Beiträge von Campino

    Köln - 11:00 Uhr

    Jakob hörte plötzlich Getrappel über ihm, schnelle Füße die über die alten Holzdielen und dann die knarrenden Treppenstufen runter kamen. Normalerweise herrschte unter den Jugendlichen in diesem Haus keinerlei Hektik, ausser wenn Mannschaftswagen der Polizei vor fuhren und mal wieder eine Räumung anstand. Ein schneller Blick aus dem Fenster bestätigte ihm, dass dies nicht der Fall war, also trat er auf den Flur. Dort kam ihm auch schon das junge Mädchen Chloe entgegen. Felix daneben stolperte mehr als dass er lief, er wurde von Chloe gestützt und drückte sich einen Handballen an die linke Schläfe. "Was ist passiert? Ist er von der Dachleiter gefallen?", fragte Jakob sofort. Die Leiter war tückisch, und er wunderte sich sowieso dass noch niemand vom Dach abgeschmiert ist, vor allem wenn die Jungs und Mädels manchmal im Rausch dort hoch kletterten.

    "Nein... Kopfschmerzen...", stöhnte Felix und Chloe schaute hilfesuchend... und ziemlich hilflos. "Ich habe noch eine Aspirin, warte.", meinte der wasserstoffblond gefärbte Junge. "Nein! Keine Aspirin... die... die hilft nicht.", stieß der gepeinigte Felix hervor, was Jakob sich umdrehen ließ. "Quatsch. Aspirin hilft im... ach du Scheisse...". Als Felix die Hand von der Schläfe nahm, konnte Jakob nun die Rötung der Haut und das gerötete Auge erkennen. "Das ist doch kein normales Kopfweh, oder?", bestätigte er sich quasi selbst und Felix schüttelte den Kopf.

    Chloe musste etwas tun. "Los, wir fahren zu mir. Da finden wir sicherlich etwas, was dir hilft." Gemeinsam gingen sie nach draußen an die frische Luft, die Felix jedoch nicht half. Er versuchte halbwegs aufrecht zu gehen, um nicht wie ein Besoffener zu wirken, der dann vermutlich nicht in den Bus gelassen wird. Als dieser an kam, stellten die beiden Jugendliche erleichtert fest, dass er nahezu leer war. Also verkrümelten sie sich in die letzte Reihe, wo Felix sich stöhnend ans Fenster saß und weiterhin den Handballen gegen die Schläfe drückte, als könne er den Schmerz damit unterdrücken. Chloe wollte ihm so gerne helfen, wusste aber nicht wie. Sie erschrak richtiggehend, als nach wenigen Minuten Felix unvermittelt die Schläfe einmal gegen die große Fensterscheibe des Busses schlug, als könne er mit dem Schmerz des Aufpralls den Kopfschmerz bezwingen. Es war nur ein trügerischer Erfolg von Sekundenbruchteilen.

    "Hey hey...", sagte Chloe und ergriff nun endlich die Initiative, in dem sie die unsichtbare Grenze der Berührung überschritt. Sie legte ihre Hände um Felixs Schultern und zog ihn von der Scheibe weg im Glauben, dass der Schmerz für ihn leichter zu ertragen wäre, wenn er etwas lag. "Es tut so weh...", stöhnte der in einer fremdartigen Stimme und ließ sich von dem jungen Mädchen langsam zur Seite gleiten, bis seine schmerzfreie Kopfseite auf ihren Oberschenkeln lag und er an der Wange ihren Jeansstoff spüren konnte. Die andere Seite war gerötet, und Chloe strich ihm zärtlich durch die abstehenden schwarzen Haare.

    "Was ist das nur, was du da hast?", sagt sie mit leiser Stimme, während sie spürte dass der Junge immer mal wieder aufzuckte, aufstöhnte und gefühlt den Druck des Handballens auf seine Schläfe verstärkte. "Ich... ich weiß es nicht. Es kommt ganz plötzlich, aus heiterem Himmel. Anderthalb, zwei Stunden wenn ich nichts tue.", sagte Felix angestrengt. "Es ist, als ob mir jemand ein heißes Messer ins Auge stößt. Ich... die Mutter eines Freundes hatte mal gesagt, ich solle mir ein Nasenspray besorgen, das Imigran heißt. Das hat mir auch geholfen, aber ich habe davon nichts mehr." Chloe dachte angespannt nach... sie wusste, dass man Nasenspray benutzte um Migräne zu bekämpfen, aber das war doch kein Migräneanfall. Migräne kam nicht so überfallartig, dauerte länger als zwei Stunden, und man wollte Ruhe weil man schlapp war. Felix war nicht schlapp, er war hibbelig wie ein Tiger im Käfig und wollte im Bus immer wieder aufstehen.

    Endlich hatten sie die Haltstelle erreicht und es waren nur noch wenige Meter bis zur elterlichen Apotheke von Chloe. "Wenn das ein Nasenspray ist, dann haben wir das mit Sicherheit.", sagte sie und drückte die Tür auf. Johanna, von Chloe immer nur "Jo" genannt, blickte hinter dem Verkaufstresen kurz auf und lächelte. "Hallo ihr zwei. Habt ihr schon frei?", fragte sie ein wenig scheinheilig. Jo war Anfang dreißig, also gerade mal zehn Jahre aus der Schule raus, und wusste dass man entweder hitzefrei hatte, wenn man um halb zwölf nach Hause kam, oder schwänzte. Und bei einem Blick nach draussen ins trübe Novemberwetter fiel die Wahl recht eng.

    Chloe und Felix, der sich nochmal aufrechterhielt und ohne Hilfe von Chloe gehen konnte, nickten nur kurz. "Wir machen ein Referat.", sagte das schwarzhaarige Mädchen noch und beide verschwanden. Jo musste kichern, sie fand diese Rechtfertigung, die vor ihr gar nicht notwendig war, süß. In Chloes Zimmer angekommen geleitete das Mädchen Felix sofort aufs Bett. "Leg dich kurz hin. Ich schau unten, ob ich etwas finde. Wie hiess das Zeug?" "Imigran... aber dann wird Jo dich doch bemerken.", widersprach der Junge. "Ach, dann muss ich sie halt einweihen. Egal... sie wird niemandem etwas verraten." "Ich will nicht dass du dir Ärger einhande...", begann er noch und wurde von einer Geste unterbrochen, für die er sich einen schöneren Zeitpunkt gewünscht hätte, als unter solchen Schmerzen. Sie kam so plötzlich und unerwartet, dass er sofort verstummte, den Chloe gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund und drehte sich dann sofort um, um wieder nach unten zu laufen.

    Kaum fiel die Tür des Jugendzimmers ins Schloß, rappelte sich der Junge vom Bett auf. Bei einem Anfall konnte er nicht still liegen, die Schmerzen trieben ihn an und am liebsten hätte er seinen Kopf gegen die Wand geschlagen. Er tigerte durch das Zimmer, und sein rechtes, voll funktionstüchtiges Auge, versuchte sich abzulenken. Sein Blick fiel auf einige lose Blätter auf Chloes Schreibtisch... wunderschöne Zeichnungen mit Bleistift, jedoch alle mit recht melanchonischen Motiven. Ein einsames Haus am See, mit einer ebenso einsamen Person mit langen schwarzen Haaren. Bei einem anderen Bild hatte sie einen von Moos überwucherten Grabstein gezeichnet. Waren das nur die normalem Stimmungsschwankungen einer Jugendlichen? Sein Blick fiel auf das Halsband mit der Rasierklinge an ihrem Spiegel.

    Chloe war währenddessen die Treppen der Wohnung wieder runtergerannt... so schnell und polternd, dass Jo von ihrer Ankunft nicht überrascht war. "Hast du was vergessen? Du lässt den Jungen in diesem Chaos da oben zurück?", fragte sie belustigt, bemerkte dann aber schnell Chloes ernsten Gesichtsausdruck. "Jo, ich brauche dringend Imigran." "Imigran? Was willst du damit?" Jo hatte natürlich studiert, ihr Wissen war noch frisch, und so wusste sie auch sofort, was Imigran war. "Felix hat unglaubliche Kopfschmerzen... er sagt, ihm hilft dieses Nasenspray, aber er hat keins mehr." Nun wurde auch Johannas Gesichtsausdruck ernst. "Chloe, Imigran ist verschreibungspflichtig und das nicht ohne Grund. Das ist ein Mittel, was ziemlich stark auf Nervenstränge im Gehirn wirkt und wird in erster Linie an Patienten mit Clusterkopfschmerz gegeben." Das schwarzhaarige Mädchen spürte, wie ihr Puls anstieg. "Hat Felix Clusterkopfschmerz? Hat er das gesagt? Bei anderen Kopfschmerzarten hilft das nicht."

    Ein Kopfschütteln war die Antwort: "Nein... nein, das hat er nicht gesagt. Aber er hat gesagt, dass dieses Imigran ihm immer geholfen hat." "Ich kann ihm das aber nicht so einfach geben, er muss dafür zum Arzt und er braucht ein Rezept." "Felix ist nicht von hier... er ... er ist erst seit drei Tagen von Hamburg hierher gekommen und..." Das Mädchen spürte, wie ihr abwechselnd heiß und kalt wurde. "Was und?", half die oftmals toughe Johanna dem jungen Mädchen auf die Sprünge. "Also... was er so von sich und zuhause erzählt hat... glaube ich nicht, dass er jemals mal ein Rezept für dieses Imigran hatte. Oder krankenversichert ist."

    Die beiden Frauen schauten sich kurz stumm an. "Was ist das für ein Junge?", fragte die Apothekarin dann in einem etwas strengeren Ton, der ihr gar nicht stand. Sie wollte nicht wie Chloes Mutter wirken, weil sie wusste dass sie bei dem rebellischen Mädchen da auf Granit biss. Doch Chloe kannte Jo schon seit Jahren und verzieh ihr diesen "Mutter-Ton." "Jo bitte... es ist doch egal, er liegt oben und windet sich vor Schmerzen. Wenn du so gut Bescheid weißt über dieses Kopfweh, dann weißt du doch sicher auch, was er gerade durchmacht." Sie klang schon fast flehentlich und Jo musste ihr zustimmen. Clusterkopfschmerz sei, laut Patienten neben der Trigeminusneuralgie der schlimmste und stärkste Schmerz den ein Mensch aushalten kann. Weibliche Patienten hatten ihn sogar schlimmer als eine Geburt bezeichnet. Er wird in der Medizin umgangssprachlich Suicide-Headache bezeichnet, weil Menschen vor Schmerzen während eines Anfalls lieber Selbstmord begingen, als den Schmerz weiter auszuhalten. All das rauschte Jo gerade durch den Kopf, und dann konnte sie sich vorstellen, egal wie heftig die Attacke gerade war, was der Junge gerade durchmachte. Der flehentliche Blick von Chloe tat ihr übriges. "Bitte Jo... du musst ihm helfen."

    Jo wusste, dass das Riesenärger für sie geben könnte... aber sie arbeitete schon lange hier und sie würde es Chloes Eltern wohl erklären können. Mit schnellen Schritten ging sie zum Medikamentenschrank, zog eine der schier tausenden Schubladen auf und besah sich die Fächer. Zum Glück hatten sie zwei Päkchen auf Vorrat immer parat, falls Patienten ausser Plan schnell das Spray brauchten. In jeder Packung waren acht Nasenspray-Ampullen, eine davon gab Jo dem Mädchen, dem die Hände zitterten. "Das vergesse ich dir nie, Jo.", sagte Chloe und umarmte die junge Frau, bevor sie wieder nach oben lief.

    Innenstadt - 10:30 Uhr

    Chloe und Felix waren zunächst ein wenig ziellos durch die Stadt gelaufen. Sie redeten wenig und der Junge spürte, dass Chloe immer noch bedrückt war. Unmittelbar nachdem sie das Schulgelände verlassen haben, fragte er ob sie ihm erzählen wolle, warum die Mädchen so gemein zu ihr waren - ein Redeangebot. Sie würde reden, er würde zuhören. Doch das Mädchen lehnte es mit einem Kopfschütteln ab und Felix hakte nicht nach. Er hatte immer die Befürchtung, sie zu bedrängen. Sie kauften sich Eis an einer Eisdiele, und der Junge begann ein wenig zu albern, was Chloe offenbar besser tat als ein Gesprächsangebot. Irgendwann begannen sie, ihre Eistüten zu tauschen, so dass jeder mal von den Sorten des anderen probieren konnte. Dabei lachten sie und liefen weiter die Einkaufsstraße entlang.

    "Wo wohnst du eigentlich, während du hier bist?", fragte Chloe irgendwann, als sie das Ende der Fußgängerzone erreicht hatten. "Naja... also, im Moment ist das natürlich schwierig. Ich habe auf der Straße einen Junge kennengelernt, der hat mir sowas wie eine Bude besorgt." Das Mädchen legte den Kopf schief und tippte Felix mit dem Zeigefinger auf die Nase. "Woooo habe ich gefragt!", wiederholte sie. Als Felix die Adresse nannte, zog sie die Augenbrauen ein wenig hoch. "Das sind doch die besetzten Häuser, oder?" Der Junge nickte und plötzlich spürte er, wie Chloe seine Hand fest ergriff. "Komm, zeig mir mal. Ich bin neugierig.", lieferte sie die Begründung für ihr Anliegen sofort mit. Beide ginge zu einer Bushaltestelle und fuhren in ein anderes Stadtviertel.

    Als sie an der schäbigen Häuserfassade vorbei Richtung Eingang gingen, fragte Felix nochmal, ob sie wirklich reingehen wollte. Immerhin kannte er noch nicht viele von den Leuten da drin, und er würde sich nur schwer verteidigen können, wenn es Ärger gab. Aber Chloe war, was das anging, scheinbar furchtlos und nickte. Ein wenig atmete der schwarzhaarige Junge auf, als er am Eingang die wasserstoffblonde Haare von Jakob entdeckte. Er lächelte, wie immer, und grüßte seinen Freund. "Soso... teilst du deine Bude?", fragte er mit einem neckischen Grinsen und machte einen, lustig gemeinten, Knicks vor Chloe. Die musste kichern und nahm den Spaß an. "Nein, ich zeige sie Chloe nur.", sagte Felix, als würde er seiner Freundin gleich ein nobles Appartement vorführen. Jakob musste lachen. "Na dann..."

    Bevor sie das Haus betraten, drehte sich Felix nochmal zu Jakob um. "Hast du seit gestern nochmal mit Jerry gesprochen?", fragte der Junge. Jerry hatte gestern sehr merkwürdig auf das Bild von Felixs Schwester reagiert. Jakob schüttelte den Kopf. "Ehrlich gesagt, habe ich ihn seit gestern nicht mehr gesehen. Ich habe keine Ahnung, warum er so reagiert hat. Aber vielleicht wird sich das noch aufklären." Felix nickte und gab sich mit dieser Antwort erstmal zufrieden, dann stieg er mit Chloe zusammen die Treppen hoch.

