Beiträge von Campino

    Dienststelle - 9:00 Uhr

    Ben schaute Semir beinahe sehnsüchtig hinterher, als dieser das Büro verließ um ihn und Jenny alleine zu lassen. Wenn er gekonnt hätte, wäre er hinterher gelaufen, denn Jenny schien über das Thema sprechen zu wollen, dass ihm in den letzten Tagen wieder vermehrt im Kopf umher ging... ihre gemeinsame Nacht vor einigen Wochen.
    Die junge Polizistin setzte sich auf Semirs Platz und schaute am Computerbildschirm vorbei auf den gegenübersitzenden Ben, der seine Kollegin mit etwas verkniffenem Gesichtsausdruck ansah. "Und?", fragte er erwartungsvoll, obwohl er das Thema der Unterhaltung kannte. Vermutlich wollte sie nun doch darauf drängen, Kevin endlich Bescheid zu sagen, doch dann überraschte sie ihn, mit der direkten Aussage: "Ich habe es Kevin gesagt." In Ben wechselten sich für einen Moment Erleichterung und Schock ab, und er konnte sich nicht für ein Gefühl entscheiden, dass jetzt dominieren sollte. "Was hast du?", fragte er nochmal nach und legte den Kopf ein wenig schief. "Ich sagte, ich habe es Kevin gesagt... unsere Nacht." Sein Herz schlug etwas schneller, und er atmete hörbar aus. Jennys Stimme und ihr Gesichtsausdruck war selbstsicher, und er meinte, er konnte auch bei ihr eine gewisse Erleichterung verspüren, dass sie es geschafft hatte. "Warum... warum hast du mir vorher nicht Bescheid gesagt?" Ein wenig zuckte die junge Frau mit den Schultern. "Es war... gestern spontan. Nicht geplant. Kevin hatte einen Motorradunfall, den ich über Funk mitbekommen habe, und da bin ich hingefahren. Wir haben uns unterhalten... und... dann hab ich es ihm gesagt."

    Ben schreckte bei dem Wort Motorradunfall sofort zusammen, aber da die beiden sich danach unterhalten haben, und Jenny ihm die Nacht mit Ben gebeichtet hatte, schien er ja keinerlei Verletzungen fortgetragen zu haben. "Wie hat er reagiert?", war die Frage, die Ben am meisten auf der Seele brannte. Jenny wog den Kopf hin und her, bevor sie antwortete: "Er hat gemeint, dass ich keinerlei Verpflchtung ihm gegenüber gehabt hätte... dass ich mich dafür also nicht entschuldigen müsste." Bens Stirn zog sich ein wenig in Falten, mit dem Inhalt der Aussage war er zwar zufrieden, aber die Antwort von Jenny kam sehr zögerlich. "Das klang aber nicht überzeugend?", meinte er und beugte sich nach vorne, um sich mit den Ellbogen auf dem Tisch abzustützen. "Ja... also. Irgendwie, hatte ich den Eindruck, dass es ihm doch etwas ausgemacht hat. Aber irgendwie auch nicht... er hat es nicht gezeigt und es war ein sehr schöner Abend noch danach." Sie seufzte auf und sah einen Moment nach rechts aus der großen Fensterfront auf den trüben, immer noch stürmischen Morgen. "Ach, Ben. Dieser Mann ist so schwer zu durchschauen. Für einen Moment denke ich, ich verstehe ihn und begreife ihn... und 5 Minuten später stellt er mich vor unlösbare Rätsel. Ich kann jetzt nicht mit Bestimmtheit sagen, dass es ihm gestern wirklich nichts ausgemacht hat, wie er behauptet." Ben konnte ihr diesen Eindruck sehr gut nachfühlen, und ähnliches hatte Semir schon vor Monaten von Kevin gesagt. "Wem sagst du das.", murmelte er und sah auf seinen Schreibtisch.
    "Ich denke... ich denke, es wäre gut, wenn du auch nochmal mit ihm redest. Oder ihm zumindest irgendetwas sagst dazu.", meinte Jenny vorsichtig und strich sich über die, zu einem Zopf gebundenen Haare. Ben nickte abwesend und blickte Jenny dabei an. "Und ihr hattet noch einen schönen Abend?", fragte er, wie zur Sicherheit oder einer Forderung einer erneuten Bestätigung, was Jenny bejahte. "Und ihr seid jetzt... beide...?", meinte er und machte dabei eine eindeutige Geste mit seinen beiden kleinen Finger, die er ineinander verhakte. Jenny musste lächeln und nickte, wenn auch ein wenig zögerlich. Sie hatten sich gestern abend geküsst, sie haben lange dicht beieinander gesessen und er hatte ihr gesagt, dass er sich verliebt hätte.

    Ben wunderte sich ein wenig, über einen Anflug von Traurigkeit, die ihn befiel, als Jenny seine zweite Frage ebenfalls bejahte, auch wenn er sie anlächelte und meinte, dass dann ja alles in Ordnung wäre. Doch er konnte diesen Gedanken nicht verscheuchen, der sich in seinem Kopf festgeklammert hatte. Er fand die Nacht mit Jenny zusammen sehr schön, und hatte sich eingebildet, dass sie nicht nur aus gegenseitigem Trost entstanden war. Und er hatte die Hoffnung, dass Jenny selbst nicht genau wusste, was sie wollte... und sich vielleicht anders entscheiden würde. Jetzt war er zwar erleichtert, dass sein Freund die gemeinsame Nacht offenbar zumindest akzeptierte... und Ben keine Bedenken haben musste, dass Kevin dadurch eine Art Rückfall erleidet... in was auch immer.
    Jenny lächelte, und tippte zweimal auf den Tisch, als sie sich von Semirs Stuhl erhob. "Na dann...", meinte sie versöhnlich, und auch Ben stand auf um Jenny noch einmal in die Arme zu schließen. Die beiden würden nie mehr einfach normale Kollegen sein wie früher, diese Nacht würde die beiden immer miteinander verbinden. "Danke, dass du damals für mich da warst, trotzdem.", sagte die junge Polizistin, als sie sich aus der Umarmung wieder trennten. "Kein Ding. Ich war ja auch froh drum.", sagte Ben mit seinem typischen Gute-Laune-Lächeln... auch wenn er sein Gefühl nicht betrügen konnte, was in ihm stattfand. Aber er würde sich damit abfinden. Das bevorstehende Gespräch mit Kevin, irgendwann in naher Zukunft, lag ihm allerdings jetzt schon im Magen. "Dann mache ich mich mal wieder an die Arbeit.", meinte die Polizistin und verließ das Büro. Durch die offene Tür konnte er sehen, wie Semir und die Chefin sich mit zwei, wichtig aussehenden Männern in Sakkos angeregt unterhielten. Er zog die Augenbrauen etwas zusammen und gesellte sich zu den Vieren.

    "Auf jeden Fall haben sie in diesem Fall nichts mehr zu schaffen, meine Herren.", sagte der Wortführer der beiden Männer, die scheinbar Polizisten waren. "Sie hätten uns diesen Vorfall sowieso sofort melden müssen." Anna Engelhardt, die Chefin der Autobahndienststelle hob beschwichtigend beide Hände. "Moment mal, meine Herren.", sagte sie in ihrer natürlichen Autorität. "Wenn sie diese Sache so unter Verschluss halten, woher sollen wir dann überhaupt wissen, dass in diesem Fall bereits ermittelt wird? Geschweige denn, dass hier überhaupt ein Verbrechen vorliegt." Den Einwand ließen die LKA-Ermittler Schöneberg und Reuter gar nicht gelten und schüttelten fast synchron die Köpfe. "Ich bitte sie, uns alle nötigen Unterlagen und Ermittlungsakten in diesem Fall vorzulegen." "Es gibt keine Ermittlungsakte. Wir haben einen Zigarettenstummel neben dem Mädchen gefunden, und dort einen vorbestraften Kinderschänder heraus ermittelt, denn wir verhört haben. Davon können wir ihnen gerne das Protokoll geben, und den Urheber gleich mit, der sitzt nämlich in unserer Zelle. Allerdings hat sich der Verdacht nicht bestätigt, der kam nur zufällig vorbei. Den Bericht der Untersuchung im Krankenhaus können sie auch haben.", erklärte Semir.
    Die drei blickten in zwei fassungslose Gesichter. "Wie kommen sie überhaupt dazu, so weit zu ermitteln. Sie sind für die Autobahnen zuständig.", polterte Reuter und wurde von Ben sofort gekontert: "Das Mädchen haben wir nicht neben der Bahnstrecke gefunden." Er wurde mit einem spöttischen Blick bedacht, der aussagen sollte, wieso er sich den einmische. "Das ist mein Partner, Ben Jäger.", stellte Semir ihn noch schnell vor. "Die beiden Herren sind vom LKA Düsseldorf, Fachgebiet Menschenraub." Ben schaute ein wenig verständnislos: "Menschenraub?" Schöneberg seufzte künstlich auf. "Entführungen, lieber Kollege.", belehrte er den jungen Polizisten hochnäsig. Der grinste ironisch: "Danke, Kollege, aber ich weiß was Menschenraub ist. Aber was hat das mit dem Mädchen zu tun?" "Das kann ihnen ihr Kollege erklären. Wir hätten jetzt gerne die Unterlagen, wir haben nämlich auch noch anderes zu tun." Die beiden Autobahnpolizisten bemerkten, dass die Chefin mit ihrer Geduld einen kritischen Punkt erreichte, als sie schnaubte und nur kurz angebunden meinte: "Semir, sie erledigen das mit den Unterlagen. Meine Herren.", um sofort in ihren Büro zu verschwinden.

    Nachdem die widerspenstigen Kollegen des LKA Düsseldorf die benötigten Unterlagen bekamen, übernahmen sie auch sofort den festgenommenen Kinderschäner, um ihn erneut zu verhören. Semir und Ben kehrten in ihr Büro zurück und ließen sich in ihre Stühle fallen. "So, dann erzähl mal was.", forderte ihn Ben sofort auf, denn er brannte vor Neugier. "Also...", begann der erfahrene Polizist seinen Bericht. "Diese Kinder im Koma sind allesamt Entführungsfälle. Alle in kürzester Zeit, zeitweise waren drei Kinder gleichzeitig verschwunden. Insgesamt sind es bis jetzt 7." Ben stand vor Erstaunen der Mund offen. "Wie kommt es, dass wir davon nichts gehört haben?" "Die Eltern sind nicht zur Polizei. Scheinbar wurde gedroht, ein weiteres Kind zu entführen, wenn nach der Geldübergabe das bewusstlose Kind gefunden wurde. Die Kinder werden ins Koma gespritzt. Diese Info darf das Krankenhaus nur an eine Handvoll Ermittler herausgeben. Die haben auch die Polizei beim dritten Kind informiert, das ohne ersichtlichen Grund im Koma liegend ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Allerdings gibt es eine absolute Nachrichtensperre und eben höchste Geheimhaltung.", erklärte er mit sorgenvoller Miene, denn er dachte sofort an seine beiden Töchter.
    "Puh... harter Tobak.", sagte Ben. "Allerdings... die Entführer sind offenbar in der Lage, mit diesem Mittel die Stärke des Komas zu bestimmen. Die Kinder, bei denen das Lösegeld ohne Probleme überbracht wurde, würden sich auf den Weg der Besserung befinden. Zwei Mädchen werden wohl irreperable Schäden behalten, bei denen war die Übergabe zu spät. Und bei einer Entführung ist die Übergabe geplatzt. Das Kind wurde im Koma gefunden und ist mittlerweile der erste und einzige Todesfall." Bedrückende Stille herrschte im Büro der beiden Polizisten, nach diesem Bericht. Jetzt wussten sie, was hinter den Komakindern steckte, und waren doch unfähig etwas zu tun, denn man hatte ihnen den Fall weggenommen, bevor er begann.

