Ich hab in dem ersten Absatz noch etwas hinzugefügt.
Beiträge von Campino
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Der Aufzug war sehr groß
Nein, im Ernst: Den Handlungsfaden mit Bens Platzangst hatte ich gestern schlicht vergessen... Mea Culpa... ärgert mich gerade selbst. Ich könnte höchstens noch ein mulmiges Gefühl/Herzklopfen dazu editieren, um es schlüssiger zu machen... werde ich auch tun.
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Hochhaussiedlung - 15:00 Uhr
Die beiden Polizisten waren bereits seit Morgens nun unterwegs durch ganz Köln, hatten sich keinerlei Auszeit genommen um Mittag zu essen, und dementsprechend gespannt waren die Nerven von Semir und Ben, als sie vor dem Hochhaus anhielten, was die Adresse von Eduard Schobler war. Beide stiegen aus und blickten in den, mittlerweile etwas zugezogenen Himmel nach oben. "Hoffentlich funktioniert der Aufzug... je nachdem wo der Typ wohnt.", murrte Ben, denn ihn plagte der Hunger, wie so oft, am meisten. "Komm, das wirst du wohl noch schaffen.", ermutigte ihn sein älterer, aber nicht unfitterer Kollege, und beide gingen auf die, mit Farbspray verunstaltete Eingangstür zu. "Na super... 16. Stock.", stöhnte Ben und bekam von Semir einen Klaps an den Hinterkopf. Ein kleiner Trost war, dass der kleine baufällige muffige Aufzug funktionierte und die beiden Kommissare nach oben beförderte. Auch dieser Aufzug war in einem miserablen Zustand in dieser, wirklich herunter gekommenen Wohngegend. Die Knöpfe hingen halb heraus, das Spiegelglas war zersplittert. "Da hat Kevin ja früher im Luxus gehaust...", meinte Semir, und beide erinnerten sich, dass die damalige Wohnung des jungen Polizisten ganz sicher kein Wohnparadies war. Doch dieser Plattenbau war nochmal eine Spur verkommener und glich eher der Wohnung der jungen Jessy Stern, einem Mädchen das mit seinen Brüdern Entführungen mit Lösegelderpressungen begangen hatte, und mittlerweile im Gefängnis saß.
Ben spürte eine eigenartige Beklommenheit, als er von Semir in den Aufzug geschoben wurde. Er war seit einigen Wochen in einer Art Therapie gegen seine Platzangst, viele Gespräche mit einem Psychologen, und in einer kleinen Gruppe, die ihm sehr geholfen hatten, und ihm schon ermöglichten, ohne Probleme in größere komfortable Aufzüge zu steigen. Doch dieser, für maximal 6 Personen ausgelegte Kasten war nochmal eine Nummer schlimmer, aber er ließ sich vor Semir nicht anmerken, war aber Gott froh, als die Türen sich im 16ten Stock endlich öffneten.Eduard Schobler hielt mittlerweile die 15te Kippe des Tages zwischen den Fingern, die einfach nicht Ruhe halten wollten. Er saß vor dem Fernseher und versuchte seine Nerven in den Griff zu bekommen, doch das wollte einfach nicht gelingen. Bei jedem kleinsten Geräusch auf dem Flur schreckte er auf, bei jedem Klopfen an Nachbarstüren, stürzte er ans Fenster... denn jeden Moment vermutete er Polizei, SEK oder irgendwelche anderen Truppen, die bei ihm die Wohnungstüre eintreten würden. Mein Gott, wie konnte er nur so dumm sein... und dann auch noch die Kippe liegen lassen.
Eduard Schobler galt als geheilt, nachdem er seine Haftstrafe und eine dreijährige Therapie hinter sich gebracht hatte. Doch der Gefängnisaufenthalt war für den Mittvierziger Therapie genug, den als Kinderschäner stand man in der Rangfolge des Gefängnisses ganz unten. Er musste alles über sich ergehen lassen, von Schlägen bis hin zu Vergewaltigungen der abscheulichsten Art. Der Mann hatte alles ausgehalten, die Therapie durchgezogen und fühlte sich seitdem wie ein neuer Mensch, bis zu diesem Morgen bei seinem Spaziergang an der Autobahn entlang... bis er dieses hübsche junge Mädchen im Gras liegen sah und seine, längst besiegten Urtriebe sich zu regen begannen. Dann hatte er diese Zigarette im Mund, die er dicht bei dem Mädchen fallen gelassen hatte, und an die er erst später gedacht hatte. Er wollte nochmal zurück... verdammt. Da waren bereits Leute bei dem Mädchen, später kam Polizei und Krankenwagen hinzu... Schobler hatte schnell das Weite gesucht, bevor ihn jemand entdecken konnte. Seitdem saß er jetzt hier in seiner kleinen Wohnung, die er sich vom Arbeitslosengeld leisten konnte, denn mit seiner Vorgeschichte wurde er nirgends mehr eingestellt, Freunde hatte er keine und er lebte sein Leben, weil er es leben musste.Doch nun hörte Schobler wieder ein Klopfen, und sofort fuhr er aus seinem Fernsehsessel. Diesmal war das Klopfen eindeutig an seiner Wohnungstür, es schall durch den ganzen Raum. Stocksteif wie angewurzelt verharrte er vor seinem Sessel im Wohnzimmer. Waren es vielleicht nur die Nachbarn, die etwas von ihm wollten? Oder jemand, der nicht die richtige Tür fand? Ihn besuchte normalerweise niemals jemand. "Herr Schobler? Machen sie bitte die Tür auf, Polizei.", hörte er die Stimme eines Mannes durch die Tür, und sofort brach in dem Mann der kalte Angstschweiß aus. "Oh nein.", flüsterte er und blickte sich wild hektisch um. Wieder ein Klopfen, es blieb nicht viel Zeit, und so drehte sich der Mann zum Balkon um, öffnete die Schwingtür gemächlich, jedoch nicht lautlos und schwang sich vom Balkon auf die Feuerleiter, um so schnell es ging, herunter zu klettern.
Das Knacken der Terassentür blieb für die beiden Kommissare vor der Wohnungstür nicht überhörbar.... zu dünn war die billige Holztür, die Wohnung und Flur voneinander trennten. "Der haut ab.", sagte Semir hektisch und zog sofort seine Waffe, Ben tat es ihm gleich. "Herr Schobler, wir kommen jetzt rein!", rief Semir noch, bevor er mit einem wuchtigen Tritt die Holztür aus dem Schloß trat. Das Holz krachte und splitterte, und gab erst bei Semirs zweitem Tritt komplett nach. Sofort stürmten die Polizisten in das Wohnzimmer und konnten die offene Balkontür erblicken. Semir lief voran durch die Tür, blickte erst am Geländer nach unten, bevor sein Blick auf die Feuerleiter fiel. Weiter unten konnte er das blechernde Geräusch von Tritten auf dieser ganz deutlich vernehmen. "Schobler! Bleib stehen!!!", schrie er hinunter, bevor er sich durch die offene Sicherungstür auf die hohe Feuerleiter schwang, die von einem Käfig umgeben war. Mit schnellen kleinen Schritten stieg der drahtige Kommissar immer weiter nach unten Richtung Boden, holte auf den flüchtenden Mann aber nur langsam auf.Ben sah keinen Sinn darin, die Leiter ebenfalls hinunter zu klettern. Er entschied sich für den Rückweg, steckte die Waffe zurück in den Holster und sprintete wieder aus der Wohnung heraus, auf den Flur und Richtung Treppen. Diesmal war er über das Treppenhaus definitiv schneller, als über den Aufzug, und so flog der Kommissar Stockwerk um Stockwerk über die Stufen immer weiter nach unten. Die ersten 5 Stockwerke vergingen wie im Flug, doch dann wurde jede Treppe länger, die Fußknöchel und Waden schmerzten ihm schnell, und die Luft in seinen Lungen begannen zu brennen. Doch wie immer, wenn er einem Verbrecher zu Fuß hinterher jagte, schaltete Ben das Schmerzempfinden aus, die nächsten Stockwerke vergingen wieder schneller, und mit der linken Hand hielt er sich am Geländer fest, wenn er um die Kurve im Treppenhaus lief. Im 5. Stock hätte er beinahe eine alte Rentnerin über den Haufen gerannt.
Aber Semir erging es auf der Feuerleiter nicht besser. Auch er spürte schnell dass es alles andere als einfach war, soviele Trittstufen nach unten zu klettern. Auch Semir keuchte nach Luft, sah immer wieder nach unten, um seinem Verfolger nicht auf die Hände zu treten, und damit zum Absturz zu bringen. "Bleib stehen, verdammt nochmal!", rief er erneut, doch die Luft konnte er sich sparen. Schobler war in Panik, wollte einfach noch weg von der Polizei, flüchten, soweit ihn seine Beine oder sein altes Auto, dessen Schlüssel er zum Glück in der Jeans hatte, fahren würde. Nicht mehr weit, dann hatte er es geschafft, er würde unten das Gitter zu sperren und der Polizist, denn er über sich sah, würde erstmal festsitzen.Den zweiten Polizisten sah er erst, als er auf dem Boden ankam, und den Käfig der Feuerleiter verließ. Gerade da sprintete Ben mit seinen wehenden Haaren um die Häuserecke, und Schobler gab seinen Plan, den Käfig zu verschließen sofort auf, und wandte sich in die andere Richtung, um weiter zu rennen. Doch Ben war jetzt in Fahrt, er holte schnell auf und war konditionell doch weitaus fitter als der ältere Eduard Schobler.
Mit einem Sprung packte er den Flüchtenden am Genick und beide landeten in einer Ecke des Hauses, wo Mülltonnen und alte Pappkartons standen. Ben drehte dem Mann den Arm auf den Rücken und drohte mit schwer atmender Stimme: "Eine Bewegung, und ich kugel dir die Schulter aus, ist das klar?" Schobler war selbst so ausser Atem, dass er keinerlei Widerstand mehr geben konnte, und ließ sich von Ben wieder auf die Füße heben. Erst als die Handschellen klickten und Semir bei Ben, laut schnaufend, ankam, fand er seine Stimme wieder. "Na, alter Mann? Wo bleibst du denn?", fragte Ben neckisch in Richtung Semir, der es nie leiden konnte, wenn sein Freund ihn mit seinem Alter neckte. "Was wollt ihr von mir? Ich... ich habe nichts getan.", jammerte Eduard Schobler mit schwerer Stimme. "Nichts getan? Du warst nicht zufällig heute vormittag an der Autobahn? Hast eine geraucht? Hmmm?", fuhr Semir ihn direkt an, und erkannte sofort den panischen Ausdruck in den Augen des Mannes, der hin und her schaute. "Aber... ich... ja... aber.", stammelte er aus Angst, wieder zurück ins Gefängnis zu müssen. "Dann werden wir mal sehen, was du dir bis zum Revier ausdenkst.", grohlte der erfahrene Kommissar und übernahm den Mann von seinem Freund. "Los!" -
Villa - 13:30 Uhr
Die Gegend, in die das Navi die beiden Polizisten führte, konnte vornehmer nicht sein. Große prächtige Häuser zierten die Straße, alle im Respektsabstand zueinander gebaut mit großen Gärten. Manche Villen stammten noch aus dem vorherigen Jahrhundert, andere waren auf freie Bauplätze dazwischen gebaut und bildeten einen Kontrast zur Moderne. Semir pfiff durch die Zähne, als der Dienstwagen langsam durch die Tempo 30-Zone rollte. "Mein lieber Mann... wer hier wohnt, darf nicht arm sein." Auch Ben schaute sich durch die Frontscheibe die großen, sauber geschnittenen Vorgärten an. "Das wäre doch so deine Kragenweite.", sagte sein älterer Partner scherzhaft, wohlwissend dass Ben aus reichem Hause kam. "Ne...", meinte der kurz angebunden und blickte seinen Partner an: "Zu große Gärten. Da bin ich viel zu faul dazu."
Sie erreichten die Adresse und hielten vor einer breiten Einfahrt, die durch ein Eisengitter gesichert war. Dort war auch die Klingel und die dazugehörige Videoüberwachung. Beide Polizisten hielten nach dem Läuten die Ausweise in die Kamera und wurden sogleich durch einen Summer durch die Eisentür im Tor gebeten. Der Weg zur Haustür führte sie durch ein grünes Paradies aus Sträuchern, Bäumen und Blumen. Sicherlich kümmerte sich hier ein oder mehrere Gartenarbeiter um das Wohl des Grün, unmöglich konnte dies ein Mensch alleine schaffen.An der Eingangstür wartete der Hausherr auf den unangekündigten Besuch. Die Augen des Mannes im Anzug schienen müde und voll Sorge, so war es sofort Semirs Eindruck, als er ihn sah. Er sah aus wie ein typischer Geschäftsmann, Anfang 40, der es wohl schnell zu Reichtum gebracht hatte. "Was kann ich für sie tun, meine Herren?", fragte er bemüht höflich und Ben ließ Semir den Vortritt, unangenehme Nachrichten zu verbringen. "Herr Lauer? Es geht um ihre... um ihre Tochter.", sagte Semir vorsichtig, als er näher kam und sofort weiteten sich die Augen des Mannes, sofort wurde sein Blick nervös. "Unsere... unsere Tochter? Was ist mit ihr?" Ben blickte etwas unsicher. "Vermissen sie sie etwa nicht?" Ein kurzes Kopfschütteln des Mannes in der Tür folgte: "Nein... sie hat bei einer... einer Freundin geschlafen heute nacht. Maria! Maria!!", rief er danach ins Haus und die Ehefrau kam herbei geeilt. Auch sie war in einer Art Anzug, allerdings mit Rock, scheinbar schien sie ebenfalls berufstätig zu sein. "Nele ist doch bei ihrer Freundin, oder?", fragte er, als wolle er sichergehen und sofort nickte die etwas jüngere Frau, während ihre blonden Haare sich über die Schulter legten.
