zu manchen anderen Jugendlichen, dafür schämte was er getan hat. "In Hamburg bin ich manchmal für ein paar Typen in Häuser eingestiegen, weil ich ganz gut irgendwo hochkomme, und gut weglaufen kann. Entweder sowieso in Apotheken... oder in andere Geschäfte, und sie haben mir das Imigran dann anders beschafft."

    Das Streicheln über Felix Kopf hörte langsam auf und für einen Moment ruhte Chloes Hand auf seinem Kopf. "Apotheken?", wiederholte sie, ohne den Jungen anzugucken. Ein ungutes, unwohles Gefühl stieg in ihr auf, es entwickelte sich zum Brechreiz und ließ ihre Bauchmuskeln zittern. Der Junge, der seinen Kopf in ihrem Schoß liegen hatte, eine intime Lage wie sie sie noch nie so zugelassen hatte, und die ihr bis zu diesem Zeitpunkt so angenehm war, bemerkte ihre Stimmungsänderung nicht. "Ja, das war das häufigste. Da konnte ich es mir meist selbst mitnehmen. Aber es waren auch andere Läden, wo Bargeld zu holen war." Jetzt erst bemerkte er dass das Mädchen die Hand komplett von seinem Kopf genommen hatte, und mit unschuldigem Blick drehte er seinen Kopf ein wenig nach oben, um Chloes Gesicht zu sehen. Ihr Ausdruck in den Augen machte ihm Angst.

    "Chloe? Was...", begann er, als auch sein Bauch von einem unguten Gefühl ergriffen wurde. "Warum bist du hier? Suchst du wirklich deine Schwester? Oder bist du hier um einen neuen Einbruch auszukundschaften?", fragte sie mit entfremdeter Stimme. Dem Jungen rutschte das Herz in die Hose, er war nicht schlagfertig und kalt genug, um auf so einen Vorwurf zu reagieren. "Ich... wie kommst du denn darauf?" "Na, dass du mit mir abhängst! Ich wusste gleich, dass das nicht sein kann nur weil du an mir interessiert bist.", sagte sie und stach mit ihren Worten mitten in Felix Herz.

    Sie rutschte unbarmherzig von ihm weg, so dass sein Kopf aus dem Schoß rutschte. Bevor er aufs Bett plumpste, setzte Felix sich auf. "Moment... auf dem Schulhof hast du mich doch angesprochen...", sagte Felix dann, der endlich seinen Gedächtnisstrang wieder gefunden hatte, und seine Stimme einsetzen konnte... jedoch zaghaft und darauf bedacht, die Situation nicht eskalieren zu lassen. Doch Chloe reagierte, wie sie immer reagierte. Weswegen sie die Probleme in ihrem Leben hatte... impulsiv und gefühlsgesteuert. "Ja, weil ich dir helfen wollte. Weil ich dich...", sie verharrte kurz, um nicht das Wort zu sagen, dass ihr zuerst einfiel. "... nett fand. Da wusste ich noch nicht, dass du mich ausnutzen würdest!" Und bevor Felix auf ihren Vorwurf reagieren wollte, feuerte sie hinterher: "War der Anfall gerade auch nur vorgetäuscht? Hattest du gehofft, du siehst wo ich das Imigran hernehme? Stimmt die Story mit deiner Schwester überhaupt, oder ist das Mädchen irgendein Foto aus dem Internet?"

    Die Worte drangen in Felix' Herz ein wie Pfeile. Er wusste einfach nicht, wie er sich zur Wehr setzen wollte, er spürte ein Zittern in seinen Händen. "Ich... natürlich suche ich meine Schwester.", stammelte er nur erschrocken. Fürs Streiten war sein Wesen einfach nicht ausgelegt... schon gar nicht gegen Chloe. "Schön... aber hier ist sie nicht. Also geh jetzt bitte.", sagte sie und drehte sich von ihm weg... aus Angst, er könnte sehen, dass ihr auch die Tränen in die Augen stiegen, stattdessen sah sie auf ihre Kette mit der Rasierklinge. Wortlos, tief getroffen, stand Felix vom Bett auf und nahm seinen Rucksack. An der Tür drehte er sich noch einmal zu Chloe und schaute auf ihren schlanken Rücken. "Kann ich dir... vielleicht später schreiben?", fragte er und klang, ob der Situation, ziemlich naiv. Chloe ließ eine Antwort offen, bis er endlich das Zimmer verließ, und sich ihre Tränen den Weg aus ihren Augen suchten.

