Keller - 13:45 Uhr
Schwärze... alles um Ben herum war in Schwarz getaucht, dachte er. Seine Augenlider schwer, er hörte dumpfe Geräusche. Als läge er irgendwo im Sarg... Oh Gott... nicht schon wieder. War da nicht auch ein Tropfen Wasser, der ihm ins Gesicht fiel, so wie damals. Plötzlich riss er die Augen auf, denn der Tropfen verwandelte sich in eine Welle, die sein Gesicht, die Haare und den oberen Teil seines Shirts durchnässte. Das Licht der einzelnen Fassung in dem schummrigen Keller brach sich an den Wasserfäden, die ihm vor die Augen liefen. Das Wasser stammte aus einem Eimer, der wiederrum von einem Mann mit asiatischem Aussehen gehalten wurde. "Wach werden! Los!", herrschte er Ben an und schlug ihm unsanft an den Hinterkopf, dass die Tropfen von den Haaren flogen.
Der junge Polizist versuchte sich zu orientieren... der Unfall, die Verfolgungsjagd... dann Schwärze. Er musste das Bewusstsein verloren haben, an seiner Stirn, die Schläfe herab zur Wange spürte er angetrocknetes Blut und ein leichtes Brennen. Verdammt, sie hatten ihn geschnappt... und scheinbar nicht nur ihn. Seine Augen wanderten langsam durch den Raum, er erkannte seinen Cousin neben sich, an einen Stuhl gefesselt und mit Klebeband verstummt. Jetzt spürte auch Ben Beengtheit um seine Fußknöchel und Hände.
Aber im hinteren Teil des Raumes standen weitere Männer, die auf eine Frau und ein Kind aufpassten. Die hatte Ben noch nie gesehen, beide sahen verängstigt aus und schauten in Richtung der beiden jungen Männer. "Was... was wollt ihr von uns?", fragte Ben, obwohl natürlich klar war, was hier ablief. Sie wollten den Stick... und nach langer Suche hatten sie zumindest endlich den Besitzer gefunden. Dass Christian noch lebte, bedeutete dass er bisher dicht gehalten hatte. "Frag nicht so dämlich.", sagte der Mann zu ihm in erstaunlich gutem Deutsch, sogar mit leicht französischem Akzent. Offenbar war die Gruppe derer, die den Stick an sich bringen wollten über ganze Europa verteilt. Wo waren sie jetzt, waren sie noch in Belgien? Wieder zurück in Deutschland? Wie spät war es eigentlich?
"Leider redet dein Freund hier nicht... und wen er redet, sind es überflüssige Worte aus seinem Mund. Wir wollen nur wissen, wo der Stick ist." Ben schaute ruckartig zu Christian, dessen Augen voller Furcht und Panik waren. Er hatte geschwiegen und offenbar hatten sie ihm keine Gewalt angetan. Er hatte ebenfalls nur Kratzer im Gesicht, die nach Autounfall aussahen. Und irgendwie war er stolz auf seinen Cousin, dass er dicht hielt... nicht auszudenken, wenn die Typen an die brisanten Informationen kommen würden.
"Ja... das ist Pech für euch, Jungs.", sagte Ben und setzte seine gespielte Lockerheit auf, die so manchen Geiselnehmer zur Weißglut bringen konnte. "Ich weiß es nämlich nicht." Der Mann, eine sehr stattliche, kräftige Erscheinung, schwarzem Pferdeschwanz und beinahe gutmütigem Gesicht, beugte sich zu Ben runter und kam mit seinem Gesicht dicht an Bens Gesicht heran. "Wie schade. Aber du kannst trotzdem zu etwas gut sein." Dann sah er auf und nickte kurz. Ben hatte sich nicht umdrehen können und sah deswegen den weiteren Mann hinter ihm nicht. Deswegen erschrak er, als dieser die Lehne des Stuhls griff und ihn nach hinten zog. Der Polizist fiel in die Waagerechte, fest an den Stuhl fixiert, den Kopf aber auf dem Boden liegend. "Hey!!" rief er kurz erschrocken und hörte noch unverständliche Laute seines Cousins.
Mit einem lauten "Ratsch" bekam dieser das Klebeband vom Mund entfernt. "Lasst ihn da raus! Er hat damit nichts zu tun.", jammerte er mit weinerlicher Stimme. "Dann sag uns, wo der Stick ist!" "Nein Christian! Der Stick darf ihnen nicht in die Hände fallen", kam vom Boden von Ben. Der Mann lachte. "So so, ein Held. Und du weißt sogar, worum es hier geht. Das macht das Ganze einfacher." Ein paar Worte in einer absolut fremden Sprache fielen, es klang nach Anweisungen an die Männer um Ben und Christian herum.