    Das junge Mädchen schaute neugierig, in manchen Zimmern saßen oder schliefen junge Leute, Mädchen und Jungs. Manche Mädels lächelten und winkten, von ihrer Art der Kleidung unterschied sie sich nur wenig. Chloe war keine aufgetakelte Tussi, sie trug gerne schwarz, ein wenig Gothic-like, weniger Punk. Aber sie mochte es. "Besser als zuhause.", murmelte sie leise, unhörbar für Felix. Irgendwann standen sie in dem kargen Raum im dritten Stock, wo Felix Matratze war, die Decke etwas unordentlich, im gleichen Raum waren noch mehr Matratzen. Vom Fenster aus konnte man fast über das Dach des gegenüberliegenden Gebäudes blicken. Chloe setzte sich ans Fensterbrett und sah stumm heraus, blickte nach unten. "Glaubst du, man ist sicher tot, wenn man hier runterspringt?"

    Die Frage klang so unvermittelt, als hätte sie sich gerade nach dem Wetter erkundigt. Felix spürte ein Kribbeln in den Händen. "Was... was meinst du?", stotterte er und blickte in Chloes lachendes Gesicht. Ihr Gesicht passte nicht zu der Frage. "Nichts... ich hatte mir gerade nur Gedanken gemacht." Dann schaute sie wieder raus. "Kann man eigentlich auch ganz hoch aufs Dach?", fragte sie dann und Felix nickte. Der Regen hatte aufgehört und es war tatsächlich möglich, sich oben auf die Dachschräge zu setzen.

    Wenige Minuten später kamen beide wieder an die frische Luft. Hier oben war es nochmal kühler als unten, und der Wind war ordentlich böig, so dass es beiden die Haare ins Gesicht wehte. Als sie sich hinsetzten, spürte Felix die Nähe zu Chloe, den sie saßen dicht an dicht. Er konnte das Mädchen so wenig einschätzen... sie sagte Dinge, die nicht zu ihrer Laune passte. Sie vermied einerseits die Nähe um sie Minuten später zu suchen. Was war nur mit ihr... was bedrückte sie? Jetzt genoss er die Nähe, als sie sogar den Kopf an seine Schulter legte. Für einige Minuten saßen sie einfach da, schauten über die Stadt und hörten dem Wind beim Pfeifen zu. Der Himmel war wolkenverhangen und sie hingen so tief, als wären sie für die beiden Jugendlichen greifbar, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellen würden.

    "Glaubst du daran, dass deine Schwester irgendwo dort unten ist?", fragte das Mädchen irgendwann, ohne Felix an zu blicken. Er seufzte... er hatte nicht etwa seinen Mut verloren, aber seit er hier war, wurde die Aussichtslosigkeit seines Unternehmens doch immer greifbarer. "Wenn ich die Hoffnung darauf aufgebe, macht es keinen Sinn weiter zu suchen.", sagte er und blickte für einen Moment herüber. "Also ja... ich glaube daran.", schloss er und wieder verstummten die beiden jungen Menschen voreinander.

    "Und... was machst du, wenn du sie gefunden hast?" Felix bildete sich ein, dass Chloes Stimmlage bei dieser Frage wesentlich trauriger klang als vorher. "Naja... ich... ich weiß nicht.", sagte er leise. "Ich würde sie halt gerne kennenlernen. Mama würde sie sicher auch mal gerne sehen. Ich weiß ja nicht wie sie hier lebt. Vielleicht kann sie uns in Hamburg etwas... etwas helfen.", sagte er mit seiner angeborenen Ehrlichkeit. Aber er spürte bereits, dass Chloes Frage auf etwas anderes abzielte. Er würde dann wieder von hier weg gehen. Zurück nach Hamburg. Die letzten Tage genoß sie, unterwegs mit einem Menschen zu sein, der sie so nahm, wie sie war. Mit all ihren Macken, auch wenn Felix sie lange noch nicht alle kannte. Jetzt, in diesem Moment, redete auch Chloe ehrlich ohne etwas aus Höflichkeit zu beschönigen. "Ich... ich möchte nicht wieder alleine gelassen werden..."

    Der Satz versetzte Felix einen Stich in die Brust. Er wollte etwas erwähnen, doch der zweite Stich fuhr ihm stattdessen durch den Kopf, und er hatte nichts mit Chloe zu tun. "Ich ... hmmm...", stöhnte er schmerzverzerrt und fasste sich sofort an die linke Schläfe. Verdammt, er bekam gerade wieder einen Anfall und hatte keine Medikamente mehr. "Felix? Was ist denn?", fragte Chloe und sah sich zu ihm um. Doch Felix vergrub seine linke Gesichtshälfte in seinen Händen und krümmte sich, vor Schmerzen stöhnend auf die Seite...

    Köln - 10:15 Uhr

    Die beiden Polizisten traten zurück in die Kälte und den aufpeitschenden Wind, der Bens Frisur sofort wieder zu einer wilden, unzähmbaren Mähne machte. Beide beschleunigten ihren Schritt um möglichst trocken in den Dienstwagen zu kommen. Dort wurde einmal mehr das Auto in ein mobiles Besprechungszimmer umgewandelt. "Was denkst du, welche Namen sollten wir priorisieren?", fragte Ben und sah, wie Semir sein Handy rausnahm und die virtuellen Notizen durchblätterte. "Die Konsumenten geben wir weiter an die Kollegen. Die sollen einfach mal nen Routinecheck machen. Wenn da aber keiner von uns inflagranti erwischt wird, wird da niemand seine Bezugsquelle verraten.", sagte der erfahrene Ermittler und scrollte die Namen wieder zur Seite. "Wir kümmern uns um die beiden Dealer.", fügte er an und sendete die Namen an Andrea um die jeweiligen Adressen heraus zu finden.

    "Und das Mädchen?", fragte Ben neugierig, wobei klar war, dass sie dies auch nicht ausser Acht lassen sollten. "Das Mädchen ist weniger interessant. Eher der Vater. Wo hat der den Stoff her, der sich verticken lässt. Womöglich weiß er gar nicht, dass seine Tochter was von dem Zeug weggenommen hat." Wieder stimmte Ben nickend zu. Dann startete Semir den Wagen, nachdem sein Smartphone sich akkustisch erneut gemeldet hatte. Andrea hatte ihm drei Adressen geschickt, zwei davon in der Kölner Innenstadt, eine in einem Vorort.

    Marvin Keuscher war zuerst an der Reihe. Er wohnte in einem recht schmucklosen Haus mit vier Wohneinheiten in einer Nebenstraße. Ben fragte sich immer, warum man hier wohnte... man hatte keinen Balkon, keinen Garten, die Wohnung war nicht mal in irgendeiner Form luxuriös, und trotzdem aufgrund der Innenstadtlage nicht besonders günstig. Ins Haus kamen sie, weil eine ältere Frau gerade die Haustür aufsperrte. Als sie an der Wohnungstür im zweiten Stock klopften, öffnete ihnen ein unrasierter Typ im Schlafanzug und zerzausten Haaren die Tür. "Wer seid ihr? Was wollt ihr so früh?", raunzte er und blickte unfreundlich. Ben war schon bereit, notfalls mit einem schnellen Schritt den Fuß in die Tür zu setzen, falls der Mann türmen wollte, doch Marvin war dazu viel zu müde, direkt zu schalten, als er den Ausweis sah. Ausserdem war er Besuch von der Polizei gewohnt.

    Mit Murren wurden die beiden Männer hinein gelassen, Platz oder Kaffee bekamen sie natürlich keinen angeboten. "Wir sind gleich wieder weg, und an deinen Verkäufen haben wir weniger Interesse...", begann Semir sofort. "Wir wollen nur wissen, ob dir in der Szene der Name Zolda etwas sagt.", endete Ben die Frage und der Typ zog die Augenbrauen nach oben. "Zolda?", wiederholte er, als würde er nicht gut hören, dann schüttelte er den Kopf. "Nie gehört." Semir beobachtete den Mann genau, er hatte nicht nachgedacht, keine Phase der Unsicherheit gezeigt. Sein bester Freund zog sein Handy mit einem Bild der Leiche, weswegen sie eigentlich ermittelten, aus der Jackentasche. "Kommt dir der bekannt vor?" Jetzt zeigte Keuscher zumindest eine Gefühlsreaktion, wenn auch eher eine abstoßende bezüglich der übel zugerichteten Leiche. "Nein... auch nicht. Sorry, ich kann euch nicht helfen."

    Der Besuch blieb kurz... die Fahrtzeit zum nächsten Ziel am anderen Ende der Stadt dauerte durch den Vormittagsverkehr länger. Wieder hielten sie in einer Nebenstraße, in der Nähe der Shoppingmeile von Köln. Bens Blick fiel auf die kleine Stadtkirche, wohin er vor einigen Monaten einem ziemlich verrückten Serienkiller hingefolgt war, der ihn stalkte. Bei dem Gedanken überkam ihn immer noch eine Gänsehaut, als die beiden in die Shoppingstraße zu Fuß einbogen. Zwischen einem Brillengeschäft und einem Videospielladen war der Hausaufgang in verschiedene Wohnungen über den Geschäften. Semir fiel vor dem Laden ein junges Pärchen auf, die dicht nebeneinander gingen, ohne Händchen zu halten. Der Junge, der einige schwarze Haarsträhnen unter seiner Mütze über dem Auge hängen hatte, blickte kurz zu Semir auf, das Mädchen, ebenfalls mit schwarzen Haaren, blickte zu Boden. Glücklich sahen sie beide nicht aus.

    Er hatte die Gesichter schon wieder vergessen, als die beiden Polizisten nun beim zweiten Verdächtigen an die Tür klopften. Benedikt Ahrens war schon ausgeschlafener als Keuscher... vermutlich, weil er im Gegensatz zu dem verschlafenen Dealer etwas zu befürchten hatte. Als die beiden Männer die Ausweise zogen, schnellte die Tür so schnell wieder ins Schloß, wie sie geöffnet wurde. Ben war mit seinem Fuß zu langsam und sein kleiner Kollege hatte Glück, dass das Türblatt ihm die Nase nicht brach... sonst würde er genauso mit Pflaster durch die Gegend laufen wie Ben.

    "Was soll der Scheiss!", rief Semir und hämmerte gegen die Tür. Benedikt rannte zuerst in sein Zimmer, packte sich die Beutel und Päkchen auf einem kleinen Tisch und sprintete dann ins Bad, wo er sich sofort vor die Toilette kniete. Der erste Deckel eines Döschen drehte und öffnete sich, bevor die Pillen allesamt den Weg in die Toilette fanden. Dabei zitterten Benedikts Hände, das Hämmern an der Tür wurde lauter und mittlerweile konnte man hören, dass die Polizisten einfache Gewalt anwendeten. Ben nahm zum zweiten Mal Anlauf und sprang mit ausgestrecktem Fuß gegen die Tür, so dass der Rahmen ätzte. "Meine Güte, Kevin hat immer nur einen Tritt gebraucht.", meckerte Semir und sein Partner atmete durch und strich sich die eine seiner langen Strähnen vom Gesicht. Der dritte Tritt saß dann und die Tür sprang auf.

    Als die beiden Polizisten sahen, was Ahrens im Bad veranstaltete, statt abzuhauen, lehnten sie sich rechts und links an den Türrahmen des kleinen Badezimmers. Immer wieder sah sich der Dealer gehetzt um, bis er auch das letzte Tütchen entleert hatte. "Ihr könnt mir gar nichts.", schnaufte er nervös. "Wir wollen dir auch gar nichts, du Kasper. Deine Drogen interessieren uns nicht.", sagte Semir während Ben neben ihm noch etwas schwer atmete. "Was? Aber warum..." "Wir wollen nur wissen, ob du diesen Mann schon mal gesehen hast." Dabei hielt er wieder das Handy mit der Leiche von Zenner hoch. "Scheisse, das ist Zenner.", sagte Ahrens, in seinem Kopf vor Aufregung unfähig erst einmal abzuschätzen, was er sagen sollte, und was nicht.

    Die beiden Männer sahen sich an. "Für wen hat Zenner gearbeitet?", fragte Semir sofort. Doch Ahrens Hirn war mittlerweile wieder auf Trab und schüttelte den Kopf. "Das kann ich euch nicht sagen." "Na komm schon... wer sich in der Szene kennt, der kennt auch die Arbeitgeber." Doch wieder erntete er nur wildes Kopfschütteln. "Ich kann es euch nicht sagen! Sonst bin ich der Nächste, der so aussieht. Ich bin nur ein kleiner Dealer, verticke hin und wieder etwas Stoff in der Disse." Ben meinte, mit einem schnippischen Blick auf die leeren Tüten neben dem Klo: "Nach einem kleinen Dealer sieht mir das nicht aus." Dann sah er zu Semir: "Vielleicht sollten wir einfach ins Protokoll schreiben, dass du uns gesagt hast, Zenner hätte für Zolda gearbeitet. Dann wäre Zolda unser Hauptverdächtiger. Wie der wohl reagiert, wenn du ihn belastest?"

    Der Trick funktionierte, denn Ahrens reagierte bei dem Namen des brutalen Schlägers sofort. "Zolda?? Nein!! Für den arbeitet er nicht! Ganz und gar nicht!!" Ben beugte sich zu dem Mann, der immer noch am Boden des Badezimmers kniete, herunter und zischte: "Das ist uns doch egal! Glaubst du, ich will heute schon wieder Überstunden machen? Hast du hier irgendwo ein Diktiergerät gesehen? Ich schreibe das ins Protokoll, das du unterschreiben wirst, oder wir nehmen dich direkt mit zum Drogendezernat." Ahrens sah mit verzweifeltem Blick zu Semir, der nun still geworden war und nur mit den Schultern zuckte. "Das könnt ihr nicht machen!!" "Semir, ruf Thomas Bienert an." "Nicht Bienert!!!", klang es nun von dem Mann am Boden, als Semir zum Handy griff.

    Ben ging vor dem Drogendealer, der vollends die Nerven verlor, in die Hocke. "Vor wem hast du nun mehr Angst? Bienert, Zolda oder dem großen Unbekannten?" Ahrens Herz klopfte. Er wusste, dass Bienert Knast und Zolda Prügel bedeutete. Der große Unbekannte bedeutete... Kopf ab. Frankie würde ihn umbringen... langsam und qualvoll. Und hätte noch seinen Spaß dabei. Also griff Ahrens mit zitternder Stimme zu einer Notlüge... er musste den Bullen einen Namen liefern. "Glaubst du, derjenige wird erfahren, wer ihn verpfiffen hat?", half Ben ihm nochmal auf die Sprünge. "Na gut! Na gut... ich sags euch." Die beiden Polizisten schauten herausfordernd, während sich Benedikt auf die Lippen biss. Es war vertrackt... der Name, der ihm im Kopf geisterte würde auch zu Frankie führen. Sagte er nichts, saß er bei Thomas Bienert ... und da wollte er um jeden Preis nicht noch einmal hin. "Deine letzte Chance!" hatte der gesagt.