    Ja, das wäre ein sehr heftiger Fehler gewesen.

    Man sieht beim Sprung leider nicht, ob Alex da schon eine Waffe in der Hand hält, während des Kampfes sieht man allerdings ebenfalls nicht, dass Hofer seine Waffe aufhebt. Gibt es nicht sogar nochmal eine Einstellung die zeigt, dass die Waffe recht weit von den beiden weg liegt?

    Auf jeden Fall ist das direkt aufgefallen, ohne wirklich aufmerksam zu sein, weil man dachte: "Erst Alex Waffe weg, dann Hoffers Waffe weg... was jetzt... ups, der hat ja noch eine" :D

    Meinte Halter, nicht Halfter... Wurstfinger :D

    Semirs Haus - 05:00 Uhr

    Die Bilder waren klar, und Semir wusste nicht, ob er wachte oder träumte. Alle Geräusche um ihn herum waren real, alle Bilder, die er sah, waren realistisch. Er lief durch sein Haus, sein Heim. Er hörte Ayda und Lilly aus ihrem Kinderzimmer laut rufen. "Papa!! Papaaaa!". Semir schwitzte, sein Herz pochte fest gegen seine Brust. Er kam im Wohnzimmer an, und ihm schien die Orientierung zu fehlen, wo er hinlaufen musste. Die Bilder an der Wand hingen schief, der Fernseher lief und er wunderte sich, dass die Möbel, der Couchtisch und die Couch selbst nicht in der Anordnung standen, wie sie sonst standen. Doch seine Aufmerksamkeit wurde sofort wieder auf seine beiden Töchter gelenkt, die laut um Hilfe schrien. "Papaaaaaa!!" Ein schrilles Kreischen war das von seiner jüngeren Tochter Lilly.
    Wie ein Wahnsinniger raste der erfahrene Polizist die Treppe nach oben ins obere Stockwerk. Das Licht funktionierte nicht, als er auf den Schalter neben der Treppe drückte, und er hörte sein Herz im Takt pumpen. Nur noch wenige Meter waren es, bis er die geschlossene Tür des Kinderzimmers erreichte. Die Klinke an der Tür ließ sich aber nicht nach unten drücken, sie war wie festgenagelt, und die Tür verschlossen. "Papaaaaaaa!!" Obwohl Semir vor der Tür des Kinderzimmer stands hörte er die Stimme seiner Tochter so deutlich, als würde sie ihm direkt ins Ohr hinein schreien. Er sah zur Seite, doch sah nichts, ausser den Fußboden. Er hämmerte wild gegen die Tür und schrie laut: "Lass meine Töchter in Ruhe, du verdammtes Schwein.", ohne zu wissen, was hinter der Tür passierte. Doch die Tür war wie eine Mauer, ein unüberwindbares Hindernis und der Mann geriet regelrecht in Panik, als er sich gegen den Holzrahmen warf, ohne dass dieser einen Centimeter nachgab.

    Ein lautes Poltern ließ ihn aus dem Bett schrecken. Sein Atem war so schnell, wie gerade im Traum und auch der Schweiß auf der hohen Stirn war echt. Doch er stand nicht vor der verschlossenen Tür des Kinderzimmers, sondern er saß aufrecht, halb zugedeckt und durchgeschwitzt in seinem Bett. Andrea lag schlafend neben ihm und hatte ihm den Rücken zugewandt, und die Rolladen des Fensters machten das Poltergeräusch aus, weil sich draussen der erste Herbststurm zu Wort meldete. "Oh Mann...", murmelte er und wischte sich mit der Handfläche über die feuchte Stirn, wobei er sich langsam zurück aufs Kissen gleiten ließ. Die Bilder des Traumes, vor allem dieses erschreckende Gefühl der Hilflosigkeit, ließen ihn nicht mehr einschlafen, das Geräusch des Windes, der draussen an den Bäumen zerrte, tat sein Übriges. Immer wieder hörte er Geräusche, die ihn die Augen sofort wieder öffnen ließen, einmal fiel die Plastikgieskanne auf der Terasse um, einmal schien einer der gelben Säcke vor dem Haus gegen eine Gartenmauer zu prallen. Eigentlich mochte Semir es, wenn es draussen Unwetter gab, und er in seinem warmen Bett den Geräuschen lauschte, doch jetzt waren sie ihm unangenehm, denn er lag, wie unter Spannung in seinem Bett und lauschte nach jedem unnormalen Geräusch.
    Irgendwann hatte er die Nase voll. Er schob die Bettdecke von sich, und verließ das Schlafzimmer. Er tapste mit nackten Füßen durch den Flur, tastete sich nach dem Lichtschalter und verhinderte es gerade noch über den Staubsauger zu stolpern, denn Andrea dort stehen gelassen hatte. Langsam, ohne Lärm zu machen, ging er zuerst nach unten, um überall im Erdgeschoss nach dem Rechten zu sehen. Er prüfte, ob alle Rolläden verschlossen waren und sah auch nach, ob er die Haustür abgesperrt hatte. Danach sah er in jedem Kellerraum nach, doch überall war alles in Ordnung. Nur die Windgeräusche begleiteten ihn in jeden Raum.

    Langsam ging er wieder die Treppe nach oben, und blieb für einen Moment unschlüssig im Flur stehen. Er erinnerte sich an den Traum, erinnerte sich an den Moment, als er vor der Tür bei Aydas Schlafzimmer stand und verzweifelt versuchte, diese zu öffnen als er die Hilfeschreie seiner Tochter hörte. Er spürte ein Kribbeln in den Händen, das ihn sofort veranlassten zu dem Raum zu gehen. Die Tür war nicht verschlossen, sondern einen Spalt offen. Ayda konnte bei komplett geschlossener Tür nicht schlafen, ausserdem hatte sie ihre Rollläden offen, da sie Angst vor den lauten Klappergeräuschen hatte. Andrea hatte sie vorsorglich am Abend oben gelassen, weil in der Nacht ein Herbststurm angekündigt war. Jetzt fiel das Licht der Straßenlaterne auf Aydas friedliches Gesicht, als Semir den Kopf zur Tür hinein steckte.
    Er ging leise und langsam zu Aydas Bett, und betrachtete seine friedlich schlafende Tochter, die auf dem Rücken unter der Decke lag und ihre dunkelbraunes langes Haar weit um den Kopf verteilt hatte. Sie atmete ganz ruhig, und schien, anders als Semir, keine Alpträume zu haben.
    Während er seine älteste Tochter betrachtete, wurden die Ängste um sie und ihre kleine Schwester Lilly wieder real. Und doch versuchte sofort der vernünftige Polizist in Semir, diese Ängste zu unterbinden. Du passt auf sie auf, du kannst sie nicht in einen Schutzpanzer packen, ermahnte er sich selbst. Und doch war die Angst davor, dass seinen beiden Mäusen etwas zu stoßen könnte, allgegenwärtig.

    Nachdem Semir auch bei Lilly kurze Zeit danach nach dem Rechten gesehen hatte, die allerdings ebenfalls friedlich schlief, kroch er wieder zurück ins Bett. Er hatte nur noch eine Stunde, bis der Wecker klingelte, und die verbrachte der Polizist damit, jedem Geräusch ausserhalb seines Hauses zu lauschen. Er stand sogar eine Viertelstunde früher auf als sonst, duschte sich um munter zu werden, zog sich an und überraschte seine Frau später damit, bereits das komplette Frühstück hergerichtet zu haben und die Pausenbrote für die Kinder ebenfalls gemacht zu haben. "Was ist denn mit dir los?", fragte sie, nachdem sie sich den Guten-Morgen-Kuss gegeben hatten. "Haben wir Hochzeitstag?" Die Frage war scherzhaft, denn solche Termine vergaß weder Andrea, noch Semir. Der konnte schon wieder lächeln, und meinte: "Nein, aber ich konnte nicht mehr schlafen."
    Andrea ging nochmal nach oben, um nach Ayda zu sehen und Lilly aufzuwecken. Die älteste Tochter brauchte Andrea fast nicht mehr, um sich schulfertig zu machen und erschien bei ihrem Papa zum Frühstück. "Na, kleine Maus? Hast du dich gefürchtet vor dem Sturm?", fragte Semir lächelnd und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Ayda schüttelte sofort den Kopf. "Aber nein, Papa. Mama hat gestern die Rollläden oben gelassen, und ich hab gar nichts mitbekommen." Der Wind wütete weiterhin noch draussen, und langsam wurde es hell. Wenig später erschien auch Lilly mit Andrea zum Frühstück, und Semir genoß diese Momente des Tages, wenn alle zusammen am Tisch saßen, auch wenn die kleine Lilly aussah, als würde sie jeden Moment wieder einschlafen.

    Semir selbst war auch nicht gerade im fittesten Zustand, als er wenig später in der Dienststelle ankam. Trotzdem war er, wie fast immer, vor seinem Partner Ben da, kochte schon Kaffee vor und war bereits bei der zweiten Tasse, als sein Freund eintrudelte. "Na, du Frühaufsteher?", begrüßte der junge Kollege seinen Partner, als er ins Büro hereinkam, während dieser sich mit: "Morgen, Mittagsschicht.", revanchierte. "Hast du schlecht geschlafen?", fragte Ben der Semir sofort ansah, dass er müde war. "Ein wenig. War laut draussen." "Das kannst du LAUT sagen.", witzelte Ben. "Ich habs heute nacht dreimal krachen hören. Uns hat es in der Nachbarschaft drei Papeln gekostet. Stell dir mal vor, die wäre auf meinen Dienstwagen gefallen." "Das wäre der erste Schaden, an dem du nicht schuld wärst." Semir grinste breit in Bens Richtung, der seinem Partner scherzhaft die Zunge rausstreckte. "Das sagt gerade der Richtige. Wegen dir bekommen wir von BMW doch regelmäßig Fresskörbe geschickt."
    Jenny unterbrach das kleine freundschaftliche Geplänkel, als sie gegen die Glastür klopfte und hereinkam. Sie lächelte... nein, sie strahlte beinahe. So hatten Semir und Ben die junge Kollegin schon länger nicht mehr gesehen, und sie wünschten ihr einen guten Morgen, was sie sofort erwiederte. "Das Krankenhaus hat eben die Ergebnisse der Untersuchung geschickt.", sagte sie und übergab Semir ein Fax. Der überflog es schnell, und wusste nicht ob er erleichtert ob der Nachricht sein sollte, oder sich ärgern sollte weil er Schobler nicht drankriegen könnte. Er entschied sich, zum Wohl der jungen Nele, für Ersteres. "Keinerlei Hinweise auf eine vollzogene Vergewaltigung oder anderswertigen sexuellen Missbrauch. Keine blauen Flecken, keine Blutergüsse... nichts." Dann sah er auf zu seinem Gegenüber. "Scheinbar hat der Kerl die Wahrheit gesagt." "Das heißt, wir müssen ihn laufen lassen?", fragte Ben, der von diesem Gedanken nicht begeistert war. "Sieht wohl so aus."

    Bevor Jenny den Raum verließ, sah sie nochmal Ben an: "Ben... könnten wir uns mal ganz kurz in der Teeküche unterhalten?" Semir richtete seinen Blick sofort auf Ben, denn er konnte sich schon fast denken, um was es ging. "Ich wollte sowieso noch zu Bonrath, bleibt einfach hier.", sagte er sofort und erhob sich von seinem Stuhl, um das Büro zu verlassen.

    Ich glaube, er ist bei der Schiesserei vorher angeschossen worden.

    Aber ist euch aufgefallen, dass es einen Filmfehler bei der letzten Szene zwischen Hofer und Alex gab? Alex springt Hofer an, dabei fliegt eine Waffe weg. Das muss Alex' Waffe gewesen sein, denn Hofer hat seine ja während des Kampfes nochmal in der Hand und bekommt sie dann erst entwendet. Als der Funkspruch kam, dass Jenny gerettet ist, zieht Alex seine Waffe, die er ja vorher verloren hat, aus dem Halfter.

