Besser wie es kommen wird!
Aber mit Abstand! Selbst eine, an den Haaren herbeigezogenen Wiederauferstehung eines Toten wäre besser.
Besser wie es kommen wird!
Aber mit Abstand! Selbst eine, an den Haaren herbeigezogenen Wiederauferstehung eines Toten wäre besser.
RTL und gerade AC und Erdogan traue ich aber zu 100 % zu, dass sie es zu einem runden Ende bringen werden, wann, wie und von wem auch immer ausgehend.
Nach Folgen wie das DDR-Desaster oder dem FKK-Schrott, den Erdogan abgenickt und mitgespielt hat, traue ich gerade ihm zu, dass er die Kuh Cobra 11 zusammen mit RTL melken wird, solange man noch Kohle abgreifen kann. Danach braucht er eh nicht mehr arbeiten.
Wenn ihm seine Reputation als Schauspieler oder die Cobra als Produkt am Herzen liegen würde, hätte er so einen Schund weder abgenickt noch gespielt.
Ein "rundes Ende" wurde längst verpasst und zwar zu dem Zeitpunkt, als man in der ersten Paul-Staffel langweiligen Brei produziert hat. Da hätte man sagen können "Okay, wir haben alles durch. Solider Actionkrimi mit Steinke, Comedy-Blödelei mit Beck und düsterer Thriller mit Kiefer, wir bringen es geschmeidig zu Ende." Aber RTL winkt mit Euroscheinen, also knabbert Erdogan auch an der Klobürste rum.
So siehts aus.
Und jedem, der der Serie die Einstellung nahelegt oder wünscht, dass sie jetzt mal endlich untergeht, dem spreche ich persönlich jegliches Fan-Sein ab. Der darf sich dann gerne zu Netflix und Co. verpi.....ändern.
Der beste "Fan" einer Sache ist immer der, der bestimmt, wer "Fan" sein darf und ist, und wer nicht.
Es sind Fragen über Fragen und das einzige worüber ich mir mittlerweile nur Gedanken mache ist ob die Cobra das alles überleben wird oder nicht....
Ich mache mir mittlerweile mehr Gedanken drum, ob ich persönlich "will" ob die Cobra das alles überleben soll.
Wohngebiet - 13:00 Uhr
Frankie hatte Kraft, er hatte kriminelles Gespür und er katte eine Skrupellosigkeit, die seinesgleichen suchte. Wenn er etwas nicht hatte, dann war es Geduld. Und so saß er nun in seinem alten, liebgewonnenen Mercedes-Benz aus den 90igern und tippte mit den Fingern aufs Lenkrad. "Mein Gott, wo bleibt der bloß.", knurrte er mit seiner verrauchten Stimme, während sein etwas größer gebauter Freund Gregor neben ihm so ruhig war wie Schneemann in der Antarktis und seelenruhig am Smartphone tippte. "Behalt doch mal die Nerven. Er hat gesagt, dass er gegen 1 Uhr kommt und uns den Stoff gibt. Jetzt lass den mal 5 Minuten später kommen.", sagte er mit seiner sanften Stimme, die überhaupt nicht zu dem Kerl und seinem brutalen Wesen passte.
"Du hast gut reden. Wenn wir den Stoff heute abend nicht haben, kann ich dem albanischen Kunden irgendwelche Märchen erzählen. Und du weißt verdammt nochmal, dass ich kein guter Märchenerzähler bin.", sagte Frankie mit aggressiver Stimme, die sein bester Freund aber ganz gut einschätzen konnte. Gemeinsam beobachteten sie das hübsche Reihenhäuschen, wo im Erdgeschoss die Apotheke lag. Im Arzneitresor lagerten sie Teile ihres Rauschgiftes zwischen. Hubert Kruske wurde von den Verbrechern unter Druck gesetzt und spielte das Spiel seit Jahren mit, gemeinsam mit seiner Frau Beate, die die Apotheke führte.
Wenige Minuten nach 1 Uhr rollte der Mercedes, das neueste Modell, mit Hubert Kruske am Steuer heran und parkte vor der Garage. Er stieg aus und ging durch den Eingang der Apotheke. Johanna, von allen nur Jo genannt, begrüßte den Supermarktkettenbesitzer mit einem freundlichen Nicken. "Frau Staude... wären sie so nett, und würden mir kurz etwas in das Metallgeschäft besorgen gehen. Sie wissen schon, am Ende der Straße. Man kann dort so schlecht parken und mein Rheuma schlägt mal wieder besonders zu heute.", sagte er und gab seiner Verkäuferin einen Zettel mit einigen Werkzeugen. Jo nickte freundlich. "Bleiben sie so lange hier?" "Natürlich. Lassen sie sich ruhig Zeit.", sagte Hubert freundlich und wartete, bis Jo die Apotheke verließ.
Nur wenige Augenblicke kamen Frankie und Gregor herein. Für beide war Jo das Signal zum Aufbruch, und dass die Luft rein war. "Moin Kruske. Wir brauchen die zwei Päkchen Schnee und das Päkchen Smarties. Und zwar schnell, wir sind spät dran." Hubert presste die Lippen zusammen, wie immer wenn die beiden Männer etwas abholten oder lagern wollten. Natürlich passte ihm das hier nicht, es verstieß gegen das Gesetz. Er hatte zwar keine Angst dass seine Apotheke in einem Kölner Vorort mal unter Verdacht geriet, ein Drogenlagerplatz zu sein, aber er wollte sich aus kriminellen Machenschaften fernhalten.
Als Hubert wieder in den Verkaufsraum zurückkam, und die unscheinbaren Päckchen auf den Tresen legte, behielt er die Hand obenauf und schaute die beiden Männer an. "Ich habe von einem Bekannten gehört, dass die Polizei hinter diese neuartige Masche, Drogen in Apothekentresoren zwischen zu lagern, mittlerweile auffällt. Die wollen nun Razzien in Apotheken, wie in Diskos machen.", sagte er mit unheilvoller Stimme und blickte in zwei skeptische Gesichter. Gregor blickte zu seinem besten Freund, der dessen Blick erwiederte. "Aus welcher Zeitschrift hat dein Freund das aufgeschnappt? Wieso sollten die dahinter gekommen sein? Aus welchem Grund?", knallte Frankie sofort die Fragen auf den Tresen und seine Stimme klang aggressiv.
"Keine Ahnung.", schüttelte der ältere Mann den Kopf. "Aber mir wäre es lieber, wenn ihr euch ein neues Gewerbe für euren Handel sucht." Frankie grinste. "Daher weht der Wind. Du willst unseren Stoff nicht mehr beherbergen? Glaubst du...", brach seine Stimme plötzlich ab, als er bereits sich drohend über die Ladentheke beugen wollte um Chloes Vater am Kragen zu packen, als er aus dem Augenwinkel plötzlich den Jungen aus dem Flur, der zum Wohnbereich führte, kommen sah. Alle drei Männer schauten gleichermaßen überrascht auf den schwarzhaarigen Jungen.
"Wo kommst du denn her? Wer bist du?", fragte vor allem zuerst der Vater des jungen Mädchens, während Frank gerade andere Gedanken durch den Kopf schoßen. Wie lange hatte der Junge schon im Flur gestanden, und was hatte er mitbekommen? Sein Blick war stechend, und vor diesem Blick hatte Felix gerade mehr Angst, als vor dem fragenden Blick des Vaters. "Ähm... ich war oben bei... bei Chloe. Wir haben... Hausaufgaben zusammen gemacht." Frank lachte kurz auf und wiederholte "Hausaufgaben gemacht. So haben wir das früher auch immer genannt.", und man konnte ihm seine dreckigen Gedanken quasi ansehen, als er zu Gregor blickte. "Soso...", meinte Hubert mit weiterhin skeptischen Blick, während Felix nickte und durch die Apotheke in Richtung Ausgang lief.
"Ich... ich muss dann jetzt auch gehen.", sagte er kurz angebunden und ging langsam Richtung Ausgang, die Tür mit einem typischen Glockenspiel ins Schloß fallend. "Lässt du uns hier von Kindern ausspionieren? Was ist, wenn der Junge etwas mitbekommen hat, hmm?", fragte Frankie mit aggressiven Ton. "Hey, ich kenn den Jungen nicht? Chloe trifft sich normalerweise nicht mit Jungs...", war die Antwort des Vaters, doch damit gab Frank sich nicht zufrieden. "Geh dem Jungen nach. Schau mal, ob er hier irgendwo in der Nähe in ein Haus geht.", gab er die Order an Gregor, der nickte und die Apotheke verließ.