    Köln - 12:30 Uhr

    Semir und Ben hatten beide die Kragen ihrer Jacke hochgeschlagen und standen an einem zugigen Imbissstand. Der ältere der beiden Männer schaute griesgrämig... obwohl er ganz und gar nicht kälteempfindlich war, fror er. Es regnete wieder Bindfäden und der Wind frischte auf - ein unglaublich unbequemer Novembertag. Doch sein Partner und bester Freund hatte das, was er selbst "spontanen Heißhunger" nannte. "Ich verspreche dir, du wirst heute nicht mehr mit mir froh, wenn ich keine Currywurst bekomme.", drohte er im Wagen, halbspaßig und halbernst, an. Semir selbst machte sich nicht viel aus dieser Art Essen... schon gar nicht, wenn man ihn Kauf nehmen musste, bei nassem Wind zu erfrieren. So aß er seine Portion Pommes am Stehtisch mit schnippischen Blick auf die doppelte Portion Currywurst in dem Pappbehälter vor Ben, und merkte schnippisch an, dass es lange dauern würde, den Wagen von der Currysauce zu befreien, wenn Ben mal platzen sollte.

    "Sehr witzig.", war dessen Reaktion und stieß seinen Partner gegen die Schulter. "Lass uns lieber über den Fall reden. Ich hab das Gefühl, wir waten darin rum wie in Currysauce und finden weder die Wurst, noch die Gabel.", zeigte er sich ungewohnt metapherreich, wenn auch mit Ben-typischen Bildern. Semir nickte, eine kleine Dienstbesprechung beim Mittagessen konnte nicht schaden. Die Chefin wollte später sicher auch eingeweiht werden in die neuesten Erkenntnisse, also war es gut wenn man dort mit einer Stimme sprach.

    "Wir haben eine Leiche, Zenner. Teile seines Umfeldes, wo er gearbeitet hat, sind Zolda, der auf der Flucht ist und wir haben den Namen Gregor Stimmer, der dort offenbar eine größere Nummer ist. Dann haben wir die Namen von den beiden Dealern, die wir schon verhört haben, die aber scheinbar von der ganzen Sache nichts wissen. Wir haben von dem Clubbesitzer den Namen von der Disko-Dealerin und die Namen von einigen Konsumenten.", fasste Semir den bisherigen Stand zusammen und Ben nickte mit jedem Kauvorgang. "Die Käufer können wir, denke ich vernachlässigen. Junkies verraten ihre Bezugsquellen nicht, und solange wir ihnen nichts nachweisen können, womit wir sie unter Druck setzen, bringt das Gespräch nichts." Ben wog den Kopf hin und her. "Ich würde vielleicht einfach mal ein paar uniformierte bei Ihnen klingeln lassen. Freundlich nachfragen, mehr nicht." "Okay, das können wir machen.", willigte der Dienstälteste ein.

    Ben sah den Boden des Papptellers und seine Miene nahm traurige Züge an. "Stimmer werden wir durchleuchten lassen, das habe ich schon weitergegeben an Andrea. Wird echt Zeit, dass Jenny wieder fit wird." "Die könnten wir übrigens mal wieder besuchen.", merkte Ben nebenbei an und hatte jeden Tag, an dem er nicht bei Jenny vorbeischaute, ein schlechtes Gewissen. "Die wird froh sein, wenn sie dich mal zwei Tage nicht sehen muss. Ausserdem kommt sie doch eh nächste Woche raus.", sagte der kleinere der beiden Kommissare und wollte wieder zum Fall zurückkehren.