    Man kann nicht sagen, dass Kevin in diesem Falle unehrlich ist. Aus seinem Bauch und seinem Herzen heraus überwiegt nur momentan die Verliebtheit, vor der Enttäuschung und lässt diese Enttäuschung und Bedenken auch nicht an den Vordergrund... und das will er in diesem Moment auch gar nicht, deswegen versucht er die Bedenken zu betäuben. Er versucht zwanghaft, einfach mal glücklich zu sein.

    Jenny's Wohnung - 21:30 Uhr

    Jenny konnte ihr Herz fest gegen ihre Brust schlagen spüren, sie konnte das Blut in ihrem Ohr rauschen hören... beinahe hatte sie das Gefühl, dass ihr Kreislauf abrupt in den Keller fiel. Sie hielt dem Blick von Kevin, aus seinen hellblauen Augen, nur schwer stand, nachdem sie ihm die Nacht mit Ben gebeichtet hatte. Sie hatte ihm unterbewusst klar machen wollen, dass beide in dieser Situation versucht hatten, Trost suchten, eine Schulter zum Anlehnen und sich ausheulen... und dass ganz sicher keine tieferen Gefühle im Spiel waren. Sie sagte es zwar nicht deutlich, aber ihre Worte versuchten, diesen Eindruck zu vermitteln.
    Die junge Polizistin konnte den Blick ihres Gegenübers nicht deuten. Auch seine Stimmlage war merkwürdig... sie war nicht beleidigt oder gekränkt, nicht neutral oder freundlich. Sie war einfach... merkwürdig, als er fragte: "Hast du dich danach besser gefühlt?" Auf eine solche Frage war Jenny nicht im Entferntesten vorbereitet, sie hatte eher mit einem Vorwurf, einem gekränkten Wegdrehen gerechnet, als mit einer Frage, die er auch noch auf solch seltsame Art stellte. "Ich... also ja... nein.", stotterte sie und schüttelte den Kopf. Sie hätte sich selbst Ohrfeigen können. "Ich... ich war dankbar für seinen Trost. Das hat mir wirklich gut getan.", sagte sie, mit etwas sichererer Stimme. "Aber ich hatte sofort ein schlechtes Gewissen... dir gegenüber." Kevin legte den Kopf leicht zur Seite, so dass ihm eine Haarsträhne seiner abstehenden Haare ein wenig in die Stirn fiel. "Schlechtes Gewissen?" Jenny spürte ein Pulsieren in ihrer Brust. "Ja... weil du für mich vorher da warst... und nun im Knast warst... wegen mir. Und ich dachte, dass dieser Abend vorher auch für dich eine... eine Bedeutung hatte." Sie spürte, wie sie in einem Meer voll Stromschnellen versuchte, krampfhaft an der Oberfläche zu bleiben... und scheiterte. "Es hatte sich wie... wie Fremdgehen angefühlt danach."

    Erst jetzt, nach gefühlter Ewigkeit, senkte sich Kevins Blick für einen Moment. Deutlicher hätte Jenny ihm nicht sagen können, dass sie mehr als etwas freundliche Zuneigung, mehr als Freundschaft für ihn empfand. Sie waren damals nicht zusammen, Jenny hatte ihm gegenüber keine Verpflichtung... und doch fühlte sich dieser One-Night-Stand mit Ben so an, wie als würde sie fremdgehen? "Du hast mir gegenüber keine Verpflichtung. Du kannst tun und lassen, was du möchtest.", sagte er und drehte den Kopf wieder gerade. Innerlich kränkte es ihn natürlich, was Jenny getan hatte. Nein, sie waren nicht zusammen, aber ja, auch er hatte aus diesem Abend, als sie da saßen und sich küssten, mehr mitgenommen, als nur diesen freundschaftlichen Kuss. Er fühlte eine innere Verbindung zwischen ihnen, diese Sicherheit, sich ihr gegenüber öffnen zu können. Dass sie dann mit Ben in die Kiste gegangen war, weil er nicht da war... er konnte es in seinem Innersten nicht einfach wegwischen, doch von dieser Kränkung drang nichts an seine äussere Fassade.
    Er spürte, wie Jenny ihre kleinen Händen auf die des jungen Mannes legte, und es ihr plötzlich, nach dem Geständnis nicht alzu schwer fiel Kevin direkt in die Augen zu sehen. "Vielleicht... vielleicht möchte ich diese Verpflichtung ja.", sagte sie leise und ihre grünen Augen bohrten sich tief in Kevins Seele hinein. Er spürte, wie ihre Fingerkuppen über seinen Handrücken strichen, nach oben bis zu seinem Handgelenk. "Ich habe mich dir gegenüber schlecht gefühlt danach. Und ich hatte Angst, es dir zu sagen. Zu dir fühle ich etwas ganz anderes, als zu Ben." Kevin hörte die Worte, er genoß die Worte, und sie durchdrangen seinen Seelenpanzer wie ein heißes Messer durch die Butter. Die Zweifel, die ihn überkamen, wischte er weg. Die Zweifel, wie treu Jenny wirklich war, wenn sie sich zu Kevin hingezogen fühlte, und trotzdem mit Ben ins Bett gegangen war... er drückte sie weg. Er hatte sie auch früher, in früheren Beziehungen weggedrückt, und sie kamen oftmals wie ein brutaler Bumerang zurück.

    Immer noch saßen die beiden jungen Polizisten nebeneinander auf der Couch, sich halb zugewandt, Jennys Beine auf der Couch während Kevin normal da saß. Seine Schmerzen in der Schulter, am Rücken und seine blauen Flecken hatte er komplett vergessen, der Schmerz betäubt von diesem intensiven Gefühl, als er Jenny ansah. Diese Frau, die es schaffte in Windeseile seinen Kokon aus Selbstzweifel, Selbsthass und Selbstmitleid zu durchbrechen, die es schaffte ihm seine Geschichte, die er nie gerne erzählte, zu entlocken. Die es geschafft hatte, ihn aufzubrechen und ihm dadurch die Schulter zu bieten, die er so sehr gebraucht hatte, die Semir und Ben versucht hatte, ihm zu geben. Jenny hatte es geschafft, und sie war nun ehrlich zu ihm. "Auch wenn du mir damals zu nichts verpflichtet warst... danke ich dir, dass du es gesagt hast.", sagte er mit seiner, manchmal monotonen und diesmal sehr leisen Stimmlage, denn er war mit dem Gesicht etwas dichter an Jenny herangerückt. "Denn das Wichtigste für mich, um einem Menschen zu vertrauen... ist Ehrlichkeit." Jenny nickte stumm und war innerlich gottfroh, dass sie den Mut hatte, sich zu überwinden und endlich die Wahrheit zu sagen. Endlich das schlechte Gewissen abschütteln, und noch froher war sie, dass Kevin es ihr scheinbar nicht übel nahm. In Wirklichkeit verbarg er seine Enttäuschung erfolgreich, und sein Kopf wurde gerade sowieso von seinem Herzen, seinem Bauch und seinem Gefühl, wie so oft, ausgeschaltet.
    Jenny spürte, wie ihre Zähne ein wenig auf ihrem Zahnfleisch kauten, bevor sich die Lippen der beiden erneut sanft für einige Sekunden berührte, und die junge Polizistin die Hand des Mannes nun endgültig umschloß. Eine Welle von Glücksgefühlen durchraste ihren Körper, und sie schien auf einmal unendlich glücklich... auch wenn sie wusste, dass sie mit Kevin vielleicht einen Freund hatte, bei dem schwere und schwierige Situationen vorprogrammiert waren... wegen seinem Wesen, wegen seiner Vergangenheit.

    Sie rutschten beim Küssen ein wenig zueinander, Kevin legte seinen Arm um die Schulter von Jenny, und sie berührte ihn mit ihrer Körperhälfte. Als sich ihre Lippen getrennt hatten, flüsterte der junge Mann ihr leise ins Ohr: "Ich glaube, ich hab mich in dich verliebt." Es war die endgültige Bestätigung für das, was zwischen ihnen seit dem Unfall vor einigen Stunden schwelte, was auch schon schwelte, vor Jennys Vergewaltigung. Die junge Polizistin lächelte ihn strahlend an, und beide fielen sich in die Arme. "Ich hatte solche Angst vor deiner Reaktion darauf.", sagte Jenny leise an Kevins Kopf vorbei, als sie gegenseitig ihre Arme und Hände an ihren Rücken spürten. "Wir waren damals nicht zusammen. Und ausserdem...", sagte Kevin, als sie sich wieder ein wenig voneinander trennten. "...war ich damals wirklich nicht da, um dir zu helfen... so wie ich es dir versprochen hatte." Sofort schüttelte die junge Frau den Kopf: "Sag sowas nicht. Du konntest nichts dafür."
    Zufrieden seufzte die junge Frau auf, als sie sich ein wenig an ihrem Freund herunterrutschten ließ, und ihren Kopf an dessen Schulter anlegte. Die Gefühle in dem jungen Mann waren wirksamer als jede Schmerztablette, kein blauer Fleck tat ihm im Moment weh, auch die Schürfwunde überm Auge spürte er nicht. Ein riesen Stein fiel Jenny vom Herzen... ihr Gewissen war rein, und der Mann an ihrer Seite war nicht wutentbrannt aus der Wohnung gestürmt, oder hatte sie mit Ignoranz und Verachtung bestraft... beides hätte sie sich bei Kevin vorstellen können. Auch wenn sie Gefühle für ihn hatte... er blieb auch für die Frau teilweise ein Buch mit sieben Siegeln, und niemals wusste man sicher, wie er auf eine Situation reagieren würde.

    "Wirst du Ben darauf ansprechen?", fragte sie dann nach einer Weile, nachdem die beiden nur da saßen, und ihre Nähe genossen. Eigentlich wollte Kevin ihn gar nicht darauf ansprechen... denn er fragte sich, ob Ben selbst die Courage hatte, es seinem Freund zu sagen. Und vor allem... wie nahm Ben diese Sache? Hatte er das gleiche schlechte Gewissen seinem Kurzzeit-Partner gegenüber wie Jenny? Sah er es in erster Linie so wie Kevin, dass die beiden sich in keiner Beziehung befanden, und es deswegen schon okay so war? Oder war es für ihn einfach eine flotte One-Night-Stand-Nummer? Kevin konnte Ben in dieser Beziehung noch überhaupt nicht einschätzen. Und so drückte er sich ein wenig um eine eindeutige Antwort: "Ich weiß es noch nicht... vielleicht, wenn mal der richtige Zeitpunkt ist.", sagte Kevin ein wenig abwesend.
    Die saßen bestimmt noch eine Stunde zusammen, dicht zusammen auf der Couch, bis Kevin sich verabschiedete. Die beiden küssten sich vor der Wohnungstür noch einmal, und der junge Polizist lehnte Jennys Angebot, bei ihr zu übernachten oder ihn nach Hause zu fahren, dankend ab. Er wollte zu Fuß gehen, denn er wollte seine Gedanken nochmal ordnen... das sagte er Jenny aber nicht. Sein Kopf hatte langsam wieder etwas Kontrolle übernommen, und sendete doch den ein oder anderen warnenden Gedanken an den jungen Polizisten, während dieser durch die Straßen Kölns ging. Doch die wollte der Polizist nicht hören... und er wusste, wie er sie betäuben musste. Gegen 3 Uhr morgens saß er, anders als so mancher Penner mit einem Hut vor sich, aber mit einer halbleeren Flasche Whiskey in der Hand vor einem Geschäft in der Fußgängerzone, die menschenleer war. Die Flasche hatte er neben sich gestellt, seine Knie hatte er angewinkelt und die Ellbogen darauf gestützt, die Hände zusammen zu einer Faust geballt, die er sich gegen den Mund drückte. So saß er da, bis es langsam hell wurde.