    "Gregor... Gregor Stimmer heisst er. Ich weiß, dass er in der Gruppe, wo Zenner war, etwas zu sagen hat. Mehr kann ich euch nicht sagen." Wieder ein neuer Name für die beiden Polizisten und Ben knurrte im "Bad Cop"-Stil: "Wenn du uns angelogen hast, werden wir Zolda besuchen. Du weißt, was das bedeutet." "Komm schon, wir haben noch was vor.", rief Semir, bereits zum Gehen gewandt. "Viel Spaß dabei, wenn du deinem Boss erklären musst, dass du völlig unnötig ... wieviel tausend Euro auch immer ... gerade ins Klo gespült hast.", sagte der Polizist mit den Wuschelhaaren zum Abschied. Benedikt liess den Kopf hängen, nahm eine Pille, die scheinbar neben die Schüssel gefallen war in die Hand und feuerte sie wütend durchs Badezimmer.

    Köln - 09:45 Uhr

    Die Scheibenwischer des BMWs liefen auf Hochtouren, unbarmherzig peitschte der aufkommende Wind die Regentropfen gegen die Windschutzscheibe. Obwohl es nicht besonders stark regnete machte es den Eindruck, die beiden Polizisten fuhren durch einen Wolkenbruch. Die Heizung lief und trotz dass es im Auto recht mollig warm war, fröstelte Ben. Er war einfach kein Wintermensch, während Semir ein wetterunabhängiger Typ war. Eis und Kälte machte ihm genausowenig aus wie Hitze. Sie waren nach einer ausgiebigen Streifenfahrt, zwei aufgenommenen kleineren Unfällen und einem einkassierten Führerschein wegen überhöhter Geschwindigkeit gerade auf dem Weg zur Dienststelle zurück, als Semirs Handy über die Freisprecheinrichtung klingelte. Auf dem großen Display des BMWs stand Thomas' Namen.

    "Hey Thomas, was gibts. Hast du was für uns?", meldete sich Semirs hoffnungsvolle Stimme, als er das Gespräch annahm. Auch Ben stellte alle Sinne auf Empfang. "Morgen Semir. Kann man so sagen. Mein Kollege hat sich das Notizbuch genau angesehen und einige Bestellungsmerkmale mit unserer Datenbank verglichen. Dabei haben wir Ähnlichkeiten zu einem, zurzeit recht aktiven Drogenring in der Düsseldorfer Discoszene gefunden. Ich hätte da eine Adresse für dich. Der Besitzer war immer recht auskunftsfreudig.", sagte er und diktierte den beiden Polizisten die Adresse einer Diskothek der Düsseldorfer Innenstadt. Ben übernahm diese sofort in das Navi und die beiden machten sich auf den Weg.

    Als sie Düsseldorf erreichten hatte der Regen aufgehört. Es waren, gerade hier im Vergnügungsviertel, nur wenige Leute auf der Straße. Das Wetter, die Uhrzeit und die Jahreszeit ließen die Straßen ein wenig verlassen wirken, als Semir den Dienstwagen am Straßenrand parkte und die beiden besten Freunde ausstiegen. "Die schlafen doch alle noch. Besitzer von Discotheken stehen nicht vor 12 Uhr auf.", sagte Ben, als hätte er ein Studium über die Schlafenszeiten von Geschäftsführern verschiedener Sparten bestanden. Semir musste grinsen. "Das wäre doch dein Job gewesen." "Du, wenn ich Papas Firma übernommen hätte, müsste ich auch nicht vor 12 Uhr aufstehen.", entgegnete ihm sein bester Freund und winkte ab. Sein Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann und hätte sich nichts sehnlicher gewünscht, als wenn sein Sohn diese Geschäfte übernommen hätte. Doch Ben wandte sich lieber der Musik und dem Polizeidienst zu, um gegen den Vater zu rebellieren.

    "Das mag schon sein. Du hättest dann aber vermutlich die Firma innerhalb von Monaten mit Anlauf gegen die Wand gefahren.", lachte Semir während sich die beiden Polizisten auf die Wohungstür neben dem Disco-Eingang zu bewegten. "Herbert Dendt" stand auf dem Schild, den gleichen Namen hatten sie von Thomas bekommen. Sie klingelten und es dauerte nur einen Moment, bis sich eine dunkle Stimme an der Sprechanlage meldete. Entgegen Bens Vermutung klang sie hellwach und nicht verschlafen. "Dendt?" "Gerkhan, Kripo Autobahn, sowie mein Kollege Jäger. Herr Dendt, dürften wir sie kurz sprechen?"

    Ohne eine Antwort zu geben, knarrte der Türöffner und ließ die beiden Polizisten in ein schmuckloses Treppenhaus. Nicht unbedingt das, was man sich von dem Geschäftsführer einer Diskothek erwarten würde, doch als sie im 1. Stock in die Wohnung von Herbert Dendt eintraten, änderte sich der Eindruck. Die original amerikanische Innenausstattung, die ein wenig auf Industrialisierung, mit viel Metall und Eisen getrimmt war, hatte sicher einiges an Geld gekostet. Sowas gab es nicht von der Stange. Die Wohnungstür war bereits eintrittsfertig geöffnet, und vorsichtig traten die beiden Männer ein. An einem Tresen, einer Art Bar wie in einem amerikanischen Saloon saß Herbert Dendt auf einem Barhocker und hatte eine dampfende Tasse Kaffee vor sich. "Morgen.", begrüßte er die beiden Polizisten und seine Stimme klang in Natur noch dunkler als durch die Sprechanlage.

    "Morgen Herr Dendt," erwiederte Semir die Begrüßung und routinemäßig zeigten die beiden Polizisten ihre Ausweise. Der Mann, groß und wuchtig gebaut, mit dunklen Haaren, die er im Nacken zum Zopf gebunden hatte, blickte kurz darauf und nickte. "Herr Dendt, wir ermitteln zur Zeit in einem Mordfall, bei dem ein Informant von uns im Kölner Drogenmilieu ums Leben gekommen ist. Dabei haben wir in der Wohnung eines Verdächtigen ein Notizbuch gefunden und unsere Experten sehen hier Verbindungen zur Düsseldorfer Szene.", erklärte der kleine Polizist in knappen Sätzen den momentanen Sachstand.

    Dendt zuckte kurz mit den Schultern. "Was habe ich damit zu tun?" "In der Vergangenheit haben sie sich sehr kooperativ verhalten, wenn es um polizeiliche Ermittlungen ging. Das ist lobenswert. Und deshalb wollten wir fragen, ob es zuletzt wieder irgendwelche Vorkommnisse in ihrem Club gab." "Kooperativ verhalten... hrmm.", brummte der Mann wortkarg, und Ben zog die Stirn ein wenig in Falten. "Ich halte meinen Club sauber. Und der Polizei gebe ich Antwort, wenn sie etwas wissen will. Das ist alles." Seine Stimme war donnernd, aber ohne Aggressivität. Autoritär, ohne einschüchternd zu wirken. "Dann geben sie uns doch einfach jetzt auch Antwort.", sagte der junge Polizist, während Dendt erstmal einen kräftigen Schluck aus der Kaffeetasse nahm. Dem Dampf zu urteilen war der Koffeinsaft noch sehr heiß, doch das schien ihm nichts auszumachen.

    "Vor drei Tagen habe ich zwei stadtbekannte Dealer rausgeworfen. Sie wollten ein paar Ecstasypillen verkaufen und zu ihnen hat es sich scheinbar noch nicht herumgesprochen, dass das hier im Club nicht drin ist. Sind aber zwei kleine Fische.", sagte er, nachdem die Tasse wieder auf dem Tresen abgestellt wurde. "Haben sie einen Namen?" "Ich habe sogar zwei Namen. Marvin Keuscher und Benedikt Ahrens. Denen traue ich keinen Mord zu." "Es würde ja schon reichen wenn sie eine Verbindung zu den größeren Bossen haben.", sagte Semir und tippte beiden Namen ins Handy.

    "Gab es sonst noch etwas?", fragte Ben den Mann, der, wie Thomas angekündigte hatte, bereitwillig mit der Polizei zusammenarbeitete. "Ansonsten gab es die letzten Wochen ausschließlich Leute, die das Zeug konsumiert haben. Ich weiß nicht, ob die interessant für sie sind, wenn es um Bestellungen geht." Ben und Semir sahen sich kurz an, bis der erfahrenere der beiden Beamten meinte: "Schaden kann es nicht." Auch wenn er wusste, dass Drogenabhängige ihre Bezugsquelle nur selten verrieten, und so tippte er einige weitere, weibliche wie männliche Namen ein. "Vielen Dank.", sagte Semir und wollte sich bereits zum Gehen wenden, als die prägnante Stimme des Clubbesitzers ihn aufhielt. "Da fällt mir noch etwas ein. Ist schon anderthalb, vielleicht zwei Wochen her." Die beiden Polizisten wurden wieder aufmerksam, als der Mann zu reden begann: "Ich habe ein junges Mädchen beim Dealen erwischt. War vielleicht 16 oder 17... und machte auf mich einen anderen Eindruck als die ganzen Dealer. Ich habe mir nicht nur den Ausweis zeigen lassen und sie dann rausgeschmissen wie den Rest, sondern mit in mein Büro genommen. Sie war erst frech und aufsässig wie die anderen... aber anders. Vor allem, als ich drohte einfach ihre Eltern anzurufen, wurde sie panisch und bat darum, genau das nicht zu tun. Die anderen Dealer hätten mich vermutlich ausgelacht. Sie meinte, sie hätte das Zeug bei ihrem Vater gefunden und wollte ein bisschen Geld machen." Semir und Ben schauten sich erneut an, Skepsis und ein wenig Ratlosigkeit machte sich breit. Eigentlich war das nicht das Klientel, was sie suchten, sie suchten Verbindung zu dem Kölner Ring, in dem ihr Informant getötet wurde. Ben brach das Eis dann dennoch: "Und wie war der Name des Mädchens?" Dendt schaute nochmal auf sein Handy, wo er die Namen scheinbar gespeichert hatte. "Ihr Name ist Chloe. Chloe Kruske."

    Innenstadt - 9:30 Uhr

    Frankie hatte vor Gregors Wohnung angehalten, nur eine halbe Stunde nachdem die beiden miteinander telefoniert hatten. Ungeduldiges Hupen kündigte dem besten Freund des Cholerikers dessen Ankunft an, und Gregor brummte: "Der hat ja mal wieder eine Laune." Mit missmutigem Gesicht folgte er allerdings der akustischen Aufforderung und stieg auf der Beifahrerseite des Mercedes ein. "Na endlich, was brauchst du denn so lange?", fragte Frankie mit bellender, rauer Stimme und sein bester Freund verdrehte die Augen. "Nun mach mal halblang. Ich finde sowieso, dass das schon wieder so eine nicht durchdachte Aktion ist. Genauso wie es nicht durchdacht war, Zenner die Lichter auszublasen. Und aus einer Vermutung heraus, willst du jetzt einen Schüler abknipsen?"

    Frankie hob übertrieben belehrend den Zeigefinger. "Erstmal ist das keine Vermutung, sondern eine reine Vorsichtsmaßnahme. Weißt du, wie lange der Junge schon gelauscht hat, als wir uns mit dem Apotheker unterhalten haben? Hä? Weißt du es? Nein, weißt du nicht." "Der kennt aber weder unsere Namen, noch um was es genau geht.", beharrte Gregor. Er war der Mann fürs Grobe und er würde sicher keine Skrupel haben, einem quasi beinahe Erwachsenen weh zu tun. Trotzdem hegte er gewisse Zweifel. Zenners Tod könnte schon mehr Staub aufgewirbelt haben, als es für ihr Geschäft gut war.

    "Nichts da. Wenn wir das Risiko eingehen, Zenner als Sicherheitsleck beseitigen, dann müssen auch andere Sicherheitslecks dran glauben. Fertig.", sagte der hellgrau behaarte Mann und fädelte sich mit seinem Youngtimer in den fließenden Verkehr ein. "Weißt du schon, wo wir anfangen?", murrte Gregor, nach wie vor wenig überzeugt von Frankies Idee. "Na sicher. Die Kleine von dem Apotheker ist auf dem Montessori-Gymnasium. Wenn die beiden miteinander ... wie sagt man heute ... "abhängen", dann sind sie sicher Schulfreunde." Der breitschultrige Beifahrer presste die Lippen zusammen und nickte. "Messerscharf kombiniert.", war sein sarkastischer Kommentar, während Frankie den Mercedes durch den abflauenden Berufsverkehr der Innenstadt steuerte.

    Auf dem Schulparkplatz war sein Auto ein Exot, hier standen in erster Linie Kleinwagen und sportliche Kompakte von den besser betuchten älteren Schülern. Nach zwei Runden hatte er endlich einen Parkplatz gefunden. Die große Pause war noch in vollem Gange. "Na also, das passt doch super. So fallen wir überhaupt nicht auf." "Ein Schüler fällt vielleicht nicht auf, Frankie. Aber die Lehrer kennen doch ihre Kollegen.", widersprach ihm Gregor. "Lass uns doch bis Schulschluss warten." "Ach was.", winkte der ungeduldige Gangsterboss ab. "Wir sagen einfach, wir wären Eltern und suchen unser Kind. Los, komm jetzt!"

    Chloe war bereits vor dem Gespräch mit Georgina und ihren beiden stummen Freundinnen schweigsamer und strahlte eine Traurigkeit aus. Diese war jetzt, als die drei Mädchen wieder gegangen waren, noch deutlich greifbarer. War es Enttäuschung, Felix nicht helfen zu können? Dass ihr Einsatz, an das Foto zu kommen, umsonst war? Waren es Georginas Worte, die sie verletzt hatten? Sie drehte sich, nachdem das Mädchen Felix das Foto gezeigt hatte, wortlos um und ging, als der Junge ihr sofort folgte. "Hey hey... du brauchst doch nicht traurig zu sein deswegen. Das war ein guter Versuch, aber es ist doch klar dass man nicht sofort Erfolg haben muss.", sagte er mit aufmunternder Stimme, bis er wieder auf einer Höhe mit dem Mädchen war. "Das ist es nicht.", sagte sie leise.