    "Ich weiß nicht... aber mir steckt immer noch das junge Mädchen aus der Disco in der Nase. Der Besitzer hätte sie bei der ganzen Aufzählung beinahe vergessen. Warum?", stellte Semir eine Frage in den Raum, auf die Ben mit den Schultern zuckte. "Keine Ahnung... vielleicht sich nicht daran erinnert." "Er hatte alle Dealer und Konsumenten auf seinen Notizblock geschrieben... und sie auch." Semir sah seinen Partner erwartungsvoll an, bevor er ihm selbst auf die Sprünge half. "Der hatte überlegt, das Mädchen überhaupt zu erwähnen. Hatte ja auch gesagt, dass sie sich komisch verhielt und auch gar nicht reinpasste. Das Zeug bei ihrem Vater gefunden hat." "Ja schon... aber worauf willst du hinaus? Wenn sie das Zeug gestohlen hat, dann hat sie doch gar keinen Kontakt zu den Hintermännern, anders als unsere beiden Dealer, die wir gerade besucht haben." "Das nicht ... aber woher hat ihr Vater das Zeug? Ist ihr Vater vielleicht eine größere Nummer im Geschäft? Hat er vielleicht Kontakte? Ich denke einfach, dass es schwierig wird an die großen Bosse dort heran zu kommen. Ich meine, nicht umsonst arbeiten wir da mit Insidern wie Zenner." Jetzt verstand Ben Semirs Idee. Er hatte es ja selbst gesagt... sie wateten durch eine zähe Currysauce. Bei Drogenfällen in der Vergangenheit hatten sie V-Männer... oder Kevin. Der hatte durch seine Vergangenheit sowohl das Denken eines Täters, sowie nötige Kontakte und ein entsprechendes Auftreten. Ben würde man einen Drogenkauf als Hipster oder Rockmusiker noch abnehmen... aber Semir?

    "Ich will einfach jede Möglichkeit abklappern. Wir fahren hin und fragen freundlich nach. Zuerst bei dem Mädchen... hoffen wir mal, dass Papa nicht zuhause ist.", sagte der erfahrene Polizist, während sein bester Freund endgültig die letzte Pommes in den Mund schob und den Müll entsorgte. "Schule schon aus? Oder sollen wir noch etwas warten?", fragte er dann, als beide wieder in die Wärme des Dienstwagens einstiegen. Semir nickte: "Ja, lass uns erst in die Dienststelle fahren. Die Chefin fragt sich sicher, was wir den ganzen Tag lang treiben. Andrea kann schon mal vorarbeiten."

    Er wählte im Wagen die Nummer seiner Frau. "Hallo Andrea - hast du schon was über den Gregor Stimmer herausgefunden?" Ein genervtes Aufstöhnen war die Antwort. "Semir, du hast mir das erst vor einer halben Stunde geschickt. Was hast du in der Zwischenzeit zwischen 12 und ein Uhr gemacht?" "Ähhhm... Ben hat ne Currywurst gefuttert.", rechtfertigte er sich. "Ach, hat Ben das? Und du hast ihm beim Kauen geholfen? Ich bin dran. In einer Stunde habe ich alles, was ihr braucht." Ben musste glucksend lachen, weil Semir über die Freisprecheinrichtung telefonierte und er alles mitbekam. "Alles klar mein Schatz. Und krieg mal bitte noch die Adresse von einer Chloe Kruske heraus. Das ist noch eine Dealerin, die wir gerne verhören würden. Wir kommen dann jetzt nochmal zurück." "Alles klar, bis gleich." Semir trennte die Verbindung und die beiden Polizisten machten sich auf den Weg.

    Der Clown hat lediglich eine Vermutung geäussert wie das Ganze umgesetzt wird. Du dagegen hast dich beschwert, DASS dieses Thema überhaupt Thema ist und gleichzeitig beschwert dass andere Themen kein Thema sind.

    Daraus kann sich nun jeder selbst ein Bild machen. Aber ich wusste, dass genau solche "Beschwerden" kommen, als ich las, dass Fremdenfeindlichkeit Thema ist. Und solche Beschwerden gibts ja auch schon auf Facebook. Und man kann dort anhand des Profils auch sehen von welchen Leuten.

    Zum Thema Verunglimpfen:

    Es wird hier sehr stark auf die tatsächliche Umsetzung ankommen, aber sollte man bei dem Thema „Rechtsextremismus“ dann Bezug zu echten Parteien durchscheinen lassen, dann wird das eine Gradwanderung.


    Ganz plump; sagt die Cobra jetzt: „Alle Wähler der ... sind ungebildet und ihr Zulauf zu dieser Partei sorgt für neu entflammten Radikalismus/ alle Wähler sind rechts.