    Semirs Haus - 18:30 Uhr

    Semir fühlte sich auf der Heimfahrt innerlich aufgewühlt. Der Tag hatte so ruhig begonnen und sich dann rasant entwickelt. Der Fund des kleinen Mädchens, die unheimliche Situation im Krankenhaus, dann die schnelle Festnahme des Kinderschänders. Mit dieser Art von Verbrecher hatte Semir sonst sehr selten etwas zu tun, und dafür war er dankbar. Dennoch erschrak er vor sich selbst, wie schnell er sich von Vorurteilen gegenüber diesen Menschen blenden ließ. Sie hatten das Krankenhaus angerufen, und darum gebeten, die kleine Nele auf eine eventuelle Vergewaltigung zu untersuchen, auch wenn man nicht jeden Missbrauch nachträglich noch feststellen könne. Ansonsten müsste man den Mann wieder gehen lassen, denn man hatte keinerlei Beweise für ein Verbrechen... nur, dass er eben in der Nähe war und keine Hilfe geleistet hatte. Aber sollte man einen kranken Menschen in dieser Situation anklagen, weil er nicht geholfen hatte, und dabei riskiert hätte, dem Kind noch schlimmeren Schaden anzurichten? Sollten die beiden überhaupt den Mann wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigen?
    Semir war sich darüber nicht schlüssig, als sein BMW über die Schottersteine der Einfahrt rollte und er vor dem Garagentor stehen blieb. Für einige Sekunden blieb er regungslos im Auto sitzen und sah sein Haus durch die Frontscheibe. Am Küchenfenster hatte er bereits Ayda, seine älteste Tochter erkannt, die freudig winkte, dass Papa zu Hause war.

    Beide, Ayda und Lilly fielen ihm sofort um den Hals, und Semir stemmte seine jüngste Tochter in die Luft, gab beiden einen Kuss auf die Wange. "Mama kocht dein Lieblingsessen.", plapperte die Kleine und lief sofort wieder mit ihrer Schwester zurück ins Wohnzimmer, wo die beiden spielten. Der Polizist ging in die Küche zu seiner Frau Andrea, die beiden gaben sich einen Begrüßungskuss. "Du siehst müde aus.", meinte die Sekretärin der Dienststelle und strich ihrem Mann über den Kopf. "Habt ihr noch etwas herausbekommen aus dem Kerl?" Sie hatte noch mitbekommen, dass an dem Fundort des Mädchens eine Kippe mit der DNA eines vorbestraften Kinderschänder gefunden wurde, und die Verhaftung dessen, aber nicht mehr, was die Vernehmung ergeben hatte, denn sie musste Lilly aus dem Kindergarten abholen gehen, und hatte dann auch Feierabend gemacht. Semir schüttelte nur den Kopf. "Er behauptet, dass er zwar da war, das Kind auch gefunden hatte, aber aus Angst vor seinem Trieb, den er gerade therapiert, sofort das Weite gesucht hat." Andrea bekam eine Gänsehaut bei der Vorstellung, was der Kerl angestellt hätte, wenn sein Trieb gegen seine Vernunft gewonnen hätte. "Und ihr glaubt ihm?" Der Kommissar zuckte mit den Schultern: "Er klang recht überzeugend. Aber wir haben veranlasst, dass das Mädchen morgen untersucht wird. Ansonsten müssen wir ihn wohl gehen lassen... oder wegen unterlassener Hilfeleistung anzeigen." "Na, das wäre ja immerhin schon mal etwas.", meinte Andrea und schob die Auflaufform in den Backofen und schaltete ihn ein.
    "Hmm ja...", meinte ihr Mann nachdenklich und sah ihr gedankenverloren zu. "Aber wenn er wirklich kurz davor war, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren... war es dann nicht richtig... und besser für das Kind?" Andrea verstand Semirs Zweifel sofort, sie konnte sie aber nicht teilen. "Semir... er hätte doch anonym anrufen können, und dann weiterlaufen. Aber er hat gar nichts getan. Stell dir mal vor, das Mädchen wäre an irgendetwas gestorben, weil es zu spät Hilfe bekommen hat. Oder es bleiben jetzt bleibende Schäden, weil es so lange da lag." Der Einwand war berechtigt, und der kleine Mann nickte stumm.

    Ohne ein weiteres Wort über die Diskussion zu verlieren, ging der Polizist zum Türrahmen, der das Ess- und Wohnzimmer von der Küche abtrennte. Er blieb darin stehen und beobachtete stumm seine beiden Töchter beim Spielen. Lilly hatte ihre Puppe zwischen die Beine gesetzt und kämmte ihr zärtlich die Haare, während Ayda wiederrum hinter Lilly saß, und ihrer kleinen Schwester die Haare kämmte. Dabei kicherten sie, weil die Zähne des Kamms Lilly am Kopf kitzelten.
    Andrea stellte sich dicht bei ihren Mann, und sah ihm über die Schulter. "Was grübelst du, Schatz?", meinte sie. Semir seufzte leise und sagte mit betretener Stimme: "Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn unseren Kindern sowas zu stoßen würde. Wenn sie plötzlich weg wären... oder in einem Bett liegen würden, ohne uns zu sehen, zu erkennen." Er drehte sich zu Andrea um. "Ich habe heute ein Mädchen im Krankenhaus liegen sehen, und die Eltern daneben am Bett. Ich... ich kann es mir nicht vorstellen, wie schlimm es für uns wäre und trotzdem habe ich mir vorgestellt, wie wir an diesem Bett sitzen würden... um Ayda oder Lilly." Andrea legte Semir eine Hand auf die Schulter und die beiden umarmten sich ein wenig. "Ach Schatz... mach dir doch nicht soviele Gedanken. Du passt auf uns auf, du bist immer für uns da. Unseren Kindern wird so etwas nicht passieren." Andrea's Worte trösteten den Kommissaren, obwohl er als Polizist wusste, wie schnell so etwas trotz allem Schutz doch eben passieren konnte. Die Szene im Krankenhaus hatte ihn beeindruckt, und nachdenklich gemacht. Seine Töchter und seine Frauen waren Semirs höchstes Gut, und er würde alles dafür tun, dieses Gut zu beschützen, das schwor er sich in diesem Moment.


    Jenny's Wohnung - 21:00 Uhr

    Ausser den beiden Küssen war nichts zwischen Kevin und Jenny passiert. Doch die Tatsache, dass Jenny von sich aus auf Kevins fragenden Blick nach dem ersten Kuss, den zweiten Kuss gegeben hatte, hatte ihm stumm verraten, dass zwischen ihnen mehr bestand, als eine freundschaftliche Verbindung. Ihre Stimmung war danach gelöst, sie lächelten sich an, sie redeten wieder frei miteinander, sie lachten. Zu gerne hätte der junge Polizist ihre Beziehung noch klarer zementiert, aber er ließ Jenny Freiraum. Er dachte, dass sie nach der Vergewaltigung vor einigen Wochen jetzt vor allem noch etwas Zeit brauchte um sich wieder intim mit einem Mann einzulassen, und so ließ er die endgültige Antwort noch in der Schwebe. Waren sie nun ein Paar, oder war es für beide nur eine Verliebtheit? Konnte man überhaupt sagen, So ab jetzt sind wir zusammen? Es war nicht mehr wie in der Schule, dass man sich Briefchen schrieb und ankreuzte, und ab da ging man offiziell miteinander.
    Doch Jenny bremste nicht die Vergewaltigung. Nach einigen Gesprächen mit dem Polizeipsychologen hatte sie diese schlimme Erfahrung besser weggesteckt, als viele ihr es zugetraut hatten. Nein, sie wurde gebremst von ihrem schlechten Gewissen, dass sich durch Kevins Offenheit bezüglich seines Vaters, etwas in den Hintergrund gedrängt wurde. Sie versuchte unverkrampft und locker zu sein, was ihr auch gelang, und je mehr sie Kevin lachen sah, desto mehr vergaß sie ihr schlechtes Gefühl. Die beiden ließen sich eine Pizza kommen, aßen zusammen und saßen dann gemeinsam vor Jennys Fernseher. Gerade lief ein Bericht eines Polizisten, der zwei Jahre unschuldig wegen Drogenbesitzes im Knast gesessen hatte, und jetzt wieder freigekommen war. "Du bist nicht der Einzige, den man zu Unrecht eingesperrt hatte.", meinte Jenny etwas keck und hatte sich mit dem Oberkörper ein wenig an Kevin gelehnt und auf der anderen Seite die Beine auf die Couch gelegt. "Zwei Jahre wären aber deutlich ungemütlich gewesen als 5 Tage.", meinte der junge Polizist.

    Ein Thema brannte Jenny allerdings noch auf dem Herzen... ein Satz, den Kevin eben gesagt hatte, nebenbei und kaum beachtenswert. "Kevin... du hast eben gesagt, dass du das Angebot der Chefin wegen mir abgelehnt hättest." Der junge Polizist nickte und sah seine Kollegin, Freundin, er wusste es selbst nicht, dabei an. "Weil du nicht damit zu Recht gekommen warst, dass ich mich etwas... komisch verhalten habe." "Ja." Die junge Polizistin versuchte ein scheues Lächeln. Es gelang nicht. Sie hatte innerlich einen Entschluss gefasst. Sie spürte, dass zwischen ihr und Kevin etwas Besonderes war... mehr als nur Freundschaft. Und sie gestand sich ein, dieses Gefühl auch zu zu lassen. Doch wenn sie wirklich eine Beziehung mit Kevin eingehen wolle, dürfte nichts zwischen ihnen stehen. "Es war nicht nur deine Verhaftung... weswegen ich dir aus dem Weg gegangen bin.", sagte sie und ihr Magen begann, sich zusammen zu ziehen, ein eiskalter Schauer lief ihr den Rücken herab. Sie spürte, wie ihre Hände zitterten, als sie an Kevins Arm herauf und herab strichen. Der bekam selbst jetzt plötzlich, ob Jennys Art und Weise, wie sie mit ihm sprach, ein flaues Gefühl.
    "Ich fand den Abend, als ich bei dir war... sehr schön... damals, bevor diese Vergewaltigung passiert ist. Und ich bin dir unendlich dankbar dafür, dass du danach für mich da warst, bis...", den Rest des Satzes lies sie aus, denn sie wusste wieviele Vorwürfe Kevin sich selbst machte, sie dann allein gelassen zu haben. "Ich weiß zwar, dass wir damals nicht zusammen waren... aber ich will es dir trotzdem sagen, bevor du es von jemand anderen erfährst." Jenny schaffte es nicht, Kevin durchweg anzusehen, der wiederrum versuchte die junge Polizistin mit seinem Blick einzufangen. "Was willst du mir sagen?" Sie holte tief Luft und biss sich dabei auf die Lippen. "Ben hatte sich damals Vorwürfe gemacht... ich habe mir damals Vorwürfe gemacht. Wir haben uns beide gegenseitig ausgeheult... und dabei... dabei..." Jenny stotterte... Sie schaute in die hellblauen Augen ihres Gegenübers und meinte, sie könne ein Strahlen entdecken. "Dabei sind wir zusammen im Bett gelandet. Einmal. Ich... weiß selbst nicht wie das passieren konnte." Sie spürte ihr Herz laut klopfen. Sie spürte das leichte Zucken des Muskels in Kevins Unterarm und sah wie seine Mundwinkel sich langsam senkten. Und sie meinte zu sehen, wie das Strahlen in seinen Augen erstarb.