"Komm schon Frank, lass doch den Jungen zufrieden. Ehrlich, ich kenne ihn nicht." "Komm, komm... verkauf du hier deinen Hustensaft, und lass mich meine Geschäfte erledigen.", sagte er mit seiner rauchig-kratzenden Stimme. "Und solange Gregor unterwegs ist, werde ich hier schön warten.", setzte er noch hinzu und setzte sich mit seinen Päkchen auf eine Sitzgruppe, die dort eher zur Dekoration stand. Nachdem zwei Kunden die Apotheke betraten, sich bedienen ließen und wieder gingen, kam Gregor zurück. "Ist in einen Bus zur Innenstadt gestiegen.", meinte er kurz angebunden, als Frank wieder aufstand. "Naja... dann werden wir ihn in der Stadt ja sicher mal irgendwo sehen. Oder vielleicht auch hier wieder.", sagte er besonders betont, dreht sich zu Hubert und nahm die Päckchen wieder.
"Es wäre mir sehr gelegen, wenn du deine Tochter mal fragst, was das für ein Junge war. Am besten mit Name, alles klar?" Hubert hatte vor den beiden Dealern viel zu viel Angst, als dass er ihnen widersprach, vor allem, als Frank noch die Drohung aussprach, ansonsten selbst seine Tochter auszufragen. Als die beiden Männer endlich weg waren, verfluchte er denn Tag, als die Angst über die Vernunft siegte, und er lieber die Päckchen versteckte, als sofort die Polizei zu rufen...
Innenstadt - 13:00 Uhr
Erik Peters hatten die beiden Autobahnpolizisten in ihrem Leben bereits zweimal verhört, als er, der Nachtclubbesitzer und Vater von Kevin in einem Erpressungsfall verwickelt war, der eigentlich darauf abzielte, Kevin unter Druck zu setzen. Doch die Rechnung hatte der Verbrecher und damalige Nachtclub-Größe ohne den eigensinnigen Polizisten gemacht, der ein ziemlich schlechtes Verhältnis zu seinem Vater hatte und dieses auch knallhart durchzog. Durch diese Einstellung machte er sich nicht erpressbar für Anis, der seinen Drogenchefkoch somit an die Polizei verlor. Anis Racheaktion gegen Kevin war ungemein grausamer - und nun war Kevin tot, erschossen von Anis auf dem Parkplatz der Dienststelle. Anis wurde nur wenige Tage später, grausam ermordet, in seinem Nachtclub gefunden.
Als Semir nun an der Wohnungsklingel läutete, die direkt neben dem Eingang des Nachtklubs war, der um diese Uhrzeit natürlich geschlossen hatte, hatte er ein leicht ungutes Gefühl. Es war das erste Mal, dass sie Kevins Vater sahen, seit der Beerdigung und damals hatte er nichts mit ihnen besprochen. Im Gegenteil... er verweigerte ihnen die Hand, als sie anstandshalber ihr Beileid aussprachen, trotz aller Differenzen zwischen Vater und Sohn. Erik war Kevins Vater, trotz alledem, und er trauerte um sein Kind. Damals hätte Semir gerne gewusst, wie die Beerdigung von Janine abgelaufen war, mit den beiden verfeindeten Männern, die sich gegenseitig die Schuld gaben ...
"Was meinst du, wie er auf uns reagiert?", teilte Semir sein Unbehagen mit seinem Partner, der sich den Kragen der Lederjacke hochschlug um den Hals gegen den Wind zu schützen. Der zuckte nur mit den Schultern und hatte sich aus Peters ablehnendem Verhalten eher weniger gemacht. Er wusste, dass Kevin es ihnen übel genommen hätte, ihm überhaupt die Hand reichen zu wollen. "Keine Ahnung. Interessiert mich irgendwie auch nicht. Kevins schlechtes Verhältnis zu ihm kam nicht von ungefähr." Obwohl Bel sicher Recht hatte, verdrehte Semir ein wenig die Augen. "Sag ihm das bitte nicht so." "Wenn er mich danach fragt, werde ich es ihm exakt so sagen.", gab der junge Polizist provokativ zur Antwort, als sich die Türe nach einer halben Minute endlich öffnete, und beide den Nachtclubbesitzer erkannten.
"Was wollt ihr hier?", blaffte der Mann, der in den letzten Wochen nochmal um Monate gealtert schien. Die tiefen Furchen um den Mund und die Augen hatte er schon damals, jetzt meinte Semir einen leicht grauen Ansatz in den zurückgekämmten braunen Haaren zu erkennen. Ausserdem wirkte Erik mit dem deutlich grauen Drei-Tage-Bart wesentlich älter. "Wir sind dienstlich hier. Ausweise können wir uns wohl sparen. Dürfen wir reinkommen?", gab Ben, nicht wesentlich freundlicher als die Nachfrage, zur Antwort.
Widerwillig trat der Mann, der den Polizisten untypischerweise in Jeans und T-Shirt die Tür geöffnet hatte, zur Seite. Semir und Ben kannten ihn eigentlich nur im Anzug. Sie gingen in die Küche, wo eine offene Zeitung, eine Tasse Kaffee und ein glühender Glimmstengel im Aschenbecher lag, an dem Erik Peters erstmal zog, bevor er den beiden Männern Platz anbot. "Also nochmal: Was wollt ihr?" "Wir interessieren uns für einen ihrer Türsteher. Sein Name ist Vinzenz Zolda, und laut unseren Akten war er gemeldet in ihrem Nachtclub.", sagte Semir, der sich zu Erik an den Tisch gesetzt hatte, während Ben üblicherweise stehen blieb. Erik Peters schüttelte kurz den Kopf. "Und warum geht ihr dann nicht direkt zu ihm, und kommt stattdessen zu mir?" "Arbeitet er nun für sie, oder nicht?"
Der Nachtklub-Besitzer rollte genervt mit den Augen. "Ich kümmere mich nicht um die Security. Kai Henning ist für die Sicherheit in meinem Club zuständig und er hat freie Hand bei der Wahl der Mitarbeiter. Ich vertraue ihm, dass er keine Typen in den Laden bringt, die Ärger machen oder sonst irgendwie zwielicht sind." Ben nickte sarkastisch. "Weil ja auch überhaupt nichts Zwielichtiges in ihrem Club abläuft, nicht wahr?" Ein vernichtender Blick traf den jungen Beamten, damals gab es Gerüchte über Drogengeschäfte in Eriks Laden. Ausserdem verschaffte er einem Verbrecher ein falsches Alibi... und belastete damals den eigenen Sohn.
"Regelt dieser Kai auch die Buchhaltung? Anmeldungen, Versicherungen... alles was Mitarbeitern zu tun hat?", wollte Semir mit strengem Blick wissen... und natürlich tat Kai das nicht. Er suchte die Leute aus, meist Bekannte aus seinem Boxladen, denen er vertraute. Eriks Blick auf Semir war nicht wesentlich freundlicher. "Nein, darum kümmere ich mich." Der erfahrene Polizist zog die Augenbrauen nach oben. "Wenn sie sich also um das Personal in Bürokram-Angelegenheiten selbst kümmern, den Mitarbeiter aber nicht mal am Namen erkennen, muss ich davon ausgehen, dass er weder angemeldet noch versichert ist." Er drehte sich auf dem Stuhl halb zu Ben. "Ben! Ruf die Kollegen von der Wirtschaftskriminalität an." Semirs bester Freund grinste und griff in seine Gesäßtasche, wo sein Handy steckte, als Peters seine Tasse lauter als nötig auf dem Tisch abstellte.
"Was soll der Zirkus?" "Das Gleiche könnte ich sie fragen!", antwortete Semir energisch. "Na schön, ich kenne Vinzenz. Vom Namen. Er ist gemeldet und versichert, also macht kein Fass auf." "Was ist er für ein Typ?", wollte Semir wissen und hörte aufmerksam zu. "Er fällt nicht auf. Das sind alles Jungs, die in Ordnung sind, Kai hat für sie einen Blick. Er macht keinen Ärger und tut seinen Job." "Hatte er mal etwas von Geldproblemen erwähnt?" Erik Peters zog die Augenbrauen hoch, was die Furchen in seiner Stirn nur vertiefte. "Wie kommt ihr darauf? Was ist mit ihm?"