Semir zog die Geldbörse des jungen Mädchens aus der Jeanshose und hielt sie den verdutzten Eltern hin. "Wo... wo haben sie die her?", fragte der Mann mit etwas barscher Stimme, doch Semir wollte diese sofort wieder beruhigen. "Könnten wir das vielleicht drinnen besprechen, Herr Lauer?", bat er freundlich während Herr Lauer die Geldbörse an seine Frau Maria weitergab, die sofort die Kinderschrift auf dem Zettel erkannte. Der Mann ließ den beiden Herren den Vortritt, und schloß die schwere Haustür hinter ihnen.Innen drin war das Haus mindestens so luxuriös wie es von aussen den Anschein gemacht hatte. Der Boden war ausgelegt mit teuren Teppichen, und alles schien sehr exklusiv, wenn auch etwas altmodisch eingerichtet. Im Wohnzimmer bot Heinrich Lauer den beiden Kommissaren Platz auf einer weißen Ledercouch an. "Wie kommen sie an den Geldbeutel meiner Tochter? Was ist denn passiert?" Auf seiner Stirn hatten sich Schweißperlen gesammelt, und seine Hände waren unruhig. Sie verflochteten sich ineinander, lösten sich wieder, strichen über die Beine. "Also... wir... ihre Tochter wurde heute nahe der Autobahn bewusstlos aufgefunden.", sagte Semir vorsichtig, und Maria Lauer schlug beide Hände vor den Mund. "Um Gottes Willen... um Gottes Willen...", stammelte sie und ihre letzte Gesichtsfarbe wich aus ihrem Gesicht. Auch Herr Lauer schien blasser zu werden, aber hielt sich noch unter Kontrolle. "Wo...?", wollte er gerade ansetzen, doch Semir fiel ihm ins Wort: "Sie ist im Krankenhaus. Frau Lauer, am besten sie packen einige Kleidungsstücke für Nele zusammen, und wir bringen sie dann sofort zu ihrer Tochter." Maria Lauer nickte schnell und eilte die Marmortreppe hinauf, um eine Tasche für Nele zu packen.
"Herr Lauer, wir müssen ihnen leider sagen, dass ihre Tochter im Koma liegt.", sagte Semir dann mit ernster Miene, als die Frau aus dem Raum war. "Im Koma? Aber wie... warum?" "Das wissen wir selbst noch nicht. Sie wurde bei Kilometer 33 gefunden." Heinrich Lauer atmete tief durch und blickte zu Boden, dabei schüttelte er den Kopf. Nun ergriff auch Ben das Wort: "Herr Lauer, wir haben im Krankenhaus erfahren, dass in den letzten Wochen oder Monate öfters Kinder im Koma liegend ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Meist von ihren Eltern. Sagen sie uns bitte, ob sich hier in den letzten Tagen irgendetwas merkwürdiges ereignet hat, im Bezug auf ihre Tochter."Für einen Moment hätte man eine Stecknadel fallen lassen können, und wäre von dem Geräusch erschrocken. Nur die große Standuhr in der Ecke sendete Geräusche wie das laute "Tick-Tack" aus, dass die Spannung im Raum unerträglich machte. "Ich habe meine Tochter gestern nachmittag zu ihrer Freundin gefahren... das sind nur zwei Straßen entfernt von hier. Dort durfte sie übernachten. Und gestern war sie noch putzmunter bei mir.", beharrte er mit lauter Stimme, doch genau diese übertriebene Lautstärke ließ ihn unglaubwürdig erscheinen. Es war, als wüsste er dass er gegen die Meinung der beiden Kommissare ankämpfen musste, obwohl diese ihm noch gar nicht widersprochen hatten. Genauso bemerkten beide die Nervosität des Mannes, anhand seiner Hände, seiner Mimik und seiner feuchten Stirn.
"Anscheinend wurden bisher alle Kinder von den Eltern ins Krankenhaus gebracht. Ihre Tochter ist die Erste, die zufällig gefunden wurde.", sagte Semir, der etwas nach vorne gebeugt saß, die Hände ineinander verschränkt und die Ellbogen auf die Knie stützend. "Wie können sie sich erklären, dass ihre Tochter zu der besagten Autobahn gekommen ist?" Die Augen des Mannes flitzten durch den Raum, als suchten sie eine Antwort auf die Frage des Polizisten. "Ich... ich weiß nicht. Da müssten sie... sie mal Jörg Kausak fragen. Bei deren Tochter Christina war Nele zu Besuch." Der Mann ließ sich keine Information entlocken und durch einen kurzen, aber eindeutigen Blickkontakt bestätigten sich beide Polizisten, dass weder der eine, noch der andere dem Mann wirklich ein Wort glaubte. Wie sollte Nele von hier zur Autobahn gelangen, wenn sie bei einer Freundin schlief? Warum druckste der Mann so rum, und ganz deutlich war er schon nervös, als die beiden noch gar nichts von der Tochter erwähnt hatten. "Trauen sie diesem Jörg Kausak ein Verbrechen zu?", fragte Ben unvermittelt, und sofort kam ein: "Nein... also ich meine: Nein, eigentlich nicht, denke ich.", von Heinrich Lauer. Das "Nein" kam auch hier beiden Kommissaren zu schnell, als wolle er seinen Freund sofort aus der Schusslinie holen, nachdem er ihn gerade in die Sache mit reingezogen hatte.Frau Lauer kam mit einer bunten Kindertasche nach unten, sie hatte sich bereits einen leichten Herbstmantel umgeworfen und war abfahrtbereit. Auch Heinrich Lauer stand sofort von seinem Platz auf, er war froh dass diese unangenehme Unterredung vorbei war, und sofort drängte er zum Aufbruch. Sie verschlossen das Haus von außen, und setzten sich zu Semir und Ben in den Dienstwagen, der mit überschaubarer Eile zum Krankenhaus fuhr.
An der Tür zum Krankenzimmer ließen die beiden die Eltern alleine, und Maria Lauer brach sofort in Tränen aus, als sie ihre kleine Tochter im Bett liegen sah, mit dem Beatmungsschlauch im Mund, dem piepsenden EKG direkt neben dem Bett. Ihre Haare waren wie gefächert um ihren Kopf, und die Decke war bis zu ihrem kleinen Kinn gezogen. "Wer hat uns das nur angetan?", flüsterte sie leise, doch Ben hatte es deutlich gehört, bevor er das Zimmer verließ. Er drehte sich um: "Was meinten sie, Frau Lauer?" Heinrich Lauer hatte den Ausspruch seiner Frau sofort bemerkt, und kam einen Schritt auf Ben zu: "Bitte, lassen sie uns jetzt alleine. Wir stehen ihnen erst mal für keine weiteren Fragen zur Verfügung." Ben war überrascht von der Schärfe in der Stimme des Mannes, doch er konnte auch verstehen, wenn dieser jetzt erstmal alleine bei seiner Tochter sein wollte. Ein Arzt kam hinzu und zog die Tür zu, um mit den beiden Eltern alleine zu sprechen.
"Irgendetwas ist da doch oberfaul... was hast du gehört?", fragte Semir, der bereits auf dem Gang war. "Sie hat gesagt: Wer hat uns das angetan? Ich hab es genau gehört.", versicherte sein jüngerer Partner. "Das hörte sich ganz so an, als hätte jemand vorsätzlich dieses Koma herbeigeführt... und die Eltern wissen es." Der älterer Kommissar zuckte mit den Schultern "Ja, aber wie? Und warum, weshalb?" "Solange die Eltern nicht mit uns reden, haben wir keine Chance... wir sollten uns mal mit den Eltern der anderen Komakindern unterhalten.", sagte Ben, als das Telefon seines Freundes klingelte."Ja, Hartmut?" "Volltreffer, Semir. Ich hab die DNA an dem Zigarettenstummel untersucht. Wir haben einen Treffer in der Datenbank." "Ja und? Machs nicht so spannend?", sagte Semir und fing sich einen ermahnenden Blick einer älteren Krankenschwester, da man im Krankenhaus nicht telefonieren durfte. "Eduard Schobler... vorbestraft wegen Besitzes von Kinderpornographie und versuchtem Kindesmissbrauch." Semir blieb stehen und unwillkürlich stieg in ihm ein gewisser Ekel und Wut in sich hinauf. "Haben wir eine Adresse?", fragte er und bekam zur Antwort: "Hab ich dir schon auf dein Handy geschickt." "Danke Hartmut." Semir trennte die Verbindung und Ben fragte mit einem Nicken nach den Neuigkeiten, die sein Partner kurz und knapp weitergab. "Ach du Scheisse...", murmelte Ben nur, denn er konnte 1 und 1 zusammenzählen. "Lass uns das Schwein festnehmen...", sagte Semir und beide liefen zu ihrem Dienstwagen, um sich auf den Weg zu Schobler zu machen.
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Mir hat die Folge gut gefallen, weil ich Fan der DTM bin, und angenehm überrascht dass die Atmosphäre durch reale Rennfahrer und Aufnahmen des realen Rennwochenendes der DTM sehr gut die Atmosphäre eingefangen haben, vor allem weil man am Ende für das "Rennen" auch echte Aufnahmen benutzt hat, und keine gestellten.
Der Fall an sich war recht bodenständig, wenig emotional, keine MP-Geballer, keine Riesenorganisation, keine unglaubwürdigen Stunts... nein, ich fand die Folge nicht herausragend, aber echt gut.
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Krankenhaus - 12:15 Uhr
Der Krankenwagen hatte den Eingang der Notaufnahme längst erreicht, als Semir und Ben in ihrem Dienstwagen auf dem Besucherparkplatz angehalten hatten. Gerade schoben sie in gemächlicher Eile die Trage mit dem kleinen Mädchen aus dem weiß-roten Kastentransporter, um mit ihr dann im Gang des Krankenhauses zu verschwinden.
Die beiden Polizisten meldeten sich an der Pforte an, wiesen sich aus und erklärten den Anlaß ihres Besuches. Sie blickten in ein fassungsloses Gesicht hinter der Trennscheibe aus Glas. "Schon wieder ein Komakind?", fragte sie und wurde bleich um die Nase. Die beiden Polizisten blickten sich etwas erstaunt an. "Wieso schon wieder?", fragte Ben dann letztendlich. Die rundliche, etwas ältere Frau beugte sich nach vorne und sprach leise: "Wir haben in den letzten Monaten mehrere Kinder eingeliefert bekommen, die bereits im Koma liegend hierher kamen. Niemand weiß, was passiert ist." Sie bekam einen ängstlichen Ausdruck in ihrem Gesicht, und wollte auch auf Nachfrage nicht mehr dazu sagen. Sie wies Semir und Ben zu dem Gang der Notaufnahme, wo im Flur Stühle standen für Leute, die dort auf ihre Liebsten warteten, denen etwas zugestoßen war. Dort setzten sich die beiden Freunde hin, und Ben fröstelte, als er daran dachte dass er dort vor kurzer Zeit einen folgenschweren Fehler begangen hatte. Hier hatte er und Kevin auf Jenny gewartet, nachdem sie vor der Dienststelle angeschossen wurden... hier hatte er sich mit seinem damaligen Partner böse in die Haare bekommen, hier sprach er den folgenschweren Satz über die Vergangenheit des jungen Kollegen, was letztendlich die Chefin mitbekam und Kevin vom Dienst suspendieren musste. Natürlich gingen ihm gerade jetzt die Gedanken durch den Kopf."Was hast du jetzt vor?", fragte Semir irgendwann unvermittelt in die Stille hinein, er saß auf dem Stuhl während Ben wie immer etwas ruhelos hin und her tigerte. Er sah seinen Partner an und zuckte kurz mit den Schultern, als wüsste er nicht, um was es ging. "Wollt ihr beide euch weiter wie im Kindergarten verhalten, du und Jenny? Meint ihr echt, Kevin merkt nicht, wie ihr euch ihm gegenüber verhaltet?" Ben bekam einen Schreck. Sollte Kevin da wirklich etwas vermuten, aus dem Verhalten heraus? Aber wäre Kevin da nicht eher der Typ, der Ben und Jenny dann darauf anspricht? "Meinst du.... er hat was bemerkt?" Semir zog eine Schnute und schüttelte den Kopf. "Nein, das meine ich nicht. Aber warum denkst du, er hat sich gegen das Angebot der Chefin entschieden?" "Vermutlich weil es ihm hier zu langweilig ist.", grinste Ben unverhohlen und versuchte, die Ernsthaftigkeit aus der Diskussion zu nehmen, doch das fiel bei Semir nicht auf fruchtbaren Boden, der seinen Freund ermahnte. "Unter Freunden hat man keine Geheimnisse, Ben." "Semir, was soll ich denn machen? Soll ich jetzt zu Kevin gehen und sagen: Du, ich war mit Jenny im Bett?" Er stemmte die Hände in die Seiten. "Vermutlich interessiert ihn das gar nicht. Er zuckt mit den Schultern und beglückwünscht mich." Der ältere Polizist hielt das für Schönrednerei. "Ach, glaubst du das? Warum bist du und Jenny dann so merkwürdig zu ihm?" Peng... das war der wunde Punkt, in den Semir gnadenlos den Finger legte. Ben glaubte selbst nicht daran, dass es seinem Freund nichts ausmachte, genauso wenig wie Jenny, die es eigentlich am besten wissen müsste, um die Beziehung zwischen ihr und Kevin einzuschätzen.
"Ach...", meinte er ablehnend, um damit die leidige Diskussion zu beenden und dabei abzuwinken, sich von Semir weg zu drehen und wieder einige Schritte den Flur entlang zu laufen. Es war eine Abwehrhandlung, weil er sonst Semirs Blick auf sich gespürt hätte.Irgendwann ging die Tür zur Intensivstation auf, und eine Krankenschwester kam heraus, mit einer Geldbörse in der Hand. "Sie sind von der Polizei?", fragte sie die beiden Männer, und Semir stand sofort nickend auf. "Das ist das Einzige, was das Mädchen bei sich hatte. Innendrin steht ihr Name und die Adresse.", sagte die junge Frau und hielt die bunte Börse dem Polizisten hin, der diese ergriff. "Was sollen wir den Eltern sagen? Was hat die Kleine?", fragte Semir mit fürsorglicher Stimme, denn er konnte sich gut in die Lage hineinversetzen. "Bis jetzt können wir nur sicher sagen, dass das Mädchen tief im Koma liegt. Sie hat keine äusseren Verletzungen, also auch keine Kopfverletzung, die für das Koma verantwortlich sein könnte." "Die Frau am Empfang hat gesagt, dass das in letzter Zeit häufiger vorgekommen ist... ein junges Mädchen im Koma.", sagte Ben, der schräg hinter Semir stand und diesen problemlos überblicken konnte. Die Krankenschwester sah kurz zu Boden, dann auf: "Ja, das stimmt. Wir sind recht ratlos... die Mädchen werden hier von den Eltern hergebracht, die sich alles nicht recht erklären lassen, oder den Ärzten nur sehr wenig Infos geben. Ein Mädchen ist bereits gestorben, ein Mädchen wieder aufgewacht." Beide Kommissare blickten recht ratlos. "Und was haben sie?" Die Frau zuckte nur mit den Schultern. "Wir vermuten einen Giftstoff, der die Mädchen ins Koma fallen lässt. Manche schlimmer, manche weniger schlimm."
