Die Krüger ist es auch nicht.
Lässt dieser Typ wohl meine Jenny los!!
Die Krüger ist es auch nicht.
Lässt dieser Typ wohl meine Jenny los!!
"neuer Oberstaatsanwalt" ... also wohl doch die Schrankmann... Puh.
Dienststelle - 17:30 Uhr
Ben war nicht zu beruhigen. Einerseits schwankte er zwischen erneut aufkommenden Schuldgefühlen gegenüber Kevins Situation, auf der anderen Seite war seine emotionale Seite im Bezug auf Thomas Bienert nicht mehr runterzubekommen. "Arschloch" war noch das netteste Komplimente, dass er während der Fahrt zur Dienststelle für den erfahrenen Drogenfahnder übrig hatte. "Er lässt Kevin am langen Arm verhungern. Für den zählt nur der Fahndungserfolg.", knurrte er weiter und sah mit resignierender Miene aus dem Fenster. Ein schreckliches Gefühl, Beweise für Kevins Unschuld in der Hand zu halten, und sie nicht einsetzen zu dürfen um den Freund endlich aus dem Gefängnis zu holen. Semir blieb still, als schien er nach zu denken. Er wollte nicht sagen, dass er Bienert verstand, aber zumindest konnte er dessen Verhalten nachvollziehen, sich in seine Person versetzen. Bienert arbeitete schon jahrelang daran, den Ring auffliegen zu lassen. Ausserdem kaufte Semir dem Drogenfahnder ab, dass er gerne Kevin helfen würde, wieder in den Job zu finden. Nein, so einfach war es nicht. Er würde seine einzige Chance im Gefängnis verlieren, man müsste wieder einen Undercover - Ermittler dort einschleusen, der vielleicht Monate brauchte, bis er sich das Vertrauen der Gang erarbeitet hatte... das Vertrauen, das Kevin scheinbar auch Jahre nachdem er die Gang verlassen hatte noch genoß.
Auf der anderen Seite stand die Gefahr, in der Kevin schwebte. Würde er enttarnt werden, könnte ihm niemand im Gefängnis im helfen. Er war Freiwild, er war ein Seiltänzer ohne Netz und doppelten Boden. Die beiden Freunde mussten gut überlegen, was sie jetzt tun würden. "Redest du noch mit mir?", wurde er von Ben aus seiner Gedankenwelt gerissen. "Hä? Ähm... ja natürlich.", sagte der Fahrer des Wagens etwas abwesend, als er den Wagen auf dem Parkplatz parkte. "Was machen wir jetzt?" Semir pustete erstmal durch und verharrte einen Moment hinter dem Lenkrad. "Erstmal Jenny erzählen, dass Kevin kein Mörder ist."
Bei dem Namen "Jenny" rutschte Ben sofort das Herz in den Unterleib. Da war doch noch was, was er Semir gerne gebeichtet hätte... da war schon wieder dieses kleine Biest, das sich "schlechtes Gewissen" nannte und grinsend aus den Tiefen seines Unterbewusstseins auftauchte, um Ben das Leben schwer zu machen. "Ja... das sollten wir.", meinte er stotternd, als sie ausstiegen und in die bekannte Geräuschkulisse der Dienststelle abtauchten. Jenny sah sofort auf, als die beiden Helden die Dienststelle betraten sah und ihr Blick war ein wenig hilfesuchend und äusserte den Wunsch "Bitte bringt gute Nachrichten." Semir lächelte, deutete mit seinem Blick auf das Büro, während Ben jeden Punkt im Großraumbüro kurz anvisierte... nur nicht Jenny.
Die junge Polizistin stand sofort von ihrem Schreibtisch auf und eilte zu Semir ins Büro. Sie schloß die TÜr des gläsernden Raumes, während Ben unter dem Schreibtisch abtauchte, um seine Schuhe zu binden. Nicht dass sie offen gewesen wären, aber er hatte plötzlich den Drang, ihren Sitz zu festigen. Semir erzählte, was sie an diesem Tag herausgefunden hatten, was sich erreignet hatte, Harrys Unfall und Bienerts Reaktion. Erstmal war Jenny erleichtert... es war nun sicher, dass Kevin kein Mörder war, niemand aus blinder Wur wegen ihr umgebracht hatte. Das fühlte sich gut an, und sie machte sich Hoffnung, dass er bald wieder aus dem Gefängnis kam... auch wenn dann eine Konfrontation der anderen Art auf sie wartete. Das spürte sie deutlich, als Ben wieder auftauchte, und sich die Blicke der beiden kreuzten, und ihr sofort wieder die letzte Nacht ins Gedächtnis kam. Bens Trost, seine starken Arme, sein kräftiger Körper, und wie sehr sie es genossen hatte, sich bei ihm völlig fallen zu lassen, sich völlig gehen zu lassen. Nein, die Nacht steckte tief in ihrem Gedächtnis und sie würde so schnell den Weg da raus auch nicht finden, das wusste sie bereits. Aber wie dachte Ben darüber, es schien ihm äusserst unangenehm zu sein, auch nur in Jennys Nähe zu sein.
Zum Glück konnten Gedanken nicht reden, sonst hätte Semir vermutlich sein eigenes Wort nicht mehr verstanden bei den ganzen Gedanken, die momentan bei Jenny und Ben unterwegs waren, als sie sich für einen Moment anblickten. "Wann... wann können wir ihn... rausholen?", fragte sie stotternd, denn sie bemerkte sowohl ihre eigene Unsicherheit, als auch die von Ben. "Naja... also... das ist nicht so einfach.", sagte Semir dann etwas niedergeschlagener. "Wir können die Beweise nicht verwenden. Man wird sie nicht anerkennen. Wir müssten das über Bienert machen, der ihn Schneiders Drogengeschäften ermittelt hat... oder über Plotz, der den Mordfall nochmal untersucht hat." Jenny lachte spöttisch auf, als sie den Namen des ekelhaften Mordermittlers hörte. Nein, auf den wollte sie sich nicht verlassen. "Was ist mit diesem Bienert?", fragte sie dann, und wieder druckste Semir ein wenig herum, während Ben immer noch schwieg und die Wattewölkchen am Himmel beobachtete. Der erfahrene Polizist erklärte Jenny, welche Beweggründe Bienert hatte, Kevin besser im Gefängnis zu lassen, versuchte es so neutral wie möglich zu erläutern. Diese Neutralität ließ Ben wieder wütend werden, denn er hatte immer kurz den Eindruck, dass Semir mehr auf Bienerts Seite stand, als auf der von Kevin. Auch Jenny konnte ihre Wut nicht unterdrücken. "Was fällt diesem Typ ein? Was ist, wenn Kevin etwas passiert?" "Der Ermittlungserfolg steht über allem." meinte Ben dann spöttisch und sah Semir demonstrativ an, der diesen Blick auch sofort deutete. "Ben bitte... ich versuche beide Seiten zu verstehen, wenns recht ist. Was ist denn, wenn Kevin die Möglichkeit, die er hat, den Ring auffliegen zu lassen, selbst will, um wieder in den Dienst zurück zu kehren?" An die Möglichkeit hatte Ben noch nicht gedacht, aber Kevins Kühnheit wäre es zu zu trauen. "Aber... das ist doch Wahnsinn.", meinte Jenny und der junge Polizist pflichtete ihr bei: "Ich weiß zumindest, dass du und die Chefin sowas nie erlauben würdest, wenn wir es offiziell machen würden." Damit hatte Ben ebenfalls recht.
"Wir sprechen mit der Chefin.", sagte Semir dann irgendwann und ließ sowohl Ben als auch Jenny aufhorchen. "Bist du des Wahnsinns? Weißt du was die mit uns macht? Fleischwolf ist noch gemütlich ausgedrückt.", sagte Ben und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. Auch Jenny sah ihren älteren Kollegen überrascht an. "Ich weiß nicht, ob das so gut ist...", war sie mit Ben einer Meinung, was ihr und ihm sofort wieder unangenehm war. Dabei blickte sie durch die Glasscheibe herüber zur Chefin, die immer noch arbeitete, aber auch bald an den Feierabend kam. Semir aber war der Meinung, dass die Idee nicht schlecht war: "Wir müssen sie einweihen. Lange können wir es nicht mehr geheim halten. Wir haben Beweise, dass Kevin unschuldig ist. Für die Staatsanwaltschaft gelten die Beweise nicht, für sie schon. Und ich bin mir sicher dass sie uns dann auch helfen wird." Ben beugte sich nach vorne in Semirs Richtung. "Du weißt doch selbst, dass sie nichts von Kevin hält. Wie kannst du dir so sicher sein..." "Die Chefin würde niemals einen Polizisten unschuldig im Knast sitzen lassen... schon gar nicht einen Freund von uns. Egal was sie von ihm hält." Semir kannte Anna Engelhard schon seit 17 Jahren, Ben erst 6 Jahre... und so nickte er zögerlich, aber noch nicht wirklich überzeugt. "Na gut... wenn du meinst...", sagte er zögerlich und sah dann erstmals wirklich absichtlich zu Jenny. Der erfahrene Polizist stand sofort auf, und ging aus dem Büro heraus. Jenny ließ ihm den Vortritt, blieb an der Tür auch kurz stehen, bis Ben auf ihrer Höhe war, und er kurz bei ihr stehen. Fast verstohlen, nicht sichtbar und für Sekundenbruchteile berührten sich ihre Hände und die beiden blickten sich an. "Ich glaube, wir müssen mal miteinander reden.", sagte der Polizist leise, und blickte Jenny direkt in die Augen... sie nickte nur stumm...
Auf einem Stuhl sitzt Tom da allerdings nicht, sondern ist an einem Ring oder Stein am Poolboden gebunden. (Sorry fürs Klugscheissen :D)
JVA - 17:00 Uhr
In der, ziemlich heruntergekommenen Sportanlage der JVA roch es nach Schweiß. Es war der typische Sporthallengeruch, den man einerseits verabscheute, andererseits mochte wenn man sich gerne hier aufhielt, um sich auszupowern. Die Stadt Köln hatte vor Jahren eine Menge Geld in die Hand genommen, um den Gefangenen zu ermöglichen, ihre Aggressionen in sportliche Energie umzuwandeln, es wurden Box und Selbstverteidigungskurse angeboten, jeder konnte sich in seiner Freizeit austoben wie er wollte. Ob an Sportgeräten, im Boxring, auf einem kleinen Handball- und Fussballfeld. Einige Wärter hatten immer ein wachsames Auge auf die Gefangenen, damit es nicht zu Ärger kommen konnte.
Jerry und Kevin waren neben dem Boxring auf Matten zugange. Kevins sonst abstehende Haare lagen feucht und flach an seinem Kopf, der Schweiß rann ihm nach wenigen Minuten schon aus allen Poren, tränkte sein Shirt und die Boxhandschuhe. Jerry hatte ihn erst 20 Minuten aufs Laufband geschickt, bevor er mit dem richtigen Training anfangen wollte. Es war eher eine Ablenkung für den älteren Freund, eine Ablenkung von seinen Gedanken um den morgigen Vormittag, wenn er den Boxkampf verabredet hatte. Er würde Kevin ans Messer liefern... konnte er das wirklich? Seinen Freund, den er damals auf der Straße hat aufwachsen sehen, umsorgt nur von einem Transvestit ohne Zeit, einer brutalen Jugendgang, der Vater sich nicht um ihm gekümmert. Konnte er das wirklich? Er sah Kevin eine Zeitlang stumm beim Laufen zu und erinnerte sich an soviele Dinge, die die beiden gemeinsamen durch- und überstanden hatten, damals.
"Fürhand!", rief Jerry laut, hielt die rechte Hand mit der Klatsche darum nach oben, auf die Kevin boxte. Sie standen sich gegenüber, Kevin mit erhobenen Handschuhen vor dem Gesicht und immer schnell und präzisse auf Jerrys Anweisungen boxend. Dabei drehten sie sich leicht im Kreis, damit der junge Polizist schnell auf den Beinen blieb und immer wieder auf Jerrys Kommando die Faust nach vorne schnellen ließ. "Du lässt die Deckung beim Schlagen fallen.", wurde er von Jerry korrigiert, der beim nächsten Mal, als ihm dies auffiel mit der freien Hand, auf die Kevin nicht schlug, seinem Schützling gegen die Schläfe schlug. "DECKUNG!", wurde er dann deutlicher, und Kevin erinnerte sich an das damals so strenge und schlauchende Training.
Jerry hatte selbst sogar offizielle Wettkämpfe geboxt, bevor er an die Drogen geriet. In der Jugendgang war er eigentlich kein Jugendlicher mehr, aber er war eine wichtige Bezugsperson. Er setzte es auch durch, dass man sich regelmäßig in der Boxschule traf, um den Jungs dort zumindest ansatzweise beizubringen, wie man sich anständig wehren konnte, ohne blind drauf los zu prügeln. Beim Training konnte der so fröhliche und gutherzige Mann gnadenlos werden, äusserst unangenehm und fordernd. "Schneller schlagen!", trieb er Kevin mit Worten an, die manchmal hart und unbarmherzig wirkten um jemanden zu pushen. Das Urteil konnte nachher sehr positiv ausfallen, wo von man während der Übung überhaupt nicht den Eindruck hatte, denn da hatte man durch Jerrys Kommentare den Eindruck, man mache alles falsch. "Kombination!", rief er dann und Kevin schlug zweifach, legte mit Links vor, ging zwei Schritte auf Jerry zu, der zurückwich und legte mit rechts zweimal nach. Es war anstrengend, und obwohl der junge Polizist eine gute Kondition hatte, hatte er lange nicht mehr so hart und so intensiv trainiert.