Semir blickte kurz prüfend zu Ben... eine stumme Kommunikation zwischen den beiden Kollegen. Erik Peters mochte ein Kotzbrocken sein, ein schlechter Vater und unangenehmer Gesprächspartner... doch bisher konnten sie nicht ausmachen, dass besondere kriminelle Energie in ihm steckte. Er war vor allem bedacht, Umsatz in seinem Laden zu machen... legal. Die Tatsache, dass Vinzenz tatsächlich für ihn angestellt war, und das auch in den Akten stand, bestätigte das. Ben nickte und Semir drehte sich wieder zu Papa Peters. "Wir vermuten, dass er in Drogengeschäfte verstrickt ist." "Wenn das stimmt, fliegt er bei mir sofort raus.", reagierte der Mann sofort. "Ja ja... wir haben die Gerüchte über den Laden nicht vergessen.", meinte Ben nur sarkastisch und Erik Peters reagierte unter der Gürtellinie: "Und ich habe nicht vergessen, dass mein Sohn auf eurem verdammten Parkplatz in eurem verdammten Job gestorben ist."
Ben hatte sich eigentlich schon umgedreht, doch der gefallene Satz ließ ihn auf der Stelle umkehren und eine drohende Haltung einnehmen. "Erschossen von einem Mann, der ihn erpresste... weil sie zu feige waren, zur Polizei zu gehen.", sagte seine Stimme laut. Semir bemerkte Bens Stimmungswechsel von "provokant" zu "drohend" und stand rasch auf. Eine beruhigende Hand auf Bens Schulter stoppte dessen kurzzeitige Erruption. "Also... ist vor kurzem mit Vinzenz etwas vorgefallen?" Man sah, dass es in Erik Peters Kopf arbeitete, bis er schließlich nickte. "Er hatte nach einem Vorschuss gefragt. Den konnte ich ihm aber im Moment nicht geben. Sonst war nichts." Semir nickte und ohne Dank oder Verabschiedung verließen beide Polizisten das Haus.
Vorsicht: Das neueste Kapitel ist zu groß für einen Beitrag, also habe ich zwei daraus gemacht.
Felix gab ihr in diesem Moment keine Antwort, denn er betrachtete das Bild seiner Schwester. Ihr makelloses Gesicht, die naturschwarzen Haare, die etwas scheu wirkenden Augen und ein fröhliches Lächeln. Einige der Strähnen hingen ihr im Gesicht und das Foto war ein wenig verwackelt, als wurde es auf die Schnelle geschossen. Es war sicher nicht ausdrücklich für Felixs Mutter gemacht worden, sondern entstand zufällig. "Felix?", fragte Chloe und stupste den Jungen ein wenig an, als sie merkte dass er in das Bild versunken war. "Ich frage mich ganz oft, was sie für ein Mensch ist... also... von ihrem Charakter her? Und projeziere das dann auf meine Mutter... wie sie war in ihrer Jugend.", sagte er nachdenklich und blickte ein wenig traurig. Die Hoffnung, durch das Klassenfoto schnell zum Erfolg zu kommen, war ein wenig gedämpft. "Warum stellst du es dir nicht einfach vor?", fragte Chloe und erntete einen fragenden Blick des Jungen. "Schau dir das Foto an. Eine Minute, ganz intensiv. Und dann schließt du die Augen und stellst dir deine Schwester vor, wenn sie vor dir stehen würde. Wie sie wäre. Fotos sind wie Brücken unserer Vorstellungskraft." Der Junge musste lächeln, Chloe steckte ihn einfach an damit. "Und das funktioniert?" "Wenn du genügend Fantasie hast ... ausserdem muss es ja nicht stimmen. Aber es befriedigt dein Verlangen es zu wissen." Sein Blick war scheinbar immer noch skeptisch und das junge Mädchen lachte kurz. Sie drehte sich nun im Ganzen zu ihm, fasste ihn an die Knie um auch ihn zu sich zu drehen, damit sie beide im Schneidersitz einandner gegenüber saßen. "Ich mache das jetzt mit dir.", sagte sie und blickte den Jungen direkt in die Augen. "Du musst ganz still sitzen bleiben. Wie auf einem Foto."
Felix war es unangenehm, er mochte es nicht, angestarrt zu werden. Trotzdem hielt er dem Blick aus ihren hübschen dunkelblauen Augen, die wie zwei tiefe Seen wirkten, stand. Sie studierten einander, Felix blickte auf ihr Piercing in der Nase, ihre dünnen Lippen und all das, was dieses Gesicht unperfekt und trotzdem hübsch machte, sie blickte auf die Haarsträhne, die ihm über dem Auge mit dem Augenbrauen-Piercing hing, seine blaugrauen Augen und den etwas traurigen Ausdruck darin. Ein Ausdruck, der täuschte... denn Felix fühlte sich, obwohl er beobachtet wurde, wohl. Beide merkten nicht, dass Chloe für die Beobachtung die Minute längst überschritten hatte, als sie dann endlich die Augen schloß und ernst dreinblickte. Mit klopfenden Herzen beobachtete der Junge die Gesichtszüge von Chloe, die sich mit den Händen im Schneidersitz an ihren Füßen festhielt und leicht wippte.
Es dauerte einige Momente, bis sich die ersten emotionalen Reaktionen zeigten - es war ein verhaltenes Lächeln, das breiter wurde. Es war, als würde sich ein innerer Film vor Chloes Augen abspielen mit Felix als Hauptrolle, die sie sich in der Fantasie erdachte. Eine Mischung aus dem erzähltem Wissen über seine Vergangenheit, seinem Aussehen und seiner Ausstrahlung. Nach einigen Momenten verschwand das Lachen und Chloe biss sich auf die Lippen, auf der sie kurz kaute, bevor sie die Augen wieder öffnete. Sie blickte in erwartungsvolle Augen, denn natürlich hoffte Felix, dass sie erzählen würde, was sie sich vorgestellt hatte... und was davon stimmte. Doch das Einzige, was Chloe mit einem Lächeln sagte war: "Ich bin echt froh, dass du hier bist..."
Wohngebiet - 11:35 Uhr
Dort, wo Chloe und Felix aus dem Bus ausstiegen, war es eine Gegend, von der der Junge als Kind immer geträumte hatte. Statt im Plattenbau in der Innenstadt zu wohnen, wo man selbst im fortgeschrittenen Kindesalter wenig Freiheiten genoß, weil unzählige Gefahren auf einen lauerten, so genoß man hier den kindlichen Freigeist. Der kleine Kölner Vorort strahlte ein Idylle aus, trotz des stürmisch kalten Wetters, dass die beiden Jugendlichen an der Bushaltestelle begrüßte. Die Häuser waren überwiegend alte Stadtvillen oder Bauernhäuser, in der ruhigen Nebenstraße paralell der Hauptstraße, drängten sich in den Erdgeschossen einige Geschäfte aneinander, die den Supermarkt ortsausgangs überflüssig machten. Metzgerei, Bäckerei, Florist, ein Elektroladen, und die jeweils die Wohnungen der Besitzer in den Obergeschossen. Der angrenzende Wald mit Forstwegen und Pferdekoppeln war im Sommer bestimmt wunderschön zum Toben für die Jüngeren, und zum Abenteuer erleben für die älteren Jugendlichen. Etwas, was Felix nie erlebt hat, weil er sich früh seiner Verantwortung gegenüber seiner Mutter bewusst wurde.
Jetzt aber war er hier, und er ging neben diesem eigenartigen Mädchen her, das er heute morgen im Gymnasium kennen gelernt hatte. Es schien, als würden sie sich, obwohl sie nicht viel miteinander gesprochen haben, blind verstehen. Doch ein wenig skeptisch war Felix dennoch, denn das Mädchen war undurchschaubar. Sie machte scheinbar für ihn stets einen äußerlich anderen Eindruck, als es der Wahrheit entsprach. Als er dachte, sie zeige wenig Interesse für seine Geschichte im Bezug auf seine Schwester, überraschte sie ihn mit einer spontanen Durchsuchungsaktion im Sekräteriat um dort Klassenfotos mitgehen zu lassen - und das mit äusserstem Körpereinsatz.