Beide Kommissare blickten ein wenig fassungslos, war das Gehörte doch schwer zu greifen. "Aber... irgendetwas müssen die Eltern doch sagen... erzählen." "Sie sagen, dass sie sie im Garten finden, nach dem Spielen... morgens nicht wach bekommen... wirre Geschichten. Aber wenn sie mich fragen...", ihre Stimme wurde leiser. "Niemand sagt die Wahrheit... alle lügen sie.", flüsterte die Frau beinahe und hinterließ bei den beiden hartgesottenen Polizisten eine gewisse Gänsehaut, bevor sie sich umdrehte und wieder in die Intensivstation ging.Auf dem Weg nach draussen hatte sich die Gänsehaut bei Ben und Semir immer noch nicht gelegt. "Hört sich etwas spooky an, oder?", meinte der junge Kommissar, als sie den Flur entlang schritten, und Semir an einer halboffenen Tür plötzlich stehenblieb. Er hatte nur zufällig hindurch gesehen, und wurde von der Szene hinter der Tür ergriffen. Ein junges Mädchen, vielleicht 12 Jahre alt, lag dort im Bett, der Vater saß geknickt und müde auf einem Stuhl daneben, mit leerem Blick auf seine Tochter. Die Mutter hatte sich halb zu dem Mädchen gedreht und strich mit einer Haarbürste sanft durch die blonden Haare des jungen Mädchens, während sie ein altes Schlaflied summte, das sie dem Mädchen immer vorgespielt hatte.
Ben hatte bemerkt, dass sein Partner stehen geblieben war, und sah sich nach Semir um. Er sah, wie sein Kollege stocksteif da stand und durch die offene Tür blickte, mit leicht verlorenem Blick und sein Gesicht war wie eingefroren. "Semir?", fragte Ben mit vorsichtiger leiser Stimme, denn er merkte sofort dass sein Freund wie eingenommen war, als er selbst einen kurzen Blick durch die Tür wagte. Der ältere Kollege hatte zwei Kinder, Ayda und Lilly, und gerade Ayda war in einem ähnlichen Alter. Er hatte auch noch eine dritte Tochter aus einer früheren Beziehung, doch die lebte nicht bei ihm. Gerade schoss es dem Familienvater durch den Kopf, wie er wohl in dieser Situation reagieren würde. "Das ist schrecklich, Ben.", sagte er leise, während sich der Vater, ein großer staatlicher Mann, der wohl im wahren Leben souverän und selbstsicher wirkte und nun wie ein gebrochener Mann von dem Stuhl zum Fenster schlich, müde und ausgelaugt, und hinaussah. Ben konnte die Gefühle nicht so gut nachvollziehen wie Semir, er hatte keine Kinder, war aber für Ayda und Lilly sowas wie der große Onkel. Trotzdem war auch er ergriffen von der Szene."Komm... lass uns zu den Eltern fahren... die kommen sicher um vor Sorge.", sagte er leise und zog seinen älteren Freund am Jackenärmel, der sich langsamen Schrittes mitziehen ließ. "Ich wüsste nicht, was ich tun sollte, wenn meiner Tochter so etwas passieren würde.", sagte Semir leise. Ben wunderte sich, denn sein Freund ließ sich normalerweise selten emotional aus dem Konzept bringen, doch dieser kleine Moment, als er in das Zimmer hineingeblickt hatte, schien Urängste in ihm ausgelöst zu haben. Angst um das Leben des eigenen Kindes, Angst um die Familie. "Semir. Du passt doch so gut auf deine Kinder auf. Die sind fast nie allein zu Hause, Andrea oder du bringt sie in die Schule und holt sie wieder ab. Wieviele Kinder leben in Köln, und wie oft passiert sowas? Ausserdem wissen wir noch gar nicht, was passiert ist", versuchte Ben rational dagegen anzukämpfen, und Semir nickte. Er hatte sich wirklich mitnehmen lassen, und versuchte die erlebte Emotionalität abzuschütteln. "Du hast ja recht.", sagte er schließlich, als sie an die frische Luft traten. Aber irgendwie entwickelte Semir gerade ein zwingendes Gefühl heraus zu finden, was mit diesen Mädchen passiert war...
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Kasper... Konnte mich anfangs nicht entscheiden
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Verlassenes Gebäude - 11:45 Uhr
Die Uniform war heiß, der Schweiß rann unter dem Helm aus seinen Haaren die Schläfe und den Hals hinab. Kevins Hände hatten sich um den Griff seiner Waffe gelegt, den Finger am Abzug, in seinem Rücken der Wandvorsprung vor einer offenen Tür. Der junge Polizist, der erst wenige Wochen wieder rehabilitiert wurde, nachdem er wegen seiner Vergangenheit suspendiert und wegen eines fingierten Zufalls für mehrere Tage hinter Gitter gebracht wurde, hörte sein Herz pochen, als er die Waffe vor sein Gesicht hob und sich langsam mit dem Kopf um den Türvorsprung wagte. Sofort flogen ihm zwei Kugeln entgegen, die auf der gegenüberliegenden Wand einschlug und Kevin den Kopf sofort wieder zurück ziehen ließen. Der Gegner lauerte also nur darauf, dass der Polizist einen unvorsichtigen Schritt wagte. "Ich brauch Verstärkung in Korridor B", sagte er über das Funkgerät an seinen Einsatzleiter, dessen unaufgeregte Stimme knarzte zurück: "Verstärkung ist nicht, Peters. Wir haben schon drei Männer verloren." Er atmete durch...spannte seine Muskeln an und konnte nur hoffen hier irgendwie an einem Stück raus zu kommen. Mit einer schnellen Drehung wandte er sich vom Vorsprung weg, ließ die Waffe nach vorne schnellen und hatte den Kerl für Sekundenbruchteile im Blick. Zweimal zog sein Finger schnell am Abzug der Waffe, und der Kerl ging getroffen zu Boden. Sofort richtete Kevin die Waffe wieder nach vorne in Erwartung weiterer Verbrecher und ging mit ihr im Anschlag langsam durch den leeren Raum, in dem sich der Staub einen Kampf gegen die Spinnweben lieferte... und gewann. Dumpf konnte er Geräusche hören, die vom nahen Treppenhaus stammten, das müsse er noch runter und raus aus diesem Höllenhaus. "Wir haben Informationen, dass noch zwei Terroristen in deinem Trakt sind.", bekam er die Information über sein Funkgerät... und einen konnte Kevin scheinbar schon hören.
Als er an den Übergang zur Treppe ankam, zog der Polizist seinen letzten Joker, als er mit leicht zitternden Händen (er hätte unbedingt eine Zigarette gebraucht.) die Rauchgranate von seinem Gürtel abzog. Gerade wollte er den Stift ziehen und das untere Treppenhaus, von dem die Geräusche kamen, vernebeln, als er die Hand, von der anderen Seite der Mauer mit der Waffe in der Hand sah. Hinter ihr hing sicher einer, der beiden noch lebenden Typen, und Kevin reagierte schnell. Die Rauchgranate zurück an den Gürtel, und mit der freien Hand griff er sofort das Handgelenk und knickte es seitlich weg. Der Kerl schrie vor Schmerzen und die Waffe fiel klackernd auf den Betonboden unter ihnen. Kevin riss an der Hand und der Typ stolperte vorwärts, konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er von dem Kickboxer und Karatekämpfer mit einem Fußfeger die Beine weggezogen bekam. Der maskierte Typ landete unsanft auf dem Boden, rollte sauber ab und kam sofort wieder auf die Beine. Kevin allerdings hatte seine Waffe noch und richtete sie auf den Kerl. "Ganz ruhig! Auf den Bauch legen, Gesicht zur Seite! Los los!", sagte er mit kalter Stimme, und der Kerl gehorchte. Der Polizist hatte sich gerade über ihn gestellt, die Handschellen vom Gürtel geholt und dem Typ die Arme auf den Rücken gedreht, als er nur eine Bewegung im Augenwinkel sah... zu spät!
Er sah gerade noch hoch, doch der junge Polizist hatte keine Zeit mehr die Waffe nach oben zu reißen. Er spürte noch die Einschläge der Kugeln und sah sofort den roten Fleck auf seiner Uniform im Brustbereich. Der Terrorist sagte übers Funkgerät: "Ich hab den Bullen erwischt.", während sich der zweite Kerl unter Kevin aufrappelte."Okay... Übung beendet, alle bleiben auf ihren Positionen.", knarzte es aus allen Funkgeräten, sowohl aus denen der Polizisten, als auch der vermeintlichen Terroristen. Siegbert Kasper, kurz "Eisen-Kasper", aufgrund seines mitunter brutalen Übungsprogramms bei der Ausbildung zum SEK Köln und der GSG9, stieg die Betontreppen nach oben in den ersten Stock, wo die Befreiung des Gebäudes von den vermeintlichen Terroristen ein Ende gefunden hatte... denn Kevin war der letzte verbliebende Polizist. Er stand da, und sah die rote Farbe der Farbkugeln an sich heruntertropfen, ärgerte sich maßlos dass er bei der Verhaftung seines Kollegen, der den Terroristen gespielt hatte, einen Moment nicht aufgepasst hatte. Kasper kam in seiner Uniform nach oben und stemmte die Hände in die Hüften, als er Kevin über Robert stehen sah, der bereits eine Handschelle am Handgelenk befestigt hatte. "Herzlichen Glückwunsch, Peters. Sie sind tot.", sagte er mit seiner lauten, unüberhörbaren Stimme. Kevin lächelte sarkastisch und meinte mit seiner, meist emotionslosen Stimme: "Rufen sie meine Eltern an." Dabei erntete er ein Grinsen seines Todesschützen, Christian. "Du hast mir fast das Handgelenk gebrochen, du Spinner.", meldete sich Robert unter ihm, der nicht besonders gut auf den Polizisten zu sprechen war, weil er ihn selbst als Schande der Polizei sah... als ehemaliger Krimineller, der gerade so der Entlassung wegen seiner damaligen Verfehlungen von der Schippe gesprungen war, und vor kurzem zu Unrecht im Knast gesessen hat. Beide waren verbal schon mehrmals aneinander geraten, und hätte Kevin noch so reagiert, wie er vielleicht vor einigen Monaten impulsiver und auf Drogenentzug reagierte hätte, wären sicherlich schon die Fäuste geflogen... doch noch hatte er sich bisher zurückgehalten.
Bevor er Antwort geben konnte, hakte sich Eisen-Kasper ein: "Tja, Kowalke... scheint so, als müssten sie ein paar Extra-Schichten einlegen, was waffenlose Verteidigung angeht! Oder wie hat Peters sie da unten in den Staub gezaubert?" Robert, ein Musterschüler auf der Fachhochschule und mit erstklassigen Empfehlungen in die Ausbildung zur GSG9 gekommen, pustete in den Dreck am Boden und wurde rot vor Wut. Dann endlich wurde er von Kevin wieder in die Senkrechte gezogen, doch die helfende Hand schüttelte er schnell ab."Also Ladys. Versammlung in genau 1 Minute am Haupteingang des Gebäudes.", sendete Siggi durch den Funk und machte sich wieder auf den Weg nach unten. Für die, in diesem Gebäude befindlichen Beamte war dies kein Problem, andere waren jedoch in einem zweiten Trakt und mussten einen Umweg über einen Feldweg nehmen. Sie kamen niemans pünktlich, und so mussten die übrigen Schüler, wie auch Kevin darunter, Liegestützte im trockenen Gras und in voller Uniform machen, bis die Nachzügler endlich ankamen. Alle waren verschwitzt, Kevins Haare waren feucht und geplättet von dem Einsatzhelm, und alle sahen recht erschöpft aus. Doch Eisen-Kasper kannte vorerst keine Gnade. "Ihr seid eine Schande für die gesamte GSG9. Bei diesem Einsatz sollten 15 GSG9-Beamte 10 mickrige Terroristen festsetzen. 3 Terroristen sind noch da, aber keine GSG9-Beamten mehr. Stellt euch das mal vor!", rief er in die Runde, als alle in einem Halbkreis um ihren Ausbilder herumstanden. Manche hatten betretene Gesichter, andere waren von dem Führungsstil einfach genervt, und wieder andere hörten gar nicht richtig zu, so auch Kevin. Er wusste, dass sie die ganze Übung vermutlich noch einmal durchackern mussten, aber das interessierte ihn nicht. Er war konditionell gut genug, das hier noch ein paar Mal durchzustehen, ausserdem hatte er sich bewusst für die harte Ausbildung für die GSG9 entschieden... Ablenkung.
Er konnte es sich nicht erklären, aber irgendetwas war mit Jenny passiert, seit man Kevin verhaftet hatte. Er dachte, dass dieses unsichtbare Band zwischen ihnen mehr war, als nur eine gute Freundschaft. Spätestens, nachdem er ihr einen tiefen Einblick in seine Seele gewährt hatte, sie sich von seinen kalten Worten nicht abschütteln ließ und sie sich bei ihr zu Hause küssten, war er sich sicher, dass zwischen ihnen eine innige Verbindung bestand, die vielleicht noch keine Liebe war, aber vielleicht auf dem Weg dorthin.Doch seit Kevin aus dem Gefängnis war, hatte Jenny sich von ihm distanziert. Das Gespräch in der Kneipe, dass sie kurz führten, hatte keinerlei positive Wirkung hinterlassen, auch wenn Jenny beteuerte, dass sie sich freue, dass er wieder aus dem Knast heraus war. Doch wenn Kevin sie einladen wollte, sagte sie unter vielerlei Gründen ab. Einmal ließ sie sich auf ein Abendessen bei ihm ein, doch die Atmosphäre war irgendwie fremd, als würden sich zwei Fremde einfach so zum Abendessen verabreden. Gespräche dauerten nur wenige Minuten, bis sie sich wieder anschwiegen, und stumm aßen. Gelacht hatten sie gar nicht, die DVD nach dem Essen sahen sie beide stumm, bis Jenny sich verabschiedete, dass sie sehr müde sei.