"Okay.", sagte Jerry dann nach anderthalb Stunden, und sein Freund ließ keuchend die Arme sinken. Der Drogendealer nickte anerkennend: "Bist schneller geworden.", meinte er und bedachte seinen Schützling mit sanften Schulterklopfen. "Schneller müde, oder was?", keuchte der und atmete tief ein und aus, in dem er die Arme über den Kopf hob und einatmete. "Nein, ich meine schneller generell. Explosiver, du reagierst besser.", konkretisierte sein Lehrer und machte klar, dass er dies diesmal nicht ironisch gemeint hatte. "Kickboxen, Karate.", sagte Kevin, weiter unter schnellem Atmen, bevor er sich langsam auf die Matte niederließ. "Habe ich gemacht, nachdem ich bei André war." "Wenn du Yanek schlagen willst, wirst du schnell auf den Beinen sein müssen. Er ist ein Koloss, er hat Kraft, aber keinerlei Schnelligkeit oder gute Technik. Im Prinzip ist er gut schlagbar, aber wenn er dich einmal trifft, ist es vorbei.", erklärte der Mann, der sich nun neben Kevin ebenfalls auf die Matte niederließ. Kevin nickte, wischte sich mit dem Unterarm übers Gesicht und fragte sich, ob so ein Kampf nicht etwas zu früh kam... aber er wollte seinem Freund den Gefallen tun, und je länger er mit Jerry wieder beisammen war, desto mehr vermisste er die alte Zeit... desto mehr Gewissensbisse bekam er, eigentlich dabei zu sein Jerry an Bienert auszuliefern.
"Wie lange bist du eigentlich noch hier drin?", fragte Kevin irgendwann, nachdem sie eine zeitlang ruhig nebeneinander gesessen hatten, und sich der Puls des Boxers langsam beruhigte. "Pfff, wen interessiert das. Ich will gar nicht hier raus.", meinte Jerry nachdenklich und wurde von seinem Nebenmann mit überraschtem Blick bedacht. "Du willst nicht raus?" "Nein... ich hab doch hier alles. Ich verdiene ein wenig Geld, ich bin mit Freunden zusammen, ich habe ein Dach über dem Kopf und drei Mahlzeiten am Tag." Der Mann grinste, und Kevin konnte nicht genau sagen, ob Jerry wieder einen blöden Witz machte, oder es wirklich ernst meinte. "Ich hab mein ganzes Leben lang nichts anderes getan als Boxen oder eben mit euch dealen, in Häuser einsteigen und so weiter. Glaubst du, das ändert sich von heute auf morgen?", fragte er und winkelte die Beine beim Sitzen auf der Matte ein wenig an. "Fürs Boxen bin ich zu alt, und für den Rest fahre ich eh irgendwann wieder ein. Dann kann ich auch gleich hier bleiben. Hier gehts mir gut." Kevin konnte diese Haltung nicht verstehen. "Gibt es denn nichts, was du hier vermisst?" "Kühles Bier... dann wäre es perfekt." Für solche Sprüche und das nachfolgende Grinsen liebte Kevin den Mann einfach.
"Was ist mit dir? Was vermisst du hier drin?", fragte Jerry dann irgendwann in die Richtung seines jungen Freundes. Der überlegte nicht lange und sprach, ohne Jerry direkt anzusehen. "Freunde... andere Freunde als ihr. Und Kalle.", wobei er lächelte und Jerry lachen musste. "Achja, Kalle. Deine Ersatzmama... hast du dich immer noch nicht abgekapselt?", witzelte er. "Im Gegenteil, ich bin wieder bei ihr eingezogen." "Und sonst? Freundin?" Kevin wog den Kopf ein wenig hin und her. "Vielleicht..." Konnte man das zu Jenny wirklich Beziehung nennen? Klar fühlte er sich zu ihr hingezogen, aber Liebe war so etwas großes... er kannte ihre Gefühle nicht einmal, ausser dass sie sich geküsst hatten, bevor die Vergewaltigung passiert war. "Was heißt Vielleicht... so etwas muss man doch wissen?", meinte sein Nebenmann. "Das ist kompliziert..." "Oh Gott, verschone mich...", lachte Jerry.
Auf einmal musste Jerry auflachen und schubste Kevin an der Schulter. "Weißt du noch, an deinem 14ten Geburtstag, als ich dich vom Gläserspülen bei deinem Vater abgeholt habe?" Kevin grinste sofort, obwohl ihm bei der Erwähnung seines Vaters eigentlich selten zum Lachen zu Mute war. "Du bist zu meinem Vater gegangen und hast getan, als wären wir verheiratet. 'Herr Peters, ich hole ihren Sohn jetzt ab.'". Die beiden Männer begannen zu lachen und sich anzublicken. "Er hat gefragt, was wir vorhatten um diese Zeit.", gluckste Jerry und sein Kumpel ergänzte: "Und du meintest eiskalt: 'Ich nehme ihn mit zu seiner ersten Nutte... da ich aber will, dass er gesund bleibt, halten wir uns von ihren Mädchen fern.' Der hätte dich am liebsten erschlagen." Jerry wusste damals schon von dem schwierigen Verhältnis zwischen Kevin und seinem Vater, und wollte mit dem damals sehr provokanten Spruch klarmachen: "Die Feinde meiner Freunde sind auch meine Feinde." Kevin hatte das sehr imponiert.
Das schlechte Gewissen nahm in beiden Männern Überhand... bei Kevin wegen Bienert, bei Jerry wegen dem geplanten Anschlag auf seinen Freund. Konnte er das wirklich? Aber konnte er auch wirklich sein eigenes Leben gegen das von Kevin eintauschen? Sollte er sich dem jungen Mann anvertrauen um gemeinsam eine Lösung zu finden? Alles aufgeben, was er hier hat und so gerne behalten möchte? Keine Lösung, die sich ihm anbot, klang wirklich zufriedenstellend.
Nach einer kurzen Zeit des Schweigens meinte Jerry dann: "Weißt du, woran ich mich auch noch erinnern kann?" Seine Stimme klang plötzlich seltsam nachdenklich, und Kevin signalisierte ihm durch Augenkontakt, dass er reden möge. "Als du dich mit 16 einem Kerl entgegen gestellt hattest, der ein Messer hatte und gerade deine Schwester ausrauben wollte. Ich konnte diesen Moment nie wirklich realisieren, als ich das gesehen hatte, was dieses Mädchen für dich bedeutet hat." Der junge Mann nickte nachdenklich. "Ja..", sagte er nur und sah von Jerry weg, der dann fortfuhr: "Genauso werde ich das Bild, als wir euch beide in der Gasse gefunden haben, niemals vergessen..." Mit einem Ruck sah der junge Polizist zu seinem Freund, seine hellblauen Augen wurden größer und der Mund stand vor Erstaunen ein wenig auf. "Du hast uns gefunden?" Jerry nickte stumm. Erst nach einigen Augenblicken sagte er: "Georg und ich waren abends unterwegs. Wir haben noch den letzten Schrei gehört, sind durch die Gasse... und haben erst Janine gefunden, und dann dich stöhnen gehört. Wir haben den Krankenwagen und die Polizei gerufen, und sind abgehauen, kurz bevor die eintrafen, damit man uns nicht erwischt, denn wir hatten beide etwas dabei." Langsam sah Kevin wieder von seinem Freund weg und fuhr sich mit der rechten Hand durch die feuchten Haare, dieses Geständniss schien ihn zu erschlagen. Letztendlich hatte Jerry ihm damals das Leben gerettet, auch wenn er oft schon, in depressiven Phasen, den Mann verflucht hatte, der ihn fand bevor er gestorben war.
"Wir waren damals alle erschüttert. Du weißt, dass für jeden in der Gang Janine eine Heilige war. Wir haben nach ihrem Mörder gesucht." Die beiden Männer saßen nebeneinander auf der Matte, während Jerry seitlich fest auf Kevin blickte, sah der geradeaus auf den Boden. "Aber wir haben nicht rausgefunden, wer es war." "Janines Mörder ist tot... Peter Becker hat an Janine Rache genommen für seinen Bruder, der im Boxring gegen mich verloren hatte und gestorben ist." Jerry nickte, weiter mit festem Blick auf Kevin. "Das habe ich vor anderthalb Jahren hier im Knast erfahren. Von Timmy." Wieder wandte Kevin den Kopf zu Jerry, die Augen zu Schlitzen verengt. "Er hat den Kerlen einen Tipp gegeben, dass ich auf meinem 18ten betrunken war. Er war der einzige, der aus der Gang da war." "Ich weiß. Er hat es damals erzählt, weil er dachte, dass wir beide im Streit damals auseinander gegangen sind. Das war ein Fehler." Jerrys Stimme klang plötzlich anders... kalt... gefühllos. "Ist er noch hier?", fragte Kevin, doch es war eher eine rhetorische Frage. Jerry schüttelte mit festen Blick in Kevins Augenpaare den Kopf. "Timmy hatte hier einen Unfall... kurz danach." Jerrys Stimmlage und sein Blick ließen keinen Zweifel zu, wie dieser Unfall zu stande kam... und in Kevin stieg erschreckenderweise keinerlei Erschrockenheit über Jerry auf, sondern eher Dankbarkeit...
Die beiden Männer fühlten sich seltsam verbunden, enger als vor Jahren, obwohl sie sich erst 3 Tage wieder gesehen hatten. Sie schwiegen, sie hingen beiden ihren Gedanken nach, Kevin musste da neu Erfahrene über seine Vergangenheit erstmal verarbeiten. Irgendwann meinte Jerry: "Vielleicht sollten wir den Kampf noch ein paar Tage verschieben, und mehr trainieren." Kevin blickte ihn an, und lächelte dann. Er wollte diese schwarzen Gedanken abschütteln, die dunklen Wolken mit einem Lächeln verscheuen. "Quatsch. Mit dir an meiner Seite morgen fühle ich mich absolut sicher. Ich werde Yanek schlagen." Dabei legte er einen Arm um Jerrys Schulter.
DIe DTM besteht nur ausTourenwagenrennen,
Ein Tourenwagenwagen ist ein Straßenwagen der zueinem Rennwagen umgebaut wurde.
Das gilt bei einem Tunnngwagen nicht zwingend.
Außerdem muss ein Tourenwagen, "zum normalen Verkauf an die Kundschaft bestimmt" sein.
Also vom Hersteller oder mit desssen Erlaubnis,
auch das ist bei Tuningwagen anders.
Diese Erklärung ist irreführend und nicht wirklich richtig.
Ein Tuningwagen ist ein aufgetunter, durch frei verkäufliche Tuningteile umgebauter Straßenwagen mit Straßenzulassung.
Ein Tourenwagen hat niemals eine Straßenzulassung. In der WTCC haben die Tourenwagen noch eine gewisse Ähnlichkeit mit Serienautos, was die Technik angeht, in der DTM bspw hat ein DTM-Wagen absolut nichts mehr mit einem Serienfahrzeug zu tun, ausser das grundsätzliche Design. Technik und Chassis ist vollkommen anders und ein reiner Rennwagen.
Die DTM ist eine reine Tourenwagenserie mit sehr serienfernen Fahrzeugen. Auf dem Nürburgring selbst gibt es aber durchaus auch Tuningrennen zu sehen, teilweise im Rahmen eines DTM-Wochenendes.
Die Schockwirkung wäre enorm...
Drogendezernat - 16:00 Uhr
Durch den Berufsverkehr, der sich langsam einstellte, kamen die beiden Helden nur langsam vorwärts. Ben wäre am liebsten über die Autos drübergeflogen, um möglichst schnell ins Drogendezernat zu kommen, und er hatte ein dringliches Bedürfnis, Bienert zur Rede zu stellen, doch sein erfahrener Partner bremste ihn schon vorab ein. "Wir müssen jetzt gut überlegen, Ben. Wir müssen den Kopf sprechen lassen, nicht den Bauch.", meinte er beinahe philosophisch, denn er konnte spüren, wie nervös sein Partner auf seinem Sitz hin und her rutschte. Und natürlich konnte Semir sich denken, dass Ben am liebsten sofort vorpreschen würde und Bienert an den Kopf werfen würde, wie er es nur wagen könnte, Kevin einer solchen Gefahr auszusetzen.