"Tut es weh?", fragte der Junge mit mitfühlender Stimme, denn es war ihm nicht unbemerkt geblieben, dass Chloe immer mal wieder sich an dem Verband zu schaffen machte, während sie im Bus saßen. Sie schüttelte aber nur den Kopf. Im Bus hatten sie fast gar nicht geredet, sie saßen nebeneinander und Chloe bot dem Jungen wortlos einen ihrer InEars an, denn er dankend annahm. Er war über die Musikauswahl nicht überrascht hinsichtlich ihres Auftretens und Stylings - sofort fühlte er sich bei den Klängen zu Ska-Punk und Gothic Metal wohl. Als er während der Fahrt immer mal wieder andere Mitfahrer beobachtete, stellte er fest wie das Mädchen neben ihm fast durchgängig aus dem Fenster blickte, und sich nicht rührte. Zu gerne hätte er ihre Gedanken gelesen. Sie wiederum war immer noch positiv ergriffen davon, dass Felix die Geduld aufbrachte, zu warten bis sie zurückkam, bevor er die Bilder ansah.
Die beiden Jugendlichen steuerten nun direkt auf die Apotheke im Ort zu, und der Junge dachte sich sofort, dass Chloe hier wohnte. Aber hatte sie nicht gesagt, ihrem Vater gehört die Supermarktkette? Als Felix selbst noch zur Schule ging, hatte er eine zeitlang immer versucht zu erraten, in welchen Kreisen Mitschüler familiär verkehrten und er bediente sich oft den Klischees. Die aufgetakelten Hühner waren reiche Töchter, die Alternative-Mädels konnten in jede Schublade passen. Dann gab es natürlich auch die Art von Mitschülerin, die die Mobberschiene in Sachen Gewalt fuhren, die eigentlich typisch für Jungs waren. Und die Mauerblümchen. Schnell fand Felix heraus, dass er oftmals daneben lag.
Chloe wollte er überhaupt nicht in ein Klischee pressen. Dass sie wohl aus gutem Hause kam, konnte er sich denken als er hörte, dass ihrem Vater die Supermarktkette gehörte, in der er gestern mittag einen Ladendiebstahl beging. Das Haus und die Wohngegend sprachen nicht unbedingt dafür, sie war zwar gehoben aber nicht luxuriös. "Meine Mutter führt diese Apotheke. Es war ihr Jugendtraum und vor einigen Jahren, als man auf mich nicht mehr ... aufpassen ... musste, hat Papa ihr zuliebe dieses Haus und die Apotheke gekauft.", erklärte Chloe, als sie die Tür aufdrückten und ein Klingeln erklang - das Zeichen dafür, dass Kundschaft den Laden betreten hatte. Eine Frau Ende Dreißíg, im Wollkleid und einer modisch ausgeflippten Haarpracht kam aus den hinteren Räumen an den Tresen. "Ach, du bist's Chloe. Deine Mutter ist noch unterwegs.", sagte sie ungefragt, als sie das bekannte Gesicht sah. Felix traf ein neugieriger Blick.
Doch noch bevor die Angestellte ihrer Neugier Worte verlieh, kam die Schwarzhaarige ihr zuvor: "Das ist Felix, ein Schulfreund. Wir machen zusammen Hausaufgaben." Die Dame hinter dem Tresen schien über beide Ohren zu grinsen, als sie sich daran erinnerte, dass sich die Zeiten scheinbar nicht geändert hatten... auch vor 15 Jahren brachte man die Schulfreunde für "Hausaufgaben" mit nach Hause. Es hätte noch gefehlt, dass Chloe verlangte, nicht gestört zu werden. "Alles klar.", flötete sie unschuldig und Chloe verdrehte grinsend die Augen. "Du bist doof, Jo!", meinte sie und zog den, etwas verduzten Felix mit sich durch die Tür, die Geschäft und Wohnung verband.
Beide gingen ins Obergeschoss und der Junge merkte, dass sich Chloes Vater den Luxus zumindest nach innen mitbrachte. Das Haus war scheinbar aufwendig renoviert worden und machte von innen den Eindruck einer kleinen, modernen Stadtvilla. Helle, freundliche Farben, moderne Ausstattung und teures Material an Türen und Böden. Felix schaute interessiert, doch Chloe war es wohl peinlich, denn sie verzichtete auf eine Hausbesichtigung und zog ihn direkt in ihr Refugiuum. Ein typisches Jugendzimmer, einige Bandposter blickten durch den Raum und Chloe schien nicht die ordentlichste zu sein. Das Bett war nicht gemacht, es lagen einige Kleidungsstücke herum und auf dem Schreibtisch, wo ihr Laptop stand, hätte Felix erst eine Einweisung gebraucht. An eine Wand neben dem Fenster hatte sie einen faustgroßen schwarzen Punkt mit Edding gemalt und daneben "Hole in another world" geschrieben. An ihrem Spiegel hingen einige Nietenarmbänder und eine Halskette aus Rasierklingen.
Mit einigen schnellen Griffen hatte sie das Bett freigeräumt und sich darauf im Schneidersitz niedergelassen. "Na komm... raus mit den Fotos!", sagte sie eifrig und lächelnd. "Soll ich nicht die Schuhe..." "Ach was!", wiegelte sie Felixs Höflichkeit sofort ab. Er tat wie geheißen und hielt einen unbewussten Abstand zu dem Mädchen ein. "Willst du, dass ich mich nur mit einem Megaphon mit dir unterhalten kann? Komm her, ich beiße doch nicht!" Doch Felix war ihre Reaktion, als er sie an der Hand berührte, noch bewusst. Aber vielleicht war es doch der Schmerz gewesen, der ihre Hand wegzucken ließ.
Auf Geheiß rückte er, ebenfalls im Schneidersitz an Chloe heran, öffnete den Rucksack und nahm die Klassenfotos heraus. Daneben lag er das Bild seiner Schwester. Jede Klassenstufe hatte vier Klassen, also waren es insgesamt zwölf Klassen, die die beiden Jugendlichen betrachteten mit jeweils ungefähr 25 Schüler und Schülerinnen. Das Verhältnis war jeweils fast ausgeglichen, und so dauerte es etwas, bis sie alle Gesichter genau betrachtet hatten. Bei zwei Mädchen hatte Felix sofort Herzklopfen, denn sie ähnelten seiner Schwester. Eine der beiden konnten sie durch einige Merkmale dann doch ausschließen, bei der zweiten schwankten sie. "Die Nase passt nicht ganz. Aber ansonsten sieht sie ihr schon sehr ähnlich." Sie war in der 9ten Klasse, was dafür sprach, dass Felixs Referenzbild etwas älter war. Auf der Rückseite standen die Namen der Schüler und Chloe kreiste den betreffenden Namen, Elisa Wilhelm, mit schwarzem Edding ein.
"Ich werde morgen in der Schule mal nachfragen... ja... was soll ich fragen?", sagte Chloe nachdenklich und blickte Felix direkt an. "Naja... ich weiß halt nicht viel. Wenn sie nach einigen Monaten bereits aus Hamburg mit ihrem Vater weggegangen ist und der ihr nie die Wahrheit gesagt hat, weiß sie selbst vermutlich nichts. Und du kannst schlecht fragen, ob ihr Vater ein mieses Dreckschwein ist." Das war die einzige Info, die er von seiner drogenabhängigen Mutter bekam. Er hatte ihr sofort eine Nachricht mit dem Namen geschrieben, vielleicht würde sie sich erinnern. Doch er stellte enttäuscht fest, dass sie nicht mal seine Nachricht von vorgestern gelesen hatte, als er in Köln angekommen war. "Wir bekommen einfach ihre Adresse raus und fragen den Vater selbst.", sagte Chloe selbstbewusst.
Ich fände das gar nicht merkwürdig. Schliesslich ermitteln die Kommissare nicht nur einmal pro Woche, und es wird in einer Folge auch mal Nacht.
Der reale Abstand ist bzgl des Zeitsprungs im Serienuniversum völlig irrelevant.
Und genau da liegt das Problem
Nein, eben nicht. Es ist keine Ursache.
Dienststelle - 11:30 Uhr
Die beiden Kommissare machten sich, nachdem sie zur Dienststelle zurückgekehrt waren, sofort an die Arbeit. Sie nahmen sich die Akte vor, in der der Name des Kurierfahrers, den sie die Tage eigentlich abfangen wollten, vermerkt war. Sein Name war Vinzenz Zolda und Semir rief an ihrer modernen Videowand seine Akte auf. Ein grimmiges Gesicht blickte die beiden Polizisten an, eine markante Narbe über dem Auge und lockige, zu einem Zopf zusammengebundene Haare. Seine Liste an Vorstrafen war beträchtlich. "Eigentumsdelikte, Rauschgift, schwere, sowie gefährliche Körperverletzung.", las Semir vor, während sein Partner neben ihm stand und die Infos selbst sehen und lesen konnte. Neben seiner aktuellen Adresse standen auch Verweise auf seine beruflichen Tätigkeiten.