    "Was dann? Ärgerst du dich über Georgina? Über das was sie gesagt hat." Chloe gab keine Antwort. Sie ging einfach weiter, scheinbar ziellos über den Schulhof, an den kleinen Grüppchen von Schülern vorbei. "Georgina interessiert mich nicht.", war ihre kurz angebundene Antwort. Sie schien auf die Bank zu zu steuern, wo sich die beiden vor wenigen Tagen zum ersten Mal unterhielten, doch kurz davor drehte sie wieder ab und verfolgte weiter den Weg, der keinen Sinn machte. Chloe spürte, wie sie gegen die Tränen kämpfte.

    Erst jetzt fiel Felix etwas auf. Er kannte es von seiner alten Schule, es war in jeder Schule das gleiche Bild. Alle Schüler standen in Grüppchen, jeder hatte seinen Freundeskreis mit denen man die Pausen verbrachte, quatschte, Hausaufgaben tauschte. Doch auf jeder Schule gab es auch jene, die alleine waren. Die auf einer Bank saßen und die Hausaufgaben für sich machten. Die beobachteten und am liebsten so schnell wie möglich in den Unterricht zurück wollten. Felix war selbst ein Hybrid, er brauchte seine Phasen alleine, hatte durch seine hilfsbereite und offene Art aber auch immer schnell Anschluss bei anderen gefunden. In diesem Moment fiel ihm auf, dass Chloe nicht zu einer Gruppe zurückkehrte, als die Sache erledigt war. Dass sie bereits vor einigen Tagen schon alleine zur Bank kam, wo er saß.

    Es war nur eine Vermutung von Felix, und ihm fehlte, wie so oft, der Mut sie mit direkten Worten zu trösten. Aber er spürte auch, dass sich Chloe auf diesem Schulhof mit all den Schülern verloren fühlte. "Komm, lass uns gehen." Sein einfach dahingesagter Satz ohne klare Richtung und Ziel, veranlasste sie, stehen zu bleiben. "Was meinst du damit?" "Lass uns gehen. Irgendwohin, in einen Park oder die Stadt. Oder... also... zu mir. Ja, lass uns zu mir gehen." Chloe war stehen geblieben und hatte sich zu ihm umgedreht und der Herbstwind blies ihre schwarzen Haare durch ihr Gesicht.

    "Das sagst du doch jetzt nur weil... weil ich dir leid tue oder so. Du hättest doch jetzt am liebsten deine Ruhe vor mir... und meiner Laune." Felix wich dem Blick kurz aus, ihre Worte klangen hart und wenig einfühlsam... völlig anders, als ihre Stimmung gestern war, als sie in ihrem Zimmer saß und mit geschlossenen Augen seinen Charakter analysierte. Er zuckte mit den Schultern. "Naja, wenn du das glaubst...", sagte er und hörte das Läuten der Pausenklingel. "Dann warte ich eben hier... direkt vor deinem Klassensaal. Bis zur nächsten Pause und dann frage ich dich nochmal, ob wir gehen sollen." Chloe starrte den Jungen weiter an und sie wollte nicht daran glauben, dass er es ernst meinte. "Das tust du eh nicht.", beharrte sie wieder.

    Felix streckte seinen Arm aus und öffnete Chloes Umhängetasche, die sie als Rucksack benutzte. Er nahm aus seinem Rucksack das Bild seiner Schwester und steckte es zwischen Chloes Bücher, bevor er die Tasche wieder schloß. "Glaubst du, ich gehe ohne das Foto von hier weg?" Damit zeigte er ihr: Er gehe nicht ohne sie hier weg. Er würde entweder warten, oder sie würden jetzt gemeinsam gehen. Nun fiel es Chloe noch schwerer, gegen die Tränen anzukämpfen. Sie legte eine Hand auf die Tasche, die andere umgriff Felix's Handgelenk. "Komm, wir gehen hinten am Schulhof den Raucherausgang raus. Vorne könnten jetzt ein paar Lehrer sein, die fragen, wo wir hin wollen." Nach diesen Worten folgte Felix dem Mädchen mit den schwarzen Haaren, und sein Herz tat einen Hüpfer. Unbewusst entkamen sie beide Frankie und Gregor, die an einer anderen Ecke des Schulhofes mit ansahen, wie dieser sich nach dem Pausengong leerte.

    Schulhof - 09:20 Uhr

    Felix hatte nicht gut geschlafen. Die Angst, am Morgen mit unbarmherzigen Schmerzen einer neuen Attacke aufzuwachen, lähmte ihn, nachdem er am Nachmittag das letzte Nasenspray verbraucht hatte. Als er durch die Stadt in Richtung Gymnasium zog, um Chloe zu treffen, blickte er beinahe sehnsuchtsvoll auf die roten Zeichen der Apotheken. Vielleicht würde er seine neue Weggefährtin fragen, ob die vielleicht irgendwie an das Medikament rankommen könnte, doch dann verwarf er diese Idee Minuten später wieder. Nein, er würde das Mädchen in so etwas nicht hineinziehen... sie hatte ihm schon so sehr auf der Suche nach seiner Schwester geholfen, mit körperlichem Einsatz und unter dem Risiko ihrer schulischen Laufbahn. Wenn ihre vorsätzlich zugeführte Verletzung aufgeflogen wäre, hätte das sicher Ärger bedeutet.

    Er fühlte sich müde, aber zumindest sendete sein Kopf keinerlei Vorzeichen einer Attacke, so dass er kurz vor der ersten großen Pause den Schulhof erreichte und sich auf eine der Bänke saß, auf der sich die beiden zum ersten Mal begegnet waren. Der Himmer war wolkenverhangen, immer wieder regnete es für einige Minuten Bindfäden, so dass Felix seine Kapuze tief ins Gesicht zog. Als er Chloe kurz nach dem Klingeln erblickte, hatte er das Gefühl, dass der Himmel sich weiter verfinstern würde... so missmutig, vielleicht auch traurig sah das Mädchen drein.

    Ihre Schminke war wieder dezent, fiel jedoch dunkler, beinahe düster aus, so dass ihre Hautfarbe im Kontrast zur Haarfarbe stand... mehr als gestern. Auch ihr Blick wirkte müde und mehr als ein zaghaftes "Hey...", bekam sie nicht über die Lippen. Gestern hatten sie sich frohen Mutes nach dem kurzen gemeinsamen Abenteuer in der Schule und dem Beisammensein auf Chloes Zimmer, was beiden gefallen hatte, verabschiedet. Auch ihre ausgetauschten Nachrichten liessen zumindest gestern keinen Schluß auf schlechte Laune zu. Vielleicht hatte das Mädchen einfach schlecht geschlafen, dachte Felix... besaß aber genügend Taktgefühl, sie damit nicht zu überfallen, als er sie ebenfalls begrüßte. So selbstverständlich wie emotionslos nahm das Mädchen ihn kurz in den Arm, dass es ihn zweierlei überraschte... die Umarmung an sich, sowie die Art der Umarmung. Chloe legte nur den rechten Arm um ihn, drückte ihn kurz an sich und ließ ihn dann wieder los.

    Er wusste nicht recht, wie er auf Chloes Laune und ihre Art reagieren sollte und fühlte sich ebenfalls unwohl. Er beschloss, dass es vielleicht besser sein würde, direkt zu dem Anliegen zu kommen, weshalb sie sich heute wieder hier trafen... wobei er vermutlich für einen kurzen Besuch auch so gekommen wäre, bevor er seine Suche nach seiner verschollenen Schwester fortsetzte. "Kommt deine Freundin gleich mit Elisa?" Sekundebruchteile nachdem er die Worte gesagt hatte, wollte der Junge sie wieder zurückholen, denn ein vernichtender Blick traf ihn aus Chloes Augen. "Georgina ist NICHT meine Freundin!", fauchte sie angriffslustig, so dass Felix sowohl ein Konter, als auch eine Entschuldigung im Halse stecken blieb.

    Den Blick wendete Chloe sofort wieder ab und ihre Haare wurden langsam von dem dünnen Regen durchweicht, als sich eine Gruppe aus drei Mädchen ihnen näherte, die sich unter drei Regenschirmen versteckten. Felix bemerkte auf den ersten Blick, dass zwischen ihnen und Chloe keine Beziehung bestand... Schüler haben einen, wenn auch oftmals einfältigen und klischeehaften Blick für so etwas. Freunde in einer Gruppe haben ähnliche Interessen, ähnliche Kleidungsstile. Klar gibt es in jeder Gruppe einen Ausreißer, aber das Mädchen neben ihm passte nicht zu den dreien, die gemäß ihres Alters schon etwas "aufgemachter" waren, die Schminke nicht mehr dezent, die Kleider nicht besonders teuer, sollten aber so wirken. Und ihre Blicke, die sie austauschten, als sie beiden Jugendlichen auf der Bank sahen, das Gekichere und Getuschel machte Felix wieder klar, dass er seine Schule keinesfalls vermisste.

    "Da ist ja das hübsche Pärchen.", sagte Georgina, die körperlich Größte der Dreien. Sie hatte ein hübsches Gesicht, eine gute, wenn auch nicht perfekte Figur, die jedoch von einem modischen Regenmantel verdeckt wurde. Ihr blondes Haar war lockig und verschlang sicherlich jeden Morgen eine halbe Stunde im Bad. Wenn Felix glaubte, dass Chloes Blick auf ihn bereits vernichtend war, dann war ihr jetziger Blick auf Georgina apokalyptisch... und dem Jungen wurde klar, dass seine Weggefährtin wohl über mehr als einen Schatten springen musste, um mit diesem Mädchen Worte zu wechseln, um ihm zu helfen.

    Chloe erwiederte nichts auf den schnippisch klingenden Spruch, während Georgina nun Felix ein wenig musterte. Der tat es dem blonden Mädchen gleich, musterte er jedoch weniger sie, als ihre beiden Freundinnen, ob eine der beiden Elisa war. Doch die beiden weiteren Mädchen waren ebenfalls blond, die Dritte brünett. Ausserdem hatten sie keine Ähnlichkeit zu Felix's Schwester. "Wo ist Elisa? Ich dachte, du würdest sie mitbringen?", fand Chloe ihre Sprache wieder, und sie hatte nichts mehr von dem scheinbar gut gelaunten Mädchen von gestern. Sie klang erstickt, als hätte sie einen Frosch im Hals, der nicht raus kommen wollte. "Ich war erst einmal neugierig, wer da nach irgendjemandem sucht. Hätte ja auch irgendein Freak oder ein Stalker sein können. Ich weiß ja nicht, was du für Freunde solche Aussenseiter wie du haben." Georgina schien aus ihrer Ablehnung keinen Hehl zu machen und hatte eine Freude daran, Chloe zu provozieren.

    "Ich suche meine Schwester. Es ist möglich, dass sie hier auf der Schule ist und das Mädchen auf dem Bild, das Elisa heisst, gleicht ihr.", übernahm Felix nun zum ersten Mal das Wort ... auch um Chloe zu schützen. Am liebsten hätte er ihr diesen Schutz auch körperlich gezeigt und seinen Arm um ihre Schultern gelegt... aber etwas hielt ihn zurück. Irgendwie getraute er es sich nicht, auch weil er nicht wusste ob Chloe das in diesem Moment wollte. Und obwohl sie selbst es wollte, in dem Moment als sie seine Stimme schräg neben ihm hörte, hätte sie sich vermutlich dagegen gewehrt.

    "Du suchst deine Schwester und weißt nicht mal, wie sie heisst?", lachte Georgina nun kalt und gefühllos und ihre Blicke wechselten zwischen dem seltsamen Pärchen hin und her. "Und das soll ich dir glauben?" Dabei blickte sie in verkniffene Gesichter. Felix nahm ihre Worte nicht ernst, sie schienen an dem Jungen abzuprallen, aber Chloe kochte. "Du brauchst hier nicht zu suchen. Erstens ist Elisa seit letztem Sommer nicht mehr auf dieser Schule, und zweitens weiß ich ganz sicher, dass sie ein Einzelkind ist. Ich kenne sie vom Kindesalter an, da war nie jemand anders." "Sie war ja auch schon weg, als ich geboren wurde. Wir haben verschiedene Väter, aber die gleiche Mutter. Und die Mutter ist noch in Hamburg." "Elisas Mutter wohnt schon immer in Köln.", widersprach Georgina. "Verschwinde von hier. Du hast hier nichts verloren."

    Das Mädchen wollte sich mit ihrem Gefolge gerade umdrehen und Chloe machte einen Schritt vorwärts, als sie Felix' Hand auf ihrer Schulter spürte... nun doch. Es tat so gut, ihn zu spüren, und obwohl sie die Hand mit einer Schulterbewegung sofort wieder abschüttelte, blieb sie stehen. "Warte!", hörte sie Felix' Stimme. "Wenn sie deine Freundin ist, hast du sicher ein Bild auf deinem Handy. Das deutlicher ist als auf dem Klassenfoto... bitte." Die Blicke der beiden Jugendlichen trafen sich und das blonde Mädchen blickte kurz auf ihre eigene Freundin neben sich, als würde sie stumm einen Rat einholen. Seufzend kramte sie das Handy hervor, suchte ein Bild von Elisa und hielt es, provokant, gerade mal für eine halbe Sekunde vor Felix Nase. Doch die halbe Sekunde reichte... dieses Mädchen glich nur geringfügig seiner Schwester. Die Spur war eine Sackgasse...

    Dienststelle - 8:00 Uhr

    Der Morgen begrüßte die beiden Autobahnpolizisten an diesem Tag trüb, kalt und regnerisch ... fast als hätte sich der Wettergott nun endgültig im November für den Winter und gegen einen letzten goldenen Herbstmoment entschieden. Statt einem "Guten Morgen" kam von Ben nur ein "Dreckswetter.", als er das Büro betrat und seine Lederjacke über den Stuhl warf. Carina hatte ihn heute morgen ausnahmsweise zur Arbeit gebracht, da sein Dienstwagen auf der PAST geblieben war. "Wie gehts dem Riechkolben?", fragte sein Partner in einer Mischung aus Witz und Fürsorglichkeit. Eine Schwellung war noch deutlich erkennbar, ein paar Schrammen zierten Bens Gesicht, aber er winkte nur ab. "Passt noch alles. Was macht die Fahndung? Ich hab dem Typ noch etwas zurück zu geben.", kündigte Semirs Partner mit geballter Faust an.

    "Noch nichts Neues. Zuhause ist er nicht mehr aufgetaucht... ich nehme an, er verkriecht sich irgendwo.", meinte Semir ohne Ironie und sah vom Monitor auf. "Ich habe in Zoldas Wohnung ein Notizbuch gefunden mit mutmaßlichen Drogenbestellungen oder Kurierfahrten. Sehr schlau bin ich aber natürlich nicht daraus geworden, ich hab das ganze Mal Thomas geschickt. Der hat mir heute morgen geantwortet und versprochen, sich im Laufe des Tages zu melden." Ben nickte. "Wenn wir Glück haben, reißen die sich den Fall unter den Nagel.", meinte er und ließ sich missmutig auf seinen Stuhl fallen.