"Wenn wir jetzt mit der Tür ins Büro fallen, wird Bienert blocken. Wir müssen ihn überreden, zusammen zu arbeiten." Bens stummes Nicken reichte Semir nicht, es war wie ein lästiger Versuch, die Belehrungen endlich aufhören zu lassen. "Ben?", bat der Polizist auf dem Fahrersitz dann nochmal zusätzlich um Bestätigung seiner Worte, und erhielt von seinem Freund dann beinahe ein genervtes "Jahaaa". Ben war Semir für dessen weisen Worte oft dankbar, auch wenn der selbst nicht immer so souverän wirkte, vor allem wenn es um seine Familie ging... dann konnte bei Semir auch der Bauch und das Herz statt des Kopfes regieren. Aber manchmal fühlte Ben sich durch Semir auch bevormundet, als wolle der kleine Kommissar versuchen, seinen jungen Freund noch zu erziehen.
Diesmal klopften sie nicht an, sondern öffneten die Tür ins Büro des Drogenfahnders ohne Vorankündigung. Dieser blickte hinter seinem Schreibtisch überrascht auf, wie immer modisch gekleidet, mit seinen wachen souveränen Augen. "Ben, Semir? Was kann ich für euch tun.", fragte er überrascht, denn die beiden hatten sich nicht angekündigt. Semir schloß die Tür hinter sich, bevor er sofort, ohne Umschweife, aufs Thema kam und Ben sich noch zurückhielt. "Was geht da im Gefängnis vor sich?" Erstaunlich, dachte Ben... keinerlei Gefühlsregung in Bienerts Gesicht, kein zuckhaftes zur Seite schauen, was er hätte regestrieren können... er hielt den Blick auf Semir gerichtet, die Hände vor sich gefaltet. "Was meinst du?", fragte er und bot den beiden Platz an.
"Komm schon, Thomas.", sagte der ebenfalls erfahrene Autobahnpolizist, der seinem Kollegen erfahrungstechnisch auf Augenhöhe begegnete. "Hör auf uns anzulügen." Je länger Semir eben im Auto über die Situation nachgedacht hatte, desto sicherer war er sich, dass sie recht hatten. Im Gefängnis florierte der Drogenhandel ebenso, und Kevin wusste das. Hatte Bienert deswegen so zurückhaltend reagiert, als es darum ging, die Situation einzuschätzen? "Ich weiß nicht was du meinst.", beharrte er und Ben ballte die Hände unter dem Tisch zu Fäusten.
"Wir haben Hinweise, dass in der JVA der gleiche Drogenring aktiv ist, hinter dem du her bist... in den du Kevin einschleusen wolltest. Hast du uns über ihn die Wahrheit gesagt, nachdem du bei ihm warst?", fragte Semir nun gezielter und mit einer Prise Schärfe in der Stimme, doch von Bienert kam verbal keine Reaktion... allerdings hielt er dem Augenkontakt nun nicht stand. "Hast du Kevin nun in der JVA auf den Ring angesetzt?" Wieder keine Reaktion, als bräuchte der Drogenfahnder kurze Bedenkzeiten.
Ben reichte es.... doch sein Adrenalin kochte noch nicht hoch. Er griff stattdessen zu einer List, um Bienerts Reaktion zu prüfen... einer List, die Semir bewunderte und ihn am liebsten laut dafür gelobt hätte. "Wir haben Beweise, dass Kevin unschuldig ist. Wir könnten ihn noch heute Abend aus dem Knast holen lassen." Wieder reagierte Bienert... diesmal deutlicher durch seine Mimik. Der Blick sprang auf Ben, der sich mühsam unter Kontrolle hielt, der Mund öffnete sich etwas. Wenn sie Kevin aus den Knast holen würden, würde er seinen einzigen Mann dort verlieren. Mühsam, wie unter Schmerzen sagte der Drogenfahnder: "Kevin hatte schon Kontakt zu der Gang, bevor ich ihn besucht habe. Er kennt dort Leute von früher." Der junge Polizist mit den Wuschelhaaren sah aus dem Fenster, stand vom Stuhl auf und ging zweimal von der Tür zum Schreibtisch und wieder zurück, als würde er versuchen so seine angestauten Aggressionen ab zu bauen. "Aber du hast ihn darin bestärkt, weiter zu stochern?", fragte Semir, der immer noch ruhig auf seinem Stuhl saß, aber mit sehr bestimmender Stimme sprach. Bienert nickte verkniffen. Ja, er hatte ein schlechtes Gewissen, denn herzlos war Bienert nicht. Aber er war besessen davon, diesen Drogenring auffliegen zu lassen. "Kevin hat dort Ansehen. Er kennt die Leute, die dort drin sind. Niemand anderes hätte so schnell die Möglichkeit in diesen Ring zu kommen. Dass er in der JVA sitzt ist ein Zufall, der uns aber hilft.", versuchte der Drogenfahnder seine Beweggründe zu erklären. "Da läuft eine Riesensauerei, und er kann sie auffliegen lassen."
Ben verlor die Geduld, seine Stimme wurde lauter, und die Stimmung im Büro, die eh zum Schneiden war, drohte zu kippen. "Kevin ist völlig auf sich alleine gestellt.", rief er laut. "Er hat niemanden, der eingreifen kann, wenn etwas passiert, kein Wärter weiß, dass er Polizist ist. Was ist, wenn ihn dort jemand erkennt, der ihn schon mal verhaftet hat. Das wurde doch überhaupt nicht geprüft, als er festgenommen wurde." Semir sah Ben ein wenig tadelnd an, ob seines lauten Tons, aber er konnte seinen Freund auch verstehen. Die Sorge um ihren Freund nagte auch an ihm, doch er schaffte es, dass noch sachlich nach hinten zu schieben. "Ich bin mir um die Risiken durchaus bewusst. Aber Kevin hat die beste Tarnung, die er haben kann. Er ist als Mordverdächtiger festgenommen, und nicht unter irgendeinem Vorwand." "Das ist denen, die ihm dort drin ans Leder wollen, doch völlig egal. Ausserdem... was ist, wenn seinen alten Freunden nicht egal ist, dass er vorher Polizist war? Er trägt das volle Risiko.", sagte Ben und spürte, wie er vor Wut zitterte.
Bienert ließ sich von der aggressiven Stimmung anstecken. Die Souveränität in seiner Stimme wich dem Angriff. "Glaub mir, wenn ich die Möglichkeit hätte, hätte ich mich selbst eingeschleust, um die Gang auffliegen zu lassen. Aber die Möglichkeit habe ich nicht." "Nein... wie gut dass Kevin die Möglichkeit hat. Nur ist er dort drin völlig schutzlos, völlig ohne Hilfe." Bens Stimme wurde ebenfalls lauter und aggressiver, doch Thomas Bienert keilte zurück: "Kevin braucht keine Hilfe. Er hat sein ganzes Leben lang keinerlei Hilfe bekommen, und das Einzige, wobei ihr ihm geholfen habt, war, dass das, was er sich aus seinem verkorksten Jugendleben erkämpft hat, den Bach runtergegangen ist." Ein fieser Tritt gegen Ben, bezogen auf seinen Ausrutscher, was Kevins Suspendierung zur Folge hatte. Semir ahnte bereits, dass Ben diese Spitze nicht einfach schlucken würde, und als sein Freund bereits zwei, drei drohende Schritte auf Bienert, der sich mittlerweile erhoben hatte, zuging, sprang der kleine Polizist auf.
"So, Schluss jetzt!", rief er und hielt seinen Freund am Shirt fest. "Ich glaube, ihr habt sie nicht mehr alle! Wenn ihr jetzt aufeinander losgeht, nutzt das Kevin im Knast auch nichts." Ben ließ sich nur schwer beruhigen, schüttelte Semirs Hand ab, drehte aber auch seine Richtung weg von Bienert, wieder hin zur Tür. Er fühlte Verzweifelung in sich aufsteigen, denn der Drogenfahnder hatte recht... er war dran schuld, dass Kevin sein Leben riskieren musste, um vielleicht wieder eine Chance bei der Polizei zu haben. Bienerts Puls beruhigte sich auch wieder und langsam ließ er sich wieder hinter seinem Schreibtisch nieder. "Was hast du zu Kevin gesagt?", fragte Semir, der mittlerweile der Souveränste war. "Ich habe nur gefragt, ob er mehr rausbekommen kann... sonst nichts. Und dass ich ihn regelmäßig besuchen werde."
Semir nickte, er deutete zu Ben hin, sich wieder hinzusetzen, und sich zu beruhigen, doch Ben blieb stehen, die Hände in den Haaren. "Wir haben mehr herausgefunden. Scheinbar hängt auch jemand von der Polizei in der Sache mit drin. Ausserdem stimmt es, was Ben sagt... wir haben Beweise, dass Kevin unschuldig ist. Nur können wir die noch nicht der Staatsanwaltschaft vorbringen, weil wir nicht ermitteln dürfen... und wir sind nicht ganz legal rangekommen." Semir erzählte Bienert im ruhigen Ton, was sie durch den Einsatz im 99Grad herausgefunden haben, den Unfall des Drogendealers und die Whatsapp-Nachrichten. "Wir müssen an einem Strang ziehen. Kevin im Gefängnis zu lassen ist zu gefährlich. Aber nur du kannst uns helfen, wenn du die Ermittlungen deckst, und die Beweise somit wirksam sind." Bienert sah erst Semir, dann Ben nachdenklich an. Konnten sie auf konventionellem Weg wirklich etwas gegen die Dealer ausrichten? Aber wollte Bienert wirklich weiterhin das große Risiko über Kevins Gesundheit tragen? Wenn sogar Polizisten drinhingen konnten die schnell Informationen weitergeben, dass Kevin ein Bulle war. "Ich muss darüber nachdenken...", sagte er mit müder Stimme.
KTU - 14:30 Uhr
Hartmuts altmodische Uhr, die in seinem Büro hing und so laut tickte, als würde jemand mit einem Vorschlaghammer auf den Amboss hauen, machte Ben fast wahnsinnig... oder kam sie ihm nur so laut vor, weil es still war im Raum, der vollgestopft war mit Elektronik? Die beiden Polizisten saßen oder standen herum, manchmal sah Semir Hartmut über die Schulter, der versuchte einige Daten aus dem defekten Handy zu retten. Das moderne Gerät hatte den Sturz des Motorrades doch nicht überlebt, der Riss in dem Glas stellte sich als Totalschaden heraus. Doch wenn es jemand schaffte, aus den Datenfragmenten noch etwas zusammen zu basteln, dann war es Hartmut Freund, der rothaarige Genie der KTU und guter Freund, der beiden Autobahnpolizisten.
Ben konnte nicht still sitzen. Die Sorge um Kevin saß ihn im Nacken, aber viel mehr quälten ihn die Gedanken um die letzte Nacht. Konnte er Kevin jemals nochmal unter die Augen treten? Oder machte er sich einfach zu viel Gedanken, und es lief gar nichts zwischen Jenny und dem jungen Polizisten? Noch schlimmer war jedoch immer wieder ein Gedanke, bei dem er sich erwischte: Empfand er etwas für Jenny? War es doch nicht nur eine Mischung aus Trost und Einsamkeits- wie Kummerbewältigung bei beiden, dass sie im Bett landeten, sondern war da noch mehr? Ben war kein Kind von Traurigkeit, und es konnte durchaus passieren, dass er mit einer Bar-Bekanntschaft in seinem Bett landete, der er morgens noch Kaffee und Brötchen ans Bett brachte, um dann möglichst laute Rockmusik aufzulegen, um sie zum Gehen zu bewegen. Aber das war es diesmal nicht, in keinster Weise. Und dieser Gedanke machte ihm mehr als Angst, und er fragte sich, ob Jenny genauso fühlte.
Semir spürte, dass mit seinem Freund etwas nicht stimmte. Heute vormittag hatte er es noch auf ein schlechtes Gewissen geschoben, aufgrund von Bens Alleingang in der Disco... doch so lange würde der Polizist sich nicht mit einem schlechten Gewissen rumärgern, schon gar nicht nachdem sein alter Partner klar gemacht hatte, dass es im Prinzip in Ordnung war... wenn er nur vorher Bescheid gesagt hätte. Nein, da musste noch was anderes sein... etwas was tiefer ging, tiefer in Ben drinsteckte. Waren es vielleicht immer noch Schuldgefühle um Kevin... jetzt wieder verstärkt, seitdem immer klarer wird, dass Kevin doch unschuldig war.