"Er war zuletzt Türsteher im "Moulin Rouge".", las Ben und seine Stimme klang nachdenklich. "Der Name kommt mir bekannt vor." Semir nickte und er ging zwei Schritte bis zu seinem Arbeitsplatz um die weltweite Internetsuchmaschine anzuwerfen. Mit dem Namen des Clubs bekam er sicherlich auch schnell den Besitzer heraus... schneller als eine Abfrage im Polizeisystem. Ben hörte seinen besten Freund kurz aufseufzen. "Deswegen kommt uns der Name bekannt vor... das ist der Klub von Erik Peters." Ben drehte den Kopf zu Semir. "Kevins Vater."
Kevin hatte bis zum Schluß ein zerstrittenes Verhältnis zu seinem Vater. Er war das Ergebnis eines "Unfalls" zwischen Erik und einer Prostituierten, genauso wie es seine Halbschwester Janine drei Jahre später war. Beide hatten ihre Mütter nie kennengelernt. Während Kevins Mutter nach der Geburt aus dem Krankenhaus floh und spurlos verschwand, wusste Erik Peters zumindest von Janines Mutter, dass sie in Deutschland lebte, und er hatte sporadischen Kontakt. Sporadisch, weil Erik kein Interesse auf ein Wiedersehen hatte. Nachdem Janine umgebracht wurde, brach der Nachtclub-Besitzer den Kontakt unverrichteter Dinge ab und es herrschte somit seit über 11 Jahren Funkstille. Wenn Kevin und sein Vater aufeinandertrafen gab es dagegen regelmäßig schlimmen Streit, weil Kevin ihm nie verziehen hatte, ihn sich selbst in der Kindheit zu überlassen. Ausserdem zahlte Erik Peters eine zeitlang Schutzgeld an einen kriminellen Erpresser, der den Laden als Druckmittel nutzte um Kevin zu erpressen. Dies führte zu dem letzten Streit zwischen Vater und Sohn.
Ben seufzte missmutig. "Auf den habe ich ja Bock wie Zahnweh.", meinte er und erinnerte sich an den unsympathischen Mann, der gegenüber seinem eigenen Sohn dermaßen wenig Empathie und Interesse gezeigt hatte, als der in Schwierigkeiten steckte. Semir konnte seinen Freund verstehen. "Ich auch. Aber das ist trotzdem nicht schlecht. Er kennt uns und wird uns vielleicht ein paar Hinweise mehr geben."
Der kleine Polizist wollte bereits nach dem Telefon greifen um mit dem Einsatzleiter Durchsuchung eine Razzia abzusprechen, doch Ben hielt ihn zurück. "Bis wir einen Termin zu einer Razzia bekommen, das wird wohl ein oder zwei Tage dauern. Was machen wir bis dahin?" "Wir machen unsere normale Arbeit.", sagte der kleine Polizist, der den Hörer bereits in der Hand hielt. "Das dauert doch alles viel zu lange.", beharrte Ben. Er hatte keine Lust zu warten, er hatte keine Lust diese Umwege zu gehen. Meine Güte, wann genau war es, als Semir seinen Mut verlor? Es kam Ben vor, als würde dieser Zustand schon ewig andauern. "Guck mal, wir kennen Erik doch. Wir müssen ja nicht direkt den Typ hier befragen, sondern können mal vorsichtig bei Erik Peters anklopfen. Er hat vielleicht schon ein paar Infos."
Semir spürte wie in ihm schon wieder so etwas wie Unsicherheit wuchs. Am liebsten hätte er sich selbst vor den Kopf geschlagen. Es war nur eine Vernehmung. Eines gewöhnlichen, wenn auch leicht kriminellen Nachtclubbesitzers. Was sollte schon passieren? Langsam senkte sich der Hörer wieder zurück auf die Gabel. "Das war eben aber anders besprochen.", sagte er dennoch tadelnd, auch wenn sein Herz gerade dabei war, den ängstlichen Kopf zu besiegen. Ben grinste schelmisch. "Wann genau hab ich mich schon mal an Abmachungen gehalten?" Seinem Partner war nicht zu grinsen zu Mute.
Ben versuchte sich in Ernsthaftigkeit und setzte sich auf die Tischkante bei Semir. Normalerweise war der erfahrene Polizist es, der den beiden jüngeren Kollegen mit Weisheiten ins Gewissen redete. Diesmal waren die Rollen vertauscht. "Semir, ich habe jetzt nicht gegen deine Idee angekämpft, dass du dich demnächst lieber hinter Aktenbergen verstecken willst, als mit mir die Welt zu retten...", begann er absichtlich ein wenig abwertend gegenüber Semirs zukünftigem Tätigkeitsbereich. "... und ich verstehe auch deine Beweggründe... in gewisser WEise. Aber ich hab wirklich keine Lust darauf, dass du dich verhälst wie ein Beamter, der zwar jeden Monat die Gefahrenzulage kassiert, im Dienst aber darauf achtet sich keinen Fingernagel abzubrechen." Es war Bens Spezialität ernsthafte Dinge irgendwie noch etwas flapsig zu verpacken... und statt dass Semir empört war, musste er kurz grinsen.
"Wer weiß, mit wem ich zukünftig arbeiten muss und erdulden muss mit solchen Ideen. Also ich bitte dich... lass uns ganz normal arbeiten wie früher. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Lass uns jetzt zu Erik Peters fahren, und ihn nach seinem Türsteher befragen. Und danach waren wir zu Zolda selbst und holen noch eine Streife zur Verstärkung mit." Das letzte war ein Zugeständnis zu Semir, denn früher hatten sie sowas nicht gemacht. In Semir arbeitete es... und eigentlich hatte Ben Recht. Er verhielt sich unmöglich mit seiner Vorsicht und sein Partner hatte ihm wirklich keine Szene gemacht, als er von Semirs Plänen erfuhr.
"Wenn du dich erinnerst ist es noch gar nicht solange her, als wir kurz davor waren in den kolumbianischen Dschungel zu fliegen um Kevin zu retten.", erinnerte er seinen älteren Freund. Das Unternehmen wurde abgesagt, weil vor allem Semirs Frau Bedenken hatte. "Es geht zwar jetzt nicht um einen Freund, aber immerhin um den Mord an einem Mann, der vielleicht starb weil er unter anderem uns geholfen hatte." Das saß und drang auch bis zu Semir, der daraufhin nickte. "Du hast Recht.", meinte er ein wenig kleinlaut, stand auf und nahm seine Jacke. "Lass uns zu Peters fahren."
Jede erfolgreiche Streamingserie mit zusammenhängender Story bekommt nur eine Staffel pro Jahr. Von daher mache ich mir keine Sorgen darüber, dass da was in "Vergessenheit" gerät.
Gymnasium - 10:45 Uhr
Felixs Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals. Die Stimmen klangen erwachsen, sie klangen tief und männlich. Er hatte gerade seinen Rucksack am Reissverschluss geschlossen, als er sich panisch umsah... nach einer Möglichkeit, das Weite zu suchen, oder sich zu verstecken. Das Fenster! Er war äusserst geübt im Klettern, er könnte mühelos von einem Zimmer ins andere steigen. Blöd nur, wenn ihn jemand von außen sah. Noch blöder, wenn in dem Zimmer nebenan jemand anderes war. Verdammt. Felix nahm den Rucksack auf den Rücken und ging in die Mitte des Zimmers. "Frau Raliger müsste doch die Unterlagen haben, oder?", hörte er die Stimme, die nun direkt an der Tür zu sein schien. Der Junge biss sich auf die Lippen. Im besten Fall warfen sie ihn einfach nur raus, im schlimmsten Fall sofort die Polizei. Letzteres vor allem, wenn sie merkten, dass er gar nicht von der Schule war.
Der Raum war gut mobiliert, Schreibtisch, mehrere Aktenschränke, ein wenig Deko wie eine Zimmerpflanze. Nichts, wo man sich sicher verstecken konnte. Eine Zwischentür führte ins Rektorzimmer... es war der einzige Ausweg. Entweder war der Rektor da, oder nicht. Wenn nicht hatte Felix Glück, wenn doch brauchte er eine schlagkräftige Ausrede. Und Schlagkräftigkeit war nicht Felixs Sache... weder mit Fäusten, noch mit Worten. Aber es half nichts, er steppte los, riss die Tür zum Rektorzimmer auf und hielt für einen Moment die Luft an.