    Jenny's Wohnung - 17:15 Uhr

    Sie hatten die kleine, aber sehr schön eingerichtete Wohnung von Jenny in der Innenstadt sehr schnell erreicht. Kevin war hier schon mal, sie hatten sich mehrmals schon getroffen und waren sich in Kevins Wohnung schon einmal sehr nahe gekommen. Daran musste Jenny jetzt denken, als sie zusammen die Treppen nach oben schritten, und sie ihm den Vortritt in ihre Wohnung ließ. Zum Glück hatte sie gestern abend noch aufgeräumt, denn nichts könnte für eine Frau peinlicher sein, als eine unaufgeräumte Wohnung. Kevin ging hinein und ließ drinnen sofort seiner Kollegin wieder den Vortritt. Er spürte, dass sie sich anders verhielt, als in den letzten Wochen. Verschwunden war dieser Reserviertheit, verschwunden war dieser zwingende Abstand voreinander. Es schien, als hätte der Unfall, und die kurzzeitige Sorge um ihn etwas in Jenny ausgelöst, was sie wieder an Kevin heranließ. Er beschwerte sich natürlich nicht darüber, so war er es doch, der den Kontakt zu ihr immer wieder gesucht hat, bis er es schließlich enttäuscht aufgegeben hatte.
    "Willst du was trinken? Wasser?", fragte sie von der offenen Küche aus, und der junge Polizist nickte. Er biss vor Schmerzen die Zähne zusammen und kniff kurz die Augen, als er sich auf dem Sofa niederließ und dabei den Rücken krümmte. Jenny bemerkte es und brachte zwei Gläser mit der kristallklaren Flüssigkeit. "Danke.", meinte Kevin mit ruhiger Stimme und versuchte ein Lächeln, was sehr verunglückt ausfiel. Er dachte nicht an sein Motorrad, oder seine Schrammen. Er dachte an seinen Vater, der vermutlich noch mit Kalle verhandelte... und er dachte an Jennys Verhalten vor einigen Wochen, ihre Unsicherheit, und ihre Reserviertheit. Jetzt war sie plötzlich wieder die Frau, die gerade dabei war, wieder Eintritt in seine Seele zu bekommen.

    "Hast du Schmerzen?", fragte sie und konnte seine ablehnende Reaktion beinahe schon vorhersehen. Sie zog eine schnippige Mimik, als wolle sie sagen: "Natürlich hast du keine Schmerzen.", was sie ironisch meinte. "Was tut dir denn weh?" Kevin hätte vermutlich vor niemandem zugegeben, dass er Schmerzen verspürte, ausser bei Jenny. Er war Mensch bei ihr, kein Schauspieler, der eine Rolle spielte. Er war einfach Kevin, mit all seinen Macken und Angewohnheiten. Der Verband um die Hand hatte sich gelockert, und den Namen Jenny sich zuerst an. Sie hatte einen Verbandskasten geholt und etwas Octinisept, um damit die Wunde zu behandeln. Scheinbar hatte sich die junge Sanitäterin doch nicht so viel Mühe gemacht, wie zuerst angenommen. Der junge Polizist hielt seine Hand hin, und betrachtete, wie Jenny den Verband langsam abrollte, und die abgeschürfte Hand zum Vorschein kam. Immer wieder berührte Jennys Hand die von Kevin, manchmal zufällig, manchmal gewollt. Sie sprachen kein Wort, während sie die Hand des Polizisten wieder verband, und ihm dabei sanft über die Finger strich.
    "Wo noch?", fragte sie auffordernd, als sie mit der Hand fertig war. Kevin ergriff das Ende seines Shirts und hob es ein wenig nach oben. Jenny sah sofort einige Kratzer und Hautabschürfungen über seinem Hosenbund, dazu einige großflächige Hautverfärbungen... Blutergüsse. "Oh Mann... warum hast du davon nichts dem Arzt gesagt?", sagte sie mit etwas Schock in der Stimme. "Da hatte es noch nicht weh getan.", meinte der Polizist und sah zu Jenny herüber, die den Kopf etwas zur Seite neigte. "Ach, da hatte es noch nicht weh getan?", wiederholte sie ungläubig, und musste beinahe etwas grinsen. Natürlich wollte sich der Polizist nicht von einem Arzt behandeln lassen, wenn es nicht unbedingt nötig gewesen wäre. "Zieh das Shirt aus.", sagte Jenny und stand von der Couch auf, um ein wenig Desinfektionsspray zu holen, denn einige Fussel des Shirts hatten sich in der offenen Wunde verfangen. Während die junge Frau aus dem Zimmer ging, zog Kevin sich das Shirt über den Oberkörper, was ihm nun doch ein wenig unangenehm war.

    Jenny kam zurück mit einer Flasche klarer Flüssigkeit und einigen sterilen Tüchern. "Dreh dich etwas von mir weg.", meinte sie, als sie sich neben ihn wieder auf die Couch niederließ, und er sich ein wenig von ihr Weg, und ihr somit seinen Rücken zuwandte. Jenny blickte darauf, und verharrte. Ihr Blick versteinerte, ihr Lächeln, was gerade noch auf ihren Lippen lag, verschwand. Es war nicht die Schürfwunde, die sich von seinem unteren Rücken über die Seite bis zu seinen Rippen zog. Es waren auch nicht der große Bluterguss neben der Wirbelsäule, oder die leicht blutende Schürfung an der rechten Schulter.
    Jenny blickte in das Gesicht eines jungen Mädchens, das sie anlächelte, mit ihren wachen blauen Augen, die denen von Kevin so sehr ähnelten, mit dem schwarzen Haar, das ihr leicht ins Gesicht fiel. Jenny blickte in Janines Konterfei, was Kevin sich auf den Rücken hatte tätowieren lassen, sie las das Geburts- und Sterbedatum. Kevin hatte ihr die Geschichte seiner toten Schwester, und seines schlimmen Traumas erzählt, die junge Frau wusste Bescheid, und doch wurde sie von dieser Emotionalität, die von diesem Kunstwerk auf dem Rücken des Mannes, der sie faszienierte, beinahe erschlagen und tief gefesselt. Wie sehr musste ihn dieser Verlust schon seit Jahren schmerzen, wie sehr musste er seine Schwester geliebt haben, dass er ihr zu Ehren ihr Gesicht ein Lebenlang mit sich trug, egal durch welche Lebenslage. Die junge Frau spürte einen Klos im Hals, sie vernahm ein Zittern ihrer Hände und das Aufsteigen eines Weinkrampfs, den sie nur schwer bekämpfen konnte. Noch schwerer fiel es ihr, als ihr die beiden schlecht verheilten Stichwunden ins Auge fielen, die in der oberen Hälfte von Kevins Rücken dicht beieinander lagen. Sie konnte sich diesen Schmerz gut vorstellen, dachte sie in dem Moment doch an ihre eigene, viel besser verheilte Narbe am Bauch, als sie dort vor der Dienststelle angeschossen wurde... nicht vorstellen konnte sie sich dagegen die Hilflosigkeit, mit der Kevin da gelegen hatte, unfähig seiner Schwester zu helfen.

    Mit zitternden Fingern begann Jenny die Schürfwunde abzutupfen, ein Brennen strahlte über Kevins Rücken aus, der dies klaglos ertrug. Diesmal spürte er aber, dass das Streicheln an Stellen, die nicht verletzt waren, nicht zufällig war. Und er konnte deutlich das Zittern in den Fingern spüren, als sie beinahe ohne zu berühren, aber klar zu spüren für Kevin, über die vernarbte Haut an den beiden Einstichstellen eines groben Messers strichen. Sein Herz schlug schneller, und er wollte im ersten Affekt protestieren... doch dann ließ er es geschehen. Jenny übertrat eine neue Grenze der Intimität, und der junge Polizist ließ sie gewähren... dabei sah er nicht, dass sich eine Träne aus Jennys Auge sich den Weg über ihre Wange nach unten bahnte und auf ihrer Uniformshose einen kleinen feuchten Fleck hinterließ. Sie wollte so gerne ein tröstendes Wort sagen, etwas, was Kevin helfen würde... doch nichts konnte beschreiben, was sie in diesem Moment fühlte. Mitgefühl, Wut auf die Angreifer, Mitleid mit Kevin und seiner Schwester und Sehnsucht nach diesem geheimnisvollen schweigsamen Mann, der so anders war als Ben, bei dem sie vor Wochen ihr Herz ausgeschüttet hatte, und beide sich im gegenseitigen Kummer zu sehr trösteten. Jetzt spürte Jenny, dass sie zu Kevin eine ganz andere Verbindung spürte, als zu ihrem Kollegen der Autobahnpolizei. Es machte ihr Gewissen nicht gerade leichter, diese Erkenntnis, und ihre Angst vor der Wahrheit steigerte sich weiter.
    Sie spürte das leichte Muskelzucken, immer wenn das Tuch mit dem scharfen Desinfektionsmittel an Kevins Fleisch gelang, bevor sie einige große Pflasterstreifen über die Hautabschürfungen festklebte. "Du solltest vielleicht in den nächsten Tagen versuchen, nicht drauf zu fallen.", meinte sie mit seltsamer Stimme, die immer noch damit kämpfte, die Emotionalität zurück zu halten. Kevin hatte natürlich Jennys Zögern bemerkt, die Berührung an seiner Narbe regestriert... er ging aber nicht drauf ein. An Jennys Stimme erkannte er, dass sie selbst nicht wusste, wie sie mit diesem Eindruck umgehen sollte, und der junge Polizist wollte sie damit nicht noch weiter in die Enge drängen. So zog er sein Shirt wieder über den Kopf und nickte, bevor er einen Schluck aus dem Wasserglas nahm.

    Jennys packte den Verbandskoffer wieder zusammen, und ihre Atmung beruhigte sich ein wenig. "Wo wolltest du überhaupt hin?" Kevin hatte die Ellbogen auf die Beine gestützt und hielt das Glas Wasser in beiden Händen. "Keine Ahnung. Einfach weg.", sagte er mit kurzen Worten. "Was ist denn passiert?" Für Jenny war Kevin wie ein offenes Buch. Sie wusste sofort, wenn ihm etwas auf dem Magen lag, andere dachten mittlerweile, der Kerl ist einfach so. Jenny nicht, ihre Alarmglocken sprangen sofort an. "Mein Vater war bei Kalle.", sagte Kevin und sah Jenny dabei direkt an, die mit dieser Aussage noch nicht viel anfangen konnte. "Mein Vater hat uns alle im Stich gelassen. Mich als Kind, Janine als Kind, und mich nochmal, nachdem Janine gestorben ist. Jetzt will er sich bei Kalle anbiedern, um sich so in mein Leben zurück zu drängen." Jenny hörte dem Mann zu, der scheinbar seit seiner Kindheit alles, aber kein normales Leben geführt hatte. Keine Mutter, im Prinzip auch keinen Vater, auf der Staße aufgewachsen... kein Wunder, dass der damals junge Kevin auf die schiefe Bahn gekommen ist, mit solchen Voraussetzungen. "Vielleicht... will dein Vater... eine Versöhnung...", sagte Jenny vorsichtig, weil sie keinesfalls einen wunden Punkt bei Kevin treffen wollte, doch der verzog nur höhnisch die Lippen, als wolle er seinen Vater damit verspotten. "Ich will meinen Vater nie wieder sehen... nie wieder mit ihm zu tun haben." Dabei sah er Jenny mit festem Blick an, dass die junge Frau ob seiner Überzeugung dem, was er sagte, etwas erschrak... immerhin war es der eigene Vater, über den er da sprach. Sie wusste für einen Moment nichts darauf zu sagen.