Danach hatte Kevin quasi aufgegeben. Er hatte lange darüber nachgedacht, dass Angebot von Frau Engelhardt anzunehmen, und bei der Autobahnpolizei seinen Dienst zu tun, aber er hatte sich dagegen entschieden.... auch wegen Jenny. Offenbar, so dachte der junge Polizist, hatte er zuviel in diese Beziehung, in diese Freundschaft hinein interpretiert, oder aber Jenny war geschockt davon, was Kevin mit Mark Schneider, dem Typ der die junge Frau vergewaltigt hatte, in seiner Wut angestellt hatte. Letztendlich wusste Kevin es nicht, und er hatte auch keine Lust und Energie, es heraus zu finden. Er gab Jenny auf, er fragte sie nicht mehr etwas zu unternehmen, und nach gelegentlichen SMS-Einzeilern, die er jedesmal begann und beendete, hatten sie in der letzten Woche überhaupt keinen Kontakt mehr, kurz nachdem Kevin sich gegen die Autobahnpolizei und für die Ausbildung zum SEK und der GSG9 entschieden hatte. -
Einige Tage zuvor
Autobahn - 11:00 Uhr
Der Herbst hatte Einzug gehalten in Deutschland. Die Wälder und Bäume, die die heimische Autobahn säumten, legten langsam ihr buntes Farbenkleid an, und für kurze Hosen war es mittlerweile zu kalt. Semir konnte seine dicke Lederjacke mit dem Pelzbezug noch im Schrank lassen, aber im T-Shirt kam er nicht mehr zur Arbeit. Wie jeden Tag saßen er und sein Kollege zu einer ihrer Streifenfahrten über ihren Autobahnabschnitt in Semirs silbernen BMW. Es war ein, bisher, sehr ruhiger Tag, überhaupt eine ruhige Woche und fast dachten die beiden Beamten, es wäre Ferienzeit. Doch bis zu den Herbstferien dauerte es noch zwei Wochen.
"Ich verspüre ein leichtes Hungergefühl...", meinte Ben und rieb sich mit der rechten Hand etwas über den Bauch, wobei er Semir von der Seite ansah. "Oh, das wundert mich aber.", meinte der gespielt erstaunt. "Es ist ja schließlich erst eine Stunde her, seit deinem zweiten Frühstück... oder wars das dritte?" Ben hatte einen gesunden Appetit, und es gab nicht wenige Kollegen (allen voran Hotte) die ihn darum beneideten, dass er essen konnte was er wollte, und trotzdem sein Idealgewicht hielt. Ganz ohne Training ging das allerdings auch nicht einher, und so hatte er sich immer mal mit Kevin zum gemeinsamen Joggen verabredet, wobei dies manchmal in ein Marathontraining ausartet, weil Bens Freund beim Laufen einen Ehrgeiz entwickelte, der Ben selbst fremd war.
Semir trieb nur noch wenig Sport, machte früher mehr Ausdauersport und ging dann irgendwann zum vermehrten Krafttraining über. Seine Frau Andrea nannte ihn vor kurzem liebevoll "Kraftwürfel.", weil er in den letzten Jahren mit zunehmenden Alter statt dick kantiger und einfach muskulöser war. Wo er als junger Polizist noch eher als halbes Hemd durchging, durch seine Größe eh gehandicapt, hatte er jetzt zumindest äusserlich ordentlich Muskelmasse, die er auch einsetzen konnte. Seine Wendigkeit hatte er dabei nie verloren."Das ist doch auch kein Wunder.", maulte der junge Polizist mit dem Wuschelkopf, und sah zum Seitenfenster heraus. "Bei dem Streß, denn wir heute haben." Er meinte es klar ironisch, denn ausser einer Geschwindigkeitsübertretung schien es so, als wären die deutschen Autofahrer heute reine Engel. "Und bei der Arbeit ausserhalb der Dienstzeiten, die du verrichtest.", sagte Semir frech und spürte sofort, dass Ben in dieser Beziehung immer noch nicht zu Scherzen aufgelegt war. "Danke auch.", meinte er und zog eine Schnute, denn natürlich spielte Semir auf das Schäferstündchen zwischen ihm und ihrer Kollegin Jenny an. Ben und Jenny waren sich nahe gekommen, als beide in einer schwierigen emotionalen Lage waren und versuchten sich gegenseitig Trost zu spenden. Pikant daran war allerdings, dass Jenny und Kevin sich davor angenährt hatten, mit ernsten Absichten über die sich beide nicht ganz klar waren, und beide, Ben und Jenny, seitdem von einem schlechten Gewissen geplagt wurden. Gestanden hatten sie es Kevin bisher nicht, auch wenn Jenny kurz davor gewesen war. Beide wussten nicht wie er reagierte, denn selbst die junge Polizistin konnte nicht einordnen, wie sie und der ehemalige Mordermittler zueinander standen.
"Na komm,", meinte Semir in einer Mischung aus versöhnlicher Stimmlage und Rechtfertigung für seinen Humor. "Ihr windet euch jetzt seit Wochen, und bringt es nicht über euch, Kevin davon zu erzählen. Ihr blickt euch gegenseitig an wie Schulkinder, die beim Knutschen auf der Toilette erwischt worden sind, und wollt es verheimlichen." Ben fühlte sich nie besonders wohl, wenn er auf sachliche Art und Weise von Semir mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert wurde. Aber natürlich blieb ihm nichts übrig, ausser ihm zu zu stimmen. Sie hatten nur noch einmal darüber gesprochen, und Ben sagte zu Jenny, dass er es nicht gerne sagen möchte. Die junge Frau stimmte ihm zu, aber sie spürten beide immer wieder, dass auf der Arbeit etwas zwischen ihnen stand. "Entweder ihr sagt es ihm, oder ihr lasst es, dann vergesst aber euer schlechtes Gewissen. Aber dieses Kindergartenspiel, also bitte.", machte ihm Semir zwar freundschaftlich, aber klar eine Ansage.Es war fast eine Erlösung, als das Funkgerät knarzte und Jennys Stimme sich meldete. "Cobra 11 für Zentrale." Die beiden blickten sich kurz an. "Was is?", wollte Semir von Ben wissen, denn normalerweise funkte immer der Beifahrer. "Möchtest... du nicht... vielleicht.", druckste Ben herum und sah seinen besten Freund flehend an, der gerade zu einer verbalen Ohrfeige ausholen wollte, bis er merkte dass sein Partner ihn veräppelte. "Pass bloß auf, sonst wird heute das Mittagessen gestrichen, du Sack." "Cobra 11 hört." "Wir haben eine Meldung über den Fund eines leblosen Mädchens hinter der Leitplanke bei Kilometer 33, RTW ist bereits informiert. Seid ihr in der Nähe?" Jenny hörte sich beinahe normal an, auch wenn sie jedesmal ein wenig zusammen zuckte, wenn sie Bens Stimme hörte. "Ja sind wir, wir rollen mit Eile."
Semir schaltete die Blaulichtanlage an, und beide Männer wechselten innerlich in den Arbeitsmodus. Ein lebloses Mädchen, das konnte manchmal sehr aufs Gemüt schlagen, aber beide waren erfahren genug sich ein Schutzschild aufzubauen gegen diese Eindrücke. Gerade bei schweren Unfällen war das auch bitter nötig, doch selbst heute noch brannte sich so manches Bild in die Seele der beiden Kommissare. Sie brauchten nur wenige Minuten bis zu Kilometer 33, der RTW kam ihnen gerade entgegen und musste noch bis zur nächsten Ausfahrt weiter, um auf die richtige Fahrspur zu gelangen. Mit Warnblinker hielt Semir hinter einem blauem VW Passat, Ben brauchte nur wenige Minuten um einen Warnkegel weit hinter dem Auto aufzustellen. Ein älterer Mann stand auf dem leicht abschüssigen Gras hinter der Leitplanke, eine Frau kniete daneben und hielt die Hand eines etwa 9 oder 10jährigen Mädchens, und blickte Semir von unten an. Der Polizist konnte das Alter gut einschätzen, denn seine eigene Tochter Ayda war 10, und hatte gerade die Schule gewechselt. Sie hatte sich für einen Gang aufs Gymnasium entschlossen, aufgrund ihrer guten Grundschulnoten, worüber Semir und Andrea besonders stolz waren. Das kleine Mädchen hatte dunkle Haare, die wild um ihren Kopf gefächert lagen, sie war blass um die Nase und hatte die Augen geschlossen. Die Frau hatte eine Jacke über den Körper des Mädchens gelegt, scheinbar war sie aber bekleidet, wie Semir an dem Arm, und den Füßen des Mädchens sehen konnte, die unter der Jacke hervorlugten."Gerkhan Kripo Autobahn, guten Tag." stellte sich Semir vor, zeigte nur kurz seinen Ausweis. "Sie haben die Kleine gefunden?" Beide nickten, und die Frau übernahm das Wort. "Wir mussten halt machen, weil sich unser Wagen komisch anhörte. Ich bin ausgestiegen, und habe die Kleine sofort hier liegen sehen... furchtbar. Aber sie lebt noch, aber ihr ist bestimmt kalt." Es war zwar draussen noch recht angenehm, aber je nachdem wie lange sie schon lag konnte die Körpertemperatur deutlich zurückgegangen sein. Ihre Händchen jedenfalls fühlten sich eiskalt an, wie auch Semir bemerkte, als Ben hinter ihm ebenfalls über die Leitplanke kletterte und seinen Ausweis zeigte. "Der Krankenwagen kommt jede Minute." Der Puls des Mädchens konnte Semir nur schwach fühlen, aber er war fühlbar, was ihn erleichterte. Ansonsten hatte das Mädchen im Gesicht keinerlei Blessuren und lag friedlich da, als würde sie schlafen. "Ist ihnen etwas aufgefallen?", fragte der erfahrene Kommissar. "Sie lag sonderbar da... sie ist sicher nicht einfach gefallen. Sie lag auf dem Rücken, hatte die Beine akkurat nebeneinander und die Hände gefaltet auf dem Bauch. Als wäre sie absichtlich so abgelegt worden.", erzählte die Frau. Sie hatte die Lage verändert, als sie die Hände genommen hatte, um das Mädchen aufzuwecken. "Sie ist aber einfach nicht wach zu bekommen." Einen Unfall konnten die beiden Ermittler schon mal ausschließen. "Ich schau mich mal um.", sagte Ben und ging ein wenig die Böschung hinunter von der Autobahn weg, während sein Partner versuchte, die Frau etwas zu beruhigen, die sich rührend um das Mädchen kümmern wollte.
Ben stapfte durchs hohe Gras, und konnte sofort Spuren von platt getrampelten Gräsern entdecken. Die Spur führte zu einem Trampelpfad, der die Böschung hinab bis zu einem recht gut befestigten Feldweg führte... leider ein Feldweg, der so gut befestigt war, dass darauf keinerlei Reifenspuren sichtbar waren. Der Weg führte ein Stück an der Autobahn entlang, zweigte mehrmals über Felder ab, über die Ben jetzt blickte. Er sah sich um, hörte das Rauschen der Autobahn nur noch im Hintergrund und ging den Weg zurück, wobei seine Augen nur dem Boden folgte. Von dem Feldweg war die Fundstelle gut zu sehen. Auf halben Weg fiel ihm ein Zigarettenstummel ins Auge, denn er mit einer Plastiktüte aufhob. "Na, da haben wir doch schon was. Rauchen gefährdet nicht nur ihre Gesundheit.", meinte er zu sich und brachte den Fund mit zu dem kleinen Auflauf, der sich mittlerweile gebildet hatte, denn der RTW kam an, zwei drahtige junge Notfallhelfer sprangen über die Leitplanke und nahmen sich sofort dem Mädchen an. Semir und Ben nahmen noch die Personalien der beiden Zeugen auf, während die Ärzte das Mädchen auf eine Trage packten und Richtung Rettungswagen schoben. "Könnt ihr schon was sagen?", fragte Semir, und machte sich nach so kurzer Zeit nicht alzu viel Hoffnung auf eine hilfreiche Antwort. "Den Pupillen nach zu urteilen, scheinbar eine Bewusstseinstörung." Als Semir nicht sofort antwortete, schob der studierte Notfallhelfer noch ein deutlicheres: "Tiefes Koma.", hinterher. Der erfahrene Polizist blickte zu dem jungen Kerl auf und lächelte beinahe gütig. "Danke, ich weiß was eine Bewusstseinsstörung ist. Wir folgen euch ins Krankenhaus, damit wir in den Sachen der Kleinen vielleicht etwas finden, was auf ihre Identität hindeutet." Der Kerl nickte, schloß den Krankenwagen und dieser fuhr mit Blaulicht sofort in Richtung Krankenhaus. Dem älteren Ehepaar riefen die beiden Polizisten noch den ADAC, und sie selbst entschieden sich, Hartmut anzurufen, der mit einer kleinen Truppe den Fundplatz des Mädchens checken sollte... denn beide hatten das dumpfe Gefühl, es hier mit einem Verbrechen zu tun zu haben...
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Kneipe - 21:00 Uhr
Semir hatte Kevin am Nachmittag angerufen. Sie luden ihn ein, in ihre Stammkneipe. Essen, trinken, fröhlich sein, dass sie diesen doch recht unangenehmen Fall so gut rumbekommen hatten, und den kriminellen Ring hinter Gittern trocken gelegt hatten. Ausserdem hätte er heute im Lagebericht gelesen, dass die rechte Hand von Kühne innerhalb des öffentlichen Ringes von Bienert festgenommen wurde. "Wenn das kein Grund zu feiern ist, hmm?", sagte Semir am Handy, und Kevin nickte. Ja, komischerweise fühlte er sofort große Lust heute abend aus zu gehen, zu feiern und mit seinen Freunden zusammen zu trinken. So oft hatte er im Gefängnis daran gedacht, dass er durch seine Verschlossenheit andere vor den Kopf stieß, und dass er sich dahingehend ändern wollte... wieder einmal. Und so war auch Semir angenehm überrascht, dass der junge Kollege sofort zusagte.
Kevin ging unter die Dusche, zog sich frische Klamotten an, und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, die wie immer mit ein wenig Haarspray ungezähmt wirken sollten. Dann nahm er seine leichte Jeansjacke vom Haken, zog sie sich übers Shirt und verabschiedete sich bei Kalle. "Rufst mich an, wenn ich dir die Klamotten wieder in den Knast bringen soll, ja?", war ihre Verabschiedung.Es dauerte nicht lange, und irgendwann waren alle in der Kneipe versammelt. Sie hatten sich einen Tisch dicht am Kicker und an der Dartscheibe gesichert, an der sich nun Hotte und Dieter nacheinander versuchten, während Kevin, Ben, Semir und Andrea am Tisch saßen, und den Kommentaren der beiden ungleichen Streifenpolizisten lauschten. "Hotte, du trittst jedesmal über beim Werfen. Hier ist die Linie.", beschwerte sich Bonrath und zog mit dem Fuß eine imaginäre Linie über den Kneipenboden. "Ich gleiche nur den Vorteil aus, denn du durch deine Größe hast. Du bist mit der Scheibe auf Augenhöhe.", lachte Hotte und warf einen Pfeil sehenswert in die Triple-Twenty, woraufhin ihm der ganze Tisch applaudierte. Im gleichen Moment kam die Chefin zur Kneipentür herein und hob beschwichtigend die Arme, als würde sie den zufälligen Applaus auf sich beziehen, womit auch sie die Lacher auf ihrer Seite hatte. Alle fühlten sich wohl an diesem Abend, sorgenfrei... ausser Ben.