    "Ausserdem...", fügte Semir noch an: "...war ein Termin für heute Nacht verzeichnet. Vielleicht können wir uns auf die Lauer legen." "Hast du ein Handy in der Wohnung gefunden?", fragte Ben und sein Partner schüttelte den Kopf. "Dann hat der Typ seinen Geschäftspartner doch längst gewarnt. Das ist wohl vergebene Lebensmüh." Den gleichen Gedanken hatte Semir ja selbst auch schon gehabt und er nickte zustimmend. So verliefen erst einmal alle Spuren im Sand und auf Thomas würden sie warten müssen. "Und jetzt?", fragte Ben deswegen in gespannter Erwartung auf einen Geistesblitz seines Partners. "Und jetzt?", wiederholte der und stand mit Schwung und Elan von seinem Stuhl auf. "Jetzt fahren wir auf Streife... Hopp hopp." Ben musste lachen. "Woher die Euphorie. Keinerlei Ängste heute, vom LKW überfahren zu werden?"

    Ben war wohl der einzige Mensch, neben Andrea, der über sensible Themen bei Semir, die er ihm anvertraut hatte, Witze zu machen. In der Tat hatte er heute morgen ein gutes Gefühl, als er zur Arbeit fuhr, selbst im Hinblick auf die weiteren Ermittlungen und die, nicht ungefährlichen, Streifenfahrten. War das schon wieder ein Rückzieher in seinem Denken? Schwand die Überzeugung der letzten Tage nun doch? Semir wollte sich im Kopf dagegen entscheiden. "Die einzige Angst ist im Moment, dass ich meinen Partner irgendwo aus Versehen an einem Autobahnschild anbinde und vergesse.", war seine ebenso scherzhafte Antwort, bevor die beiden im Schmuddelwetter auf der Autobahn verschwanden.


    Franks Wohnung - 8:15 Uhr

    Geld verdiente sich nicht im Schlafe, das wusste Frank Mahler. Er war das, was man im Allgemeinen als Frühaufsteher bezeichnete... nach 7 Uhr hielt ihn nichts mehr im Bett und bis halb neun waren mindestens zwei schwarze Kaffee und drei filterlose Zigaretten vernichtet. Dabei war sein Morgen von Routine geprägt, auch wenn der hellgrauhaarige, etwas klein geratene Mann alles andere als unflexibel war. Etwas Frühsport wie Kraftübungen, Schlagübungen an seinem Boxsack, danach das "Kippe-Kaffee-Kippe"-Frühstück mit Blick auf den Kölner Hafen. Er hatte seine Bleibe auf einer kleinen Erhebung, von außen machte es den Eindruck einer Containerlandschaft, innen drin hatte es den morbiden Charme einer Fabrikhalle, die wohnlich gemacht war... zumindest mit dem Nötigsten.

    Frankie hatte den typischen Weg eines Verbrechers genommen, dessen Weg vorgezeichnet schien. Zerrüttetes Elternhaus, seine Mutter früh verschwunden, sein Vater ein cholerischer, gewalttätiger Alkoholiker, der auf der Zeche gearbeitet hatte. Frankie hatte es bereits als Jugendlichen ebenfalls dorthin verschlagen, doch seine Brutalität und Schlagkräftigkeit ließ ihn schnell als Rausschmeißer in Clubs landen. Von dort ging der Weg nach oben. Kurier, danach Boxclubbesitzer, um dort illegale Kämpfe und die ersten Drogengeschäfte abzuwickeln. Einbrüche, ein Raubüberfall auf eine Autobahnraststätte, ein paar Jahre Knast. Jetzt verdiente er sich mit ein paar alten Kumpeln zusammen ein goldenes Näschen mit Drogenverkäufen und überwachte Übergaben für Freunde.

    Eigentlich hätte er sich längst zur Ruhe setzen können, doch Frankie war der Typ, der einfach ein kriminelles Inneres hatte, dass er nicht stillen konnte. ES war nicht mal die Gier nach Geld... er musste einfach etwas tun, sonst wurde er nervös. Er fühlte eine innere Befriedigung, wenn er andere Menschen einschüchtern und verletzen konnte, weshalb er diese Aufgaben immer noch selbst übernahm. Seine cholerische Art hatte er definitiv von seinem Vater geerbt. Als er gerade dabei war seine Jacke anzuziehen, um die Wohnung zu verlassen, klingelte sein Handy. "Frankie? Hier ist Zolda!", war eine gehetzt klingende Stimme zu hören. "Zolda, mein Junge.", begrüßte Frankie ihn in seiner kumpelhaften, typischen Art. "Was kann ich für dich tun?" "Es ist was passiert. Die Bullen sind bei mir zuhause aufgetaucht."

    Für einen Moment konnte man in Franks Wohnung eine Stecknadel fallen hören. "Die Bullen?", fragte er und seine Stimme klang nun weder kumpelhaft, noch ruhig. "Und dann rufst du mich auf meinem Handy an? Hast du noch alle Latten am Zaun?", schrie er mit seiner kratzigen Stimme ins Telefon und hatte den inneren Drang, sofort aufzulegen. "Beruhig dich mal. Natürlich rufe ich nicht mit meinem Apparat an, sondern aus Karls Café.", sagte Zolda schnell, während Frankie seine Autoschlüssel schnappte und in den Regen trat.

    "Was willst du?" "Ich muss untertauchen. Du musst mir irgendwo ein Plätzchen organisieren, wo ich hin kann, wo mich niemand findet." Frankie ließ sich in seinen Mercedes Youngtimer aus den 80iger Jahren gleiten, den er liebevoll restauriert hatte. An Autos, vor allem aus den 70er und 80er hatte er einen Narren gefressen. "Warum muss ich das?" "Na, die Typen sind nicht aufgekreuzt weil ich falsch geparkt habe. Wenn die mich hochnehmen, dann werde ich alles tun, um meinen Hals zu retten und du weißt, was das bedeutet, mein Freund." Darüber, was das bedeutet, musste Frankie nicht nachdenken. Vielmehr beschäftigte ihn die Frage, wie die Bullen auf Zolders Spur kamen. Waren das schon Infos, die ihnen Zenner gesteckt hatte? Oder etwa dieser Jugendliche, der sie gestern belauscht hatte? Hatte er bei dem Apotheker Zolda erwähnt?

    "Das würde ich dir nicht raten. Du weißt, dass ich auch in den Knast Kontakte hab. Da ist schon manch einer unglücklich die Treppe runtergefallen.", drohte Frankie ihm unverhohlen und er konnte seinen Gesprächspartner laut ausatmen hören. "Frankie, ich würde dich nicht anrufen wenn mir nicht der A.rsch auf Grundeis gehen würde." "Na gut... wo bist du jetzt?" "Ich verkrieche mich gerade bei Karl in einem seiner Zimmer. Aber wenn die Bullen schon ermitteln, wird es nicht lange dauern, bis..." "Jaja... ich überleg mir was, ok?", woraufhin Frankie ruckartig die Verbindung beendete. Eine Gefahr, die größere durch Zenner, hatte er ausgemerzt. Die kleinere Gefahr wird er nicht zum Risiko werden lassen, und er wählte beim Fahren die Nummer von Gregor. "Gregor, hier ist Frankie. Wir werden heute ein paar Schulen besichtigen."

    Innenstadt - 18:30 Uhr

    Die Temperatur fiel, sobald die Sonne hinterm Horizont verschwand. Und je weiter der November fortschritt, desto früher tat die Sonne dies am Tag. Jakob und Felix spürten dies beide, als sie aus dem Bus in der Innenstadt, ganz in der Nähe des besetzten Hauses ausstiegen, wo Felix bereits in den letzten beiden Nächten übernachtet hatte. Er zog den Kragen seiner abgewetzten Jacke hoch, während Jakob sich eine alte Wollmütze über die Ohren zog, die seine wasserstoffblonden Haare vollständig verdeckten. Beide gingen das letzte Stück, bis sie an dem großen Bau ankamen, wo sich die Bewohner der Gegend nicht gerne hintrauten, ausser es waren Freunde der Punks und Ausreisser, die dort "lebten." "Bist du ganz sicher, dass dieser... ähm...", begann Felix unsicher und Jakob half ihm auf die Sprünge. "Jerry?" "Ja... dieser Jerry unbedingt mit mir reden will?" Der junge Punk winkte ab. "Sehen wir ja dann. Ich merke gleich, wann man mit ihm reden kann, und wann nicht."

    Der schwarzhaarige Junge fühlte sich bei Jakob sicherer, als wenn er alleine in diesem Gebäude unterwegs war. Jakob grüßte jeden, wechselte ein paar Worte. Mit ihm zusammen gaben einige auch Felix die Hand, was sie sonst vielleicht nicht getan hätten. Aber da er nun schon die dritte Nacht hintereinander hier verbringen würde, schienen sie ihn als einen der Ihren zu akzeptieren. Gemeinsam traten sie durch den Flur in das Treppenhaus des dreistöckigen Gebäude, wo sich in jedem Zimmer mindestens einer, meistens aber mehrere Jugendliche aufhielten.

    Jerry saß in einem der Zimmer alleine. Er saß am Fenster, ein Bein auf der Fensterbank, mit dem anderen stützte er sich auf den Boden. Die Dose Bier, die vor ihm stand, war noch fast ganz voll. Als Jakob zuerst ins Zimmer reinsah, bevor er eintrat, boxte ein Junge mit roten Haaren Jerry gerade freundschaftlich gegen die Schulter. "Ruf sie doch mal an und rede ein bisschen mit ihr. Sie braucht dich und dich kann sie vielleicht auch etwas aufmuntern." Offenbar war er nicht der Erste, der versuchte den alten Punk aus einem Loch heraus zu holen. Und von wem der rothaarige Mann sprach, wusste Jakob auch. Jerry hatte eine Bekannte in England, die früher selbst in der Szene war, und beide trauerten um den gleichen Verlust. "Hey ihr zwei.", begrüßte Pitt, der rothaarige Punk, die beiden Jungs auf dem Flur und lächelte. Keine Warnung davor mit Jerry zu reden, der stocksteif aus dem Fenster sah.

    "Hey Jerry... alles klar bei dir?", fragte Jakob mit seinem aufgesetzten Zahnpastagrinsen, was den hellblonden Haaren in Sachen "Strahlen" in nichts nachstand. In Jakobs Umgebung musste man einfach gute Laune bekommen, dachte Felix, weil der Junge einfach etwas offenherziges und Positives ausstrahlte. Und zumindest drehte Jerry sein Gesicht sofort vom Fenster weg, obwohl er so lethargisch wirkte, dass es Felix nicht gewundert hätte, wenn er überhaupt nicht reagiert hätte. Seine kurzen, angegrauten Haare, in der Mitte etwas länger, hatten immer noch etwas von altem Punk, seine Falten im Gesicht um den Mund waren in den letzten Wochen tiefer geworden. Er lächelte kurz.

    "Hallo. Kommt nur." Er erkannte Felix sofort von gestern Abend, als er ihn als Unbekannten sofort angreifen wollte. "Tut mir leid wegen gestern. Ich kannte dich nicht und muss wohl... was schlechtes geraucht haben." Er rutschte von der Fensterbank und streckte Felix die offene Hand hin, die der Junge mit etwas schüchternem Gesichtsausdruck ergriff und schüttelte. "Ist ja nichts passiert...", meinte er kurz mit einem ebenso scheuen Lächeln. "Ja... hätte aber leicht. Ist momentan ne schwierige Zeit.", ließ sich der Altpunk nur entlocken und setzte sich zurück auf die Fensterbank. Von sich aus hatte er nie viele Worte über den Schicksalsschlag verloren, Jakob hatte es immer nur über das Gespräch anderer Jungs mitbekommen.

    "Wir wollten dich was fragen. Felix hat heute ne etwas unangenehme Begegnung in einer Apotheke gehabt.", begann Jakob und nahm sich, ungefragt, eine Dose Bier aus dem Vorrat von Jerry, öffnete sie und nahm einen kräftigen Schluck, bevor er sie an Felix weiterreichte. Der trank ebenso, wenn auch wesentlich dezenter und weniger, er mochte Bier nicht besonders. Dann erzählte er kurz von der Begegnung in der Apotheke, und was er von dem Gespräch zwischen Apotheker und den beiden zwielichtigen Gestalten mitbekommen hatte. Jerry nickte hin und wieder, und seine Miene wandelte sich in Ablehnung.

    "Das ist nichts ungewöhnliches, dass Dealer ihre Vorräte auslagern. Apotheken eignen sich dafür recht gut, werden sie doch fast nie kontrolliert. Fallen die Typen bei den Bullen mal auf und es gibt Hausdurchsuchungen, werden sie nichts finden." "Ich... ich hab irgendwie Angst dass die beiden glauben, ich hätte etwas mitbekommen. Einer von denen ist mir bis zur Bushaltestelle gefolgt danach." Der alte Punk legte den Kopf ein wenig schief. "Gregor kenne ich in der Tat. Der hatte mal ne kurze Haftstrafe verbüßt, als ich noch selbst im Knast war. Hatte da auch schon mit Drogen gedealt. Seinen Freund kenne ich vom Sehen, der ist ne große Nummer.", erklärte er, was sich für Felix nicht unbedingt beruhigend anhörte. "Ich will dir damit keine Angst machen, Junge. Ich denke auch, dass die dich direkt geholt hätten, wenn sie gewollt hätten."

    Felix schluckte und seine Knie wurden weich. Das war definitiv nichts für ihn, er war weder ein Draufgänger noch ein Held. Er musste sich bei Gefahr auf seine flinken Beine und seine Geschicklichkeit bei der Flucht verlassen ... nicht auf Kraft oder Muskeln. Sein Gegenüber bemerkte seine Unsicherheit. "Am besten bleibst du einfach bei uns. Hier gibts genug die auf dich aufpassen. Und wir sind nicht die Kundschaft dieser Typen.", sagte er mit seiner autoritären, aber dennoch beruhigenden Stimme, bevor er selbst auch Interesse an Felix zeigte. "Wie bist du überhaupt zu uns gekommen?"