    "Darf ich dich jetzt auch was fragen?" Jenny hob verwundert die Augenbrauen, und spürte sofort, wie ihr heiß wurde... als ob sie ertappt wäre, ob ihres Geheimnisses, und sie nickte langsam. "Warum bist du mir die letzten Wochen aus dem Weg gegangen? Ich konnte damit nicht umgehen, denn ich wusste nicht was los war. Und habe deshalb auch das Angebot der Chefin abgelehnt." Jenny spürte, wie ihr Herz zerspringen wollte, ob dieses Geständnisses. Natürlich hatte sie beinahe jeden Versuch der Konversation mit Kevin abgelehnt oder abgeblockt. Selbst die gelegentlichen Telefonate hatten Selbstgesprächcharakter. Natürlich war Kevin das aufgefallen, und die junge Polizistin wusste, dass er sie irgendwann darauf ansprechen würde. "Ich... mir war es... alles noch etwas... zuviel... seit deiner Verhaftung.", sagte sie mit unsicherer Stimme. Sie beiden saßen nebeneinander auf der Couch, aber zueinander gewandt. Kevin hatte das Glas mittlerweile auf den Tisch abgestellt, und fesselte sein Gegenüber mit seinem Blick. "Was bin ich für dich?" Die junge Frau schreckte ob dieser direkten Frage innerlich auf. "Wie... meinst du das?", fragte sie, um mehr Zeit zum Nachdenken zu haben. "Was bin ich für dich? Als wir uns geküsst haben bei mir... was war das für dich." Was sollte sie darauf antworten. War es der Beginn einer Beziehung? Waren sie Freunde... enge Freunde? Oder sollte sie ihrem Gefühl nach geben, was nun schon die ganze Zeit gegen ihr Herz stieß, seit sie von seinem Unfall gehört hatte.
    Ihre Knie berührten sich zufällig als Jenny leise sagte: "Ich... ich weiß es nicht. Ich kann es dir nicht sagen." Sie schien genauso zerissen zu sein wie Kevin, der sich selbst nicht im Klaren war, in welcher Beziehung er zu Jenny stand. Der Kuss damals war kein Kuss unter engen Freunden. Aber ihre Ablehnung hatte ihn dann so sehr verwirrt. Er beugte sich mit einer, unbemerkt schmerzhaften Bewegung nach vorne und gab Jenny für einige wenige Sekunden einen Kuss auf den Mund. Es war für die junge Frau überraschend und ließ tausende Emotionen gleichzeitig auf sie herabregnen, bevor sich die Lippen wieder lösten und die Augen der beiden sich wieder öffneten. Nun hätte Kevin die gleiche Frage stellen können, doch er sprach sie nicht aus, sondern hatte sie durch den Kuss gestellt. Nun konnte Jenny antworten... entweder damit, dass sie verlegen aufstand... oder dass sie sich nach vorne beugte und den jungen Polizisten ihrerseits küsste. Sie entschied sich für Letzteres...

    Unfallstelle Landstraße - 16:30 Uhr

    Jennys Hände hatten sich während der ganzen Fahrt fest um das Lenkrad gekrallt. Sie wusste für einige Augenblicke gar nicht vor was sie mehr Angst hatte... vor dem, was sie an der Unfallstelle erwarten würde, womöglich einen schwer verletzten Kevin, oder Schlimmeres? Oder vor der Begegnung mit ihm? Immer noch fühlte sie sich nicht wohl in seiner Umgebung, fühlte sich schlecht wenn er ihr eine starke Schulter gab, unwissend dem was sie und Ben getan hatten, während er im Gefängnis saß. Sie fürchtete den Augenblick, an dem er die Wahrheit erfahren würde, fürchtete seine Reaktion bezüglich Ben und natürlich auch im Bezug auf sie selbst.
    Doch dafür hatte sie keine Zeit, als sie um die letzte Kurve auf der Landstraße fuhr, und ihr die Unfallstelle sofort ins Auge fiel. Das Warndreieck ihrer Kollegen an der Straße, ein Streifenwagen hatte die rechte Spur gesperrt, etwas weiter vorne stand ein Krankenwagen halb quer, mit der Hecköffnung zum Feld, dazwischen der Notarztwagen, ein kleiner Kombi. Zwei Kollegen und zwei Sanitäter standen im Feld und blickten zu Boden, während ein dritter Sanitäter am Boden kniete. Jenny hielt dem Atem an, denn sie konnte nicht genau erkennen, ob der Sanitäter am Boden vielleicht jemanden verarztete, der auf den Boden lag. Sie stoppte den Streifenwagen zwischen Warndreieck und dem Streifenwagen der Kollegen, stieg aus und lief mit eiligen Schritten sofort ins Feld.

    Die beiden Kollegen drehten sich etwas verwundert um, denn sie hatten keine Verstärkung gefordert. Auch erkannten sie sofort das erschrockene Gesicht der jungen Polizistin, während der Sanitäter am Boden leise sagte: "Das ist wirklich ein Drama." Jenny hörte die Worte, ihr wurde schlecht, doch als sie näher kam, konnte sie erkennen wie der Rettungssanitäter keinen Verletzten verarztete, sondern über ein Stück eingedrücktes Blech an dem Motorrad strich. "So eine schöne Maschine.", murmelte er und blickte zu seinem Kollegen auf, der anerkennend nickte. Die junge Beamtin fasste sich an den Kopf und ihr Puls beruhigte sich langsam. "Wo... wo ist der Fahrer?", fragte sie mit stockender Stimme, und einer der beiden Beamten, ein älterer erfahrener zeigte mit dem Finger nur kurz auf den Streifenwagen, den Jenny jetzt erst richtig von hinten sah.
    Die Türen standen offen, Kevin saß auf dem Absatz und bekam von einer Sanitäterin gerade vorsichtig eine Schürfwunde über der Augenbraue mit Pflaster zugeklebt. Jetzt erkannte er die junge Kollegin, und seine Augen, die vorher recht melanchonisch in die Ferne geblickt hatten, drückten Überraschung aus. Beim näheren Hinkommen erkannte Jenny seine aufgerissene Jeans am Unterschenkel und einige Schrammen, und dass seine linke Hand verbunden war. Auch seine Jacke hatte einiges abbekommen, sie war schmutzig und an der Schulter etwas aufgerieben. "Wollen sie wirklich nicht zum Check mit in die Klinik kommen?", fragte die blonde Sanitäterin, und scheinbar schien sie das nicht zum ersten Mal zu tun, denn Kevin schüttelte energisch den Kopf. Unbewusst stieg in Jenny Eifersucht auf, und sie konnte gar nicht sagen wieso, denn es war Quatsch. Die Sanitäterin, die sanft über das Pflaster an Kevins Braue strich, damit es besser hielt, tat nur ihren Job... und doch hätte die junge Polizistin gerne ihr das Pflaster aus der Hand genommen, und Kevin selbst verarztet. Sie ließ sich davon aber nichts anmerken, als sie bis zu dem Krankenwagen heran ging.

    "Hey... was ist passiert?", fragte sie mit sorgenvollem Blick und blickte selbst in ein ernstes Gesicht. "Zu schnell gefahren.", meinte Kevin schmallippig und hob dann die Augenbrauen. "Und was machst du hier?" "Ich.. ähm... ich war zufällig hier." Die Mundwinkel des jungen Polizisten hoben sich ein wenig, ein leichtes spitzbübisches Grinsen kam auf sein Gesicht, und dass sich seine Laune wirklich gebessert hätte. "Alleine im Streifenwagen?" Er wusste, dass Jenny alleine sicherlich nicht auf Streife war, und somit auch nicht rein zufällig hier war. "Na gut.", gab sie auf und lächelte ein wenig scheu. "Ich hab von dem Unfall im Funk erfahren, und bin sofort hierher." Kevin fühlte sich ein wenig geschmeichelt... und in ihm reifte die Erkenntnis, dass Jenny offenbar noch was an ihm lag, was sie in letzter Zeit aber versuchte, so gut es ging, zu unterdrücken... aber warum tat sie das? Warum versuchte sie den Kontakt mit ihm zu meiden, verlor dann aber sofort die Fassung als sie von einem Unfall von ihm hörte?
    Langsam stieg er von der Kante auf, und die Versammlung begann sich aufzulösen. Der junge Polizist musste eine Erklärung unterzeichnen, dass er auf eigenes Risiko nicht mit ins Krankenhaus fuhr, und der ältere Beamte rief einen Abschleppdienst für das nicht mehr fahrtaugliche Motorrad. "Wo sollen wir es hinschleppen lassen?", fragte er in Kevins Richtung, der kurz nachdachte. "Lass es doch in die KTU schleppen. Hartmut kennt sich mit Motorrädern genauso gut aus, wie mit Computer.", meinte Jenny und der junge Polizist stimmte zu. "Soll ich dich nach Hause fahren?", fragte sie dann als auch die beiden Streifenbeamte und der Notdienst weggefahren waren, das Motorrad aufgeladen und weggebracht war... kurzum, Jenny und Kevin standen alleine am Fahrbahnrand in einem Acker, in dem nur noch die Spuren von dem Überschlag des Motorrads sichtbar waren. Zu Jennys Verwunderung schüttelte ihr junger Kollege den Kopf. "Nein. Von da komme ich gerade.", meinte er tonlos, und die junge Polizistin erkannte sofort diese eigenartig negative Stimmung in Kevins Stimme, diese Melanchonie und diese Resignation, wie damals, als er bei ihr zu Hause war, und von seiner Vergangenheit sprach. Irgendetwas musste wieder vorgefallen sein, was ihn aus der Bahn genommen hatte.

    Jenny vergaß ihre Angst davor, dass Kevin etwas erfahren könnte, was er nicht sollte. Sie fühlte sich nun wohler, wenn sie Kevin etwas geben konnte, statt etwas von ihm zu nehmen, und sie gab ihm ihre Aufmerksamkeit. "Sollen... wir dann zu mir fahren?", fragte sie vorsichtig, denn auf einen Kaffee in der Dienststelle hatte sie nun auch keine Lust. Der Polizist nahm das Angebot der Schulter dankend an, und spürte selbst wieder diese blinde Vertrautheit zwischen ihnen, die ihn damals dazu veranlasste, Jenny seine ganze Geschichte zu erzählen und nichts auszulassen. Er erzählte von seiner Vergangenheit, von seiner Schwester, seinen Alpträumen... nur, dass seine Sucht noch bis vor kurzem akut war, hatte er verschwiegen. Doch das Kapitel schien er selbst auch abgehakt zu haben. Er nickte mit einem, nun ehrlicheren dankbaren Lächeln, und die beiden stiegen in den Streifenwagen, der noch am Straßenrand auf sie wartete.
    Kevin legte den Kopf gegen die Kopfstütze, drehte ihn zum Fenster und sah hinaus, wie die Felder an ihnen vorbeizogen. Er konnte den Hass auf seinen Vater einfach nicht verbergen, nicht herunterschlucken, nicht hinten anstellen. Er zwang ihn, diesen Hass immer wieder zur Schau zu stellen, diese Ablehnung seinem Vater gegenüber immer wieder zu zeigen, wenn Erik Peters bei ihm war. Mittlerweile war es soweit, dass Kevin Gott jeden Tag dankte, an dem er nicht an seinen Vater erinnert wurde. Leider wurde das immer weniger, denn seit er wieder bei Kalle wohnte, hatte die Erik öfters erwähnt, weil sie oft mit ihm zu tun hatte und hat. Jedesmal brach der junge Polizist das Gespräch abrupt ab. Jenny spürte, dass es Kevin nicht gut ging... dass er gerade nicht der starke Typ war, der er gern sein wollte, der jeden Sturm aushielt. Und sie war stolz darauf, dass er diese Rolle bei ihr auch nicht zu spielen versuchte, wie er es bei jedem anderen tat. Dass er bei ihr so war, wie er war... ganz er selbst. Darauf war sie stolz, als sie ihn kurz von der Seite beobachtete, wie er bewegungslos aus dem Seitenfenster sah.

    Extra Mal angemeldet, damit ich auch etwas hinterlassen kann. Ich habe deine Geschichten in den letzten Tagen regelrecht verschlungen. Sie haben alles, was es braucht und ich muss sagen, ich kann nicht genug von Kevin bekommen. Der Junge ist ein stimminger, eigener Charakter, der den Geschichten auf ihre Weise ihr gewisses Extra verleiht. Eine Tatsache, die man bei vielen FF mit eigenen Personen oftmals vermisst!