Er schaffte es einfach nicht die Gedanken an Jenny beiseite zu legen, wenn er Kevin ansah, oder mit ihm sprach. Er zwang sich, so normal und so witzig wie sonst immer zu sein, was ihm auch größtenteils gelang. Und trotzdem kam ihm immer wieder Jennys Gesicht in den Sinn, als er bei ihr lag, durch ihre braunen Haare strich und die sanften Lippen küsste. Dass Jenny mit etwas Verspätung noch zu der Gruppe stieß, machte es für den Polizisten nicht einfacher, die Gedanken abzuschütteln. Auch Hartmut kam kurze Zeit später, entschuldigte sich bei allen für die Verspätung. Thomas Bienert war der letzte in der, mittlerweile recht großen Runde, der alle begrüßte und sofort eine Runde auf sich bestellte, ob der Unterstützung in seinem Fall.Sie unterhielten sich, sie tranken und lachten miteinander, bis ein türkisch aussehnder Mann mit zwei XXL-Pizzaschachteln zur Tür reinkam und Semir per Handschlag begrüßte. "Essen ist da.", verkündete der erfahrene Polizist und stellte eine der Schachteln in die Mitte des Tisches, und eine schob er direkt Kevin vor die Nase. Er nickte seinem türkischen Freund dankbar zu, der sich alsbald wieder verabschiedete. "Soll ich die etwa alleine essen?", fragte der Polizist mit einem Grinsen, und spürte plötzlich, dass alle am Tisch ihn ansahen, und die Gespräche verstummten. "Wenn sie dir schmeckt...", meinte Semir mit einem verschmitzten, erwartungsfrohen Lächeln. Als Kevin den Pappdeckel des Pizzakartons anhob, überkam ihn eine Gänsehaut. In dem Karton lag keine Pizza, sondern ein kleiner, eingeschweißter grüner Polizeidienstausweis, ein Gesicht, das ihn melanchonisch ansah, und ihn selbst zeigte, allerdings einige Jahre jünger.
Alle am Tisch begannen erfreut zu grinsen, als sie Kevins Leuchten in den Augen sahen, und er seinen Dienstausweis in die Hand nahm. Semir fand als Erstes die Sprache wieder: "Herzlichen Glückwunsch zu deiner Rehabilitation.", sagte er und klopfte dem jungen Freund auf die Schulter, und alle am Tisch begannen zu klatschen. "Die Innere hat mir heute grünes Licht gegeben. Da sie in meiner Abteilung zuletzt angestellt waren, hatte ich das Vergnügen, sie quasi wieder in den Dienst einzustellen.", sagte Anna Engelhardt, ebenfalls mit einem Lächeln, während Bienert scherzte: "Dann kannst du ja am Montag bei mir anfangen." Er hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Kevin würde sich für seine Dienststelle entscheiden, und bei der Drogenfahndung anfangen. "Ich danke euch allen...", sagte Kevin sichtlich berührt, denn lange Zeit hatte er nicht mehr damit gerechnet, jemals wieder in den Polizeidienst zurück zu kehren. Er bestellte sofort eine weitere Runde für alle.Hin und wieder versuchte Kevin, mit Jenny ins Gespräch zu kommen, doch es schien, als prallten zwei fremde Menschen aufeinander, die nicht wüssten, über was sie sich unterhalten sollten. Kevin wunderte sich darüber sehr, hatte er Jenny doch als so fröhliches Mädchen kennengelernt, als Frau, die wusste was sie wollte und die auch nie um einen Witz verlegen war. Sollte die Vergewaltigung soviel in ihr kaputt gemacht haben? Hin und wieder lächelte sie scheu, sie wirkte auf einmal schüchtern und nicht mehr so lebensfroh, wie zuvor. Auch unterhielt sie sich lieber und auch ausgiebiger, offener mit Andrea oder Semir, statt mit dem jungen Polizisten.
Jenny selbst wusste natürlich wieso... sie konnte dem jungen Mann, der ihr als einziger Zugang zu seinem Seelenleben ermöglicht hatte, und ihr in einer schweren Stunde beistand und ihr einen Halt im wilden Ozean bot, nicht in die Augen blicken. Sie hatte das Gefühl, jedes Wort dass sie ihm sagte, wäre eine Lüge weil das schlechte Gewissen sie plagte. Jenny konnte sich einfach nicht frei von dem Gedanken machen, mit Ben geschlafen zu haben und gegenüber Kevin einfach in nichts verpflichtet zu sein. Ja, sie hatten sich geküsst in einem sehr emotionalen Augenblick. Aber sie waren doch nicht... nicht zusammen. Sie waren kein Paar, Jenny ist Kevin nicht fremdgegangen, und verdammt, wenn er sich Hoffnungen auf sie machte, konnte sie doch nichts dafür. Doch kaum hatte sie diese Gedanken gedacht, überschlug sich ihre Gefühlswelt. War das schlechte Gewissen doch ein Indikator dafür, dass ihr Kevin mehr als nur als guter Freund etwas bedeutete, und das Schäferstündchen mit Ben vielleicht eine Ersatzhandlung dafür war, wie schmerzlich sie Kevin vermisste. Sie blickte kurz zu Ben, während der sich mit Kevin unterhielt. Nein, Liebe war das nicht, was zwischen ihr und Ben passiert war. Eher eine tiefe Zuneigung, einem Moment beidseitiger Traurigkeit, die sie beide versuchten, einander zu bekämpften. Ben, der sich weiter Vorwürfe um Kevins Situation machte, und Jenny, die Kevin einfach nur vermisste und mit den Nachwehen der Vergewaltigung kämpfte. Doch das schlechte Gewissen nagte an ihr, als sie von Kevin kurz am Ärmel gezupft wurde. "Kommst du mal kurz mit nach draussen?" Jenny schluckte und nickte zaghaft, bevor sie Kevin folgte.Ben sah den beiden hinterher, und seine Gedanken überschlugen sich im Takt der gedämpften Musik. Er blendete die Gespräche um ihn herum aus, und sah nur durch die Glastür auf eine Art Innenhof, wo sich meist die Raucher versammelten, wie Kevin mit Jenny sprach. Sie stand ihm gegenüber und hatte eine Art Abwehrhaltung eingenommen, in dem sie die Hände vor der Brust verschränkte. Kevin hatte seine in die Taschen seiner Jeans versenkt, ein Bein angewinkelt und sah mit leicht schief angelegtem Kopf zu Jenny hinunter. Er sprach mehr als sie, meist zuckte sie ein wenig mit den Schultern und ihr Blick streifte immer wieder von Kevins Gesicht weg, bis er kurz Ben durch die Fensterscheibe trat, der reflexartig wegschaute. Oh Gott, sie erzählt es ihm... sie erzählt ihm, das wir zusammen geschlafen haben, schoss es ihm durch den Kopf. Das würde den Abend sprengen, da war er sich sicher.
Semir bemerkte, dass Ben die beiden beobachtete, und schubste ihn ein wenig von hinten an der Schulter. "Na? Die beiden werden wohl noch unser Traumpaar, was?", meinte er grinsend, und Ben lächelte nur bitter. "Ja... wäre doch schön... oder?", sagte er und seine Fassade bröckelte nun endgültig. "Eifersüchtig?", grinste sein älterer Freund und schüttelte ihn nun scherzhaft mit beiden Händen an der Schulter, was Ben sofort unterband. "Weißt du, was ich dir letztes Mal noch erzählen wollte... im Auto... als ich dich gefragt habe, was dich an mir enttäuschen würde?", fragte er, und sein Kollege bemerkte, wie ernst sein Freund war... was eigentlich gar nicht zu ihm passte, vor allem nicht auf Partys. "Was wolltest du mir denn erzählen?" Ben blickte umher und beugte sich zu Semirs Ohr. Es klang, wie ein Geständnis, als würde es ihm leidtun, und es erleichterte sein schlechtes Gewissen überhaupt nicht: "Ich habe vor einigen Tagen mit Jenny geschlafen... nachdem wir in der Disco waren." Er blickte wieder auf zu Semir, und die Blicke der beiden Kollegen trafen sich. Semir, der den ganzen Abend schon am Grinsen war und bester Laune, gefror der Gesichtsausdruck. "Du hast was?", fragte er, doch er hatte genau verstanden, was Ben gesagt hatte. "Das ist nicht dein Ernst... Oh Mann." Der ältere Kollege schüttelte den Kopf, und Ben zuckte entschuldigend mit den Schultern. Hatte er wirklich Verständnis erwartet? Eher nicht... vor allem weil Semir wusste wie sein Freund im Bezug auf Frauen tickte... aber ausgerechnet mit Jenny, wo er wusste dass sie und sein Freund Kevin sich nahe standen. "Weiß er es?", fragte Semir und nickte kurz in Richtung der Glastür, hinter der Kevin und Jenny standen. "Bis jetzt nicht.", meinte Ben kleinlaut. "Na, hervorragend..."Zur gleichen Zeit standen sich Jenny und Kevin draussen gegenüber, und der letzte warme Sommerwind strich der braunhaarigen Frau durch die Frisur, obwohl es ein Innenhof war. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, und sah Kevin beinahe etwas herausfordernd an, warum er sie jetzt mit nach draussen gebeten hatte. Kevin selbst steckte seine Hände bis zum Anschlag in die Taschen seiner Jeans, als würde er sich dann besser fühlen. "Ich hab das Gefühl, dass du mir... ausweichst.", sagte er in ruhigem Ton, ohne beleidigt oder gekränkt zu wirken. Er hatte Jennys merkwürdiges Verhalten bemerkt, und Kevin war ein Typ der direkten Worte... er wollte wissen, was los war. Jenny spürte, wie es ihr eiskalt den Rücken herunterlief, als ihr darauf nicht sofort eine passende Antwort einfiel. Was würde passieren, wenn sie jetzt sagen würde, was zwischen ihr und Ben vorgefallen war? Wie würde Kevin reagieren? Wieder alles hinschmeißen? Endgültig mit allen brechen? Oder schätzte er die Freundschaft mit ihr gar nicht so innig ein, als dass es ihm etwas ausmachen würde? "Ich weiß nicht...", sagte sie entschuldigend. "Das war alles... etwas viel in letzter Zeit. Die Vergewaltigung... deine Verhaftung." Sie zuckte mit den Schultern. Nein... sie könne es nicht... aber sie musste doch. Der Engel trieb sie an, doch der Teufel auf der anderen Seite riet ihr zur Lüge. "Ich hab das Gefühl, dass dich etwas anderes belastet... im Bezug auf mich." Kevins Menschenkenntnis war nicht zu verachten, etwas was er bei der Mordkommission gelernt hatte. Jenny wurde innerlich immer nervöser, sie fühlte sich an die Wand gedrängt, und hatte das Gefühl, sie müsse etwas unternehmen. Sie hatte das Gefühl, jetzt aufgeben zu müssen, oder durchbrechen zu müssen. Sie ergriff Kevins Hand, die sie aus seiner Hosentasche zog und blickte zu ihm auf. "Ich... ich war so froh, dass du dich mir geöffnet hast, und du nach der Vergewaltigung für mich da warst.", sagte sie und Kevin spürte wie ihr Hand zitterte. "Aber dann... war es so schwer... als du nicht da warst... und da." Ein kleines Stück noch... sie würde das schaffen... sie würde... sie verließ gerade der Mut. Sie blickte in Kevins Augen, die gar nicht mehr so kalt wirkten, wie damals... seine Seele fühlte sich gar nicht mehr so hart an, wie er sie ihr beschrieben hatte. Und sie wäre dafür verantwortlich, wenn sich alle geöffneten Türen wieder schließen würden. "Ich bin einfach froh, dass du wieder draussen bist..." Dabei fiel sie Kevin um den Hals.
Ben beobachtete die beiden, als sie wieder ins Lokal traten. Die Umarmung hatte er nicht gesehen, weil er da gerade Semir ins Ohr flüsterte. Er fing Kevins Blick auf, und spürte, wie es ihn durchdrang... oder bildete er es sich nur ein? Schaute er ernster als vorher? Hatte er die Fäuste geballt? Ben überkam Panik... sie hat es ihm gesagt... verdammt. Auch Jennys Gesicht hinter Kevin wirkte so ernst, so verzweifelt...
Erst als sich Kevin neben ihn saß und mit ihm mit Bier anstieß, seine Mundwinkel sich hoben, spürte Ben dass er so langsam Gespenster sah. Kevin lachte, er war immer noch so fröhlich wie vorher. Nur Semirs tadelnder Blick in Richtung seines besten Freundes war echt... den bildete Ben sich nicht ein. Irgendwann müsse er die Wahrheit sagen...ENDE
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Endlich gehts auch mal um Susanne. Mir fallen auf die schnelle ehrlich gesagt nur "Rattennest" und "IM Aus" ein wo Susanneim Mittelpunkt steht. Ansonsten meist nur Sekretärin.
Und direkt eine Folge davor
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Ich finde deinen Schreibstil klasse, habe alle Kapitel sofort verschlungen. Sehr realitätsnah, man kann sich die Figuren vorstellen, du hast eine gute Lebensgeschichte ausgearbeitet, alles wirkt stimmig.
Bin gespannt auf die nächsten Kapitel.
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Kevins Wohnung - zwei Tage später
Eine Meldung der Inneren ließ auf sich warten. Kevin hatte das beinahe geahnt, als er gerade am offenen Fenster mit freiem Oberkörper auf der Fensterbank saß, und an seiner Zigarette zog. Die Haare waren noch feucht, er war am Morgen 15km joggen gewesen und war danach unter die Dusche gesprungen. Bienert hatte ihm gestern noch versichert, bei der Inneren vorgesprochen zu haben, und dass er knapp davor war, sich in den Staub zu werfen, damit sie die Rehabilitation des jungen Polizisten vorantrieben und schnell abschließen würden. Darüber musste Kevin lachen, er hielt es etwas für übertrieben, dennoch vertraute er dem erfahrenen Drogenfahnder und blieb geduldig.