Semir lehnte sich neben den hüfthohen Stehschrank, an dem auch Ben lehnte und zum Fenster hinausblickte, wo die Schmetterlinge zusammen in herrlichen Sonnenschein tanzten. "Was ist los mit dir?", fragte Semir irgendwann, doch Ben schüttelte nur den Kopf, sah seinen Partner gar nicht erst an. "Warum muss man dich eigentlich immer fragen? Warum kommst du nicht einfach mal und sagst, du Semir, mir gehts scheisse und ich sag dir jetzt warum." Die Offenheit seines Partners ließ Ben grinsen, und den Kopf doch zu Semir drehen. "Weißt du warum das so ist? Weils bei dir genauso ist, du Schwätzer.", sagte er und fühlte sich in direkter Umgebung seines Freundes sofort wieder wohler. Egal wie alleine er sich mit seinen Gedanken fühlte, sobald er spürte, dass Semir sich Sorgen um ihn machte, und seine Hand anbot, fühlte er sich wohler. Er vertraute Semir zu 1000%, und es gab keinen Grund ihm etwas zu verheimlichen... ausser dass Ben sich selbst schämte, für das was er getan hatte. Er räusperte sich ein wenig, bevor er sagte: "Glaubst du dass... dass Kevin und... Jenny zusammen... also bevor Kevin verhaftet wurde, dass die zwei...", druckste er ein wenig herum. Bevor er seinen Fehltritt, der vielleicht gar keiner war, gestand, wollte er Semirs Meinung darüber hören. "Du meinst, ob die beiden ein Paar sind?", half der ihm etwas aus der rhetorischen Klemme und bekam dafür ein scheues Nicken. Semir verzog den Mund zu etwas unentschlossenem, zuckte mit den Schultern und legte den Kopf schief: "Ich weiß nicht. Kevin ist so undurchdringbar wie eine 70er-Betonwand, aber ganz egal scheint Jenny ihm nicht zu sein, sonst hätte er Schneider nicht so zugerichtet." Mit der Antwort konnte Ben nicht alzu viel anfangen. "Warum fragst du das?" Nun lag der Ball wieder bei dem jungen Polizisten. "Naja... weil... also..."
"Ich habs!!", kam die aufgeregte Stimme vom Computer, und Hartmut klatschte erfreut in die Hände. "Nennt mich Gott. Ich habe die komplette Anrufliste wieder hergestellt. Und einige Whatsapp-Nachrichten konnte ich wiederherstellen." Semir und Ben sahen sich kurz an, Ben wurde unterbrochen und war scheinbar dankbar dafür, denn er wendete sich sofort Hartmut zu. "Und was steht drin?" Hartmut klickte mehrere Fenster auf, die teilweise kryptische Zahlen, teilweise Nachrichten und verständliche Anruflisten enthielten. "Schneider ist Wurmfutter, Job erledigt." lasen sie. "Ich übernehme seinen Posten im 99Grad.", war eine Antwort. Alltagsgespräch. "Im Knast läufts okay, aber nicht berauschend. Haha Wortwitz" Mit dieser Nachricht konnten die beiden Polizisten erst nicht so viel anfangen.
Dann sahen sie sich die Anruflisten des toten Dealers an. Die Zentrale der Polizei wurde mehrfach angerufen. "Hat sich scheinbar immer weiterleiten lassen, dort wo er seinen Mann sitzen hatte.", murmelte Semir in Gedanken. "Bekommst du das nicht raus?", fragte sein Partner eifrig an das Technik-Genie, doch der schüttelte nur den Kopf. "Dafür hätten wir eine Live-Überwachung zum Zeitpunkt der Anrufe gebraucht. So bekommen wir das nicht raus." "Tolles Genie.", frozzelte Ben und kassierte einen Faustschlag auf den Arm von Hartmut. "Auf jeden Fall hatte Harry Verbündete bei der Polizei.", sagte Semir und wurde dann auf mehrere Anrufe auf eine andere Nummer aufmerksam. "Das ist doch die JVA, die er angerufen hatte. Warum sollte er dort anrufen.", sagte er laut und sah Ben fragend an. "Hmm... im Knast läufts okay, aber nicht berauschend... sollten die dort auch verticken?" "Ist das nicht zu auffällig?" Bens Stimme stockte plötzlich... und ihm fiel der Drogenfahnder ein. "Verdammt... Bienert wollte doch unbedingt, dass Kevin in der Gang ermittelt." "Ja und?" "Wenn Kevin Bienert im Gespräch im Knast erzählt hat, dass er mitbekommen hat dass diese Gang auch hinter dem JVA-Mauern aktiv ist... dann hätte Bienert doch Interesse daran ihn drin zu lassen. Vielleicht sind dort sogar alte Gang-Kollegen von ihm drin.", sagte Ben hastig. "Du meinst, Bienert hätte uns etwas verschwiegen?" Der junge Polizist zuckte mit den Schultern, und Semir begann nachzudenken. Er würde es dem Kollegen eigentlich nicht zutrauen, er kannte aber auch dessen Ehrgeiz und gepaart mit Kevins Willen, wieder Polizist zu werden... schien alles möglich.
"Hartmut, speicher die Sachen ab und schick sie uns per Mail. Wir melden uns wieder. Danke Einstein.", sagte Semir schnell, und die beiden Polizisten eilten zum Dienstwagen. Hartmut, der dem Gespräch wenig, bis gar nicht folgen konnte aufgrund von Informationsmangel, sah den beiden nur kurz hinterher.
JVA - 15:00 Uhr
Philipp zitterte... er zitterte am ganzen Körper, und hätte er sich nicht mehrmals in die Hand gebissen, hätten seine Zähne unüberhörbar aufeinander geklappert. Sofort als er die Stimmen, beide waren ihm bekannt, gehört hatte, hatte er sich in den hintersten Teil der Bibliothek zurückgezogen. Und was er hörte, jagte ihm noch mehr Angst ein. Kevin ein Polizist, der "Boss" möchte ihn tot sehen, und Jerry soll das bei einem Boxkampf bewerkstelligen. Oh mein Gott... niemand durfte je erfahren, dass er hier war und dies mitgehört hatte. Er sah sich bereits als toter Mann, und versuchte die Luft anzuhalten um möglichst keinen Ton von sich zu geben.
Nachdem die beiden Männer fertig mit ihrer Besprechung waren, blieb der kleine Bankräuber noch mehrere Minuten starr sitzen. Was sollte er tun? Kevin warnen, der sich so für ihn eingesetzt hatte? Doch wie sehr konnte er dem vertrauen? Würde der sagen, von wem er die Info hatte? Gegen die Drogengang könnte auch Kevin alleine ihn nicht verteidigen. Nein, vergiss es... er wollte die letzten zwei Monate nur noch überleben, nur noch mit heiler Hauf auf eigenen Beinen rauskommen. Ihn interessierte es nicht, was hier passierte, das ging ihn alles nichts an, damit hatte er nichts zu tun. Einfach vergessen was war, einfach so tun als sei nichts gewesen.
Er musste sich anstrengen, um möglichst unfallfrei zu seiner Zelle zurück zu kommen und nicht wegen des Zitterns über die eigenen Füße zu stolpern. Philipp sah niemandem ins Gesicht, dem er begegnete, denn er bildete sich ein, dass man ihm die Lüge, das Verheimlichen von der Nase ablesen konnte. Als hätte er auf der Stirn stehen: "Ich weiß, dass ihr Kevin töten wollt."
Umso mehr erschrak er, als er erneut eine Stimme vernahm, als er zu seiner Zelle gelangte und sich endlich in Sicherheit wiegte. "Komm schon... du bist topfit, das sehe ich dir doch an.", hörte er Jerrys Stimme und Philipp überlegte, ob er sich füe die nächsten beiden Stunden im Klo einschließen sollte. "Jerry, weißt du wie lange ich nicht mehr in einem echten Kampf im Ring gestanden habe?", hörte er die monoton markante Stimme seines Zellenkumpel. Langsam, zitternd wie Espenlaub, trat der kleine Bankräuber in die Zelle und wurde von Kevin mit einem kurzen Nicken begrüßt. Natürlich fiel den beiden Männern sofort auf, wie zittrig der kleine Kerl war, und die Blicke fielen auf ihn, so dass dieser am liebsten im Betonboden versunken wäre. "Kalt draussen...", sagte er bloß, obwohl es ein herrlicher Sommertag war. Er steckte die Nase in ein Buch, das noch auf seinem Bett lag, wohlwollend ließ er die neuen Bücher unter seinem Shirt, damit nicht auffiel, dass er gerade aus der Bibliothek kam.
Zu seinem Glück nahm Jerry keinerlei Notiz seines Verweises und gab seinem Freund einen Stoß. "Jetzt geb dir nen Ruck. Ich hab dich angepriesen, hab erzählt wie du damals dieses Großmaul auf die Bretter geschickt hast. Yanek hatte schon ewig keinen Gegner, der ist eingerostet." "Mann Jerry..." Kevin klang ernst. "Der letzte Kampf war gegen Tony Becker. Du weißt was damals passiert war." Es war der Kampf, in dem Kevin den vollgepumpten Becker KO schlug, der später starb... der Auslöser für Peter Beckers schreckliche Rache an Janine. "Ich wollte eigentlich nicht mehr in den Ring... zumindest nicht, ausser zum Training." Jerry sah verständnisvoll drein, doch er spürte den tödlichen Atem seines Bosses im Nacken. Er hatte Schmerzen in der Brust vor Gram, als er sich vorstellte, Kevin gerade zu seinem Henker zu schubsen, und er litt schrecklich, ohne es zu zeigen. "Das ist nicht mehr als ein Trainingskampf. Für die Leute hier drin ne schöne Abwechslung."
Kevin schüttelte den Kopf und grinste: "Du kannst es echt nicht lassen, oder?" Auch Jerry begann zu grinsen und lachte auf: "Na los. Wir trainieren zusammen. Wäre doch gelacht, wenn ich dich nicht in 24 Stunden in Form bekomme." Der junge Polizist ließ sich von der Leichtigkeit seines Freundes anstecken. "Na schön.", sagte er, nahm Shirt und kurze Hose und die beiden Männer verließen die Zelle, wo sie einen Philipp zurückliessen, der sich gerade selbst zu hassen begann...
Momentan deutet alles irgendwie auf Dieter hin... seine Jubiläum (damals Hottes Rente), Jenny ist definitiv raus, die Krügel wohl auch. Und wenn es ein stummer Nebencharakter von der Dienststelle wäre, würde man nicht so ein Aufheben drum machen.
JVA - 14:15 Uhr
In der Bibliothek war kein Mensch, so schien es. Sie war aufgebaut, in dem mehrere hohe Regale in Reihen standen, zwischen denen man sich dann durch Hunderte von Büchern lesen konnte. Ein Service, damit die Gefangenen keinen Lagerkoller bekamen, und auch in ihrer Freizeit etwas zu tun hatten.
Manche Gefangenen hatten die Bibliothek noch nie von ihnen gesehen, so auch Jerry. Umso überraschter war er, als er von Hendrik, am Kragen gepackt dorthin geschliffen wurde. "Sag mal, gehts dir noch gut? Was soll die Scheisse?", warf der etwas ältere Drogendealer dem Bandenchef innerhalb des Gefängnisses an den Kopf. Der wollte mit seinem Adjutanten die Sache irgendwo besprechen, wo garantiert keine Ohren der Gang waren, und das war hier am sichersten, denn hier hielt sich so gut wie nie jemand auf. "Wir müssen reden.", sagte Hendrik, zuerst mit ruhiger Stimme, als die beiden sich gegenüber standen. "Und warum hier? Hier gibts Bücher, reden hätten wir auch in meiner oder deiner Zelle." Jerry war aufgebracht, und verstand es, jemanden durch dumme Sprüche noch weiter in Rage zu bringen. "Jetzt halt mal die Backen. Es ist ernst, und ich versuche dir zu helfen." Kevins Freund verstand nicht ganz, und zog die Augenbrauen ein wenig nach oben und Hendrik atmete tief durch.
"Dein Freund aus der Gang... dieser Kevin.", begann der Bandenchef dann langsam und erhielt Jerrys ganze Aufmerksamkeit. "Was ist mit ihm?", fragte der ungeduldig. "Er ist ein Bulle." Für einen Moment glaubte Hendrik, sein Gegenüber hätte sofort verstanden, doch dann prustete Jerry los. Er lachte, und sein Gegenüber konnte gar nicht sagen, ob dieses Lachen nun gestellt war oder ernsthaft. "Ein Bulle? Herrlich! Probst du für ne Büttenrede?", keuchte der Drogendealer, bevor er wieder gepackt und geschüttelt wurde. "Glaubst du, ich mach Witze? Unser Boss hat gerade angerufen, und mir erzählt, dass der Kerl ein suspendierter Bulle ist, der Schneider zusammengeschlagen hat, bevor er selbst bei Schneider war, um ihn fertig zu machen. Deswegen haben sie da sofort einen Schuldigen gefunden." Das Lachen verschwand aus dem Gesicht, es schien zu erstarren und jetzt zu realisieren, dass Hendrik mit Sicherheit keinerlei Sinn für Humor gerade hatte. "Du machst Witze...", sagte er doch nochmal, aber sein Gegenüber schüttelte den Kopf und ließ dabei Jerrys Arme los. Der wiederrum ging ein paar Schritte zurück und hielt sich die Hand vor den Mund. "Kevin ein Bulle?", fragte er nochmal ungläubig und erhielt diesmal ein Nicken.