    Oha, ich fühle mich geehrt, dass du dich extra wegen meinen Stories angemeldet hast. :) Vielen Dank für dein Feedback und dein Lob, ich freue mich wenn dir die Storys gefallen, und dir die Figur Kevin zusagt (auch wenn sich die Serienmacher scheinbar einiges für "Alex" abgeguckt haben *grrr* ;) ).

    Viel Spaß mit der weiteren Story wünsche ich dir.

    Dienststelle - 16:00 Uhr

    Eduard Schobler wurde in Handschellen von Ben und Semir auf das Revier geführt. Sie hatten die Festnahme bereits über Funk angekündigt, und so warfen Hotte und Dieter dem Mann vernichtende Blicke zu, als er über den Flur geleitet wurde, den Kopf gesenkt und jede Faser seines Körpers zitternd und angespannt. Nicht nur innerhalb von Gefängnissen rangierten Kinderschänder ganz unten, sie wurden auch von Polizisten eher mal hart angefasst, und so konnten Ben und Semir ihre Voreingenommenheit solchen Verbrechern gegenüber nicht verbergen, als sie ihn grob auf den Stuhl im Verhörzimmer schubsten.
    Der erfahrene Polizist schaltete das Mikrofon auf dem Tisch an und setzte sich dem Mann gegenüber. Ben blieb hinter dem Verdächtigen an der Wand stehen, hatte sich gegen jene gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. "Heute vormittag wurde neben der Autobahn ein bewusstloses junges Mädchen gefunden.", begann Semir und blickte den Mann an, der immer noch den Blick gesenkt hatte und die Tischplatte vor sich anstarrte. Seine Hände, immer noch mit Handschellen aneinander gebunden, lagen vor ihm auf dem Tisch, das Metall der Kette klapperte gegen die Platte, denn der Mann zitterte, als sei er auf Entzug. "Deine Kippe wurde direkt in der Umgebung mit deiner DNA daran gefunden. Jetzt erklär uns das mal." Ausser einem leisen, wimmernden Laut kam keinerlei Antwort von Schobler. Sein ganzer Körper war ein einziges Muskelzucken, und er wagte es nicht, den Polizisten gegenüber an zu sehen.

    Semir atmete ruhig, auch er hatte die Arme vor der Brust verschränkt wie sein Partner und lehnte sich zurück. "Hast du sie an der Schule abgepasst heute Morgen?", fragte er, und bekam sofort eine Reaktion, was ihn überraschte. "Nein!", japste Schobler und sah sofort zu dem Beamten auf. "Ich... ich habe sie nicht... nicht abgepasst." "Sondern?" Schobler biss auf seiner Lippe herum, bis Blut aus dem bleichen Fleisch trat, die Stimmung in dem kleinen Zimmer war zum Schneiden dicht. "Ich... ich war spazieren. Auf dem Waldweg, nahe der Autobahn.", sagte er mit zitternder Stimme und beide Polizisten hingen an seinen Lippen. Ein wenig glaubwürdig war sein lautes Nein, fand Semir in Gedanken, weil er vorher auf die Erklärung keinerlei Worte fand, vermutlich weil er sich selbst schämte. Er war bei dem Mädchen... aber entführt hatte er sie nicht.
    "Auf einmal... sah ich nach oben zu der Böschung... und sah sie dort liegen.", erklärte der Mann weiter, während Ben langsam hinter ihm hin und her schritt. Er konnte sich nicht ganz so ruhig halten wie sein erfahrener Kollege, und mit Verbrechern dieser Art hatte er es bisher auch noch nicht zu tun... für ihn war der Ekel vor solchen Leuten, unmittelbar mit Ihnen zu tun zu haben, etwas Neues. "Ich... ich habe die Kippe weggeworfen... und bin... bin nach oben zu ihr." Langsam zog sich Semir die Kehle zu, als er die Worte des Mannes hörte. In seiner Fantasie taten sich abscheuliche Bilder auf, gegen die er versuchte anzukämpfen, was ihm nur schwer gelang. Noch schlimmer wurde es, als das junge Mädchen ersetzt wurde, durch seine eigene Tochter, die in die Hände eines solchen Kerls gelangen würde. "Sie sah so hübsch aus... so friedlich, als würde sie schlafen. Es war niemand bei ihr, und auf der Autobahn schien niemand zu merken, dass dort jemand lag." Auch in Bens Kopf regten sich gewisse Vorahnungen und ein Magenzwicken entwickelte sich langsam zu einem Brechreiz in ihm drin. "Was hast du dann gemacht?", fragte er, und es klang beinahe wie eine Drohung, seine Stimme kam Schobler dichter vor, als er Ben bei sich spürte.

    Er blickte sich beinahe panisch ein wenig um. "Nichts.... ich habe nichts gemacht.", sagte er und die beiden Beamten waren sich beide nicht ganz klar, ob es glaubwürdig klang, oder nicht. "Willst du uns verarschen. Du hast gesessen wegen Kindesmissbrauch, und willst uns jetzt erzählen, dass du ein bewusstloses Mädchen findest, und einfach weiter spazierst?" Bens Stimme wurde laut und aufbrausend, und er wunderte sich dass Semir ihn dafür nicht ermahnte, wie sonst üblich. Schobler hielt sich mit beiden Händen den Kopf fest, als wolle er sein Gedächtnis vor dieser Vergangenheit schützen. "Ich... ich bin in Therapie. Ich tue so etwas nicht mehr.", jammerte er, wohl mit dem Wissen, dass ihm dies niemand glauben würde. "Ich war bei ihr.... Ja, ich habe daran gedacht. Aber ich habe nichts getan! Ich bin dann schnell weitergegangen... bevor ich die Kontrolle verliere. Ich bin einfach weiter gegangen, verstehen sie."
    Semir sah den Mann mit Hass in den Augen an. "Du hast sie einfach da liegen lassen... und ihrem Schicksal überlassen?", fragte er, wobei er sich innerlich doch fragte, ob es nicht die bessere Alternative gewesen wäre, als zu bleiben und sich seinen Trieben hin zu geben. Der erfahrene Polizist war nicht oberflächlich und versuchte sich immer in sein Gegenüber hinein zu versetzen, auch wenn es ihm hier deutlich schwerer fiel als bei anderen Verhören. Ein kranker Mensch, wie dieser Schobler spürt, wenn ihn seine Triebe ergreifen. War die Flucht womöglich notwendig und für die kleine Nele das geringere Übel. "Ich... ich konnte nicht bei ihr bleiben. Ausserdem hatte ich Angst... ja Angst." "Angst vor was?", fuhr Ben ihn von hinten an, dass Schobler zusammen zuckte. "Wenn sie... sie mich bei dem Mädchen gefunden hätten, wenn ich die Polizei gerufen hätte... was hätten sie dann gedacht?" Ben blickte zu Semir, und erwischte sich tatsächlich dabei, den Mann sofort mit Vorurteilen zu betrachten. Auch wenn er die Polizei selbst gerufen hätte, ein vorbestrafter Kinderschänder findet ein bewusstloses Kind... waren dann Vorurteile verwerflich. Auch Semir musste sich eingestehen, dass der Mann nicht unrecht hatte.

    "Warum hast du nicht wenigstens anonym jemanden verständigt, bevor du abgehauen bist?" Die Stimme des Beamten klang nicht versöhnlich, aber etwas gemäßigter. "Ich.... ich konnte nicht klar denken. Ich musste einfach weg von diesem Ort... weg.", sagte Schobler beinahe verzweifelt, und wurde dann von Ben am Kragen gepackt und vom Stuhl hochgezogen. "Ich glaube dir kein Wort, du mieses Schwein. Und selbst wenn du sie zufällig gefunden hast, so ein Typ wie du lässt diese Gelegenheit doch nicht einfach aus. Und weil es niemand gemerkt hast, bist du einfach über sie..." "Nein!! Das ist nicht wahr!! Ich habe ihr nichts getan!!!", schrie Schobler panisch, und noch bevor Semir in die Rangelei eingreifen konnte, entwickelte der Verdächtige in seiner panischen Angst ungeahnte Kräfte und schlug mit beiden Fäusten zu, da er ja noch die Handschellen trug. Ben musste den Mann loslassen, stöhnte auf und taumelte zwei Schritte zurück, während Schobler sich, wild zitternd zur Tür wandte. Doch Semir war, trotz dass er noch am Tisch saß, schneller als der Mann, und konnte ihn noch greifen, bevor er die Tür erreichte. Er drückte ihn zurück, mit dem Gesicht auf den Tisch, wobei er die panische Stimme des Mannes hörte: "Ich habe ihr nichts getan!!!", schrie er dabei. An der Tür standen schon Hotte und Dieter bereit, die im Nebenraum dem Verhör zugehört hatten, und bei der Rangelei auf den Flur gingen, und nun in den Raum kamen. "Nehmt ihn mit in die Zelle!", sagte Semir, während die beiden erfahrenen Streifenbeamten nun die Handschellen von vorne auf den Rücken wechselten und den Mann abführten.
    Semir ging zu Ben, der sich die Nase hielt, und an seinem Handrücken tropfte das Blut auf den Boden. "Alles klar? Lass mal sehen.", meinte Semir und zog Bens blutige Hand weg. Aus dessen Nase rannte das Blut aus beiden Nasenlöchern und lief über dessen Lippe. "Komm lass...", wehrte sich der junge Beamte und ärgerte sich über seine Unvorsichtigkeit.

    Während des Verhörs saß Jenny am Sprechfunk und koordinierte an diesem Tag den Funkverkehr. Diese Aufgabe an der Leitstelle wurde jeden Tag ringsum den Streifenbeamten verteilt, und heute war die junge Polizistin an der Reihe, diese unliebsame Aufgabe zu übernehmen. Ein junger Kollege brachte ihr gerade eine handschriftliche Notiz über einen gemeldeten Unfall auf der Landstraße Ausgangs von Köln. "Unfall auf der Landstraße B51 Köln Richtung Rommerskirchen, da soll ein Motorradfahrer verunfallt sein. Krankenwagen ist schon informiert, ist jemand in der Nähe?" Sie bekam Rückmeldung eines Streifenwagens, der in der Nähe war, und den Unfall aufnehmen würde.
    Als sie einige Minuten später Rückmeldung von dem Unfall bekam, und das Kennzeichen des Motorrads sowie den Namen des Fahrers hörte, wurde ihr schwarz vor Augen. Unfähig überhaupt zu fragen, wie der Unfall passierte, oder wie schwer der Mann verletzt war, der dort verunfallt war, legte sie das Funkgerät bei Seite und stand von ihrem Platz auf. Sie ging mit schnellen Schritten zu ihrem jungen Kollegen, und meinte mit kurzen Worten. "Ich muss mal kurz dringend weg... übernimm bitte kurz die Leitstelle." Sie schnappte sich den Schlüssel eines Dienstwagens vom Haken der Fahrzeugübersicht und lief nach draussen.

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    Ich bin sprachlos... einfach nur spachlos... und emotional aufgewühlt. Das muss reichen, um diese Folge zu beschreiben.

    Wenn der 1. Teil 10/10 Punkten verdient, verdient dieser Teil 11/10.

    Hervorheben möchte ich die schauspielerische Leistung von Kathrin Heß.