Das Telefon klingelte, als Kevin seine Kippe gerade in den Aschenbecher, der am offenen Fenster stand, ausgedrückt hatte. Er schwang seine Beine von der Fensterbank und ging zum Küchentisch, wo sein Handy lag. "Ja?", meldete er sich und erkannte sofort Bienerts Stimme am Apparat. "Hier ist Thomas." "Thomas... gibts was Neues?", fragte Kevin sofort, der sehnte sich nach Arbeit, so komisch es auch klang. Doch er konnte das Kopfschütteln beinahe hören, als Bienert kurz aufseufzte, und er wieder keine guten Nachrichten für Kevin hatte. "Tut mir leid... noch habe ich nichts gehört." "Hmm...", murmelte der suspendierte Polizist, und wunderte sich, warum sich der Drogenfahnder überhaupt meldete. "Aber ich habe eine anderen Überraschung für dich. Wenn du vorbeikommst, zeige ich sie dir..." Kevin stimmte zu und versprach, in einer halben Stunde bei ihm zu sein.JVA - 11:30 Uhr
Die Überraschung hatte ihm gut getan... und davon war er ermutigt, noch einmal an den Ort zurück zu kehren, in dem er die letzten Tage verbracht hatte. Er bat den Wärter an der Pforte, sich frei bewegen zu dürfen. "Ich würde ihnen das nicht empfehlen... einige kennen sie bestimmt noch.", sagte der Mann, der wie seine Kollegen immer noch ein wenig geschockt waren, welch kriminellen Machenschaften direkt unter ihren Fittichen abgelaufen waren, und dass sogar einige ihrer Kollegen mit drin gehangen haben. Aber Kevin winkte ab, und bestand darauf. "Dann wird sie einer unserer Männer begleiten. Alles andere ist gegen die Vorschriften." Dem stimmte der Polizist dann seufzend zu, und ein großer, kantig gebauter Wärter folgte dem jungen Mann durch den grauen, kahlen Flur.
Zuerst schaute er bei Jerry in die Zelle, doch der Boxer war dort nicht. Auch im Gemeinschaftsraum konnte er seinen alten Freund aus früheren Tagen nicht entdecken. Als er sich dem Trainingsraum näherte, konnte er seine Stimme hören. "Was macht ihr denn da? Soll das Boxen sein? Das sieht aus, wie Schwangerschaftsgymnastik für Gehbehinderte!" Unweigerlich legte sich ein breites Grinsen auf das Gesicht des Polizisten, als er in den Raum eintrat. Im Ring standen zwei recht junge Kerle, die etwas unbeholfen versuchten, aufeinander einzuprügeln. Jerry stand ausserhalb und hatte sich mit den Armen auf die Ringe gestützt. Ohne ein Wort stellte sich Kevin direkt neben ihn und blickte hinauf in den Ring. "Schau es dir an...", sagte Jerry, ohne eine Begrüßung. "So hast du früher auch angefangen." Der eine Junge landete mehr aus Zufall einen Aufwärtshaken im Ziel seines Gegners. "Sei froh, dass ich dich mittlerweile als "zu alt zum Umhauen" sehe.", konterte Kevin. "Ihr steht rum wie angeschraubt! Das ist kein Standsport, Boxen hat was mit Bewegung zu tun, Herr im Himmel!", schrie Jerry dann wieder nach oben, doch er war mit Herzblut dabei. Kevin legte ihm die Hand auf die Schulter: "Ich wollte mich nochmal für deine Hilfe bedanken.", sagte er, doch Jerry wiegelte sofort ab: "Ich hab mich zu bedanken. Durch den Boxkampf habe ich wieder etwas gefunden, was mir Spaß macht... und durch dich sehe ich wieder so etwas wie einen Sinn, wenn ich rauskomme." Es war das Schönste, was er Kevin sagen konnte.Nach der Verabschiedung von Jerry blickte Kevin bei Thomas in die Zelle, doch der ehemalige Geiselnehmer war ebenfalls nicht da. "Ich glaube, Herr Stern ist im Besucherraum.", sagte der begleitende Wärter mit sonorer Stimme, und führte den suspendierten Polizisten dorthin. Durch eine Glasscheibe in der Tür zu den Besucherräumen, wo sich Gefangener und Besucher gegenüber saßen, sich durch eine Glasscheibe betrachten konnten und mit den Telefonhörern unterhalten konnten, konnte er sehen, wie Thomas mit dem Rücken zu ihm saß, und sich angeregt unterhielt... mit Jessy, seiner Schwester. Er schien ihr gerade die Geschehnisse von den letzten Tagen zu erzählen. Kevin musste lächeln, als er Jessys Gesicht betrachtete... sie hatte Farbe im Gesicht, sah lange nicht mehr so unglücklich aus, wie bei seinem letzten Besuch. Ihre Augen drückten mal Ungläubigkeit aus, mal Entsetzen, einmal lachte sie. Dann sah sie Kevin im Rücken von Thomas durch die Scheibe, und ihre Augen wurden groß. Für einen Moment schien sie Thomas nicht mehr zu zu hören, als der Polizist ihr ein stummes Lächeln schenkte, dass sie ebenfalls lächelnd erwiederte. Er wollte Thomas nicht die Zeit mit seiner Schwester stehlen, und so drehte er sich wieder um.
An seiner alten Zelle fand er nun auch Philipp, der seine Nase wie immer in ein Buch gesteckt hatte. "Du bekommst irgendwann eine Buchstaben-Phobie.", sagte Kevin zur Begrüßung als er eintrat. Philipp schaute schreckhaft nach oben, und atmete durch, als er seinen Zellenkumpel Kevin erkannte. Er lächelte etwas scheu. "Na, was soll ich sonst hier drin tun?" Er drehte sich auf dem Stuhl zu dem Polizisten, der sich auf seinem alten Bett niederließ. "Hast du den Schock gut verdaut?" Der kleine Bankräuber nickte: "Ja, es geht wieder. Ich hab zwar zweimal schlecht geträumt... aber seit ich weiß, dass alle hier weg sind, gehts mir besser. Thomas hat immer ein Auge auf mich, und Jerry wollte mich zum Boxen mitnehmen.", grinste er verlegen. "Aber Angst vor den Typen habe ich immer noch."Kevin lächelte ebenfalls, und stand auf. "Das hat sich aber erledigt... du ziehst um." Philipps Lachen erfror. "Aber... aber... warum?" "Beschluß der Staatsanwaltschaft. Sie denken, dass du hier drin noch gefährdet bist, durch die Übergriffe von vorher... und man will dich bei der Aussage vor Gericht in einem Stück haben.", sagte der Polizist mit todernster Miene. "Aber... ", stammelte der kleine Kerl. Es kam so überraschend. Es klang schon verlockend, in ein anderes Gefängnis zu kommen, raus aus diesem Loch, wo ihn niemand kannte. "Es ist ein kleines Gefängnis, es sind keine Schwerverbrecher drin, und du hast eine Einzelzelle... was ganz anderes als hier. Ich hab mich für dich stark gemacht. Es ist ein Geschenk.", sagte Kevin lächelnd, und Philipp wurde etwas bleich. Er senkte sein Gesicht, und seine Schultern zuckten. "Das ... das habe ich nicht verdient...", sagte er leise, und Kevin zog überrascht die Augenbrauen nach oben. "Warum das? Was meinst du?"
Philipp wagte es nicht, den jungen Polizisten anzusehen, und seine Augen schienen den Boden abzusuchen... zu unwohl fühlte er sich plötzlich. "Ich... ich hab gewusst, was Jerry bei dem Boxkampf mit dir vor hatte. Ich habe Hendrik und ihn in der Bibliothek belauscht." Kevin hörte aufmerksam zu, war zwar überrascht, aber nicht geschockt. "Und... ich... ich habe dir nichts gesagt.... weil...." Philipps Stimme begann zu zittern, er schämte sich so sehr, schämte sich für seine Angst und seine Feigheit. "Weil du Angst hattest?", vollendete Kevin den Satz, der keine Frage, sondern eine Feststellung war. Der kleine Kerl konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und nickte. "Ja... ich hatte solche Angst... Wenn die erfahren hätten... dass ich gelauscht habe... die hätten mich... mich...", schluchzte Philipp hemmungslos, und rieb sich die nassen Augen mit seinen Hemdsärmel. Er tat Kevin leid, und selbst wenn er gewollt hätte, hätte er dem kleinen Kerl niemals einen Vorwurf machen können, dass er nicht den Mumm besaß, ihn zu warnen. Kevin ging zu ihm hin, nahm ihn am Arm und zog ihn zu sich, als sich scheinbar sämtliche angestaute Traurigkeit und Enttäuschung in Philipp entluden, und er hemmungslos, fast wie ein kleines Kind, an Kevins Schulter weinte.
Erst als er sich nach Minuten beruhigte, gab der Polizist ihm einen kleinen Klaps und meinte mit ruhiger Stimme: "Pack deine Sachen... ich nehme dich mit zu deinem neuen Zuhause."Mit einer großen Sporttasche voll mit Klamotten sah sich Philipp noch einmal den kargen Flur an, bis er mit Kevin zusammen durch die Sicherheitsschleuse trat. Der Polizist zeigte das nötige Papier, und die Wärter fragten ihn zum Glück nicht nach dem Ausweis, weil sie natürlich von dem Einsatz vor zwei Tagen mitbekamen, dass er ein Kollege war... nur dass er noch suspendiert war, das wussten sie nicht. Sie händigten Philipp seine Wertsachen aus, der sich wunderte, dass die nicht Kevin nahm und er sein Handy selbst in die Jeans schieben durfte. So betrat er im gleißenden Mittagssonnenlicht, das die Luft nochmal herrlich erwärmte, auch wenn der Sommer sich den Ende zuneigte, mit seinem neuen Freund die Freiheit. Klar war er auch auf dem Hof, aber die Sonne hatte er in den letzten Monaten öfters nicht gesehen. Zu seinem schmalen Körper hatte er noch abgenommen, und er war blasser, als er in den Knast reingegangen war. Er setzte sich auf den Beifahrersitz von Kevins Privatwagen, der den Motor startete. Die Adresse, zu der er jetzt fahren würde, hatte er sich vorher herausgesucht, und dort auch bereits angerufen, und seinen Besuch angekündigt.
Philipp wunderte sich, dass Kevin den Wagen nicht auf die Autobahn lenkte, sondern von der Innenstadt erst durch ein Wohngebiet fuhr. Natürlich kam Philipp die Gegend bekannt vor, denn hier war er zu Hause. Er wohnte in einem 8-Parteienhaus mittlerer Lage, was er damals gerade so bezahlen konnte. Langsam dämmerte ihm, dass etwas nicht stimmte. "Wo fährst du hin?", fragte er unsicher, und Kevin antwortete, ohne den Blick von der Straße zu nehmen: "Zu deinem neuen Zuhause." Das hatte er eben schon mal gesagt... aber er hatte doch von einem anderen Gefängnis gesprochen. Die Straße, in der er wohnte, rückte immer näher, und sein Herz setzte aus, als Kevin genau in diese Straße einbog."Was... was...", stammelte der kleine Bankräuber, als er das Mehrfamilienhaus erblickte, vor dem eine kleine, blonde junge Frau stand. Sie war sicherlich zierlich gebaut, trug jetzt aber einen gewaltigen Schwangerschaftsbauch vor sich, auf den sie schützend die Hände gelegt hatte, nachdem sie etwas mühsam von der kleinen Treppe aufgestanden war. Ein älterer Mann hatte ihr dabei geholfen, er war ebenfalls nicht sehr groß, und seine grau-melierten Haare standen etwas unordentlich vom Kopf. Philipps Finger krallten sich in den Stoff, weil er so sehr zitterte, und schon wieder stiegen ihm Tränen in die Augen, als er Kevin anblickte, der den Wagen auf dem Gehweg gegenüber hielt. "Du... du ermöglichst mir einen Besuch bei meiner Freundin... bevor ich in den neuen Knast muss?", fragte er ungläubig, und Kevin sah herüber zu ihm. Mit fast todernster Miene schüttelte der Polizist den Kopf. "Nein." und zögerte kurz, bevor er den Zettel von eben aus seiner Hosentasche zog. "Bienert und ich haben dem Staatsanwalt erzählt, wie sehr du mir bei den Ermittlungen geholfen hast. Du bist wegen guter Führung vorzeitig entlassen.", und dabei hielt er Philipp den Entlassungsschein unter die Nase. Der kleine Kerl blickte zwischen dem, langsam lächelnden Kevin und dem Schein hin und her, unfähig zu einem Wort, geschweige denn sich zu bewegen. "Du bist ein freier Mann, Philipp. Und jetzt bist du zu Hause." "Oh Gott...", flüsterte er... und konnte sich nicht mehr im Auto halten, als er sah, dass seine Freundin, gestützt von ihrem Vater, vor Freude ebenfalls hemmungslos weinte. Er stieg aus dem Wagen aus, dachte auch nicht mehr an die Tasche im Kofferraum und lief mit verschwommenem Blick über die Straße um seine Freundin fest in die Arme zu schließen. Beide weinten ohne Scham, unfähig auch nur einen klaren Satz heraus zu bringen. Sein Schwiegervater in spe stand neben ihnen, ebenfalls gerührt, und betrachtete seine Tochter und den Vater seines Enkelkindes.
Kevin ließ den dreien ihren Moment, und wartete einige Minuten, bis sie sich schluchzend trennten, um dann aus zu steigen und Philipp die Tasche zu bringen. Er wollte dieses Willkommen absolut den dreien lassen, und würde Philipp sicher nochmal besuchen die Tage. Doch als er sich schon zum Gehen wandte, hielt Philipp ihn am Arm fest. "Warum hast du das getan? Ich habe dir gar nicht geholfen." Der Polizist sah denm kleinen Kerl in die Augen. "Doch, das hast du.", sagte er mit ernster Stimme. "Du hast mir gezeigt, dass der Stärkste schwach ist, wenn er alleine ist... und der Schwächste stark, wenn er gute Freunde hat." Philipp konnte nicht anders, und schloß den Polizisten noch einmal in die Arme... -
Ich war mir nicht ganz sicher, eigentlich ist es weder Epilog noch Prolog, sondern eher etwas... dazwischen ... Ich mach es besser weg.
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oder in dem einen Kapitel wird er aufgeklärt und in dem letzten fährt er dann weg. Nein, bitte nicht!