Im gleichen Moment schwang die Tür zum Sekretariat auf und der Sportlehrer Herr Messing streckte den Kopf herein. Er war äusserlich wohl für jeden Schüler als Sportlehrer zu identifizieren, denn man sah ihn nie in anderen Schuhen ausser Turnschuhen, nie in etwas anderes ausser Shirt und Joggingweste, und würde es der Rektor erlauben, hätte er vermutlich auch seine Jogginghose im Englisch-Unterricht an, was er ebenfalls unterrichtete. Er kam ins Zimmer und merkte sofort, dass Frau Raliger nicht da war. "Hmm, sie ist gar nicht da. Naja, dann müssen wir nachher nochmal...", bevor er unterbrach. "Was ist?", fragte sein Lehrerkollege, der auf dem Flur wartete. "Ich dachte, ich hätte gerade was aus Dr. Kesslers Zimmer gehört... aber der ist doch heute gar nicht da.", sagte Herr Messing und sah auf die geschlossene Tür zum Rektorzimmer.
"Vielleicht ist Frau Raliger da drin?" "Die weiß doch, dass der Doktor es nicht gerne hat, wenn man in seinem Zimmer ist... egal weswegen.", meinte der Sportlehrer und zog genervt die Augenbrauen nach oben, da sein Chef in dieser Angewohnheit manchmal übertreibte. Ihn verägerte es, wenn man ihm in seiner Abwesenheit auch nur einen Brief auf den Schreibtisch legt. "Ich sehe einfach mal kurz nach.", sagte der drahtige, großgewachsene Mann und schritt entschlossen durch das Sekretariat zum Rektorenzimmer.
"Hallo, ist da jemand?", fragte er ins Zimmer hinein, und bekam keine Antwort. Der Platz hinter dem Schreibtisch war leer, die Fenster halb geöffnet und die Gardine bewegte sich im böigen Wind. Neben dem Schreibtisch stand ein schwerer Eichenschrank für die Garderobe von Eltern oder Lehrer, die eine "Audienz" bei dem strengen Rektor hatten. Ausserdem natürlich auch ein massig gefüllter Aktenschrank. "Das Fenster steht auf, vermutlich haben die Gardinen geklappert." Es waren längere Gardinen, die als Gewicht unten eine Metallstange eingelegt hatten, die sich bewegten und gegen den Heizkörper stießen. Vorsorglich, damit keine Unterlagen durch den aufkommenden Herbststurm durch das Zimmer flogen, schloß Herr Messing das Fenster wieder und verließ das Rektorzimmer.
Felix machte sich im Garderobenschrank beinahe in die Hose. Sein Instinkt, nur das Zimmer als Schutz zu nehmen wäre zu wenig, trügte ihn nicht, weswegen er sofort auf den großen Schrank zuhielt, der genug Platz für seinen schmalen und nicht allzu großen Körper hatte. Er hielt die Tür von innen fest, damit sie komplett geschlossen aussah und vermied es, auch nur einen Muskel zu bewegen, als der Mann ins Zimmer kam und nachsah, ob jemand da war. Am liebsten hätte er gewartet, bis das Zittern in seinen Beinen nachließ, aber das würde zu lange dauern... dann wäre Frau Raliger mit der Verarztung von Chloe fertig. Also nahm er die Beine in die Hand, nachdem er vorsichtig durch die Tür lugte und sah, dass der Flur rein ist... und verduftete nach draussen vor den Haupteingang.
Dort setzte sich der Junge auf den gleichen Stein, auf dem er eben bereits auf Chloe wartete. Die Fotos brannten ihm unter den Nägeln in seinem Rucksack, aber er hielt es nur für fair, das seltsame Mädchen an der Suche und dem eventuellen Erfolg teilhaben zu lassen, und so übte er sich in Geduld. Sie würde wohl wissen, dass er hier wartete und nach kurzer Zeit erschien sie mit verbundener Hand am Haupteingang. Er sah sie zum ersten Mal lächeln und sie machte einen Hüpfer von der flachen Stufe. "Und? Hat es geklappt?", fragte sie und sah in ein etwas geschocktes Gesicht seitens Felix. "Was guckst du denn so? Bist du erwischt worden?" "Nein... aber... hätte es nicht gereicht, einen Kreislaufkollaps vorzutäuschen?", fragte er mit Blick auf die verbundene Hand und der Gewissheit, dass das Blut am Boden kein Ketchup war. Doch das Mädchen winkte ab. "Das ist ja langweilig."
Felix wusste nicht, ob er nun noch mehr geschockt sein sollte, oder das cool finden sollte. Vermutlich wollte das Mädchen Zweiteres, denn sie saß sich mit Schwung wieder dicht neben ihn. "Wie hast du das so spontan hinbekommen, dir in die Hand zu schneiden?", fragte er. "Ich hatte ein Prospekt von dem Prospektenständer im Lehrerflur genommen.", sagte sie wie aus der Pistole geschossen. Felix war der Ständer gar nicht aufgefallen, doch er ging aufgeregt rein und kam noch viel aufgeregter wieder raus. Möglich, dass er ihn einfach übersehen hatte.
"Jetzt hör doch endlich auf von meiner Hand zu reden. Haut heilt wieder. Hast du was gefunden?" Der Junge beschloß, seine Sorgen zur Seite zu drängen... waren das schon Sorgen? Innerlich versuchte er seine Gedanken zu sortieren. "Ja, ich hab die Klassenfotos gefunden, aber ich hab keine Kopien gemacht. Also hab ich sie einfach mitgenommen." "Und? Ist deine Schwester auf einem der Bilder?" Felix bildete sich ein, plötzlich ein merkwürdiges Leuchten in Chloes Augen zu sehen. Sie schien tatsächlich interessiert... deswegen auch ihr Einsatz eben. "Ich... ich weiß nicht. Ich hab noch nicht nachgesehen. Dachte, du möchtest dabei sein, wenn wir die Bilder checken."
Nun erntete er einen erstaunten, verwunderten Blick von Chloe. "Du kommst aus Hamburg alleine hier her, um deine Schwester zu suchen... dann hast du möglicherweise Bilder als Hinweis im Rucksack und schaust nicht nach, nur weil du auf mich wartest?", fragte sie mit einer ungläubigen Stimme und noch ungläubigeren Blick. Felix wurde es etwas mulmig... nahm sie es ihm übel? Hatte sie jetzt den Eindruck, dass ihm das Ganze gar nicht so wichtig war, obwohl sie es als wichtig einschätzte? "Naja, du hattest schließlich die Idee... und jetzt den Schaden.", sagte er und strich kurz mit dem Finger über den Verband, allerdings nicht dort, wo der Mullaufdruck den Verband dicker machte, sondern oberhalb. Trotzdem zog Chloe die Hand reflexartig weg, was Felix ein leises "Sorry...", murmeln ließ. Das Mädchen sah ihn für einen Moment stumm an... ohne Verärgerung im Gesicht. "Wenn du so geduldig bist, dann kannst du auch noch warten, bis wir bei mir zuhause sind. Komm, mein Eltern arbeiten beide.", sagte sie und ergriff Felix an der Hand, wie vorhin schon als sie das Schulgebäude betraten.
Nicht wundern: Der Name des Mädchens hat sich von "Lina" auf "Chloe" geändert (im Beitrag vorher zum ersten Mal erwähnt).
10:30 Uhr - Gymnasium
Felix war noch ein wenig durch die nah angrenzende Fußgängerzone gezogen, während die Schüler sich wieder in die Klassenräume verzogen hatten. Als der zweite Zwei-Schulstunden-Block sich dem Ende zuneigte kam er gerade zurück zum Haupteingang und setzte sich dort auf eine der Findlinge, die zur Deko rechts und links des Weges zum Eingang lagen. Als er die Pausenglocke hörte zogen viele ältere Schüler an ihm vorbei zur Raucherecke, die ausserhalb des Geländes lag, einige Jüngere hüpften zur Bushaltestelle oder auf den Parkplatz, wo ihre Eltern warteten und sie abholten. Ein Großteil der Schüler bereitete sich aber auf die nächsten Stunden vor, schnauften mal durch und stellten sich innerhalb des Gebäudes wieder am Verkaufsstand an, um belegte Brötchen oder etwas zu trinken zu kaufen.