    Das würde Zuschauer vergraulen.


    Eine letzte persönliche Anmerkung:
    Dass es natürlich wieder um Rechts geht und nicht um Links, Islamismus, etc. ist ein meinen Augen Gratismut, weil man mit diesem Thema eindeutig nirgendwo oder bei nirgendwem anecken wird.

    Danke. Wusste ja gleich woher der Wind weht und du hast es mir, vor allem mit dem Whataboutism und der verqueren Hufeisentheorie am Ende auch gleich bestätigt.

    Ich weiss bei wem du Angst hast, dass man aneckt bzw wenn man verunglimpft. Bei deutschen Blaupinseln von der AfD, die jeden Tag auf Facebook gegen Ausländer und Flüchtlinge hetzen und gleichzeitig an die Decke gehen, wenn man sie oder die Partei, der sie nachlaufen, zurecht als fremdenfeindlich bezeichnet.

    Vermutlich fühlen sich jene bereits von einem Pressetext, wo nur das Wort Rassismus oder Rechtsextremismus vorkommt, persönlich provoziert um sofort in diesem Kontext die Verschwörung zu wittern, dass man Linksextremismus und Islamismus gar nicht zum Thema macht. (Letzteres ist übrigens eine glatte Lüge, den Semirs Herkunft, die Familienstrukturen und der Glaube in diesem Zusammenhang waren mehr als einmal Thema. Und das immer kritisch.)

    Aber das ist nur eine Vermutung.

    Sehe ich anders. Die Cobra ist immer noch eine TV-Serie -somit Unterhaltung- und kein Spiegel der gesellschaftlichen Abgründe.


    Wenn es mal eine Folge gibt, die das Thema aufgreift, zB die Flüchtlingsthematik in „Kriegsbeute“, dann kann man das problemlos so machen.


    Aber kontroverse Themen, zu Leitlinien der Neuausrichtung zu machen, ist (mir) too much.

    Da besteht auch die Gefahr, dass man Teile der Zuschauer verunglimpft und vergrault. Kann man sich auch nicht leisten.

    Mit einer Neuausrichtung vergrault man immer Zuschauer. Und gewinnt eventuell andere hinzu. Gehen mehr als dazu kommen, hat man etwas falsch gemacht. Kommen mehr als gehen, hat man es richtig gemacht.

    Und nochmal: Jeder Fall, ob er nun von Autoschiebern, Mord oder anderen Verbrechen handelt, ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Abgründe. Dann bist du bei einer Krimi/Actionserie einfach falsch.

    Den Teil mit "verunglimpfen" finde ich interessant. Wen verunglimpft man denn genau?

    „Fokus auf Rechtsextremismus, Sexismus & Rassismus“...


    Genau das sind die Themen, die 24/7 in den Medien thematisiert werden.

    Wenn ich fern sehe, dann will ich Unterhaltung. Ablenkung von dem ganzen Sh!t, der mich den gesamten Alltag über begleitet. Simple.


    Noch dazu sind das sehr heikle Themen, die die Zuschauer auch schnell vergraulen könnten, Stichwort: Was wird mittlerweile schon als rassistisch oder rechts(-radikal) angesehen? Die Welt ist da ganz kompliziert geworden.


    Ich weiß nicht, inwieweit ihr euch mit dem Thema auskennt, aber ich habe das Gefühl, dass die Cobra nun auf dieser SJW (Social Justice Warrior)-Welle versucht mitzureiten und das wäre ein Graus.

    Verstehe das Problem nicht. In einem Krimi geht es immer um Themen, die es auch in der Realität gibt. Geiselnahmen, Mord, Diebstahl, Verbrechen im Allgemeinen. Wenn du dich von den schlimmen Dingen des Alltags ablenken willst, musst du irgendwelche Komödien schauen, bei denen du das Hirn abschalten kannst. Oder eben Cobra 11 auf "Jenseits von Eden" - Niveau.

    Ich finde das Thema Rechtsextremismus hoch interessant und solche packenden Themen, mit denen eben jeder konfrontiert wird, hat die Cobra viel zu lange ignoriert und liess sie unangetastet. Und da gibt es noch vieles mehr.