"Wir haben ihm schon viel zu viel gezeigt. Er weiß zuviel.", sagte der großgewachsene Mann zu seinem fassungslosen Freund. Der schüttelte nur immer wieder den Kopf. "Kevin würde uns niemals verraten. Er war Teil der Gang." "Jerry, red keinen Unsinn. Wie lange ist das jetzt her, dass er bei euch in der Gang war? Weißt du denn, was er in all den Jahren getan hat?" Jerry tat Hendrik leid. Der Erkenntnis wurde ihm an den Kopf geworfen, und der wusste im ersten Moment nicht damit umzugehen. Die absolute Fassungslosigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er hatte dem jungen Mann sofort wieder vertraut... das war scheinbar ein großer Fehler. "Verdammt...", murmelte er, drehte sich um und ging ein paar Schritte hin und her, fuhr sich dabei durch die kurzen Haare.
Hendrik wartete einen Moment, bis sein Freund wieder aufnahmefähig war. "Aber Moment...", sagte der dann plötzlich. "Warum glaubt ihr überhaupt, dass er uns verraten soll? Er wurde ja wohl nicht hier eingeschleust, wenn er vorher von sich aus Schneider zusammengeschlagen hat." "Ja, das war wohl eher ein großer Zufall. Trotzdem ist und bleibt der Typ ein Bulle, und damit eine Gefahr. Der weiß doch, dass er sich vor Gericht Pluspunkte sammelt, wenn er davon berichtet, was hier drin vorgeht." Jerry schüttelte den Kopf und kam wieder näher zu Hendrik. "Das würde er niemals tun. Verdammt, das würde er nicht tun!! Ich vertraue Kevin." Wie kann man nur so stur sein, dachte sich Hendrik in diesem Moment, blieb aber dennoch ruhig. "Der Boss vertraut ihm aber nicht. Und das ist, was zählt."
Jerry stockte... eine Erkenntnis reifte in seinem Kopf, die ihm ganz und gar nicht gefiel. "Was meinst du damit? Was hat er gesagt?" "Na was wohl?", gab ihm der Bandenchef zur Antwort. "Kevin muss weg. Und du sollst es erledigen, weil du ihn reingebracht hast in die Gruppe." Für einen Moment war es in der Bibliothek so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können, bis es aus Jerry herausbrach. Verzweiflung und Wut vermischten sich und wurden explosiv, er griff den größeren Hendrik an den Kragen und drückte ihn gegen ein Bücherregal, so dass einige Bücher rausfielen. Dabei schrie er: "Hast du sie noch alle? Kevin ist immer noch mein Freund! So ne Scheisse will ich nicht hören!" Nun war es soweit, dass auch der Bandenchef der JVA die Nerven verlor, sich aus Jerrys Griff befreite und ebenfalls zurückkeilte: "Wenn du Lust hast, dich gegen den Boss aufzulehnen, bitte schön. Aber dann bist du schneller selbst in einer eckigen Kiste, als dir lieb ist." Die beiden Männer standen sich schnell atmend gegenüber. Es brauchte nur jemand zu dicht an der Tür der Bibliothek vorbeigehen, und er würde den Streit mitbekommen.
Einige Sekunden später liessen sich die beiden los. "Hör zu.", meinte Hendrik wieder etwas ruhiger. "Du bist auch mein Freund. Und ich kann verstehen, wenn dir Kevin nicht egal ist." Kevins Freund blickte zu Hendrik. "Aber wenn wir nicht tun, was der Boss verlangt... dann weißt du selbst genau was passiert. Ich will dir helfen, dass du es nicht unbedingt selbst machen musst." Jerry verzog das Gesicht, schaute auf den Boden und schüttelte resigniert den Kopf. Kevin war jahrelang wie ein kleiner Bruder für ihn, den er nie komplett aus dem Gedächtnis gestrichen hatte. Immer wieder hatte er in anderen Bezirken auf der Straße sich nach ihm erkundigt, und all diese Jahre wusste er nicht, dass er Polizist war. Jetzt kam die Erkenntnis mit einem Hammerschlag, vielleicht sogar so schlimm, dass Kevin eine potentielle Gefahr für sie war.
"Was hast du vor?", fragte er dann doch irgendwann, nachdem er sich überwinden konnte. "Wir veranstalten für die Gefangenen in der Halle einen Boxkampf. Kevin soll gegen Yanek antreten." Der Drogendealer lehnte gegen ein Regal und rieb sich durch die Augen. Yanek war ein Kraftpaket, wo er hinschlug wuchs kein Gras mehr. Er kannte zwar Kevins Qualitäten im Ring, aber gegen Yanek würde er wenig Chancen haben. "Yanek schlägt dann ein paar Mal zu fest zu... ein Unfall. Passiert." Hendrik spürte dass sein Freund einen Kampf mit sich kämpfte. Er wollte nicht einfach zustimmen, und damit das Schicksal des Polizisten besiegeln, er konnte aber auch nichts abstreiten. "Wenn das nicht funktionieren sollte, weil dieser Typ vielleicht doch mit Yanek mithalten würde... tust du ihm das in sein Getränk." Hendrik hatte plötzlich eine kleine Ampulle mit einer durchsichtigen Flüssigkeit in der Hand. Ein Mittel, dass die Herztätigkeit anregte, und das bei Belastung zu einem Herzinfarkt führen würde. "Das kann ich nicht machen.", sagte Jerry beinahe tonlos. "Du musst aber...", beharrte sein Freund und er fühlte sich selbst unbarmherzig und kalt.
Jerry sah Hendrik ohne Gefühl an und ging dann Richtung Ausgang. Der Bandenchef rief ihm nach: "Willst du wirklich dein eigenes Leben für jemanden opfern, von dem du nicht mal mehr genau weißt, wer er ist?" Der Mann blieb wieder stehen, und drehte sich um. "Kevin ist Kevin. Es ist egal was er all die Jahre getan hat." Doch die Angst vor dem Boss schnitt ihm die Kehle zu... denn sterben wollte Jerry nicht. "Ich sag Kevin mit dem Kampf Bescheid.", sagte er mit resignierender Stimme, bevor er die Bibliothek verließ...
Ist Jophi Ries der gleiche Schauspieler, der in einer Tom-Folge als SEK-Beamter mal Andrea mit einer Bombe in einer Kaffeekanne als Geisel genommen hat?
Darf ich sagen dass es mir um den einen mehr leid täte als um den anderen.
Bonrath verdient seine verdiente Rente. Und Jenny find ich einfach süss.
Bonraths 40tes Dienstjubiläum... da kann man sich ja vorstellen, wer gehen muss... vor allem, da man Jenny ja ausschließen kann, anhand der Bilder Wehe, es wird so mies umgesetzt, wie bei Hotte... dann
Kreuzung - 11:00 Uhr
Der Krankenwagen, den Semir und Ben routinemäßig sofort zur Unfallstelle gerufen hatten, hatte erwartungsgemäß nur noch Harrys Tod feststellen können. Der Körper wurde in einen metallenen Sarg gelegt und von einem Bestattungsunternehmen abtransportiert. Der LKW-Fahrer wurde von einem Notfallseelsorger betreut, der mit dem Krankenwagen sofort mitgekommen war, auch wenn der Fahrer ein Haudegen war, schon 30 Jahre auf der Straße und bereits das unglaubliche Pech hatte, zweimal von einem Selbstmörder als Mordwerkzeug missbraucht zu werden. Er war abgehärtet, so schien es.
Die beiden Polizisten beobachten die Szenarie von ihrem Wagen aus mit Schweigen und ernsten Gesichtern. Ihre heißeste Spur war gerade vor ihren Augen verstorben, die heisseste Spur Hinweise zu bekommen, was den Mord an Mark Schneider anging, und wenn es darum ging, Kevin endlich entscheidend zu entlasten. Sie sprachen kein Wort, Ben hatte seinen Kopf in seine Hände gelegt und sah mehr als nur verzweifelt aus, während Semir eher konsterniert durch die Frontscheibe blickte. "Was machen wir jetzt nur?", fragte der jüngere Polizist, während sie Hotte und Bonrath beobachteten, wie sie Zeugen vernahmen. Semir hatte die beiden Streifenpolizisten eingeweiht, aber als offizielle Version ausgegeben, dass der Mann vor einer Routinekontrolle geflohen war. Semir zog ein Handy aus seiner Tasche. Es hatte einen Riss quer über das Display, doch es funktionierte noch. "Wir bringen das zu Hartmut. Das ist unsere letzte Hoffnung. Er muss dort irgendetwas finden, was uns weiterhilft." Ben hob den Kopf aus seiner gebückten Sitzhaltung, und seine Augen wurden größer. "Ist das... Harrys Handy?" Semir nickte: "Ich hab es aus seiner Tasche genommen, als du den Krankenwagen gerufen hast." Ben fuhr sich mit der Hand durch die Haare, immer noch sahen beide ernst aus, keine Spur von Freude. "Das gibt Ärger, wenn das rauskommt, hmm?" Sein Freund nickte nur und sagte schmallippig: "Ja... das gibt Ärger. WENN es rauskommt." Das "WENN" betonte er dabei ganz auffällig, aber er wusste auch, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis man Anna Engelhardt einweihen müsste.
JVA - 13:30 Uhr
Hendrik vergewisserte sich einen Moment, dass er mit Yanek alleine war in der Zelle, als er das leise Klingeln bemerkte. Mit einer schnellen Bewegung saß er unter dem Waschbecken, drehte das Siphon des Beckens auf und entnahm das, etwas feuchte, Handy zur Hand. "Ja?", fragte er und zog für einen Moment die Zellentür zu und bedachte seinen Freund mit einem Blick, nach draussen zu gehen falls ein Wärter kam, und ihn zu warnen. "Was gibts?", fragte er dann noch ins Telefon und konnte schon beim Anruf sehen, dass es sein Boss war, der gerade anrief. "Harry ist tot.", sagte der nur wortkarg ohne Vorankündigung und Begründung. "Oh... was ist passiert?" "Ist mit seinem Motorrad unter nen LKW gefahren. Soll angeblich bei einer Kontrolle der Autobahnpolizei durchgedreht sein, und abgehauen sein." Hendrik spazierte mit dem Handy am Ohr vom Bett zum Fenster, und sah hinaus. "Jetzt haben wir niemanden mehr in der Disko." "Das ist nicht unbedingt ein Problem." Der Kopf des Drogenrings geriet so schnell niemals aus der Ruhe. "Der Zufall macht mir nur Sorgen.... und das es die Autobahnpolizei war." Hendrik konnte den Gedanken seines Bosses nicht so ganz folgen. "Glaubst du, dass die wegen Schneider noch ermitteln und deshalb bei Harry waren?" "Offiziell nicht. Offiziell ist der Fall Schneider abgeschlossen. Der Zufall wollte es uns ja, dass uns ein 1A-Täter frei Haus geliefert wurde. Der bekommt in zwei Wochen lebenslänglich wegen heimtückischen Mord, und die Akte wird für immer geschlossen. Aber..." "Aber?" Der Knasti spürte, dass sein Boss nicht so cool war, wie er vorgab zu sein. "Der Typ, der jetzt im Knast sitzt, war Polizist. Und war bei der Autobahnpolizei. Ich hab fast die Vermutung, dass die versuchen auf eigene Faust zu ermitteln. Oder es wäre ein richtig dummer Zufall." "Aber warum sollte Harry austicken? Hatte der noch was dabei?" - "Keine Ahnung."
Für einen Moment schwiegen die beiden Männer sich am Telefon an. Die Stimmung war zum Schneiden, Harry war ein guter Verkäufer, loyal, gerissen. Jetzt war er tot, und neue Leute zu finden, denen man vertrauen konnte, war nicht einfach. "Ich komme demnächst vorbei. Wir tarnen es als Verhör in deiner Todschlags-Geschichte, okay?" Hendrik nickte stumm am Handy. "Wie läufts bei euch?", fragte der Boss dann irgendwann. "Gut. Verkäufe laufen, Mitarbeiter machen keinen Ärger. Jerry hat jetzt einen alten Bekannten von seiner damaligen Gang noch mit hineingebracht. Soll angeblich was draufhaben. Mal sehen." Der Boss schien zufrieden zu nicken, und meinte: "Was hälst du von ihm?" "Also wehren kann er sich. Er hat Yanek bei seine Aufnahme ganz schön ein paar verpasst." Der Knasti musste grinsen, weil Yanek, der auf dem Flur natürlich hörte, was er sagte, genervt abwunk. "Ansonsten hab ich mich auf Jerry verlassen. Er vertraut Kevin, weil er ihn aus der Jugendgang kennt, und Kevin damals schon den Dealer gemimt hat." Hendrik konnte das Stutzen seines Chefs durch das Telefon vernehmen, den plötzlich hörte er nichts mehr. "Was is?", fragte er nochmal genauer nach. "Kevin... wie noch?" "Weiß ich nicht.", antwortete er und zuckte mit den Schultern. "Gerade erst reingekommen? Junger Typ, abstehende Haare, ziemlich wortkarg?" zählte der Boss hastig mehrere Eigenschaften auf, die auf den verhafteten Kevin Peters passten und spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, und auch der Knasti am anderen Ende der Leitung spürte die Nervosität, die sich auf ihn übertrug. "J... ja... das kommt hin.", stotterte er, bevor er unweigerlich den Kopf einzog, als die Worte aus dem Hörer sprudelten. "Sag mal, habt ihr ne Meise? Das ist der Typ, der Schneider zusammengeschlagen hat, kurz bevor ich bei ihm war! Der Kerl war bis vor einigen Wochen noch Polizist!!" Hendrik spürte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte. "W... was.... was sagst du da?" Scheinbar musste der Boss noch deutlicher werden. "DER KERL IST EIGENTLICH NOCH EIN BULLE! Der ist noch nur suspendiert, wegen seiner Bandenaktivität."