Der Junge wusste selbst nicht, warum er der Bitte des Mädchens, das ihren Namen hasste, nachkam und tatsächlich vor dem Haupteingang auf sie wartete. Sie hatte auf das Foto seiner Schwester überhaupt nicht reagiert, auf die Erzählungen höchstens mit einem kurzen Nicken ohne Nachfragen, ohne gezeigtes Interesse. Es war schließlich sein vorrangiges Ziel, seine Schwester zu finden... und was sollte er jetzt hier tun? Schließlich hatte Jakob, der Junge aus dem besetzten Haus, Felix seine Hilfe angeboten bei der Suche.
Doch in dem Jungen drin hatte auch diese kurze Begegnung mit dem jungen Mädchen etwas ausgelöst, von dem er noch nicht wusste, was es war. Natürlich war sie hübsch, und natürlich war Felix längst in einem Alter, in dem er sich auch für Mädchen interessierte, doch er verdrängte diesen Gedanken sofort wieder. Er kam sich schäbig vor gegenüber seiner Halbschwester, obwohl es keine Eile gab sie zu finden. Schließlich ging Felix nicht davon aus, dass sie irgendwie in Gefahr schwebte. Und dennoch saß er nun auf dem Findling und hielt zwischen den Schülern Ausschau, bis er Chloe sah ... und dennoch erstmal nicht reagierte. Chloe kam zielstrebing auf ihn zu, als sie ihn regestrierte und setzte sich zu ihm auf den Stein. "Geschichte nervt mich.", murrte sie nur mit einem Lächeln, beides passte nicht zueinander... wie irgendwie alles an dem Mädchen, ausser ihrem Outfit.
Vermutlich meinte sie die vorangegangene Schulstunde, sie hatte ihren Ordner noch in der Hand, den sie jetzt mit ein paar schnellen Griffen in ihrem Rucksack verschwinden ließ. "Warten wir noch kurz?", fragte sie dann den stummen Jungen, der ihr selbst ebenfalls ein wenig seltsam, aber wahnsinnig interessant vorkam. "Auf was willst du warten? Was hast du überhaupt vor?", fragte Felix, denn bisher wusste er nur, dass er hier auf Chloe warten sollte. Warum, weshalb und wohin sie jetzt gehen würden, wusste er nicht. "Nur bis die Pause um ist, und alle wieder in den Klassenzimmern sind.", war ihre Antwort, als sie sich auf dem Stein mit ihrem Rücken einfach an Felix' Rücken lehnte, da dieser sich mit den Händen abstützte und somit Halt bot.
Die beiden Jugendlichen blieben stumm auf dem Stein sitzen, bis die Pause um war und die älteren Schüler zurück ins Gebäude strömten. Der Wind zerrte sowohl an Felix's Haaren, da er mittlerweile die Kappe nicht mehr an hatte, als auch an Chloes schwarzer Jacke. An ihrem Ohr entdeckte er jetzt einen Ohrring, der vorher unter ihren schwarzen Haaren verborgen lag, es war eine blaue Feder... ein seltener Farbtupfer in ihrem Auftreten. Der Junge betrachtete ihn einen Moment, bis Chloe sein Blick wohl aufzufallen schien, und sie ihren Kopf zu ihm drehte. Wie ein beschämpter Junge, jedoch ohne rot zu werden, wandte der Junge den Blick wieder ab und fuhr sich durch die, nicht zu bändigenden Haare. "Was... was machen wir eigentlich jetzt?", fragte er, als sich das Treiben beruhigte, und die nächste Schulstunde begonnen hatte.
Als wäre es das Kommando für Chloe, stand sie von dem Findling auf und griff Felix Hand. "Komm mit.", sagte sie und zog ihn ein wenig mit sich mit. Die Berührung ihrer kalten Hand fühlte sich ... fremd an. Aber nicht unangenehm, fand Felix, als er dem noch unbekannten Mädchen folgte. Sie zog ihn zurück zum Haupteingang und beide betraten wieder das Schulgebäude. "Hast du was vergessen?", fragte er sie, als sie zielstrebig die Treppenstufen zum ersten Stock hoch ging und seine Frage erstmal ignorierte. Erst als sie im ersten Stock waren, von wo aus der Schulflur und ein weiterer Flur in die andere Richtung abbog, blieb sie stehen.
"Ich dachte, du suchst deine Schwester.", sagte sie und klang beinahe etwas verständnislos, wobei sie ihn auch anblickte. "Ja, natürlich. Aber ... " "Na bitte. Die Schule hat die jährlichen Klassenfotos in einem Ordner, und ich weiß, wo dieser Ordner im Sekreteriat liegt. Und zwar in dem dunkelbraunen Holzschrank, ganz unten. "Klassenfotos" und das aktuelle Schuljahr steht drauf.", erklärte sie. "Ich schätze das deine Schwester vom Alter her etwa zwischen 13 und 15 ist... also holst du die aktuellen Klassenfotos der 7er, 8er und 9er raus, und dann suchen wir dort deine Schwester." Felix blickte das Mädchen an, als hätte sie gerade in ausserirdischer Sprache versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Das scheinbare Desinteresse, das sie eben zeigte, war entweder absichtliche Fassade, oder einfach ihre Art aufmerksam zu zu hören. Gleichzeitig schien sie während den letzten beiden Schulstunden sich genau darüber Gedanken zu machen, wie Felix einen Schritt voran kam. "Aber... die Sekretärin wird mir wohl kaum einfach den Ordner geben." Der Einwand war berechtigt, und doch klang er aus Felix Mund in diesem Moment etwas naiv... So empfand er es zumindest. Und Chloe offenbar auch, denn sie musste kurz auflachen.
"Natürlich nicht. Aber dafür bin ich ja da. Frau Strache ist ganz nett und kümmert sich immer gut um uns." Mit diesen Worten ging Chloe in den Flur und liess Felix etwas verwirrt zurück. Er hörte noch ein: "Du wirst schon hören, wann die Luft rein ist. Jetzt lass dich nicht in diesem Flur blicken." Daraufhin zog Felix sich auf die oberste Treppenstufe des Aufgangs zurück, dort konnte man ihn vom Lehrerflur aus nicht sehen.
Der Junge konnte Chloes Anklopfen nach einigen Sekunden hören und wie die Tür zum Sekretariat aufging. Dann war kurz Stille und Felix lauschte angestrengt. Es dauerte keine halbe Minute bis man die Tür erneut hörte, gefolgt von schnellen Schritten und einer hektischen Stimme einer Frau: "... sich so zu schneiden an einem Blatt Papier. Du lieber Gott! Im Krankenzimmer ist Verbandsze..." und die Schritte verschwanden in einem anderen Zimmer. Felix' Herz schlug bis zum Hals, als er rasch aufstand und mit schnellen aber leisen Schritten den Flur entlang lief, bis er an der Tür mit der Aufschrift "Sekretariat" angekommen war. Beim kurzen Blick zum Boden entgingen ihm die kleinen, dunkelroten Tropfen auf den Fliesen nicht. Was... Hatte Chloe für solche Fälle immer mal rote Farbe dabei? Oder war das eine übriggebliebende Tüte Ketchup vom Mittagessen? Felix entschloss sich, sich darüber Gedanken zu machen, wenn er die Bilder hatte, und trat ins Sekretariat ein.
Chloe hatte Recht, der Schrank stand an Ort und Stelle, wie sie es beschrieben hatte. Der Schlüssel steckte, scheinbar war der Inhalt nicht sonderlich schützenswert. Und auch der Ordner mit der Aufschrift "Klassenfotos" fiel ihm sofort ins Auge, als er den Schrank öffnete. Der Junge hatte das Gefühl, tausend Augen würden ihn beobachten, und eine Hand würde ihn packen, sollte er auch nur einmal atmen. Die Klassenstufen waren mit Trennblättern unterteilt, so dass Felix die betreffenden Klassen schnell fand und die Fotokopien herausnahm. Mit geschickten schnellen Griffen verstaute er sie in seinem Rucksack, ohne sie zu knittern. Er hatte den Ordner gerade wieder in den Schrank gestellt und die Tür geschlossen, als er auf dem Flur Stimmen hörte, die näher kamen.
für mich klingt das nach Großstadtrevier 2.0
Es ähnelt wirklich sehr. Neue Wache, Frau mit an Bord und ,,realitätsnahe Fälle". Klar die Konkurrenz ist härter denn je mit den ganzen Streamingdiensten. Aber das hört sich für mich an als ob man die Action hinter sich lässt und nur die Krimischiene bedient. Dann kann man die Cobra auch gleich einstellen. Neue Drehorte damit lässt man die Autobahn FTL bestimmt auch hinter sich. Action ist in den neuen Folgen bisher ja auch sehr sparsam so gut wie gar nicht vorhanden. Aber für mich ist die Cobra eine Actionserie und keine reine Krimiserie wie jede beliebige Sendung.