    Felix und Jakob setzten sich nun auf eine der Kisten, die im Raum herumstanden, bevor Felix erzählte, was ihn zu der Reise aus Hamburg nach Köln trieb und was er bisher erlebt hatte. Jerry hörte zu, genauso wie Klara, Chloe und Jakob es bereits vor ihm tat. Er bewunderte den Mut des Jungen, den dieser in seinem Auftreten und seiner Ausstrahlung überhaupt nicht rüberbrachte. Es war eher eine stille Zurückgezogenheit, etwas Angst vielleicht auch, die aber besiegt wurde von dem Willen, seine Halbschwester zu finden. Das imponierte ihm. "Und deine Mutter kann sich nicht mal an den Namen der eigenen Tochter erinnern?", fragte er nochmal nach, was Felix verneinte. "Meine Mutter ist sehr krank. Wenn du verstehst, was ich meine...", sagte er und rieb sich dabei über die Innenseite des Ellbogens. Jerry verstand, was er mit dieser Geste meinte.

    "Zeig mir mal das Foto von deiner Schwester. Bisschen komme ich ja noch in der Stadt rum.", sagte Jerry und er hatte schnell durch seine Art das Vertrauen des Jungen gewonnen. Als er jedoch auf das Foto blickte, verlor sein Gesicht jegliches Lächeln, jegliche Lockerheit, jegliche Autorität, die er bisher hatte. Weder Jakob, noch Felix konnten sich diesen plötzlichen Stimmungswandel, als Jerry auf das Mädchen mit den schwarzen Haaren blickte, erklären... genauso wenig seine mechanisch wirkende Stimme, als er Felix das Foto zurück reichte. "Du wirst sie hier nicht finden." "Wie bitte?", fragte Jakob und Jerry stand mit einem Ruck auf, so dass Felix erschrak. "Du... du kennst sie...", stammelte er und sein Herz schlug ihm bis zum Hals, doch er wurde von der harschen Stimme Jerrys unterbrochen, der seinen Satz wiederholte, bevor er mit schnellen Schritten den Raum verließ. "Du wirst sie hier NICHT finden! Fahr zurück nach Hamburg!" Der schwarzhaarige Junge spürte, wie es in seiner Stirn pochte...

    Dienststelle - 17:00 Uhr

    Semir konnte nicht sagen, wessen Kopf wohl mehr schmerzte - seiner nach aanderthalb Stunden Studium über Zahlencodes von Drogenlieferungen, die er versuchte mit zahlreichen Akten aus anderen Drogenfällen abzugleichen, um einen Zusammenhang herzustellen, oder Ben, der kurz per Whatsapp verlauten ließ, dass er ausser Schürfwunden und einem Brummschädell keine bleibenden Verletzungen davon getragen hatte. Der erfahrene Polizist hatte, wie immer, alle Hände voll zu tun seinen manchmal störrischen Partner nach Hause zu quatschen, statt ihn nochmal auf die Dienststelle kommen zu lassen. "Ich verspreche dir, ich lasse dich sofort von Bonrath in die Zelle sperren. Mit Gehirnerschütterungen ist nicht zu spaßen, das weißt du genau so wie ich." "Ich hab nur nen ..." "Nein, Ben! Morgen kommst du, wenn du keine Schmerzen mehr hast."

    Ben gab nach - sein Kopf tat ihm wirklich weh und die Aussicht auf ein heißes Bad zum Herbstbeginn - vielleicht mit seiner Freundin Carina gemeinsam, ließ ihn dann doch von dem Vorhaben abkommen, noch einmal für eine Stunde zur Dienststelle zu fahren. Ausserdem versprach Semir, ausser Papierkram, heute nichts mehr zu unternehmen. Das überzeugte den jungen Polizisten vollends. "Na gut, Papa. Dann sehen wir uns morgen.", verabschiedete er sich mit leicht näselnder Stimme, da immer noch ein Wattepropfen in seiner Nase steckte.

    Der Polizist mit kurz geschorenen Haaren strich sich über den Kopf. Ein paar Angaben konnten vielleicht passen, zu diesem Schluß kam er als er auf den Monitor und seine Tabelle sah. Seine Frau hatte sich längst in den Feierabend verabschiedet, nur Bonrath und die Chefin waren noch da. Letztere kam nun in Semirs Büro und setzte sich ihm gegenüber auf Bens Platz, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Das war eigentlich gar nicht ihre Art, normalerweise blieb sie stehen und kam schnell zur Sache. Semir sah deswegen auch recht überrascht hinterm Monitor auf. "Wie kommen sie voran?", fragte sie dann doch ihre Standardfrage, doch der erfahrene Polizist kannte seine Chefin nun über 20 Jahre - das war nicht das Einzige, was sie wissen wollte. Und Semir wusste warum.

    "Tja, bis jetzt schleppend. Wir wollten bei dem einzigen Namen ansetzen, den wir kannten. Dem Kurierfahrer Zolda, dessen Name uns Zenner genannt hatte. Der hat sich vor ungefähr drei Stunden der Verhaftung entzogen. Die Fahndung läuft, aber bisher erfolglos. Wir haben in seiner Wohnung dieses Notizbuch mit Drogenlieferungen gefunden. Ich habe es versucht auszuwerten... aber naja." Mit Zweifel sah er auf die Tabelle. "Ich denke, da werden wir nicht um Unterstützung des Drogendezernats herum kommen." Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. "Es gibt noch einen Termin auf seiner Liste, der ist erst morgen Nacht. Vielleicht können wir da zumindest den zweiten Mann des Treffens festnehmen, wobei man fast davon ausgehen kann, dass Zolda ihn gewarnt hat."

    Die Chefin nickte, auch wenn die bisherigen Ergebisse dürftiger waren, als sie annahm. "Das Drogendezernat hat im Moment keinen personellen Engpass. Ich denke, dass Thomas uns unterstützen wird." Thomas Bienert, Leiter des Drogendezernats hatte bereits einige Male erfolgreich mit Semir und Ben zusammengearbeitet, so dass Semir sofort zustimmend nickte. Dann hielt Anna Engelhardt einen Briefumschlag hoch - einen Briefumschlag, der Semir bekannt vorkam. "Ich habe das auf meinem Schreibtisch gefunden.", sagte sie mit etwas leiserer Stimme als üblich. "Kennen wir uns noch nicht lange genug, nach 20 Jahren, dass sie mir das einfach hätten sagen können?" In ihrer Stimme schwang kein Vorwurf, nur Verwunderung, und der erfahrene Polizist sah kurz auf die Tastatur. "Naja, Chefin. Es ist... ja nicht nur ein bloßer Versetzungsantrag... sondern." Die Chefin unterbrach ihn. "Sie haben ein schlechtes Gewissen, weil sie sich ausbilden lassen wollen, um die Dienststellenleitung zu übernehmen?" Ja, das hatte er in der Tat. Er hatte das Gefühl, er würde sich mit scharrenden Hufen hinter seine langjährige Vorgesetzte stellen, um den Posten endlich zu übernehmen. Den Eindruck wollte er aber nicht vermitteln - und so legte er heute nachmittag den Antrag zur Fortbildung, was ein Jahr dauern würde, und somit gleichzeitig mit eine Art "Rücktritt" war, mehr "heimlich" auf ihren Platz. Im Nachhinein eine blöde Idee, die auch gar nicht zu ihm passte, das wusste er.

    Anna Engelhardt seufzte. "Sie wissen, dass sie schon zweimal einen Versetzungsantrag gestellt haben - und zweimal bemerkten, einmal beinahe zu spät, dass sie für eine Schreibtischarbeit nicht gemacht sind.", sagte sie. Sie wollte den dritten Schnellschuss diesmal vorzeitig verhindern. Semir wollte bereits 2005 seinen Job hinwerfen, 2010 ließ er sich sogar eine zeitlang in den Innendienst versetzen - eine Katastrophe. Doch diesmal war es anders. "Ich weiß, Chefin. Und ich habe lange nachgedacht und mich an diese beiden Situationen erinnert. Aber diesmal ist es anders." "Was ist es diesmal?" Semir leckte sich über die Lippen. Bei der Chefin konnte er mindestens genauso ehrlich sein, wie bei Ben oder seiner Frau.

    "Es ist, glaube ich, Angst. Ich weiß, dass es sich komisch anhört, nach all den Jahren und vor allem nach dem ich genau das Ben vor einem Jahr ausgeredet habe... aber das spielt eine Rolle. Unter dieser latenten Befürchtung leidet meine Motivation mich in Gefahr zu begeben und anderen zu helfen. Deswegen glaube ich mittlerweile, dass ich auf der Straße nicht mehr das bewirken kann, was ich vielleicht... im Hintergrund bewirke. Auch im Bezug auf die Kollegen, auf die ganze Dienststelle." Er sprach damit vor der Chefin ein heikles Thema an, aber das Vertrauen zwischen diesen beiden Menschen war riesengroß.

    "Sie denken dabei an... Kevin?", kam die Chefin selbst auf den Gedanken. "Das ist absolut kein Vorwurf an sie... absolut nicht, Chefin.", begann Semir sofort, zum Nachdruck hob er dabei beide Hände. "Aber ich glaube, als Vorgesetzten hätte ich, über all die Jahre, Kevin mehr helfen können, als ich es als Partner getan hatte. Sie haben getan, was sie konnten... aber zu mir und Ben war der Draht anders." Er nickte kurz, als wolle er sich selbst bestätigen. "Ich glaube, dass wir Kevin nicht einfach durch einen Mord verloren haben. Er wollte fortgehen... er wollte seinen Job als Polizist an den Nagel hängen." Die Chefin sah auf, diese Information war für sie neu. "Ich bin der Meinung, dass der Beruf des Polizisten Kevin nicht wirklich wichtig war... sondern eine Art Widergutmachung für den Mord an seiner Schwestern.", sagte die Chefin, denn auch sie wusste, dass sie gegenüber Semir ehrlich sein konnte. Bei Ben hätte sie mit dieser Meinung vielleicht ein wenig hinterm Berg gehalten. "Jein.", wollte der erfahrene Polizist weder verneinen noch bestätigen. "Er sagte mal zu Jenny: 'Polizist ist das einzige, was ich kann. Oder Verbrecher.' Und wir haben es nicht geschafft, ihn darin zu bestärken. Wir haben ihm vertraut, was er nie ganz zurückbezahlt hat... aber ich denke, man hätte... etwas anders tun können." Er atmete kurz auf. "Ja, ich denke, das sind die beiden Gründe. Aber ich will, um Gottes Willen, nicht sie aus ihrem Amt drängen.", sprach er nun den Grund für seine, etwas misslungene Art der Kommunikation mit dem Brief, nochmals aus.

    Die Chefin lächelte und erhob sich von ihrem Platz. Für einen Moment konnte Semir, trotz der langen Zeit, in der sie zusammenarbeiteten, nicht sagen ob sie in irgendeiner Form angegriffen oder enttäuscht wirkte. Auf Semirs Höhe blieb sie kurz stehen: "Nicht, dass ich nach meiner Pensionierung noch mehr Gedanken an meinen Beruf verschwenden würde, als nötig...", sagte sie lachend: "Aber ich würde ruhiger schlafen, wenn ich wüsste dass sie die Dienststellenleitung übernehmen, statt irgendwer anders." Mit diesen Worten wünschte sie einen schönen Feierabend und verließ die Dienststelle.

    Köln - 16:00 Uhr

    Ein dumpfes Schlagen im Kopf, ein leichtes Kribbeln im Auge - Felix wusste, was diese Anzeichen bedeuteten. Sie begannen gerade, als der Bus den Vorort verlassen hatten und wurden minütlich stärker auf der Landstraße. Am liebsten hätte sich der Junge auf der hintersten Sitzreihe im Bus eingekugelt und die Schmerzen abgewartet, dabei immer Runde um Runde mit dem Bus gefahren. Doch erstens musste er in Köln wieder aussteigen, weil sein Ticket nicht weiter gültig war, und zweitens kannte er seinen Schmerzdämon zu gut. Diese Attacke würde eine heftige werden, so er die Anzeichen richtig deutete. Also kramte er schweren Herzens aus seinem Rucksack die letzte Dosis Triptan in Form eines Nasensprays, und sprühte das Medikamente in das, zum Schmerz entgegengesetzte Nasenloch, da bei den einseitigen Schmerzattacken seines Kopfes das Nasenloch auf der schmerzzugewandten Seite wie bei einer Erkältung verstopft war.

    Das Medikament tat seine Pflicht. Als der Bus am Kölner Busbahnhof hielt, war der Schmerz verschwunden, nur Felixs Auge tränte noch ein wenig. Er zog seine Vollmütze über die längeren schwarzen Haare und spürte ein Brummen in der Jeans, wo sein Handy war. Als er die WhatsApp-Nachricht öffnete, war er erst enttäuscht, denn sie war nicht von seiner Mutter. Als er sah, dass sie stattdessen von Chloe war, mit der er vorher noch die Handynummern ausgetauscht hatte, erhellte sich seine Miene sofort wieder.

    "Eine Schnepfe aus unserer Klasse kennt Elisa.", stand dort geschrieben und Felix setzte sich am Busbahnhof auf eine der Wartebänke. "Cool. Hat sie dir etwas erzählt von ihr?", schrieb er zurück und bemerkte, dass Chloe offenbar direkt auf seine Antwort wartete. Das Doppelhäkchen unter seiner Nachricht wurde sofort blau, und ihr Status verriet, dass sie auch in Sekundenschnelle antwortete. "Wollte sie nicht über Whatsapp. Aber morgen in der Schule. Kommst du morgen wieder?" Felix musste lächeln... und er spürte, dass er Chloe mochte. Sie hatte etwas anziehendes auf ihn, was er nicht auf Anhieb erklären konnte, aber er antwortete sofort: "Natürlich! Ich bin zur ersten großen Pause da." und setzte einen grinsenden und zwinkernden Smilie hinter die Nachricht. Sofort kam eine Antwort. "Ich mag keine Emojis!"

    Wenn man Felix nun beobachten würde, wüsste man nicht ob er diese Nachricht nun amüsiert oder irritiert aufnahm... aber innerlich entschied er sich, darüber zu flachsen, und hoffte, dass Chloe es nicht negativ auffasste, als er schrieb: "Oh... tut mir leid :-(" Der Junge schickte die Nachricht ab, der Doppelhaken wurde sofort blau, doch für einen Moment schien das Mädchen zu warten mit der Antwort, so dass Felix bereits eine Entschuldigung tippen wollte. Scheinbar hatte das Mädchen selbst überlegt, wie sie auf die Nachricht reagieren würde. "Du Doofkopf. Freue mich auf morgen."

    Felix lächelte, um kurz darauf zu erschrecken, als sich zwei Hände von hinten auf seine Schulter legten. Für einen Moment dachte er, es wären die beiden Typen aus der Apotheke, so dass er von der Bank hochfuhr und im ersten Affekt wegrennen wollte. "Hey hey... ganz locker, Amigo. Ich bin es nur.", hörte er eine lachende Stimme hinter sich, und drehte sich um. Jakob grinste ihm ins Gesicht, er trug einen abgewetzten Parker gegen die Kälte und hatte seine Haare zu Stacheln geformt. "Hast du ein schlechtes Gewissen? Warum so schreckhaft?" Felix musste erstmal durchatmen und strich sich seine schwarze Strähne von Gesicht. "Ich bin hier fremd... was weiß ich, wer sich da von hinten anschleicht und mich packt.", sagte er mit leicht rasselndem Atem.