    Kevins Wohnung - 15:30 Uhr

    Heute bekam Kevin von dem Schleifer des SEK etwas früher frei. Die Ausbildung schlauchte sehr, und der Polizist, der sonst gerne mal ein Nachtschwärmer war, fiel immer öfter früh am Abend müde ins Bett. Ein positiver Nebeneffekt war, dass er besser einschlief, als früher, als ihn noch intensive Alpträume des Nachts gequält hatten. Doch er spürte, mit jedem Tag, dass diese Ausbildung nur eine Flucht war, eine Flucht vor sich selbst, eine aussichtslose Flucht vor den Menschen, die er mochte. Warum hatte er das Angebot der Chefin nicht angenommen? War es wirklich nur wegen Jenny? War es vielleicht auch wegen Ben, mit dem er sich zwar wieder gut verstand, aber immer noch das letzte Fünkchen absoluter Vertraue fehlte. Oder war es Semir, bei dem der junge Polizist einfach Angst hatte, ihn zu enttäuschen? Kevin konnte es nicht sagen, aber er spürte dass er wieder in die Ermittlungsarbeit wollte, raus auf die Straße, raus aus den Ausbildungscamps.
    Er sperrte die Haustür des Zweifamilienhauses auf und schritt die Treppe nach oben in die Wohnung, wo Kalle und er gemeinsam wohnten. Kalle, seine Ziehmutter aus früheren Tagen, war momentan neben ihren gelegentlichen Transvestit-Auftritte auf Jobsuche. Irgendein unbehagliches Gefühl beschlich den jungen Polizisten, als er die Wohnungstür aufdrückte, und Kalle bereits auf ihn wartete. "Wir haben Besuch.", meinte sie augenzwinkernd und sah in ein ratloses Gesicht. "Und wer?"

    Die Frage hätte sich Kevin sparen können, denn als er das Wohnzimmer betrat, sah er den Besuch... und seine Laune fiel sofort um mehrere Etagen, bis tief in den Keller. Ein Mann saß auf der Couch und hatte eine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger. Sein schwarzes, ansatzhalber graues Haar trug er im Nacken etwas länger, seine Lederjacke war schwarz und seine Augen eisblau... schon daran konnte man die Verbundenheit zu Kevin erahnen. "Hallo Kevin. Willst du deinem Vater keinen Kuss geben?", fragte Erik Peters mit einem halb ehrlichen, halb sarkastischem Lächeln, während sein Sohn mit unbeweglicher Miene im Türrahmen zum Flur stehen blieb. Aus der Küche kam eine junge Frau, im Minirock und knappen Top, und sah den Neuankömmling neugierig an. Der Polizist konnte sich schon denken, dass es eine von den wahllos wechselnden Liebschaften seines Vaters war. Er hatte seit Monaten kein Wort mit ihm gewechselt, und war froh dass er weder in seiner abgewrackten Wohnung, noch bei Kalle, bis jetzt, aufgetaucht war. Er hatte ihm nie verziehen, dass er sich früher niemals um ihn oder Janine gekümmert hatte, dass er Kevins Mutter nach der Geburt vertrieben hatte, und dass er nicht mal Kontakt zu Kevin aufnahm, nachdem Janine gestorben war. "Babsi, das ist mein Sohn Kevin.", sagte er mit ein wenig Stolz in der Stimme, während Babsi mit dem Finger über Kevins Shirt von der Brust langsam nach unten strich. "Hmm... ganz der Vater.", hauchte sie, als sie mit ihrem Finger knapp vor der Gürtelschnalle angekommen war, bis Kevin ihre Hand grob packte und wegschob, wobei er schmallippig meinte: "Hoffentlich nicht." Dabei ging er an der, scheinbar Prostituierten vorbei ins Wohnzimmer, am Sofa vorbei ohne seinen Vater auch nur eines Blickes zu würdigen, bis er mit dem Rücken zu ihm stand und aus dem Fenster auf die Straße sah... als gäbe es dort etwas sehr interessantes zu sehen. Babsi wurde von Kalle in die Küche geschickt, da sie dort scheinbar irgendetwas suchte, um Kaffee aufzusetzen.

    Erik Peters wusste aber einerseits, wie er seinen Sohn reizen konnte, und wollte andererseits einfach normal mit ihm reden. Doch nach all den Jahren des Desinteresses kannte er Kevin, sein eigen Fleisch und Blut in keinster Weise richtig anzupacken. "Was bist du denn so mies drauf?", fragte er, während er von der Couch aufstand und um den Wohnzimmertisch herum ging, jedoch einen Meter hinter Kevin stehen blieb, und dessen Rücken anschaute. "Ich hab dir immer gesagt, lass die Finger von dem Bullenjob. Das zieht dich nur runter." Er hatte, als Kevin die Ausbildung zum Polizisten begonnen hatte, tatsächlich sich mal bei ihm gemeldet und versucht, ihm dies auszureden. In der Rotlicht-Szene hatte es sich schnell herumgesprochen, dass der Sohn von Erik Peters bei der Polizei war, und alle nicht ganz so legalen Geschäfte um die damalige Bar hatten einen gewaltigen Knacks erlitten. "Du kannst jederzeit bei mir anfangen, das weißt du. Sei mal bisschen nett zu mir, ich bin dein Vater.", forderte er und Kevin schloß für einen Moment die Augen.
    Für einen Moment wollte er einem Impuls folgen, und seinen Vater beschimpfen, einen Impuls folgen und seinem Vater einen Fausthieb versetzen. Dazu war es nie zuvor gekommen, und Kevin würde es wohl auch niemals so weit kommen lassen, doch jetzt, in diesem Moment fühlte er sich schrecklich hilflos. Er spürte sein Herz in seiner Brust schlagen, er fühlte wie sich die Hände zu Fäusten ballten und er biss die Backenzähne aufeinander. Warum sagte Kalle nichts... sie sah doch, wie es Kevin erging und sie wusste doch um sein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater, der weiterhin hinter Kevin stand und ihn noch nicht erlöste. "Was willst du hier?", fragte er mit leiser Stimme, wobei er die Augen verengte und trotzdem seinen Vater nicht ansah, der in seinem Rücken stand.

    Nun mischte Kalle sich ein, die sich zurück auf die Couch setzte: "Erik hat mir angeboten, das "Blue Lagoon" zu übernehmen." Das konnte nicht wahr sein, dachte der Polizist. Nun würde sich sein Vater auf Dauer in sein Leben wieder einmischen, vermutlich weil er gehört hatte, dass er wieder zurück zu Kalle gezogen war. "Also die Geschäftsführung, zumindest vorrübergehend. Das wäre doch gar nicht so schlecht, oder?", meinte sie beinahe versöhnlich in Richtung der beiden Männer, und Erik nickte ihr dankbar zu, bevor er sich wieder Kevins Stimme zu wandte, der die Augen rollte und sich nun zu seinem Vater umdrehte, allerdings nur um wieder an ihm vorbei zu gehen. "Herzlichen Glückwunsch...", meinte er mit sarkastischer und ironischer Stimme in Kalles Richtung. "Das muss ja wirklich toll sein, mit meinem Vater Geschäfte zu machen." Dabei ging er wieder von seinem Vater weg in Richtung des Flurs, den er hielt die Atmosphäre in diesem Raum zusammen mit seinem Vater nicht länger aus. Er hörte jedoch dessen, leicht verrauchte Stimme in seinem Rücken. "Sei doch nicht so negativ. Ich mach doch keine Geschäfte mit Kalle. Die gehört doch quasi zur Familie."
    Das Wort Familie ließ Kevins Blutdruck endgültig über den Siedepunkt steigen. Es hatte etwas von blankem Hohn, dass sein Vater, der dafür verantwortlich war, dass Kevin ausser seiner Schwester nie sowas wie eine Familie hatte, nun selbst dieses Wort in den Mund nahm, um Kevin für etwas versöhnlich zu stimmen, was Erik benutzte um sich gegen Kevins Willen zurück in dessen Leben zu drängen. Mit einem Ruck drehte er sich um und machte seinem Vater einen Schritt entgegen wobei er ihm mit kalten Augen ins Gesicht sah, und laut rief: "DU redest über FAMILIE?" Zwischen den beiden Männern war vielleicht noch ein halber Meter Platz, aber Erik Peters hielt dem Blick seines Sohnes stand, während er noch nachlegte in Richtung Kalle: "Du kümmerst dich doch sowieso so gut um ihn."

    Auch Babsi, die die Unterhaltung in der Küche mit verfolgt hatte, mit den Familienverhältnissen aber gar nichts anfangen konnte, kam zurück und meinte keck: "Hey... dann bin ich ja sowas wie Kevins Stiefmutter." Unpassender hätte ihr Spruch nicht sein können, und der böse, beinahe unberechenbare Blick des Polizisten fiel nun kurzzeitig auf sie, während Kalle, die offenbar ebenfalls nichts von dem billigen Flittchen hielt, meinte: "Ach, halt die Klappe."
    Kevin kämpfte einen unbändigen Kampf mit sich, mit seiner Wut, mit seiner unendlichen Traurigkeit, wenn er zurück an seine Kindheit dachte. Wenn sein Vater nur mit ihm redete, wenn es darum ging, ihm Anweisungen zu geben, wie man die Gläser richtig spülte, die Toiletten in seinem Puff richtig schrubbte um ihn danach wieder raus auf die Straße abzuschieben und nichts mehr von ihm wissen wollte. Dass er in der Schule von Älteren zusammengeschlagen wurde, dass er Fragen zu den Hausaufgaben hatte... das alles hatte seinen Vater nicht interessiert. An all das dachte der Polizist jetzt, als er seinem Vater in die Augen blickte und mit drohendem, aber leisem zitternden Ton sagte: "Ich glaub es ist besser, wenn ihr jetzt geht." Erik wusste, dass er seinen Sohn zu einer Grenze trieb, die dieser nicht überschreiten wollte, aber irgendwann keine Kontrolle mehr darüber besaß. "Du siehst nicht gut aus, Kevin. Du arbeitest zuviel... ich glaub, ich muss mal mit deinem Boss reden, hmm?", meinte er gespielt fürsorglich und nun wurde es Kalle auch langsam mulmig.
    Doch Kevin schaffte es. Er besiegte den Dämonen in sich, der die Kontrolle übernehmen wollte, und er verbannte ihn. "Okay...", sagte er leise und drehte sich von seinem Vater weg. Schweigend, mit zitternden Händen verließ er das Wohnzimmer in den Flur und schlug die Wohnungstür hinter sich zu. Er musste weg hier... raus hier. Der Polizist ging durch den Flur, ohnmächtig von dem, was er gerade erlebt hatte, von den Emotionen die ihn gerade berührt hatten, und das Zittern seiner Hände ließ nicht nach, bis er endlich auf seinem Motorrad saß, und dieses anließ.

    Der Wind auf der Landstraße zerrte an seiner Jacke, an seiner Jeans. Kevin wusst überhaupt nicht wohin er fuhr, es schien, als fliehe er vor etwas und irgendwem. Das Tempolimit dieser Strecke hatte er längst überschritten, in Linkskurven schnitt er die durchgezogene Mittelspur. Ihm kann die Straße wie ein Tunnel vor, er spürte den Fahrtwind nicht, er hatte nur das Gesicht seines Vaters vor sich, der ihm etwas von einer heilen Familie vorspielen wollte, und den Polizisten dabei sarkastisch angrinste.
    Seine Wut raubte ihm die Konzentration, und das unvermeidliche trat nur wenige Kilometer später ein, als sein Hinterrad nach einer Kurve, die er viel zu schnell genommen hatte, von der Straße abkam und in die Grasnarbe hinter der Asphaltstraße geriet. Mit einem Ruck wurde Kevin in die Wirklichkeit zurückgeholt, der Ruck ging von seinem Vorderrad aus, doch das Motorrad konnte er nicht mehr halten. Um ihn herum drehte sich alles, dann spürte er wie er mit Schulter und Rücken hart auf dem Acker aufschlug und konnte das Krachen und Dröhnen der Maschine neben sich hören, die sich im Dreck überschlug und hinter ihm ebenfalls auf dem Acker einschlug.
    Kevins Herz raste, seine Lungen wollten explodieren und sein Rücken schmerzte, als er im Dreck lag und der Motor seiner Maschine erstarb. Es war so herrlich still, nur die Vorgelstimmen eines nahe gelegenen Waldabschnitts und ein Trecker, ganz weit weg in der Ferne waren zu hören. Am liebsten wollte er hier liegen bleiben, und niemals wieder aufstehen...