Für 2020 blicke ich mit großer Skepsis entgegen...
1. Satz kann ich nicht zustimmen. Bis 2001 ungefähr, oder sagen wir noch bis zum Ende der 1. Kranich-Ära war Cobra 11 noch wesentlich mehr Krimi als Actionserie. Ganz besonders zu den Fux-Zeiten. Und trotzdem gab es immer 1-2-3 Stunts.
Qualität vor Quantität. Mal abwarten.
Zenners Wohnung - 09:30 Uhr
Marcel Zenner wohnte nicht weit weg vom Hafengelände in einer etwas heruntergekommenen Altbauwohnung. Ben musste den Mercedes im Halteverbot auf dem Bordstein parken, Semir legte sicherheitshalber die Kelle aufs Armaturenbrette um Verkehrspolizisten das Schreiben des Knöllchens zu ersparen. Die Altbauhäuser standen in den engen Straßen in Reihe, meistens waren kleine Geschäfte wie Kioske, Gemüselädchen oder Kramsläden im Erdgeschoss untergebracht. Einige Graffitis zierten die Gemäuer und die jweiligen Haustüren wiesen jeweils mindestens acht bis zehn Klingeln und Namensschilder auf. In einer ähnlichen Gegend war Semir als Kind aufgewachsen und zu gut erinnerte er sich an den ein oder anderen Fall, in denen er in diese Welt wieder abtauchen musste. Selbst die Geräusche waren noch gleich, wenn man Leute reden hörte konnte man auch immer ein paar türkische Wortfetzen mitbekommen.
Ben tat es sich leicht und klingelte an mehreren Namensschilder, um erstmal Einlaß in das Haus zu bekommen. "Wir sind von der Polizei, wir wollten nur ins Haus, vielen Dank.", sagte er dann über die Sprechanlage an denjenigen, der am schnellsten den Hörer der Gegensprechanlage abgehoben hatte. Wie immer vermied der junge Polizist den Aufzug. "Die Ergebnisse der Konfrontationstherapie lassen zu wünschen übrig.", bemerkte Semir schnippisch, als sie die Treppe heraufgingen. "Die Ergebnisse deiner Diät auch.", gab Ben dagegen schlagfertig zurück. In der Tat verzichtete Semir seit Wochen auf die morgendlichen Schoko-Croissants.
Im dritten Stock angekommen fanden sie dann die Wohnungstür, an der an einer weiteren Klingel "Marcel Zenner" geschrieben stand. Hinter den schlecht gedämmten anderen Türen konnten sie laufende Fernseher hören, hinter Zenners Tür war es still. "So, dann dreh dich mal um.", sagte Ben, bevor er sich an die Gesäßtasche griff, um sein Feinwerkzeug heraus zu holen. "Wie bitte?" Semirs Gesicht drückte nun ehrliche Verwirrung aus. "Als Chef brauchst du nicht zu wissen, wo ich mir unberechtigten Zutritt verschaffe. Also...", antwortete sein langjähriger Partner und machte mit dem Finger eine "Umdrehen"-Bewegung, bevor er vor der Tür in die Hocke ging. "Ich trete dir gleich wohin, dass du durch die Tür fliegst, dann brauchst du sie nicht mehr zu knacken.", drohte der erfahrene Polizist mit einem Grinsen. Bens Quatsch brachte ihn sofort wieder weg von düsteren oder negativen Gedanken.
Zenners Wohnung war eine typische Junggesellenbude. Schlecht gelüftet, mäßig sauber und etwas Unordnung. Zwar fanden sie kein verschimmeltes Geschirr, aber mit dem Staubwischen oder dem Aufräumen hielt er es nicht so genau. Die Wohnung war einfach eingerichtet, der Wäscheständer stand auf dem Balkon der nach hinten über einen betonierten Hof führte. Ein großer Eichenschrank, Tisch, Fernsehtisch und Sofa waren die Möbel im Wohnzimmer, schräg daneben eine kleine Einbauküche, das Bad und das Schlafzimmer. "Ich guck im Schlafzimmer, du hier.", verteilte Semir die Aufgaben, was Ben mit einem zackigen "Aye aye, Sir" quittierte.
Routiniert nahmen die beiden Kommissare die Suche auf. Es war natürlich schwieriger etwas zu finden, wenn man nicht genau wusste, wonach man suchte. In diesem Fall wollte man irgendwas finden, was bei einen durchschnittlichen Hafenarbeiter nicht in die Wohnung passte. Verdächtige Unterlagen, größere Mengen an Geld, Kontoauszüge. So nahmen sich die beiden Kommissare, in diesem Fall Ben im Wohnzimmer, vor allem Aktenordner zur Brust, von denen es in Zenners Wohnung nicht alzu viele gab. Doch bis auf Versicherungsunterlagen und den Mietvertrag, konnte Ben nur Kontoauszüge finden. Und diese waren von den Geldein- und ausgängen auch völlig unverdächtig. "Unterhaltszahlungen", war das Einzige, was Ben ein wenig interessant fand, denn er wusste nicht dass Zenner Kinder hatte. Es machte seinen Tod ein Stück trauriger.
Als er begann im Schrank nach Verstecken zu suchen, wurde er dagegen fündig. In einem kleinen Plastikbeutel, der unter einem Stapel Bücher versteckt war, fand er etwas weißes Pulver. Entweder war es zum Dealen, oder für den Eigengebrauch gedacht. Gerade, als der junge Polizist es aus seinem Versteck gezogen hat, kam Semir aus dem Schlafzimmer mit einem erwartungsvollen "Und?" heraus. Ben hob wortlos das Päkchen hoch. "Koks?" "Sicher kein Vanillezucker.", meinte Ben und ließ das Päkchen in einen weiteren Plastikbeutel wandern.
Semir war auch fündig geworden. Die Hände mit Gummihandschuhen geschützt, hielt er ein Bündel Scheine hoch. "Das sind knapp 15000 Euro. Die verstaut man normalerweise nicht zuhause.", sagte er und Ben nickte. "Also die typischen Funde eines Drogendealers." "War ja fast zu erwarten. Wenn er sich in den Kreisen bewegt um uns Infos zu zu schieben, wird er ums Dealen nicht herum gekommen sein." Semir nickte. "Dummerweise wissen wir nicht, in welchen Kreisen genau er sich zuletzt bewegt hat. Wir wissen nur von Kurierfahrten, wir haben eine Handvoll Namen, die mit ihm gehandelt haben. Das sind aber die Namen der Gegenpartei. Die wird ihn nicht beseitigen wollen, wenn rauskommt, dass er Infos verrät.", bedachte der erfahrene Kommissar. "Seine Gruppe hat er ja immer geschützt."
Semir betrachtete das Geld und die Drogen in der Plastiktüte, als würde er nachdenken. Doch wo er früher nach dem einfachsten Weg nach Infos suchte, suchte er jetzt nach dem risikolosesten. Ben dagegen dachte wie früher. "Dann treten wir diesen Namen doch trotzdem auf die Füße. Ein Besuch, ein Verhör und ein paar unverfängliche Fragen." "Ben, die "Gegenseite" sind aber allesamt keine kleinen Fische. Da werden wir auf ganz schön viel Gegenwind stoßen." Ben verdrehte die Augen... wie oft stachen sie schon in Wespennester. Ja, da wurde es manchmal etwas gefährlich.
Doch der junge Polizist spürte nun doch die Verunsicherung seines Partners, was dieser eben noch überspielt hatte. "Na gut, Vorschlag. Wir schauen uns die Namen mal genauer an. Zum Beispiel von dem Kurier, den wir eigentlich vorgestern hätten sollen abfangen. Vielleicht ist da ein Club, Diskothek, Bordell oder irgendwas ähnliches dabei. Dort können wir dann eine völlig ungefährliche Razzia initieren. Thomas hilft uns dabei sicherlich." Mit Thomas meinte Ben Thomas Bienert, Leiter des Drogendezernats, den die beiden sehr gut kannten und sich gegenseitig schätzten. Der Idee stimmte Semir nickend zu.