    Jakob ließ sich auf die Bank unter dem Glashäuschen am Busbahnhof fallen. Die Sonne machte sich auf den Weg, hinter den Häuserzeilen der Innenstadt zu verschwinden, und bald würde es richtig kalt werden. "Was macht deine Suche? Wie kommst du voran?", fragte er neugierig und sah den jungen, noch recht unbekannten Kerl an. Der wiederum ließ sich nun ebenfalls neben Jakob nieder und sein Puls hatte wieder Normalgeschwindigkeit erreicht. "Vielleicht hatte ich heute schon Erfolg.", sagte er. Felix sah keinen Grund, warum er dem hellblonden Jungen etwas verschweigen sollte... er hatte ihm schließlich schon seine Hilfe angeboten und wusste über die Suche eh Bescheid. Also erzählte er, was sich heute zugetragen hatte.

    "Wow... das Mädchen ist taff. Die hat sich echt die Hand aufgeschnitten um eine Verletzung für dich vorzutäuschen?", sagte Jakob mit hochgezogenen Augenbrauen. "Ja... ich bin selbst fast umgekippt, als ich das gesehen hatte. Sie hat mir davon auch nix gesagt, was sie vor hatte." Der blonde Junge lachte und boxte seinem Nebenmann freundschaftlich gegen den Arm. "Die steht auf dich, hundertprozentig." "Ach Quatsch.", wiegelte Felix ab und hatte das Gefühl, rot zu werden. "Ist sie hübsch?", war die neugierige Frage und der Schwarzhaarige sah sich etwas genötigt, Whatsapp zu öffnen und Chloes Profilbild zu zeigen. Ein Bild, was Felix eigentlich nicht so sehr gefiel, blickte sie doch ganz schön traurig bei einem Selfie in die Kamera, mit schwarz geschminkten Augen und Lidern.

    "Cooler Style. Bring sie doch mal mit zu uns." "Ich weiß nicht. Sie wirkt auf mich einerseits... irgendwie auf andere Menschen recht scheu. Obwohl sie mir gegenüber sehr offen war." "Na klar, ich kann dir auch sagen warum. Weil du selbst auf andere Menschen ziemlich scheu und verschlossen wirkst. Betonung liegt auf "wirkst". Bist du ja eigentlich nicht.", sagte Jakob und klang dabei erwachsener als er äusserlich war. "Solche introvertierten Menschen sind nur gegenüber ähnlich introvertierten recht offen. Aber wenn sie dir hilft, ist doch klasse. Wenn du sie magst, umso besser.", sagte Jakob und klopfte ihm auf die Schulter.

    "Das war aber noch nicht alles... es hatte schon einen Grund, warum ich so erschrocken bin eben.", meinte Felix und erzählte in, für ihn typisch knappen Worten, die etwas unheimliche Begegnung in der Apotheke. Jakobs gute-Laune-Lächeln schien zu verschwinden. "Ich glaube, ich kenne die Typen... zumindest von der Beschreibung her... lass mich mal nachdenken." Mit Namen konnte Felix nicht dienen, so liess er Jakob einen Moment Stille, als dieser in eine andere Richtung blickte und scheinbar in seinem Kopf sich durch mehrere Schubladen der Erinnerung wühlte. "Ich komm nicht drauf...", gab er die Suche letztendlich auf und erhob sich von der Bank. "Aber Jerry weiß es bestimmt. Er war früher selbst mal in der Drogenszene von Köln mit drin und ein paar von uns nehmen heute noch was."

    Felix blickte etwas unsicher auf. "Jerry? Der Typ von gestern abend?", fragte er und der blonde Junge nickte: "Genau der. Keine Angst, Jerry ist total okay. Der kann dir zu den Typen sicherlich etwas sagen, und unterwegs futtern wir noch was bei McDonalds. Ich lad dich ein." Felix stand ebenfalls auf und folgte Jakob... war sich jedoch nicht sicher, ob er überhaupt etwas Näheres über die beiden Männer erfahren wollte...

    Naja drehn tun sie ja laut Pias Insta Storys, also da brauchn wir uns glaub ich weniger sorgen machen. Was mir erher sorgen macht ist das die Pause zu lang sein könnte und das dann der Wind um die erste Parnterin verflogen ist.

    Abschnitt 40 wurde auch eine komplette 4. und 5. Staffel gedreht. Während der Ausstrahlung der 4. Staffel flog die Serie aus dem Programm. Der Rest der 4ten und die komplette 5te wurde unter RTL Crime dann einmalig verkloppt, und Feierabend. Das ist für mich kein Beweis.

    Innenstadt - 14:45 Uhr

    Semirs Schuhe auf den Fliesen der Treppe hallten durch das Auge des Treppenhauses, als der Polizist in wahnwitziger Geschwindigkeit den Weg nach unten nahm. Am Ausgang des Hauses rannte er fast eine Anwohnerin über den Haufen, schaffte es noch mit einem "Sorry!!" sich zu entschuldigen und kam wieder auf dem Bürgersteig bei seinem Auto an. Er schaute hastig nach rechts und links, bevor er dann durch eine schmale Gasse zwischen den Gebäuden lief um nach einer Feuerleiter Ausschau zu halten, wo der Täter eventuell runterkommen könnte. Dummerweise lief er in die falsche Richtung, denn Ben verfolgte den Zolda in die andere Richtung, dort wo das Haus einseitig angebaut war. Zolda nahm dagegen den regulären Weg des Nachbarsgebäude nach draussen, bis er zur Haustür heraustrat.

    Ein kurzer Blick über den Bürgersteig, und niemand schien auf ihn zu warten. Der Verbrecher atmete kurz durch, lief zu seinem Auto das vor dem eigentlichen Wohnhaus stand, gerade als Semir sich in der Gasse zwischen den Häusern noch einmal umdrehte und zur Straße blickte. "Hey!!", rief er laut und verfiel sofort wieder in einen Sprint. Als das Fahrzeug hastig losfuhr und sich in den fließenden Verkehr einfädelte, war Semirs erster Reflex, selbst zu seinem Auto zu rennen, bis ihm auffiel, dass da jemand fehlte. "Fuck...", entglitt es ihm, denn eigentlich hätte Ben ja direkt hinter dem Verbrecher aus dem Haus kommen müssen.

    Der erfahrene Polizist notierte sich im Kopf das Kennzeichen des Flüchtigen, bevor er wieder den Weg in das mehrstöckige Haus nahm. Während er hastig die Treppen nach oben stieg, wählte er bereits die Nummer der Autobahndienststelle. "Andrea, hier ist Semir. Ich brauche sofort eine Fahndung nach einem weißen A3.", sagte er im Laufen, als er durch die offene Wohnungstür zurück in Zoldas Wohnung kehrte. Andrea schrieb, ohne große Nachfragen, das Kennzeichen auf, um es später zur Fahndung rauszugeben, während ihr Mann sofort auf die offene Terassentür zuhielt. "Scheisse! Und ich brauche nen Krankenwagen, schnell!", war das Nächste, was Andrea hörte, bevor Semir hastig das Gespräch unterbrach und das Handy wegsteckte.

    Sein Partner lag verdreht, halb auf dem Bauch, halb auf der Seite, das Gesicht seitlich auf der kalten, gefliesten Terrasse. Er hatte die Augen geschlossen und vor seiner Nase hatte sich ein kleine Blutlache gebildet, ungefährt so groß wie ein Zwei-Euro-Stück. Seine Wange war geschwollen, seine Lippe aufgeplatzt. "Ben? Kannst du mich hören?", fragte Semir und schüttelte seinen besten Freund, nachdem er erleichtert einen kräftigen Puls am Hals festgestellt hatte. Meine Güte, was hatte sich hier nur wieder abgespielt. Als Semir sich umsah und dabei weiter neben seinem besten Freund kniete, sah er Bluttropfen auf dem Boden, ein paar Schritte neben ihm, sowie einige rote Flecken an der weißen Hauswand. Der Typ musste ziemlich übel mit seinem Partner mitgespielt haben.

    Plötzlich ging ein Zucken durch Bens Körper und ein schmerzverzerrtes Zischen durch seine Zähne. Der Schmerz trat in seine Empfindung zurück, als der kurzfristige Blackout dem Bewusstsein wich. "Kannst du mich verstehen? Ben?", fragte Semir erneut und klatschte mit der flachen Hand sanft an dessen Wange. "Ja... jaaaa.", antwortete Ben mit schmerzverzerrtem Gesicht, schniefte durch die blutige Nase und hustete etwas Blut auf den Boden. Semir packte ihn an der Schulter und half seinem Partner, sich aufzusetzen und sich mit dem Rücken an die Hausfassade anzulehnen. Der kalte Wind zog beiden an den Klamotten. "Scheisse...", murmelte Ben. Sein Gesicht pochte, die Nase war etwas dick und sein Kiefer schmerzte. "Hast du den Typen?" Semir blickte verständnislos.

    "Nein. Als der ohne dich runtergekommen ist, hab ich zuerst nach dir gesehen, ausserdem war ich gerade in der Gasse, als er mit dem Auto abhaute." Als er bemerkte, wie Ben die Augen verdrehte, beschleunigte sich sein Puls. "Dann war das alles umsonst? Darum hättest du doch unten bleiben sollen, um ihn in Empfang zu nehmen." "Ben, bist du noch ganz dicht? Was denn, wenn er dich hier oben angeschossen hätte. Oder abgestochen hätte und du wärst verblutet. Scheiss doch auf den Typen, den kriegen wir über die Fahndung.", schmetterte der erfahrene Polizist seinem sorglosen Partner entgegen.

    Ben's Puls beruhigte sich langsam. Es war eine Mischung aus Adrenalin, was die Schmerzen noch ein wenig dämpfte, sowie Ärger. Ärger über sich selbst, dass er sich wie ein Anfänger von diesem Kerl erst überrumpeln und dann überwältigen ließ. "Ja, schon gut.", murmelte er verkniffen und wischte sich mit dem Jackenärmel das Blut vom Gesicht, was den Schmerz um seine Nase verstärkte. "Jedenfalls können wir jetzt sicher sein, dass dieser Zolda Dreck am Stecken hat. Umsonst haut der ja nicht ab.", sagte Semir und half seinem Partner auf die Beine. Gemeinsam nahmen sie den Weg nach unten, wo gerade ein weiterer Streifenwagen und ein RTW vorfuhr. Ben war etwas wackelig auf den Beinen, sah aber erneut etwas vorwurfsvoll Richtung Semir.

    "Warum hast du nicht gleich nen Rettungshubschrauber bestellt." Semir seufzte: "Ben, es reicht jetzt so langsam. Nur weil ich etwas vorsichtiger bin als sonst, musst du das nicht ausgleichen und den Terminator mimen. Du liegst da oben bewusstlos und blutest, natürlich rufe ich da einen Krankenwagen. Und du fährst jetzt gefälligst mit diesem Krankenwagen ins Krankenhaus und lässt dir deine Birne durchchecken." Der junge Polizist öffnete bereits den Mund um Luft zu holen, doch Semir fiel ihm ins Wort, noch bevor Ben überhaupt beginnen konnte: "Egal, was du sagen willst... nein! Du warst bewusstlos, du lässt dich untersuchen. Das ist eine Anweisung!" Und als die beiden Rettungssanitäter mit ihrem leuchtenden Rucksack Ben zum Krankenwagen führten, rief sein bester Freund noch hinterher: "Gewöhn dich schon mal an diesen Ton.", im Hinblick darauf, dass Semir demnächst die Dienststellenleitung übernahm.

    Semir blieb noch am Krankenwagen, solange man Ben kurz versorgte. Die Lippe wurde desinfiziert, die Blutung der Nase durch dicke Wattepropfen gestoppt, die die unangenehme Eigenschaft hatten, dass man zwingend durch den Mund atmen musste. Der Sanitäter betastete den geschwollenen Nasenrücken, so dass Ben kurz aufheulte: "Aua! Das tut weh! Schon mal was von Gefühl gehört?" Semir schüttelte über seinen bockigen Kollegen den Kopf, konnte sich ein Grinsen aber nicht verkneifen. "Gebrochen scheint sie nicht zu sein, aber stark geprellt. Wir werden den Kopf sowieso röntgen, vielleicht auch ein MRT.", sagte der ältere Sani, der sich von Bens Beschwerden nicht aus der Ruhe bringen ließ. "Und dann werden wir das wieder flicken, was kaputt ist." "Bei Totalschaden, wechselt einfach den ganzen Kürbis aus.", meinte Semir trocken, bevor Ben mit dem Krankenwagen abfuhr.

    Sein Partner begab sich mit mit zwei uniformierten Kollegen zurück in die Wohnung, die man systematisch durchsuchte. Man fand ausser dem üblichen Krimskrams, Verwaltungsunterlagen und etwas Bargeld einige Speichermedien, die Semir für Hartmut mitnahm. Ausserdem fand der erfahrene Polizist ein Notizbuch, das er durchblätterte. Darin waren einige Termine aufgezeichnet, Zahlenkolonen, Euro und Gewichtsangaben. "Sieht wie ein Bestellbüchlein aus, hmm?", fragte er einen der Kollegen, die kurz nickten. Mit den Beweisstücken kehrte Semir zurück zur Dienststelle.

    Innenstadt - 14:30 Uhr

    Nach der fälligen Mittagspause fuhren die beiden befreundeten Polizisten wieder in die Innenstadt. Semir hatte Bens Zugeständnis, zur Befragung von Zolda eine Streife mitzunehmen, nicht mehr erwähnt. Er sah selbst ein, dass er sich ein wenig anstellte, seit er seinen Beschluss gefasst hatte den Tätigkeitsbereich zu wechseln. Ja, er wusste in welche Gefahr er sich tagtäglich begab und seit seinem Entschluss hatte er das Gefühl, dass Glück bis dahin nicht mehr unnötig herausfordern zu müssen. Wie ein Mann, der sein Auto verkauft hatte und es die letzten Tage nicht mehr benutzen wollte, damit es nicht doch noch kaputtging. Wie ein Fussballer, der seinen Rücktritt verkündet hatte und die letzten Spiele mit der Angst bestritt, sich nochmal schwer zu verletzen.