Hendrik stand ruckartig von seinem Bett auf und tigerte durch die Zelle. "Warum warnst du uns nicht? Warum muss der ausgerechnet zu uns in den Knast?" "Darauf habe ich keinen Einfluss, verdammt. Ich bin nicht der Polizeipräsident. Ausserdem wusste ich nicht, dass der in der gleichen Gang ist, wie einige von uns. Darauf hatte ich keine Einsicht. Verdammt." Der Kerl fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare und biss die Zähne zusammen. "Aber vielleicht... vielleicht will der einfach nur... weil er Jerry kennt. Ich meine, der sitzt doch eh... warum... machst du dir Sorgen?" "Weil mir das Risiko zu groß ist. Bulle bleibt immer Bulle. Wenn der vor Gericht steht, wird er versuchen Pluspunkte zu sammeln. Ihr habt ihm doch nicht alles schon erzählt... oder das Lager gezeigt?" Der Klos in Hendriks Hals wurde immer größer, der Brechreiz im Magen wuchs an. "Also... ehrlich gesagt... er verkauft schon." Der Boss schien aufzustöhnen und nun innerlich auch zusammen zu klappen. Wie konnte ihnen nur so ein Fehler unterlaufen. Sollte ein ähnlich großer Zufall, der ihnen verholfen hatte aus dem Mord von Mark Schneider sauber und schnell herauskommen, ihnen jetzt etwa schaden? Das ausgerechnet Kevin Peters aus der Gang war, die jetzt größtenteils für Hendrik im Knast und für den Boss ausserhalb des Knastes arbeiteten. Nein... das Risiko durfte keiner der beiden eingehen. "Jerry vertraut ihm also?" Hendrik nickte, was der Boss natürlich nicht sehen konnte, also gab er noch ein recht kleinlautes "Ja...", hinterher. Am anderen Ende der Leitung schien das Gehirn zu arbeiten. "Dann darf Jerry die Sache auch wieder ausbügeln. Das machst du ihm klar... Klar?" Hendrik schätzte Jerry, auch wenn der ihm mit seiner guten Laune öfters mal auf den Wecker ging. Er würde ihn ungerne verlieren, er wusste aber auch dass der Drogendealer nicht der Skrupelloseste war.
"Was... was sollen wir tun?", fragte Hendrik dann, obwohl er die Antwort kannte. "Der Bulle muss weg, dann erspare ich mir hier auch Prozessarbeit. Lasst euch was einfallen, irgendetwas. Ich versuche euch von aussen dann zu decken, wenn der Fall untersucht wird, so wie bei den anderen, die in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, auch." Dann setzte er aber noch dahinter: "Es wäre aber besser, wenn es aussieht wie ein Unfall, und er nicht mit einem Messer im Rücken aufwachen würde, wenns geht." Der Knasti pustete durch und nickte. Er musste sich jetzt mal zusammenreißen, musste den kühlen Kopf bewahren. Er war hier drin der Anführer, und er wusste immer was zu tun war, auch jetzt. Er hatte auch schon eine Idee. "Alles klar, Boss. Wir erledigen das, aber das nächste Mal musst du uns warnen." "Jaja... und noch was!", sagte der auf der anderen Leitung, bevor die beiden das, ohnehin schon viel zu lange Gespräch beendeten. "Wenn Jerry quer schiesst, kannst du ihm klar machen, dass er sich einen Sarg aussuchen soll. Er hat Scheisse gebaut, dann soll er die Scheisse auch wegmachen. Hab ich mich klar ausgedrückt?" Wieder nickte Hendrik und schluckte dabei aber auf. Dann trennten die beiden endlich die Verbindung.
Ups... ne... wird korrigiert
Wohnsiedlung - 10:30 Uhr
Ben hatte Semir alles haarklein erzählt... zumindest das, was in der Discothek passiert ist. Er rief, zwar mit gehörigem Herzklopfen auch Jenny in ihr Büro, damit die junge Kollegin ebenfalls nochmal schliderte, was Harry genau gesagt hat, und wie er es gesagt hat. Allen dreien blieb kein Zweifel daran, dass der Mord an Mark Schneider von der Drogen-Gang her befohlen wurde. Die junge Polizistin schaffte es dabei nicht, Ben auch nur einmal ins Gesicht zu sehen, der dieses Verhalten seinerseits sofort spürte. Sie sah weg, sie sah aus dem Fenster, sie blickte Semir an wenn sie sprach und man konnte ihr schlechtes Gewissen und ihre Scham Ben gegenüber ganz deutlich spüren. Der Polizist merkte, dass er in den nächsten Tagen um ein klärendes Gespräch mit Jenny nicht herum kam.
Auch fragte sie nicht, mitkommen zu dürfen als Semir entschied, offiziell zu Harry zu fahren und ihm in Verbindung zu Mark Schneider einige eindeutige Fragen zu stellen. Ben war zweifach erleichtert, einerseits dass Semir offenbar die heiße Spur ernstnahm und seine Meinung nicht festgefahren war, dass Kevin doch ein Mörder sei und andererseits dass ihm dieses "Schamspielchen" mit Jenny erspart blieb. Sein schlechtes Gewissen würde sich aber noch oft genug an diesem und den folgenden Tagen melden, da war er sich sicher. Zu groß fühlte sich die Last an, die er trug, jedesmal wenn er an gestern Abend, an gestern Nacht oder an Kevin dachte. Jedesmal spürte er, wie sehr er seinen Freund verraten hatte, von dem er wusste, wie schwer es ihm fiel Menschen zu vertrauen. Würde die Nacht zwischen Ben und Jenny jemals auffliegen, wäre die Freundschaft zwischen den beiden Männern wohl endgültig zerbrochen... würde er sie geheim halten, könne er Kevin wohl nie mehr in die Augen schauen.
Entsprechend wortkarg verlief auch die Fahrt vom Revier in die Wohnhaussiedlung, in die Jenny und Ben Harry gestern abend verfolgt hatten. Semir sah mehrmals vom Fahrersitz herüber zu Ben, der seltsam stumm wirkte. "Na komm.", sagte der erfahrene Ermittler irgendwann, weil er glaubte zu wissen, was Ben bedrückte. "Ich bin dir nicht sauer wegen gestern. Ihr habt das gut gemacht... aber sag mir das nächste Mal einfach Bescheid, okay?" Seine Stimme klang gutmütig und versöhnlich, doch er traf nicht die Sorgen seines Partners, der nur kurz herüberlächelte und nickte. "Wenn es wirklich stimmt, was dieser Harry angedeutet hat, dann kriegen wir Kevin da raus.", meinte er noch aufmunternd, als er merkte dass seine Worte nicht wirklich Bens ernsten Gesichtsausdruck erhellen konnten.
Nach einiger Zeit blickte Ben zu seinem Partner herüber und sagte plötzlich: "Sag mal... was wäre die größte Enttäuschung für dich? Also... mir bezüglich?" Die Frage kam ihm spontan in den Sinn, und genauso spontan blickte Semir kurz herüber zu seinem Partner. Die Frage traf ihn unvorbereitet, und so musste er einen Moment überlegen, bevor er antwortete. "Ähm... ja... weiß nicht. Wenn du mir wichtige Dinge verheimlichst... im Job oder privat. Oder... hmm." Ben spürte, wie sich ein Stahlring um seinen Brustkorb legte. "Wenn du... wenn du deine Freundin schlagen würdest... oder eine Frau generell. Weißt du, solche Dinge. Da wäre ich natürlich enttäuscht von dir. Aber... warum fragst du?" Schnell schüttelte sein Partner den Kopf und winkte ab. "Nur so... nichts Wichtiges." "Ist irgendwas?" Wieder nur Kopfschütteln. Nach einigen Momenten der Stille kicherte Semir plötzlich auf: "Und natürlich, wenn du du eine Affäre mit Andrea hättest.", lachte er, weil es es sich so skurril und unrealistisch anhörte, denn Andrea war einige Jahre älter als Ben. "Das ginge unter Kollegen, unter Freunden natürlich gar nicht. Aber da gehören ja zum Glück immer zwei dazu." Bens Stahlring war mittlerweile zum Hals gewandert, und schnürte sich unbarmherzig zu, während er aus dem Fenster sah und schwieg.
So schwieg der langjährige Autobahnpolizist schließlich auch, bis sie kurz vor der Adresse angekommen waren. Ben schnallte sich bereits ab, aber Semir bremste ihn. "Warte hier. Er muss dich ja nicht unbedingt erkennen... ist vielleicht nicht schlecht, wenn du erstmal der Drogenkäufer bleibst." Mit den Worten stieg Semir aus und ging die letzten Meter zu Fuß bis zur Haustür, in der Harry gestern verschwunden war.
Der Name stand am Klingelschild, keinerlei weitere Namen wie der einer Frau oder Kindern war zu sehen. Semir hatte sich im Kopf eine kleine Taktik zurecht gelegt, er wollte sofort auf den Mord von Schneider zu sprechen kommen und die Drogen völlig aussen vor lassen. Das Klingeln wurde sogleich erhört, die Tür schwang auf und Harald "Harry" Sczkewski stand in Alltagskleidung vor Semir. Die beiden Männer begegneten sich fast auf Augenhöhe, Harry war tatsächlich noch ein kleines Stück kleiner als der Polizist. "Ja?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen und wurde sofort blasser, als Semir seinen Ausweis zeigte. "Guten Morgen. Gerkhan, Kripo Autobahn. Ich hab ein paar Fragen an sie." Der Verdächtige schaute sich sofort um, Nervosität befiel ihn, Schweiß trat ihm auf die Stirn. "Und... was... wollen sie?", meinte er mit stockender Stimme. "Keine Angst... ihre Drogengeschäfte sind mir völlig egal.", sagte der Polizist sofort, und setzte dann hinzu: "Mir geht es einzig und allein um Mark Schneider." Die Strategie trug nicht unbedingt zur Beruhigung bei. "Ja... ähm... dann... kommen sie rein." Harry öffnete die Tür ein Stück weiter, ließ Semir den Vortritt um die Tür dann mit Wucht in Richtung des Polizisten zu stoßen. Die massive Kunststofftür prallte gegen Semirs Stirn und ließ ihn sofort stöhnend zu Boden, während der Drogendealer sofort hastig über den ausknockten Polizisten stieg und zu seinem Motorrad lief, das in der Einfahrt neben seinem Wagen stand. "Aah, verdammte Scheisse...", stöhnte Semir, dessen Kopf für einige Momente dröhnte und es schien, als sehe er anderthalb Millionen Sterne vor seinen Augen.
Ben war gerade in seinem Auto beschäftigt, dreimal eine Whatsapp-Nachricht zu beginnen, die er an Jenny schreiben wollte. Dass die Nacht nichts bedeuten würde... nein, das hörte sich beschissen an. Die Nachricht wurde gelöscht... hatte sie wirklich nichts bedeutet? Würde er Jenny damit wehtun und ihr quasi gestehen, dass er ihre emotionale Ausnahmesituation ausgenutzt hatte. Sollte er sich vielleicht entschuldigen. Das "Tut mir leid" sah auf dem Display auch nicht gut aus, also wurde es auch wieder gelöscht und durch ein "Wir müssen mal reden" ersetzt. Aber sollte er das schreiben? Vielleicht besser doch direkt sagen, und das Gespräch suchen. Auch dieser Text wanderte in den Papierkorb.
Aufmerksam auf das, was vor dem Haus des verdächtigen Drogendealers passierte, wurde Ben erst, als das Motorrad aufheulte und mit quietschenden Reifen die Ausfahrt verließ, dem BMW entgegenkam und in Richtung der Hauptstraße raste. Bevor der Polizist im Wagen reagieren konnte, aussteigen konnte, kam bereits Semir aus der Ausfahrt gerannt, die rechte Hand an der rechten Schläfe, die eine bläuliche Färbung aufwies. In Sekundenschnelle war der erfahrene Ermittler wieder im Wagen, und wurde von Ben mit fragenden Blicken empfangen. "Der ist abgehauen!", rief Semir, legte den Rückwärtsgang ein, gab Vollgas und legte eine wundervolle 180° - Rückwärts-Drehung in um sofort in Fahrtrichtung zu stehen. Krachend legte sich der Vorwärtsgang des Automatikgetriebes wieder ein, die Hinterräder quietschen als Semir das Pedal durchtrat. "Das habe ich auch gesehen! Was war los?", antwortete Ben hektisch, als die Tacho-Nadel nach oben schnellte und der Polizist hastig die Blaulichtanlage anschaltete. "Der Hinweis auf Mark Schneider hat ihn nicht unbedingt beruhigt.", gab Semir zur Antwort. Das Lenkrad fest in den Händen überholte er mit quietschenden Reifen einen alten Fiat Punto kurz vor einer Ampelkreuzung und schleuderte durch die Linksabbiegung. Sie konnten das Motorrad schon wieder sehen.