Das hatten wir ja erst
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Guten Morgen,
Ein kleiner Appetithappen auf meine nächste, in Kürze beginnende Story. Ich hab da eine Handlung im Kopf, die ich eigentlich schon als Nachfolger von "Drive-By" hatte, an die ich mich aber selbst nicht wirklich herangetraut habe, und dann kam die Idee mit "Lebenslänglich". Jetzt habe ich den Faden aber wieder aufgegriffen und die Hauptidee etwas abgeändert, und ich glaube, dass ich mir das Thema und die Storyidee zutraue.
"Lebenslänglich" bekommt nur noch zwei Kapitel die Tage, dann gehts richtig los mit "Komakinder."
Viel Spaß!
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Krankenhaus
Wachte sie, oder träumte sie? Das kleine Mädchen nahm ihre Umgebung wie einen Traum, wie einen Film unter einem leicht verschwommenen Schleiere wahr. Sie wusste nicht genau wo sie war, um sie herum war alles weiß und ohne Kontur. Auch spürte sie nicht, ob sie mit beiden Füßen auf dem Boden stand, ob sie irgendwo lag, oder saß... sie schien inmitten des weißen Raumes, der voll von gleißenden Licht war, zu schweben. Das Mädchen tastete nach irgendwas zu ihren Seiten und griff ins Leere, sie lauschte angestrengt auf Geräusche, doch kein Ton drang an ihr Ohr.
Sie bekam Angst, denn sie wusste nicht, wo sie war. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug, wie sie anfing zu zittern und ihre Tränen langsam aufstiegen. Die 10jährige war ein aufgewecktes Mädchen, aber sie war niemals besonders mutig oder stark, als dass sie diese Situation, in der sie sich befandt, einfach so wegsteckte. Wenn doch wenigstens jemand kommen würde, und ihr sagen würde, was gerade mit ihr passierte, doch es war als schwebe sie durch einen weißen, nicht existenten Raum, ohne jeglichen Anhaltspunkt. Das einzige, was sie deutlich vernehmen konnte, war ihr Herzschlag... lauter als sonst, vom Gefühl her stärker als sonst. Es war, als würde ihr Herz sich gegen die Rippen pressen, als seien die schützenden Knochen ein Gefängnis und der kleine pochende Muskel rannte mit jedem Schlag dagegen an, um auszubrechen. Sie wollte ihr Herz ertasten, wollte spüren, wie es in ihrer Brust schlug, aber sie konnte nicht. Obwohl sie das Gefühl hatte, ihre Arme zu bewegen und ihre Finger auf die Brust zu legen, passierte nichts. Sie war nicht angekettet, sie war nur unfähig die Signale ihres Gehirns in Bewegeung umzusetzen. Sowas hatte sie in ihrem kurzen Leben noch nie erlebt, und das machte ihr Angst.Allmählich begann sich, aus der weißen Umgebung ein Bild heraus zu schälen, je mehr sich das kleine Mädchen auf die Farben konzentrierte. Sie konnte ein Gestell vor sich sehen, wenn sie den Kopf nach unten drehte... sah sie geradeaus, sah sie ebenfalls eine Art Gestell. Lag sie in einem Bett? War das erste Gestell das Fußende? Sie konnte den Blick wenden, obwohl sie den Kopf nicht drehte... es machte ihr Angst. Die Frau, die neben ihr saß, und eine kleine Hand zwischen ihren Händen hielt, konnte das Mädchen erkennen. "Mama!", sagte sie laut... aber sie hörte ihre eigene Stimme nicht. "Mama!!", sendete ihr Gehirn nochmal als klares Signal an ihre Stimmbänder, aber nichts tat sich, und ihre Mutter reagierte auch nicht auf ihr Rufen.
Am Fußende erkannte sie schließlich ihren Vater, und wieder rief sie laut: "Papa!", ohne einen Ton ihrer Stimme zu vernehmen. Sie ängstigte sich darüber immer mehr. Ihr Vater, der von der Größe her eher ein kleiner Mann war, hatte sich auf das Gestell am Fußende gestützt, hatte Tränen in den braunen Augen und sah hilflos zu seiner Frau, die ebenfalls mit geröteten Augen auf ihre kleine Tochter blickte. Nur verschwommen konnte das Mädchen hinter ihrem Vater noch zwei Männer erblicken... einen konnte sie klar erkennen, der andere stand noch etwas dahinter, und war nur verschwommen für sie wahrnehmbar. "Onkel Ben? Kannst du mich wenigstens hören?", fragte sie tonlos, während ihr Vater sich verzweifelt abwendete. Auch Onkel Ben reagierte nicht auf das Rufen des kleinen Mädchens.Sie hatte Angst... sie wusste nicht, ob sie wach war, oder träumte. Keiner schien sie zu hören, und überhaupt schien sie die Kontrolle über ihren Körper völlig verloren zu haben. Ayda hatte panische Angst, denn sie wusste nicht, was los war...
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Dienststelle - 19:15 Uhr
Die Abendsonne tauchte die Fensterfront der Dienststelle in ein glutrotes Licht. Fast alle Jalousien waren nach unten gelassen, damit die Beamten, die in der PAST die Nachtschicht übernahmen, nicht von der tiefstehenden Sonne geblendet wurden. Der Mercedes rollte mit den drei Freunden innendrin auf den Parkplatz und hielt dort, Semir hatte Kevin gebeten noch mit zu kommen, denn sie hatten alle in der Dienststelle gewartet, nachdem die beiden Polizisten über Funk Verstärkung für die JVA gerufen hatte. Andrea saß noch an ihrem Computer, und wartete sowieso auf ihren Mann, Jenny ging mit Bonrath noch einige Protokolle durch und Hotte unterhielt sich mit Hartmut, hatte bereits seine zivile Kleidung an und seine altmodische Batschkapp auf dem Kopf, doch es würden ihn keine zehn Pferde hier rausbringen, solange er nicht wusste, ob die Helden es geschafft hatten. Natürlich hatte sich die ganze Sache langsam aber sicher rumgesprochen, und keiner der Mitarbeiter hatte bezweifelt, dass Semir und Ben längst dabei sind, ihrem Freund zu helfen.
Obwohl Kevin nur einige Wochen nicht hier war, fühlte es sich, mit den Knasttagen dazwischen, wie eine Ewigkeit an. Er trat durch die Eingangstür der Dienststelle mit Semir und Ben, der schelmisch "Willkommen zu Hause.", gesagt hatte, und schritt zusammen mit ihnen durch die Klapptür, die den Eingangsbereich von dem Flur zum Großraumbüro abtrennte. Das geschäftige Gemurmel war nur leise zu hören, denn es waren, ausser den vorgenannten, nicht viele Beamte im Büro, als die drei Männer eintraten.
Hotte stand zuerst auf, und strahlte übers ganze Gesicht, als er sah dass Ben und Semir es geschafft hatten, Kevin aus dem Gefängnis zu holen. Er ging auf die drei zu, und schüttelte allen die Hand, während er nur "Ihr Teufelskerle.", sagte. Natürlich entschuldigte sich der dicke Polizist bei Kevin für dessen Veilchen, was er ihm bei dem Einsatz auf dem Rastplatz mit der Beifahrertür beschert hatte, während Bonrath sich dem Händeschütteln anschloß. "Kein Problem, Hotte... es ging eh unter nach dem Boxkampf.", meinte Kevin grinsend. Auch Hartmut kam dazu, grinste über beide Backen und meinte schmunzelnd zu Kevin: "Wegen den beiden jagt mich irgendwann die NSA. Ich musste ihnen deine Ermittlungsakte knacken." Nicht nur die zwei Autobahnpolizisten waren immer wieder erstaunt über Hartmuts Arbeit, auch Kevin nickte anerkennend und bedankte sich. "Hartmut, ich habe mittlerweile den Verdacht, du BIST die NSA.", lachte Ben und schlug dem Rothaarigen KTU-Leiter auf die Schulter, der ebenfalls lachen musste, während Andrea Kevin ebenfalls freundschaftlich umarmte. Sie hatte mit dem jungen Mann nicht alzu viel zu tun bisher, aber sie fand es schön von ihm, dass er sich um Jenny gekümmert hatte nach der Vergewaltigung. Ausserdem sagte sie ihm leise: "Du kannst stolz auf solche Freunde sein.", weil sie von Semri genaustens wusste, wie schwer es dem jungen Mann fiel, Vertrauen aufzubauen. Er kam nicht umhin, ihr zustimmend zu zu nicken, nach ihrer kurzen freundschaftlichen Umarmung. "Da hast du wohl recht.", sagte er mit seiner markanten Stimme, während Andrea ihn anlächelte und sich kurz danach von Semir in den Arm nehmen ließ.
Jenny stand bei der ganzen Szenerie dahinter, fast ein wenig abseits, und sie spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Sie hatte schon ein Zwicken in den Magen bekommen, als sie den Mercedes vorfahren gehört hatte, und die erste Freude darüber, dass Kevin gesund aus dem Gefängnis gekommen war, wich sofort der Unsicherheit, als sie ihn sein Gesicht blickte. Die Unsicherheit, wie sie ihm gegenüber begegnen sollte, wie Ben ihm gegenüber begegnet war... hatte er vielleicht schon etwas gesagt? Nein, das würde Ben nicht einfach so tun, sie würden sich erst darüber unterhalten, ganz sicher. Aber war Ben eher ablehnend, oder normal? Eher distanziert?
Was sie dann sah, wie Ben und Kevin miteinander lachten, schien es als würde er seine eigene Unsicherheit überspielen, und sich nichts anmerken lassen. Jenny konnte dies nicht so gut, und das merkte auch Ben, als sich ihre Blicke für einen Moment trafen, und der Polizist die Hilflosigkeit ihrer Kollegin deutlich spürte.
Ihr Herzschlag setzte aus, als sich ihr Blick mit Kevin kreuzte, als sie dann vor ihm stand und Kevin die junge Frau in seine Arme schloß. Es fühlte sich, auch wenn es nur ein recht kurzer Moment war, so gut an als sie ihren Kopf auf seine Schulter legte, die Arme um seinen Hals schlang und seine Hände auf ihrem Rücken spürte. Zuerst kam ihr der Abend auf ihrer Couch wieder in den Sinn, vor der Vergewaltigung als er ihre Zuneigung versuchte abzuwimmeln, obwohl sie spürte, dass er es nicht so meinte... und sie es schaffte, einen Zugang zu seinem Herzen aufzubrechen, ihn seine Seele einzudringen, und sie spürte dieses warme Gefühl in sich aufsteigen. Doch es wurde sofort verdrängt von den Gedanken an Bens Berührungen, in der Nacht nach dem Diskobesuch, in der sich der Polizist und Jenny so lange unterhalten hatten, in denen sie sich beide ihr Herz ausschütteten und schließlich es nicht bei Küssen und Streicheleinheiten blieb. Eine Gänsehaut überfiel sie bei dem Gedanken, und sie löste sich aus Kevins Umarmung, und ihr Lächeln geriet äusserst mühsam, als sie leise sagte: "Schön, dass du wieder da bist." Beide wollten nicht darüber sprechen, was Kevin letztendlich bewogen hatte, bei Jennys Vergewaltiger aufzutauchen, ihn zusammen zu schlagen... war es die Wut, das Trauma um seine Schwester, das Kevin antrieb, oder doch eine stärkere Zuneigung zu Jenny, als er sich zugeben wollte... er wollte es jetzt nicht erörtern, und doch spürte er Jennys Zurückhaltung.
Die Chefin in ihrem Büro hatte natürlich mitbekommen, dass Kevin quasi "von den Toten auferstanden" war. Sie kam ebenfalls nach draussen und reichte Kevin ihre Hand... mit souveränem, aber auch etwas entschuldigenden Gesichtsausdruck. Anna Engelhardt konnte nicht verleugnen, dass sie sehr an Kevins Unschuld gezweifelt hatte... zu wenig kannte sie ihn, zu präsent waren die Eindrücke auf sie, die er mit seinem Geständnis seiner Jugendsünden hinterlassen hatte. Sie wusste, dass Ben und Semir auf eigene Faust ermittelte, sie rief ihre Männer einmal vorschriftsmäßig zur Raison... aber natürlich hätte sie die Ermittlungen nicht unterbunden, solange die beiden nicht irgendwelchen anderen Dienststellen aufs Dach gestiegen wäre.
Sie streckte dem jungen Mann die Hand entgegen, so wie es Erwin Plotz vor wenigen Stunden auch getan hatte um ihn zurück in der Freiheit zu begrüßen. Sie verlor kein Wort der Entschuldigung, und anders als bei Plotz stammelte sie sich nichts unehrliches zurecht. Deshalb nahm Kevin die Hand an, denn er wusste dass Anna Engelhardt ihre Prinzipien hatte wie er, die sie streng verfolgte. Selbst wenn er gewusst hätte, dass sie nicht an seine Unschuld glaubte, er hätte es ihr nicht verübeln können, genauso wie er wusste, dass sie nur ihren Job tat, als sie ihn suspendieren musste. Ausserdem hatte er das mit seinem Geständnis quasi selbst provoziert, und es gab kein böses Blut zwischen ihm und der Chefin, als sie dennoch augenzwinkernd sagte: "Es wird unbedingt Zeit, dass ich besser wisse, wie sie ticken." Kevin schmunzelte, und seine beiden Freunde verstanden diesen Satz sofort richtig... die Chefin kannte Semir aus dem FF, Ben ebenfalls. Da konnte sie jede Aktion, jeden Satz und jede Reaktion richtig einordnen. Bei Kevin fiel ihr das schwer, nicht nur weil sie ihn nicht kannte, sondern weil er auch so unnahbar schien.