    Doch Semir wusste auch: Je vorsichtiger er war, desto höher war die Gefahr dass etwas passierte. Er gefährdete damit nicht nur sich, sondern auch seinen Partner. Dieses Erfahrung hatte er und Kevin gleichermaßen mit Ben gemacht, als dieser in einer psychischen Angstsituation war, nachdem er angeschossen wurde. Bei einer Schießerei danach merkte man Ben Hemmungen, sich in Gefahr zu begeben, deutlich an. Darunter hatten seine beiden Partner beinahe zu leiden, die sich auf Ben verlassen hatten. Das durfte Semir unter keinen Umständen passierte.

    Jetzt rollte das Auto auf den Seitenstreifen vor einer Altbauwohnung in einem Viertel, wo man das Verbrechen nicht sofort vermuten würde wenn man durch die Straßen lief, wo man aber auch öfters schon wegen nächtlicher Ruhestörung oder häuslicher Gewalt ausrücken musste. "Was ist jetzt mit der Streife?", fragte Ben mit Seitenblick auf seinen Partner, doch der winkte ab. "Dauert jetzt eh zu lange. Lass uns mal klingeln." Ben grinste beim Aussteigen, scheinbar hatte er seinen besten Freund ein wenig bei der Ehre gepackt. Gemeinsam gingen sie auf die Haustür des Mehrfamilienhauses zu, an deren Haustür sechs Klingeln und sechs Briefkästen angebracht waren. Sie lasen den Namen "Vinzenz Zolda" an oberster Stelle und innerlich verdrehte der junge Polizist die Augen. Ganz oben bedeutete: Treppe oder Aufzug.

    Nachdem sie von einer freundlichen Dame, die gerade das Haus verließ, durch die Haustür ins Treppenhaus gelassen wurde, standen sie vor dem Aufzug. Wieder mal meldete sich Bens Platzangst und erneut liess er sich nicht auf seine Konfrontationstherapie ein und wählte die Treppenalternative. Semir folgte ihn, nicht ohne einen Witz: "Ist eh besser für deine Figur." Als sie an der Wohnungstür standen, blickten sich die beiden Polizisten nochmal an. Beide öffneten den Verschluss ihres Holsters, um gewappnet zu sein... schließlich stand Zolda im Verdacht, Drogenkurier zu sein.

    Semir klopfte und sofort rumorte es hinter der Tür. Wieder kurze Verständigung über Blicke. Ein leises Klacken war auf Höhe des Türspions zu hören und beide Polizisten wussten, was gerade hinter der Tür vor sich ging. Semir zog seinen Dienstausweis und hielt ihn direkt an den Spion. "Machen sie auf, Zolda. Wir wissen, dass sie da sind." Ben ging vorsorglich einen Schritt zur Seite, Semir ebenso denn die Holztür würde Kugeln eher nicht aufhalten. Doch auf eine Konfrontation hatte Zolda, der vor einigen Tagen von Frankie gewarnt wurde dass es in ihrer Organisation eine undichte Stelle gab und er die Tour über die Autobahn nicht fahren sollte, keine Lust. Er machte an der Tür kehrt und lief zur Terassentür, die auf die Dachterasse des Hauses führte.

    Das Geräusch von schnellen, sich entfernenden Schritten kannte die beiden Kommissare gut genug. "Haut der ab?", fragte Ben noch sarkastisch und sein bester Freund bestätigte: "Der haut ab!", bevor er die Waffe zog und weder das Schloss, noch die zusätzliche Kette an der Tür seinem Fußtritt etwas entgegen zu setzen hatte. Der Weg war frei, der Flur gut einsehbar bis zum kleinen Wohnzimmer und der offenen Terassentür. "Zolda, bleib stehen!", rief Semir noch, als Ben bereits die Wohnung betrat. "Der will bestimmt irgendwo runterkommen. Ich schneide ihm unten den Weg ab!", rief Semir seinem Partner noch hinterher und nahm den Weg durchs Treppenhaus nach unten.

    Ben sprintete durchs Wohnzimmer, fiel beinahe über eine Sporthantel, die im Weg lag und betrat die Terasse. Sie wurde scheinbar nachträglich seitlich ans Dach angebaut, führte an dem alten Dach vorbei und grenzte dann am Nachbarhaus, dass ähnlich gestaltet war. Abgegrenzt war der nachbarschaftliche Balkon von einer Art Zaun, im gleichen Design wie das Geländer. Diese Absperrung versuchte der bullig gebaute Kerl gerade zu überwinden, als Ben dichter kam. "Komm runter, sonst schieß ich dir in den Hintern!", rief er laut, gerade als Zolda soweit war, sein Bein über die Brüstung zu schwingen um ins Nachbargebäude zu kommen. Er verharrte, sein Gesichtsausdruck war für Ben nicht sichtbar. Langsam, wie in Zeitlupe schien er sich zu besinnen und langsam von der Absperrung herunter zu gleiten.

    "Jetzt schön langsam die Hände hinter den Kopf.", befahl Ben mit seiner ganzen Autorität in der Stimme, während der kühle Wind an seiner Frisur zerrte. In gleicher Geschwindigkeit, wie der Kerl sich von der Zaunabtrennung heruntergleiten ließ, nahm er die Hände nach oben und hinter den Kopf. Ben kam näher an ihn heran, seine Hände befühlten die üblichen Orte wo man eine Waffe verstecken konnte... die Durchsuchung führte er einhändig durch, die Waffe nach wie vor auf den Rücken des Mannes gerichtet. Doch um Handschellen anzulegen, musste er die Waffe kurz senken, und das nutzte Zolda, der einen siebten Sinn zu haben schien, gnadenlos aus.

    Mit der Drehung ließ er seine Hand gegen Bens Kopf krachen, der Polizist wurde gegen die Hauswand geworfen. Zum Glück in diese Richtung, denn der Schwung hätte ausgereicht um Ben über die Brüstung zu befördern, wenn Zolda von der anderen Richtung geschlagen hätte. Der Typ, den Ben festnehmen wollte, drehte sich um und der Polizist hatte sich noch nicht ganz erholt vom dem Schlag, als er bereits die Rechte von Zolda kommen sah. Ein geübter Boxer, der skrupellos zu schlug beförderte Ben zu Boden, die Waffe klackerte über den gefliesten Boden und rutschte unter der Brüstung hindurch um dahinter die Stockwerke herunter auf die Straße zu fallen. Der junge Polizist, aus dessen Nase das Blut schoss, und der sich mit Sternen vor den Augen nicht mehr orientieren konnte, bekam das nicht mehr mit.

    Was er mitbekam war, dass der Kerl ihn am Kragen packte, hochzog, um ihn mit einer weiteren gezielten Schlag endgültig ins Reich der Träume zu befördern. Ben sackte zusammen und blieb bewusstlos, blutend auf der Terrasse liegen, während Zolda nun seinen ursprünglich geplanten Weg über die Brüstung ins nächste Mehrfamilienhaus fortsetzte, um dort über eine offenen Terassentür durch eine Wohnung zu laufen und den regulären Weg nach unten zu nehmen, während Semir an möglichen Feuerleitern oder dem eigentlich Hauseingang auf Zolda und Ben wartete...

    Wenn jemand einen Satz von mir als "Quatsch" betitelt, ohne irgendwas anderes dazu zu schreiben, ist das reine Polemik.

    Nein, es ist die Benennung von Quatsch mit dem richtigen Ausdruck "Quatsch" und entspricht meiner Meinung zu deinem Beiträgen.

    Über die Definition von "Polemik" solltest du nochmal googlen, bevor du dich weiter blamierst mit der Benutzung von Worten, die du nicht kennst.

    Straßen - 13:15 Uhr

    Felix schlug das Herz bis zum Hals, als er die Apotheke und somit Chloes Wohnhaus verließ. Er hatte das Gefühl, er würde unglaublich mies schauspielern, als er mit unwissender Unschuldsmiene wenige Worte mit Chloes Vater wechselte, während er versuchte den anderen beiden Männern nicht in die Augen zu schauen. Er meinte, das auf seiner Stirn geschrieben stand: "Ich habe alles mitbekommen, ihr könnt mich jetzt um die Ecke bringen." Für einen Moment wollte er nur weg, möglichst zur nächsten Bushaltestelle und zurück in die Innenstadt, bevor ihm die beiden finsteren Typen folgten, die sicherlich nichts Gutes im Schilde führten.

    Der Junge war gerade die Treppe herunter im Hausflur, als er die Stimmen hörte. Statt schnurstracks in den Verkaufsraum zu platzen, verlangsamte er seine Schritte und blieb vor der Tür stehen. Er wusste nicht, welcher versteckte Instinkt ihn geritten hatte, die drei Männer zu belauschen... doch er konnte alles verstehen. Von Drogen, von Razzien, von Geld und einem Tresor. Felix' Hände wurden feucht... das waren zwei Dealer, zwei Drogenhändler die ihren Stoff in der Apotheke von Chloes Vater zwischenlagerten. Und niemand sonst schien etwas davon zu wissen. Der Schüler hatte genügend Krimis gesehen und gelesen als dass er wusste, dass solche Geschäfte niemals gut ausgingen und die Familien meist die Leidtragenden waren, wenn die Verbrecher kalte Füße bekamen. Sofort dachte er an Chloe.

    Doch dann bekam Felix selbst kalte Füße, und die Angst setzte sich gegen die Courage durch. Was brachte es, wenn er nun Chloe diese Story erzählte? Sie wäre vermutlich wütend auf ihn, ihren Vater in einem schlechten Licht da stehen zu lassen. Ausserdem kannte das Mädchen Felix kaum, warum sollte sie ihm vertrauen? Und am sichersten wäre es für Chloe eh, wenn sie nichts davon wüsste. Je weniger Wissen, desto besser, entschied sich Felix und sah dann keinen Grund mehr, noch mehr zu erfahren als er sowieso schon hörte. Er platzte in das Gespräch, wurde zum Glück von Chloes Vater nicht noch tiefer gelöchert und verließ mit schnellen Schritten den Verkaufsraum der Apotheke. Seine Schritte waren schnell, denn ein untrügerliches Gefühl ließ ihn seinen Verfolger spüren, obwohl er ihn nicht hören konnte.

    Als er einmal um die Ecke bog und die Straßen an einer Fußgängerampel überquerte, konnte er die Statur und die Jacke von Gregor sofort aus dem Augenwinkel erkennen. "Verflixt, das ist kein Zufall.", dachte er sofort, vermied es aber dennoch instinktiv los zu rennen. Der Typ würde ihn jetzt nicht auf offener Straße kidnappen oder verprügeln... das hätte er in der Apotheke leichter haben können. Nur unmerklich beschleunigte Felix seine Schritte, als die Bushaltestelle näher rückte, und der Bus ihm auch schon entgegenkam.

    Ohne dass Gregor eine Chance gehabt hätte auch noch in den Bus zu steigen, da der Abstand zu groß war, erreichte der junge Mann den Bus und warf dem Fahrer einen ungefähr passenden Betrag auf die Ablage, um bis in die Innenstadt zu kommen. Damit er keine Zeit verlor, murmelte er nur ein "Stimmt so!", hin was seinen knappen Finanzen weh tat. Doch er wollte nur, dass der Busfahrer sich und das Fahrzeug schnell wieder in Bewegung setzte, doch die Angst war umsonst. Gregor blieb bereits stehen, als er sah dass der Junge in den dunklen Klamotten in den Bus einstieg. Er nickte nur, rieb sich die Hände und kehrte auf dem Absatz um, um zur Apotheke zurück zu gehen.

    Als Felix das sah, als der Bus sich in Bewegung setzte, sank er auf seinem Sitz zusammen und atmete hörbar aus. Verdammt, wo war er da jetzt hineingeraten. Eben schwebte er noch auf Wolke 7, der Mittag mit Chloe hatte ihm soviel Spaß gemacht und er hatte ihre Anwesenheit genossen. Jetzt fiel er vom Himmel direkt in die Hölle, er hatte ein Drogengespräch belauscht, was die Dealer vermutlich bemerkt hatten. Für den Moment ließen sie ihn in Ruhe, aber ob das auch in Zukunft so sein mochte? Würden sie ihn in der Stadt erkennen? Sollte er am besten so schnell wie möglich zurück nach Hamburg fahren, und dort bleiben? Nein... sie würden vermutlich Chloe in die Mangel nehmen. Schließlich wussten sie, dass Felix bei ihr war, bevor er in die Apotheke gestolpert kam.

    Seine Gedanken überschlugen sich, als er darüber nachdachte, umzukehren... doch auch hier machte ihm die Angst wieder einen Strich durch die Rechnung, so fuhr er mit düsteren Gedanken zurück in die Innenstadt, wo er am Hauptbahnhof ausstieg und für eine Zeitlang ziellos durch die Fußgängerzone zog. Vor einer Apotheke blieb er stehen und dachte nach... sein Nasenspray war fast aufgebraucht, und dann war er für die Schmerzattacken nicht mehr gerüstet. Das teure Medikament konnte er sich nicht leisten, überhaupt bräuchte er erstmal ein Rezept... ohne jede Krankenversicherung ein aussichtsloses Unterfangen. Er sah zu Boden und ihm war bewusst, dass er bald wieder irgendwo einbrechen musste, um sich mit seinem Schmerzstiller zu versorgen. So leid es ihm auch tat, und so sehr es ihm widerstrebte.

    Der Junge hockte sich auf die Lehne einer Bank in der Fußgängerzone und ließ seine Augen wieder durch die Massen an Leute streifen, die die Kölner Innenstadt säumten. Seine Gedanken teilten sich nun dreifach. Sein Kopf war bei den beiden Typen in der Apotheke und auch ein Teil seiner Augen war dabei, genau diese zwei Gesichter unter den Menschenmassen abzusuchen. Der andere Teil seiner Augen waren natürlich wieder bei seiner Schwester und seinem Vorhaben, sie hier in Köln zu finden. Und sein Herz war dabei gerade voll und ganz bei dem geheimnisvollen Mädchen, das er gestern zum ersten Mal gesehen hatte.

    Der Antwortstil meines Vorredners bleibt wie immer ausbaufähig.

    Viel Text steht nicht für viel Qualität. Du und jeder Politiker bestätigen diese These. Und viel von dem, was du schreibst, ist einfach Quatsch bzw du versuchst deine Meinung als unumstößlichen Fakt zu verkaufen, ohne andere Meinungen zu zu lassen.

    Das hat hier jahrelang hervorragend funktioniert, bevor du kamst.

    Du wirst damit klarkommen müssen, dass nicht jeder von dem neuen "Konzept" oder den letzten drei Jahren Cobra 11 glücklich ist. Und dass manche der Meinung sind, dass ein guter Zeitpunkt für ein Ende längst überschritten ist. Deine Reaktion darauf ist, diesen Leuten das "Fansein" abzusprechen. Dümmer und anmaßender gehts nicht und damit hast du dich als ernstzunehmender Diskussionspartner für mich längst disqualifiziert, was nicht heißt, dass ich deinen Quatsch hier unkommentiert stehen lasse.