Der BMW besaß genügend PS um auch einer leistungsstärkeren Maschine wie der, die Harry fuhr, zu folgen. Nach ein paar Überholmanöver waren sie wieder dicht auf, doch durch schnelle Beschleunigung konnte Harry oftmals kurz vor Kurven überholen, wo Semir wegen des Gegenverkehrs noch warten musste, so konnte Harry immer wieder etwas Vorsprung rausfahren. Ben hielt sich am Türgriff fest, sah genauso konzentriert nach vorne wie Semir und schien quasi selbst mitzufahren, jedem Auto auszuweichen und versuchte, das Motorrad nach Kurven sofort wieder zu erblicken.
Sie fuhren auf eine große Kreuzung zu, die eigene Ampel sprang auf Rot, was Harry nicht interessierte. Ohne Gas wegzunehmen zog er mit seinem Bike auf die freie Linksabbiegerspur, wo Semir ihm folgte. "Brems bitte... brems...", flüsterte Ben, als würde er das Unheil kommen sehen. Ein Sattelschlepper kam gemächlich von der gerade Grün gewordenen Querstraße über die Kreuzung gefahren, und der Flüchtende hatte keine Möglichkeit auszuweichen. Harry zog alle Bremsen an seinem Motorrad, das Bike geriet in Schieflage, prallte auf die Straße und schien genau unter dem Sattelschlepper durchzupassen... Harry jedoch nicht. Sein Kopf, zwar von dem Helm, der an seinem Motorrad hing, und den er sich vor der Flucht noch schnell übergestreift hatte, geschützt, krachte gegen die Oberkante des Aufliegers und ließ den Körper abrupt abbremsen. Ben sah im Affekt weg, Semir bremste den BMW im kürzesten Weg auf Null, ebenso wie der LKW, der sofort stehen blieb, bevor die nachkommenden Räder den Motorradfahrer überrollten. Die beiden Polizisten stiegen sofort aus dem BMW aus und rannten zu dem Verunfallten, doch sie sahen bei näherem Hinkommen sofort, dass sie sich nicht beeilen mussten. Unter dem Helm und dem Hals bildete sich in Sekundenschnelle eine Blutlache... Harry hatte den Unfall nicht überlebt.
JVA - 09:00 Uhr
Kevin hatte schlecht geschlafen. Obwohl er abends ohne Joints eingeschlafen war, und sich so langsam an seine triste Umgebung gewohnt hatte, so wachte er doch mitten in der Nacht auf, und konnte partout nicht mehr einschlafen. Er wurde von einem Alptraum geweckt, an den er sich allerdings nicht mehr erinnern konnte. Er wusste nur noch, dass Jenny drin vorkam, denn an sie dachte er, als er morgens müde in die Dusche schritt, mit Philipp der ihm dicht folgte und seinen großen Beschützer nicht aus den Augen ließ.
Das kalte Wasser hatte ein bisschen Wirkung, genauso wie der heiße Kaffee zum spärlichen Knast-Frühstück. Auch wenn der junge Polizist seinem kleinen Zellenkumpanen versicherte, dass nichts mehr passieren könne, so schaffte er es nicht, ihn mit zum Frühstück zu nehmen. Philipp blieb in der Zelle, zog die Türe zu und wurde nur von dem Beamten erschreckt, der gutmütigerweise Philipp etwas zu Essen brachte. So sehr die Wärter versuchten ebenfalls auf den Jungen aufzupassen, ganz schafften sie es einfach nicht, auch weil sich nicht alle daran beteiligten ihre eigenen Gesundheit für einen Bankräuber aufs Spiel zu setzen.
Jerry setzte sich zu Kevin an den Tisch und haute seinem Freund auf die Schulter. "Na? Gut geruht?", polterte er guter Laune und erkannte sofort an Kevins unfreundlichem Gegrummel, dass der Morgenmuffel auch nach all den Jahren immer noch ein Morgenmuffel war. "Oha...", grinste der Drogendealer. "Da komme ich ja genau richtig mit deiner ersten Aufgabe." Kevin blickte von seinem Teller auf und drehte den Kopf zu Jerry, seine Haare erschienen wilder als sonst. Aus seiner Jackentasche nahm Jerry ein Päckchen und schob es unter dem Tisch zu Kevin. "10 Beutel sind drin, à 50 Euro. Von den 500 gibts du heute abend 400 ab.", sagte er nun mit leiser Stimme, während Kevin sich das Päckchen unter seine Sweat-Weste schob. "Dein Verkaufspunkt ist draussen auf dem Hof, in der Nähe von Tor 2. Die Leute werden auf dich zukommen, du brauchst keine Werbung zu machen." Der junge Polizist nickte und hielt das Päckchen eng an sich gepresst. "Alles klar.", gab er zu verstehen, dass er alles kapiert hatte. Drogen-Verkäufe hatte er schon öfters gemacht, und auch damals lief das bei ihm immer ganz gut. Weil er überzeugend sein konnte, wenn jemand den Preis versucht hat, zu drücken... weil er sich wehren konnte, wenn jemand Streß gemacht hat.
"Und mach es nicht alzu auffällig. Einige Wärter werden zwar großzügig wegsehen, anderen aber packen zu.", ermahnte ihn Jerry zur Vorsicht. Er tätschelte freundschaftlich nochmal Kevins Oberschenkel, bevor er sich lächelnd erhob. "Achja...", sagte er noch und beugte sich nochmal zu seinem Freund herunter: "Ich brauche es dir ja nicht zu sagen, aber trotzdem: Ich will dich nicht erwischen, dass du was einsteckst. Ansonsten wird Hendrik entscheiden was passiert. Und der große Boss. Der Letzte, der das versucht hat..." Jerry ließ den Satz unausgesprochen, denn Kevin, der bis dahin stumm und mit dem Blick geradeaus mit Jerry im Rücken zugehört hatte, drehte sich jetzt langsam um. "Was ist mit dem?", fragte er mehr gelangweilt als wirklich beeindruckt von der kleinen Drohung. Als Antwort gab Jerry nur die Geste eines Fingers, der an seiner Kehle vorbeiführte, und plötzlich hatte Kevin eine Eingebung, als er die Augenbrauen hochzog und möglichst ahnungslos erschien. "Du meinst Mark Schneider?" Nun war es Jerry, der die Augenbrauen verwundert hochzog. "Woher weißt du das?", fragte er erstaunt, allerdings noch ohne Misstrauen. "Ich hab davon gehört, bevor ich eingebuchtet wurde. Hab mal was bei ihm gekauft." "Soso...", meinte sein ehemaliger Mentor und nickte vorsichtig. Ganz überzeugt schien er von der Antwort nicht zu sein, aber er fragte auch nicht nach. "Schneider hat zu viel in die eigene Tasche gewirtschaftet. Und bei ihm hat sich der Boss persönlich um ihn gekümmert... also enttäusch mich nicht."
Nachdem Jerry vom Tisch aufgestanden war, und Kevin für einen Moment über das Gespräch nachgedacht hatte, setzte sich Thomas mit einem Tablett an Kevins Tisch. Er begrüßte ihn und lächelte beinahe sympathisch, was Kevin mehr oder weniger erwiederte. Er war gerade in Gedanken versunken ob der Informationen, die er gerade bekommen hatte. Hatte er Schneider also doch nicht getötet... und es war ein ungeheuerer Zufall, dass gerade nach ihm noch jemand gekommen war? Jemand, den die Nachbarin eben nicht gesehen hatte. Das darf ja nicht wahr sein... du sitzt umsonst, unschuldig hier drin, dachte sich der junge Polizist. "Du steigst also jetzt ins Drogengeschäft ein?", fragte Thomas irgendwann teilnahmslos, als würde er gerade mit Kevin über das Wetter reden, und ließ damit den jungen Polizisten aufblicken. "Woher willst du das wissen?" "Na komm... wir mit Jerry abhängt, der braucht entweder Stoff oder er vertickt ihn. Und ein Junkie wirst du wohl kaum sein." Ob dieser Behauptung musste der junge Mann grinsen... wenn Thomas wüsste, dachte er nur bitter. "Na und? Bisschen Kohle ist nicht verkehrt, ausserdem kenne ich Jerry von früher.", sagte er und Thomas Miene verlor die Freundlichkeit. Er beugte sich ein wenig über seinen Teller näher zu seinem Gegenüber und sprach mit leiser, aber eindringlicherer Stimme: "Ich weiß ja nicht, was deine Mission ist... aber scheinbar weißt du nicht mit welchen Leuten du dich hier anlegst." Kevin zog die Augenbrauen hoch, eine Mischung aus gespielten Erstaunen, was Thomas nicht ernstnahm, und Gleichgültigkeit. "Mit welchen Leuten lege ich mich denn an?", fragte er dann provokant, nicht ohne Hintergedanke auch hier noch einige Infos zu bekommen, auch wenn Thomas spürte, dass Kevin diese Leute genau kannte und die Frage eher ironischer Natur war. "Wer versucht diese Typen abzuziehen, ist hier schnell Wurmfutter.", sagte der ehemalige Geiselnehmer. "Und immer ist es ein dummer Zufall... mal fällt jemand, der vorher die Kerle abgezogen hat, eine der Treppen runter... ein Häftling begeht plötzlich Selbstmord... der andere bekommt einen Herzinfarkt." Bei dem Wort Herzinfarkt spürte Kevin sofort, wie sein Gehirn ein Warnsignal aussendete. Der Schlag auf die Brust, Herzversagen. Scheinbar ging es noch anderen so. "Wo geschahen die Herzinfarkte?", fragte er sofort und Thomas merkte den Stimmungsumschwung auf der Stelle...
"Zweimal bei einem Verhör. So erzählt man es sich zumindest." "Und du weißt nicht, was die Typen verbrochen hatten... und von wem sie verhört wurden?" Thomas schüttelte den Kopf. "Von wem sie verhört wurden weiß ich nicht. Von dem einen Typ weiß ich, dass er wegen Mordes saß." Die Rädchen in Kevins Kopf drehten auf Hochtouren. Plötzlich hatte er das Gefühl, er könne Thomas vertrauen, der immer versucht hatte, ihn zu warnen und wirklich immer auf seiner Seite stand. "Warum willst du das alles wissen? Warum zum Teufel bist du hier?", fragte der dann leise, aber eindringlich. "Ich habe einen Dealer zusammengeschlagen, weil er meine Freundin vergewaltigt hat.", flüsterte Kevin, so dass es niemand um ihn herum mitbekam. "Jetzt ist dieser Dealer tot... Herzinfarkt nach Schlag auf den Brustkorb. Ausser mir wurde niemand gesehen. Ich habe ihn aber nicht umgebracht. Dieser Dealer war scheinbar Teil dieses Ringes." Thomas hörte aufmerksam zu, und fühlte sich geehrt, von Kevin ins Vertrauen gezogen zu werden. "Und du glaubst, der Ring will dich hinter Gitter sehen? Warum?" "Das glaube ich nicht. Das war einfach ein Riesenzufall. Nach mir muss jemand in die Wohnung sein, und Schneider den gezielten Schlag verabreicht haben." Das würde alles erklären... ein Zufall. Niemals war das geplant, man hätte Schneider ja erstmal zur Vergewaltigung von Jenny anstiften müssen, um Kevin einen Grund zu liefern, sich mit Schneider zu beschäftigen. "Aber was willst du dann in diesem Drogenring?", fragte Thomas erneut und sein Gegenüber zischte leise: "Um meine Unschuld zu beweisen. Semir und Ben versuchen draussen Hinweise für den wahren Mörder zu finden, und ich versuche es hier drin." Thomas zog ein wenig die Augenbrauen nach oben. "Du glaubst wirklich, deine Kollegen ermitteln um deinen Hals aus der Schlinge zu ziehen, obwohl alles gegen dich spricht?" Es klang aus Thomas Mund unglaubwürdig, und der Polizist schüttelte nachdenklich den Kopf. "Die beiden sind keine Kollegen.", sagte er zuerst und erntete einen verwirrten Blick, bevor er deutlicher wurde: "Die beiden sind Freunde. Und sie würden mich niemals im Stich lassen, da bin ich mir sicher. Ich vertraue ihnen." Noch vor zwei Tagen hätte er das wohl nie gesagt... er vertraute eigentlich niemandem, aber seit er wusste, dass die beiden draussen versuchten ihn hier raus zu holen, da war es ihm plötzlich bewusst, wie viel er an den beiden hatte. "Um solche Freunde kann man dich beneiden, Kevin. Vergiss das nicht.", sagte Thomas und lehnte sich zurück. Er sah Kevin nachdenklich nicken.