Plötzlich wurde Ben ein Lappen aufs Gesicht gedrückt. Um ihn herum wurde alles schwarz, der Lappen roch unangenehm modrig, aber nicht nach Betäubungsmittel. "Hey, lasst das!", wollte er rufen, aber es kam unverständlich gedämpft durch den Stoff durch. Auf einmal hatte der Polizist das Gefühl, dass man ihn unter Wasser drückte. Als hätte man seinen Kopf genommen und in eine Badewanne getaucht und zusätzlich das Wasser angemacht, das auf ihn herablief. Er versuchte die Luft anzuhalten, doch immer mehr Wasser fiel auf ihn herab, als würde er unter einem gigantischen Wasserfall stehen, dessen Säule ihn zu Boden drückte.
Das Klebeband schnitt sich in seine Haut, weil er in Panik unmenschliche Kräfte entwickelte. Mit den Händen und Beinen zerrte er an den Fesseln, unverständliche Laute kamen von ihm, was sich, je mehr Wasser der Typ aus einer Flasche auf den Lappen in Bens Gesicht kippte, mehr nach einem Gurgeln anhörte. Er hatte tatsächlich das Gefühl, er müsste ertrinken. So hat sich sicher Jenny gefühlt, als sie gefesselt im Auto lag, das langsam im Rhein versank, ehe Kevin sie todesmutig gerettet hatte. Ganz dumpf, weil ihm auch Wasser in die Ohren lief, hörte er das Geschrei seines Cousins, doch verstehen konnte er ihn nicht. Dann hörte das Wasser auf, der Lappen kam weg und die ganze Szenario war vor Bens Augen verschwommen, er hustete und sog gierig Luft in seine Lungen, bevor die Tortur nochmals began.
Bens Körper bebte, er erhob sich und bäumte sich auf, als wäre er im Todeskampf. Es konnte bei dieser Foltermethode im Prinzip nichts passieren, trotzdem hatte er das Gefühl zu ertrinken, er konnte dem Wasser nicht ausweichen, es floß durch den Lappen in sein Gesicht. "Hört auf!! Ich sags euch!", schrie Christian, und der Mann zog die Augenbrauen nach oben. Das Wasser hörte auf und während Ben erneut sich die Seele aus dem Leib hustete, wurde sein Stuhl wieder aufgerichtet. "Dann lass uns mal hören, wo du das kleine Ding hinterlegt hast, für uns.", sagte er erwartungsvoll während Ben keuchte: "Tu es nicht, Christian?" "Die bringen dich um..." "Quatsch...", Zwischendurch musste Ben immer wieder durchatmen. "Semir ist bestimmt auf dem Weg. Und ohne uns finden die das Ding nicht."
Dem Mann wurde das Spielchen zuviel. "Na gut... wir haben auch noch andere Möglichkeiten.", sagte er wütend und Ben bekam es sofort zu spüren. Brutal wurde ihm der Kopf in den Nacken gelegt und mit Gewalt eine Apparatur in den Mund eingeführt, dass er diesen nicht schließen konnte. Wieder kamen panische Laute von ihm, wieder versuchte er sich zu wehren als er die Zange in der Hand des Mannes sah, der sich offenbar nicht davor scheute, selbst Hand anzulegen. "Welche Zähne braucht man wohl am wenigsten..."
"Hört auf! Hört sofort auf. Ich sage es!!", schrie Christian wieder, denn er konnte nicht mehr zuschauen, was mit Ben passierte. Der spürte nur, wie sich das Eisen der Zange einen Zahn fasste und Druck ausübte. "Ob der so einfach rauskommt... oder ob man ihn abbrechen muss?", hörte er die grausame Stimme, die dann harsch forderte: "Wo ist der Stick!" "Er ist... in einem Blumenkübel vergraben. In einer Wohnung in Köln. Dort habe ich ihn versteckt." Der junge Polizist spürte, wie der Mann ein wenig mit der Zange wackelte... schon ohne große Gewalt oder Kraft löste es Schmerzen im Kiefer aus. "Die Adresse!" "Es... es ist..." und dann nannte Christian die Adresse. Plötzlich waren alle Schmerzen bei Ben vergessen und seine Augen fuhren herum zu seinem Cousin... es war Bens Adresse.