Er fühlte sich müde und erschöpft, nachdem er seinen Freunden noch bis zur Einbruch der Dunkelheit erzählte, was er im Knast erlebt hatte, von der Begegnung mit seinem Geiselnehmer Thomas, der ihm sogar half, von dem kleinen Bankräuber Philipp, und seinem Mentor Jerry... der sein eigenes Leben riskiert hatte, nur um Kevin zu verschonen. Alle hörten interessiert zu, und stellten auch hin und wieder mal Fragen, es war wie eine kleine Erzählstunde. Jenny verabschiedete sich als Erste, sie sei müde und wollte nach Hause. SIe umarmte Kevin noch einmal flüchtig zum Abschied, der bemerkte, dass sie sehr still war den ganzen Abend. Ben folgte ihr, kurz "Ich muss kurz ans Auto", murmelnd, nach draussen. Vor der Tür hielt der Polizist seine Kollegin kurz am Arm fest: "Wir müssen es ihm irgendwann sagen.", sagte er ohne Umschweife, hatte er doch bemerkt wie zurückhaltend und unsicher Jenny Kevin gegenüber getreten war. Die junge Frau wich aus: "Ja... also... aber nicht... nicht jetzt. Warte bitte noch." Ben fühlte sich unbehaglich in seiner Haut: "Warum willst du noch warten? Das ist unfair ihm gegenüber. Ich kann ihm nicht mal in die Augen sehen. Kevin ist nicht blöd, er wird es irgendwann merken." Jenny wollte es ihm nicht sagen... sie fühlte sich zerrissen, denn innerlich hatte sie die Nacht mit Ben nicht als Fehltritt verbucht, nicht als einmalige Sache... sie erwischte sich dabei, wie sie häufiger an ihn dachte, und schaute den Mann mit den Wuschelhaaren hilflos an. "Ich weiß... aber bitte. Ich brauche noch etwas Zeit." Mit diesen Worten drehte sie sich um, und eilte zu ihrem Auto, ließ Ben hilflos zurück, der die Hände in die Seiten stemmte und die Lippen zusammenpresste.
Kevin kam nach Hause in die gemeinsame Mietwohnung, wo er zusammen mit seiner Ziehmutter Kalle, einem Transvestit zusammenlebte. Kalle trat früher in einem Klub von Kevins Vater, der sich nie um seinen Sohn gekümmert hatte, auf und versuchte ihn und seine kleine Schwester möglichst eine halbwegs normale Kindheit zu bescheren, was natürlich nicht klappte. Kallte war auch oft nicht da, und ein Transvestit war halt weder eine richtige Mutter, noch ein richtiger Vater. So begrüßte sie den Heimkömmling auch nicht mit einer Umarmung, was sowieso nicht zu ihr gepasst hätte, sondern mit: "Na, das ging aber schnell. Bei deinem Vater konnte ich immer mit ner Woche rechnen." Dabei schlug sie dem jungen Mann in den Nacken und packte ihn dort, während sie ihn an sich vorbei in die Wohnung schob, und Kevin grinste über diese "typische" Begrüßung seitens Kalle. -
JVA - 17:30 Uhr
Es ging vieles drunter und drüber in der Justizvollzugsanstalt in Köln, nachdem dort der Drogenring endgültig aufgeflogen war. Zunächst kamen zwei Rettungssanitäter in den Gemeinschaftsraum, die sich um den verletzten Hendrik kümmerten, dessen Schusswunde letztlich aber eine ungefährliche Fleischwunde waren. Ben hatte bei seinem Rettungsschuss keine wichtigen Sehnen oder Muskeln erwischt. Bienert wurde über Funk angerufen, mit einigen Drogenspürhunden und Verstärkung anzurücken, während zwei Wärter noch verhaftet wurden, die sich gerade versucht hatten, mit Bargeld aus dem Staub zu machen.
Kevin setzte sich zu Philipp auf die Holzbank am Tisch, und legte seinen Arm um die schmalen Schultern. Der kleine Kerl hatte die Beine an den Leib gezogen und zitterte wie Espenlaub, nach dieser fuchtbaren Erfahrung, das Messer am Hals und die Pistole am Kopf zu spüren. Nein, sowas wollte er nie wieder erleben, er wollte doch nur überleben hier im Knast um in zwei Monaten heim zu können, zu seiner Frau und seinem Kind, das dann sicherlich schon auf der Welt war. Kevin versuchte ihm beruhigend zu zu reden, das alles okay wäre, dass nun alle verhaftet wären, doch der kleine Philipp dachte schon weiter. Er war immer noch im Glauben, Kevin wäre ein Undercover-Polizist und käme nun aus dem Knast heraus, damit wäre niemand mehr da, der ihn schützen könnte. Er konnte gar nicht sagen, ob das ihm gerade mehr Angst einjagte, als das Erlebnis mit Hendrik, oder nicht...Semir fühlte sich etwas unbehaglich, als er zusammen mit Kevin und Ben zu Thomas Stern ging, um sich für die Hilfe zu bedanken. Vor allem Kevin umarmte den kräftigen Mann, der ihn vor Monaten noch als Geisel genommen hatte, was nicht nur auf Ben und Semir einen grotesken Eindruck machte. "Das war als Dankeschön, dass ich meine Schwester sehen darf.", sagte er, denn es bedeutete ihm genauso viel wie seiner Schwester, dass sich die beiden nun regelmäßig sehen konnten, und miteinander reden durften. "Bedank dich dafür bei Ben.", sagte Kevin wahrheitsgemäß und Thomas schüttelte dem Polizisten lächelnd die Hand. "Danke, dass sie Kevin geholfen haben.", sagte Semir und auch er schüttelte dem Mann die Hand, dessen Bruder er in einem finalen Rettungsschuss erschossen hatte. Thomas war damals bereits weitsichtig genug, keinerlei Rachegefühle zu hegen, er dachte damals rational, zwang sich dazu, und verschob seine Alpträume auf die Nacht. So hatte er auch weniger ein Problem damit, Semir die Hand zu geben, als der Polizist selbst. Bevor sie die JVA verließen, nahm Kevin Thomas nochmal beiseite, und nickte in Richtung Philipp: "Pass auf den Jungen auf. Er hat hier drin niemanden, der ihm hilft, okay?" Thomas versprach es, und das gleiche sagte der Polizist dann auch noch zu Jerry.
Für die Kölner Polizei wurde es eine organisatorische Herkulesaufgabe. Alle Gefangenen, die in der Drogensache mit drin hingen, wurden auf verschiedene Gefängnisse in ganz Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz verteilt. Niemand sollte Kontakt mit einem Mittäter haben, einzig Jerry blieb in der JVA, als sicher war, dass er in keinster Weise mehr in Gefahr war. In einem stundenlangen Verhör mit Thomas Bienert packte Kevins Freund aus über die Machenschaften hinter Gitter, sagte gegen die Wärter aus, die sich bestechen ließen und mit verdienten. Er belastete vor allem Hendrik, seinen Freund der ihn umbringen lassen wollte, schwer.
Auch Kevin steuerte mit seinen Aussagen Beweise dazu, die reichen würden dass alle Mittäter einige Jahre mehr hinter Gitter verschwinden würden, und Bienert lieferte er auch viele Hinweise auf die Drogengang ausserhalb der JVA-Mauern. "Zur ganz großen Razzia reicht es zwar noch nicht...", sagte der erfahrene Drogenermittler zufrieden. "... aber Schawasky wird nervös werden, jetzt wo die große Schnittstelle zur Polizei weg ist, und die Hälfte seiner Einnahmen wegfallen." Kevin nickte zufrieden, er hatte das Bein quer über das andere gelegt und die Hände im Schoß gefaltet.Vor dem Verhörraum wartete auf Kevin noch eine Überraschung, auf einem der Besucherstühle saß die dickliche Erscheinung von Erwin Plotz. Er hatte zeitweise im Nebenraum mitgehört, und erhob sich nun schnaufend, als Kevin ihn erblickte. Die beiden Männer traten sich gegenüber, und Kevin provozierte durch sein Schweigen, aber seinen Blick einige Worte von Plotz. "Tja... hmm.", murmelte der, als er sich die rechten Worte parat legte. "Scheinbar habe ich eine Begabung dafür, an kriminelle Kollegen zu geraten... ähm...". Er merkte sofort, dass dies nicht der passende Vergleich war, als er auf Kevins Vergangenheit anspielte, und der Betreffende legte den Kopf etwas schief, als höre er nicht recht. Hinter ihm fasste sich Bienert grinsend an die Stirn und schüttelte den Kopf. "Jedenfalls... wollte ich... ähm, sagen dass es... ein Fehler war von uns. Nichts für ungut.", sagte der Mordermittler und streckte Kevin seine Hand hin, ohne ein klare Entschuldigung über die Lippen zu bringen. Für einen Moment blickten sich die so ungleichen Polizisten, die mal Partner waren, einander an, Plotz mit der ausgestreckten Hand in Richtung des jungen Polizisten, bis dieser mit seiner monotonen Tonlage in der Stimme wiederholte: "Nichts für ungut...", und an Plotz vorbeiging, ohne die ausgestreckte Hand zu ergreifen. So leicht konnte der junge Mann nicht verzeihen, hier baute er sich seinen Selbstschutz aus Arroganz wieder auf und er verweigerte dem Kollegen, der ihn oft gemobbt und unschuldig hinter Gitter gebracht hatte, den Handschlag. Bienert folgte ihm zum Fenster, wo sich Kevin eine Zigarette anzündete, während Plotz resignierend nickte und es seinem Ex-Partner nicht mal verübeln konnte, dass der so reagierte. Er blickte sich noch einmal kurz um und watschelte dann in Richtung Ausgang.
"Ich habe gehört...", murmelte Bienert leise durch den Zigarettenrauch, der Kevin umgab, "... er hätte das Beweisstück der Hautpartikel in deiner Hand dezent unter den Tisch fallen lassen. Er will die Prügel komplett Kühne anhängen. Dafür hättest du ihm wenigstens die Hand reichen können." Kevin blickte etwas gedankenverloren durch das weit geöffnete Fenster auf die Kölner Innenstadt, auf die Freiheit, die er momentan schmerzlich vermisste. "Wenn du wüsstest, was er in unserer gemeinsamen Zeit so alles getan hat... glaub mir, du würdest ihm auch nicht die Hand schütteln.", sagte er, ohne Bienert anzublicken. Der nickte nur und stellte keine weiteren Fragen.Zurück im Büro der beiden hatte Kevin allerdings noch ein Anliegen. "Du musst noch etwas für mich tun, Thomas." Der hob gleich beide Hände nach oben: "Ich habe mir schon ausreichend Argumente zurecht gelegt, um die Innere davon zu überzeugen, dass deine Suspendierung aufgehoben wird. Glaub mir, das ist nur noch...", doch er wurde von Kevins energischem Kopfschütteln unterbrochen. "Nein, nein... das meine ich nicht. Du musst noch etwas für zwei Gefangene tun." Thomas blickte erstaunt auf: "Also Jerry geht aus der Sache strafrei raus, als Kronzeuge... wen meinst du denn noch?" Der junge Polizist lehnte sich an einen kleinen Schrank in Bienerts Büro. "Thomas Stern und der kleine Philipp. Thomas hat mir da drin echt den Arsch gerettet..." Bienert blickte etwas hilflos: "Kevin... Thomas ist verurteilt wegen Todschlags, Menschenraub und räuberischer Erpressung... also, ich weiß echt nicht..." Ohne wirklich auf die Einwände einzugehen, fuhr Kevin fort: "Und Philipp hat im Knast nichts verloren. Der hat doch niemandem etwas getan." Der Drogenfahnder wog den Kopf hin und her. "Ich kann nichts versprechen, aber ich werde bei dem Oberstaatsanwalt nochmal vorsprechen." "Danke, Thomas.", meinte Kevin ehrlich und die beiden Männer schüttelten sich die Hände. "Hättest du keine Lust nach deiner Rehabilitation bei uns in die Abteilung zu kommen? Wir bräuchten solche Typen wie dich.", sagte der Abteilungsleiter des Rauschgiftdezernats, doch Kevin schüttelte den Kopf: "Nein danke... von Drogen versuche ich so weit es geht, Abstand zu halten." Dass er das mehr als nur doppeldeutig meinte, konnte Bienert nicht ahnen.
Jetzt war es endlich so weit... natürlich hatte nach den ganzen Festnahmen niemand bei der Staatsanwaltschaft mehr Zweifel daran, dass Kevin zu Unrecht im Gefängnis saß. Noch als sie gemeinsam die JVA verließen um die Verhöre zu führen, bekam er seine persönlichen Sachen ausgehändigt, sein Handy und seine Schlüssel. Beinahe mit Wohlwollen registrierte er nur 3 Anrufe in Abwesenheit, davon war einer von Kalle, einer von Jenny, und einer von seinem Vater, den er sofort löschte. Er genoß es, wenig gefragt zu sein, seine Handynummer hatten nur ganz wenige Menschen.
Jetzt, als er aus dem Gebäude der Kripo trat, an die laue Abendsonne, die gerade unterging, fühlte er sich erstmals wirklich, richtig frei. Er hörte die Autos auf der Straße, die Menschen in der nahen Einkaufspassage, die noch kurz vor Ladenschluß die Geschäfte fluteten, und er blinzelte durch die Strahlen der Abendsonne zu einem braunen Mercedes-Benz, an dem zwei Männer standen... einer klein mit kurzen Haaren, der andere etwas größer mit einem dunklen Wuschelkopf. Semir und Ben warteten auf ihren Freund, auf ihren Kollegen, mit dem sie nun schon das vierte Abenteuer erlebt hatten, und bei dem sie immer noch nicht wussten, wie er im Innersten wirklich tickte, Semir noch weniger als Ben. Und obwohl der sich unglaublich freute, dass er sich die ganze Zeit nicht in Kevin getäuscht hatte, so lag ihm dieses Wiedersehen mehr als schwer im Magen, hinsichtlich seiner gemeinsamen Nacht mit Jenny. Doch er wollte sich davon erstmal nichts anmerken lassen. Es würde bessere Momente geben, mit dem jungen Kollegen darüber zu sprechen. "Willkommen in Freiheit.", meinte Semir beinahe feierlich und die beiden Männer umarmten sich kurz. Es stand nichts zwischen Semir und Kevin, die beiden hatten sich am Ende ihres gemeinsamen Falles sehr gut verstanden und Semir hatte es geschafft, zu Kevin vorzudringen. Ben lächelte etwas schief, aber er überwand sein schlechtes Gefühl und auch er nahm Kevin kurz in die Arme: "Schön, dass du wieder draussen bist.", sagte er und war unendlich erleichtert, dass Kevin der Herzlichkeit nicht auswich. Seinen Fehltritt schien er ihm tatsächlich verziehen zu haben.
"Ich muss mich bei euch bedanken.", sagte Kevin, und blickte die beiden Autobahnpolizisten an. "Dass ihr an mich geglaubt habt... an meine Unschuld." Semir und Ben wollten darauf keine Floskel erwiedern, sie lächelten nur und Semir schlug seinem Kollegen auf die Schulter: "Dafür sind Partner da." Kevin spürte, wie er sich erneut einen Ruck geben wollte, den beiden endlich mehr Vertrauen, mehr Offenheit zu schenken, auch wenn es bei Ben damals schwer enttäuscht wurde. Aber das war Vergangenheit. "Ich hätte mir vermutlich selbst nicht geglaubt...", meinte der Polizist nachdenklich... -
Ohja, danke.