Nach einiger Zeit des Schweigens stand Thomas von dem Tisch auf. "Wenn ich was höre, sag ich dir Bescheid. Aber sei vorsichtig. Du stichst in ein Wespennest.", sagte er eindringlich, und Kevin nickte. "Ich werde aufpassen." Die beiden Männer lächelten für einen Moment, und der ehemalige Geiselnehmer sagte mit ruhiger Stimme: "Jessy würde dich nämlich gerne in einem Stück wieder sehen. Ich hab ihr erzählt, dass du hier bist." Die Erwähnung von Jessy versetzte Kevin einerseits einen wohligen Schauer, andererseits auch ein Stich in die Brust.
Parkplatz 99Grad - 01:30 Uhr
Harry ging mit sicheren Schritten aus der Tür der Diskothek. Er klatschte mit dem Türsteher, den er offenbar privat kannte, noch ab und bewegte sich dann in Richtung eines dunklen BMWs mit Kölner Kennzeichen ohne ein Anzeichen von Alkohol im Blut. Er trank nie etwas, wenn er aus geschäftlichen Gründen in der Discothek war, denn dann musste er einen klaren Kopf behalten, ansonsten würden seine Kunden ihn vermutlich reihenweise über den Tisch ziehen. Aber so war der Abend gut, der Boss wird zufrieden sein, vor allem weil Harry ohne Probleme einen großen Teil von Marks Kunden mit übernommen hat. Das bedeutete natürlich auch, dass sowohl sein eigener Anteil wuchs, als auch der Umsatz anstieg... also war Harry glücklich und zufrieden, als er mit seinem Wagen den Parkplatz verließ.
Es waren nur wenige Autos zu dieser Zeit unterwegs, doch der Dealer kümmerte sich nicht sehr um seine Umgebung und es fiel ihm nicht auf, dass ein grauer Benz sich direkt nach dem Parkplatz an seine Fersen geheftet hatte. In dem Benz saßen Ben und Jenny, die geduldig, etwas müde aber gespannt im Wagen saßen, im Dunkeln verborgen und darauf warteten, dass der Typ, der ihnen eventuell kleine Hinweise auf Kevins Unschuld gegeben hatte, die Disco verließ und sie zu einer Adresse führte. Jenny rutschte auf dem Beifahrersitz nervös hin und her, bei Observationen war sie bisher erst zweimal dabei... und das zweite Mal war die damalige Verhaftung von Kevin. Sie spürte ihre feuchten Hände, die sie ständig an den Beinen ihrer Jeans abwischte, während Ben cool und ruhig den Mercedes steuerte und dabei immer sicheren Abstand ließ.
Harry bog schließlich in eine Wohngegend ein, die überhaupt nicht zu einem Drogendealer passte. Viele Familien wohnten dort, es war nicht übermäßig teuer, aber man konnte gut dort wohnen. Er hielt vor einem kleinen Einfamilienhaus, wo er seinen Wagen vor einer Garage abstellte und zu Fuß ins Haus hinein ging. Ben blieb an der letzten Biegung stehen, damit er keinen Verdacht auf sich lenkte, doch der kleine Mann drehte sich nicht einmal zu dem grauen Mercedes um, sondern verschwand als bald in der Haustür. "Und jetzt?", fragte Jenny mit leicht nervöser Stimme, sie war immer noch aufgeregt aber sie wollte auch unbedingt etwas unternehmen. Am liebsten wäre es ihr gewesen, Ben hätte den Kerl in die Mangel genommen, der hätte Hinweise ausgespuckt und man hätte Kevin schon morgen früh aus dem Gefängnis holen können... aber so einfach ging es natürlich nicht. Ben notierte sich erstmal die Adresse des Mannes. "Nichts... wir haben seine Adresse, morgen haben wir seinen Namen... und dann schauen wir mal.", meinte Ben ruhig, aber im Inneren wusste er... etwas unternehmen gegen Harry, den Drogendealer, würde er erst, wenn er Semir in diese Sache eingeweiht hatte. Und das würde noch ein kleiner Drahtseilakt werden heute früh.
"Aber wir müssen ihn doch vernehmen... der weiß doch garantiert was...", sagte die junge Frau, die voller Tatendrang... und voller Sorge um ihren jungen Kollegen im Gefängnis... steckte. "Natürlich... aber das können wir nicht jetzt machen. Warte bis morgen früh.", versuchte der Polizist auf dem Fahrersitz seine Kollegin etwas zu beruhigen, startete den Wagen wieder und fuhr rückwärts aus der betreffenden Straße heraus.
Er schaffte es, Jenny soweit zu beruhigen heute nichts mehr zu unternehmen, dass sie beinahe artig nickte, als sie vor ihrer Wohnung ausstieg. "Soll ich noch mit raufkommen?", fragte er fürsorglich, denn er konnte sich vorstellen wie einsam sich die junge Frau momentan fühlte... die Vergewaltigung noch im Hinterkopf... Kevin, den sie offenbar sehr gern hatte im Gefängnis. Sie schien dankbar zu lächeln und nickte, als sie bei Jennys Wohnung ankamen, denn sie spürte, dass sie jetzt nicht alleine sein wollte nach soviel Aufregung...
Dienststelle - 08:30 Uhr
Die Nacht war kurz... kürzer als er eigentlich vor hatte. Und sein Kopf brummte, er schrie, er hämmerte... aber es war kein Kopfschmerz, der Ben quälte. Es war das schlechte Gewissen... mein Gott, wie konnte er nur... wie konnte er sich so gehen lassen, wie konnte er unfähig sein, es zu verhindern was gestern Nacht in Jennys Wohnung passiert war. Er wollte ihr nur zuhören... sie hatte von der Vergewaltigung erzählt, sie hatte bitterlich geweint. Er hatte sie zärtlich in den Arm genommen, er hatte ihr die Schulter angeboten die ihr momentan so sehr fehlte. Der junge Polizist fragte sich, ob er diese Situation ausgenutzt hatte... aber Jenny hatte ihn doch geküsst. Jenny hatte doch gesagt, dass es gut tat, dass er da ist.
Seine Hände fuhren durch seine Haare, während er im Büro auf Semir wartete. Plötzlich war die Furcht vor der Beichte, dass sie gestern auf eigene Faust in die Disco gegangen sind, um zu ermitteln, gar nicht mehr so groß. Sie war in den Hintergrund gerückt, sie wurde völlig von dem schlechten Gewissen überdeckt. War die Sache zwischen ihr und Kevin überhaupt nicht so groß, so innig. Hätte sich Jenny gestern abend so fallen gelassen bei Ben, wenn die "Beziehung" zu Kevin so ernst gewesen wäre. Doch wichtig war in dem Falle auch, wie Kevin das sah, denn der war immerhin auch Bens Freund. Verdammt, egal in welche Richtung Ben seine Gedanken sponn, sie führten immer wieder zum Ausgangspunkt zurück. Wie in einem großen Labyrinth, in dem er jeden Gang einmal ausprobierte fand er statt des Ausgangs immer wieder ein Schild auf dem stand: "Du Vollidiot."
Er hörte Jenny das Großraumbüro betreten, sie grüßte ein wenig scheu in die Runde, ihr Blick fiel durch die große Glasscheibe in das Büro von Ben und Semir, ihr Blick fiel auf Ben, der aufsah... um dann direkt wieder zu sinken, direkt wieder wegzublicken. Der große Polizist spürte, dass sie sich ebenso mies fühlte, wie er selbst... doch das machte es für ihn nicht besser.
Nein, sie fühlte sich nicht ebenso mies... sie fühlte sich noch mieser. Dem im Gegensatz zu Ben wusste Jenny, wie es um ihre Gefühle zu Kevin stand. Sie konnte nicht beschreiben, wie schwer ihre Gedanken auf ihr lasteten, als ihr gegen Morgengrauen bewusst wurde, was passiert war, als sie zusammen mit Ben in ihrem Bett erwacht war. Zu was sie die Einsamkeit, die Hilflosigkeit getrieben hatte. Ben war so lieb zu ihr, so fürsorglich als er noch mit ihr nach oben gekommen war, obwohl es schon spät war. Sie vertraute ihm so sehr, sie erzählte ihm von der Vergewaltigung... er hatte sie in den Arm genommen, sie konnte sich anlehnen, sich fallen lassen, sich geborgen fühlen. Sie dachte nicht daran, dass sie sich Kevin herbeisehnte... sie dachte nur daran, warum sie ihn sich herbeisehnte, eben um nicht alleine zu sein. Jetzt war Ben da, er füllte diese Rolle aus, er war für sie da und er hörte zu.
Jenny war ihrem Kollegen so dankbar, dafür dass er der starke Fels war, an den sie sich klammerte. Sie berührten sich, sie streichelten sich, sie küssten sich... anders als der Kuss mit Kevin, als sie damals die starke Schulter war, an der Kevin sich fest zu halten versuchte, war sie es die sich in Bens Arme fallen ließ.
Sie konnte es sich nicht erklären... sie hatten beide nur ein Glas Wein getrunken, sie waren vollkommen nüchtern, sie wussten beide, was sie taten... und trotzdem hatte es keiner gestoppt, keiner unterbrochen. Sie lag wach, als Ben langsam aufstand, sie konnte sein Murmeln hören, als er über sich selbst fluchte... und mit einem leisen: "Ich muss gehen.", die Wohnung verließ. Und Jenny dachte an Kevin, der ihm Gefängnis saß, weil er ihr Beschützer sein wollte... und sie wurde von Weinkrämpfen erfasst...
Ben schreckte hoch, als Semir in das Büro eintrat. "Morgen.", sagte er laut und warf eine Tüte mit Schokocrossaints zu Ben rüber. "Oha... das Gesicht hat nicht viel Schlaf bekommen?", stellte er grinsend fest und sah nicht, wie seinem Freund ein Klos im Hals wuchs, der nicht unter zu schlucken war. "Ja... war etwas spät gestern.", murmelte er und öffnete die Tüte des Bäckers, obwohl er keinerlei Hunger verspürte. Semir bemerkte sofort, dass Ben anders war als sonst... auf kecke Sprüche wusste er normalerweise immer eine kecke Antwort, auch wenn er derjenige war, der aussah wie eine wandelnde Leiche. "Wo gabs denn eine Party, auf die ich nicht eingeladen war?", fragte er und schaltete seinen PC ein. Ben war nicht untätig gewesen, er hatte bereits die Akte von Harald Sczkewski vorbereitet mit allen Vorstrafen... seine Taktik war, Semir gar nicht direkt von dem Disco-Besuch zu erzählen, sondern erstmal, was er rausgefunden hatte. Er hoffte, es würde seinen Freund erstmal positiv stimmen, bevor er erfuhr, WIE die Informationen zustande gekommen sind. Die Akte flog nun über den Computer-Monitor auf Semirs Platz. "Ist das die Einladung?", fragte der, ohne die Akte auch nur zu begutachten... er merkte, dass Ben sich nicht besonders wohl fühlte. "Guck doch erst mal rein.", meinte der mit leicht genervter Stimme und rieb sich durch die Augen.
Semir nahm die Akte, und blätterte. Harry hatte bereits eine ordentliche Vorstrafen-Liste, vor allem als Jugendlicher. Einbruch, Drogenhandel, Körperverletzung, bereits 4 Jahre Jugendknast, 2 Jahre JVA. "Wer ist das?", fragte der erfahrene Autobahnpolizist dann doch mit Interesse. "Genannt wird er Harry, verkauft im 99Grad Drogen und hat scheinbar den Teil von Mark Schneider übernommen." Semirs Augen wanderten von der Akte nach oben zu seinem Gegenüber, seine Miene gefror ein wenig, doch Ben setzte nach, bevor Semir Worte fand. "Ausserdem schien er nicht traurig oder geschockt über den Tod seines Drogendealer-Kollegen." Die beiden Männer schauten sich an... Semir mit einer Mischung aus Ärger über Bens Alleingang, der aber noch abwartend war... als wolle er, dass Ben von sich aus sich entschuldigte. Ben dagegen schaute erwartungsvoll, dass Semir sagte "Gut gemacht, Ben.".
Semir lehnte sich langsam zurück. "Du bist Drogen kaufen gegangen? In die Disco?" Sein Partner zuckte kurz mit den Schultern. "Du hast ja gesagt, wenn wir beide gehen wäre es zu auffällig." "Und du meinst, wenn du alleine gehst, wäre es nicht auffällig?", polterte sein Freund jetzt etwas lauter. Ben spürte sofort Wärme, ungute Hitze in sich aufsteigen, als er kurz nach draussen ins Großraumbüro blickte, auf seine junge Kollegin. "Deswegen... habe ich Jenny mitgenommen." Semir fiel die Kinnlade runter... er war erbost über Bens Alleingang, das Misstrauen missfiel ihm... auf der anderen Seite war er beeindruckt, dass die beiden das alleine durchgezogen haben. Seine Miene war ernst, er kniff die Lippen zusammen und klappte die Akte zu, beugte sich nach vorne auf den Tisch, wie bei einem Verhör wenn er den Verdächtigen versuchte einzuschüchtern... Ben erwartete nun die Standpauke seines Lebens. Die Stimme Semirs ließ dies auch vermuten, doch der Inhalt war ein anderer: "Dann erzähl mir mal genau, inwiefern sich dieser Harry über Schneider geäussert hat..."
Wo genau stand denn, das jemand stirbt??