Beiträge von Campino

    Waldweg - 19:45 Uhr

    Das Wasser trommelte auf das verzogene Dach des Mercedes, in dem weiter der arme Ben saß, eher lag, zitternd, mittlerweile tränenüberströmt. Er war endgültig zusammengebrochen, heulte wie ein Schloßhund vor Angst, nie wieder aus dem Auto rauszukommen. Seine Hand wurde weiter fest umklammert von seinem Kollegen und Freund, der neben dem Auto saß und unaufhörlich versuchte dem Polizisten gut zu zureden. Kevin konnte nichts tun, er war verzweifelt, denn er hasste es hilflos zu sein. Es erinnerte ihn immer wieder an seine furchtbare Nacht, als er mit ansehen musste, wie seine Schwester erstochen wurde, auch wenn die Situation hier nicht vergleichbar war. Trotzdem fühlte sich der junge Mann wie festgekettet und untätig mit an zu sehen, wie sein Partner litt, und nicht mehr weit vor dem absoluten Kollaps war.
    Wie zum Zeichen der ausweglosen Situation blitzte und donnerte es über dem Unfallort, der Mercedes lag halb auf dem Weg, halb daneben, dass Benzin, das auslief wurde vom Regenwasser weiter verflüssigt und einzelne Funken hatten sich Gott sei Dank nicht entzündet. Die einzige Gefahr bestand durch das Wetter... ein Blitzeinschlag in einen Baum, ein Feuer in der Nähe hätte verheerende Auswirkungen, und jedes Knallen des Donners ließ Kevin zusammenzucken und sorgenvoll auf die einzelnen Bäume blicken, die dicht an der Unfallstelle standen. Auch das Metall des Autos hatte Anziehungskraft, Ben würde es nicht schaden solange er drinsaß, aber sein Partner, der ausserhalb stand und ungeschützt war, würde der Blitz erschlagen. Doch der Polizist dachte nicht dran, sich auch nur einen Centimeter vom Auto weg zu bewegen.

    Erst als Kevin ein ihm bekanntes Geräusch hörte, sprach er mit ruhiger Stimme: "Ben, da kommt jemand. Bleib ganz ruhig, ich schau nach wer das ist." Ben nickte zuckend, er konnte sein Zittern nicht kontrollieren, jede Bewegung war beinahe unmöglich in diesem völlig verzogenen Fahrzeug... es war ein Wunder, dass sich keiner der beiden bei diesem Unfall schwer verletzt hatte.
    Kevin ging einige Schritte vom Wagen weg, blickte zusammengekniffenden Auges durch die Regenwand und erkannte zwei Scheinwerfer sich schnell nähern. Als er erkannte, zu wem die Scheinwerfer gehörten entglitten ihm die Gesichtszüge, seine Hand fuhr automatisch zur Waffe, als das Rallyeauto dicht neben dem Mercedes-Wrack zum Stehen kam und Walter Trauscher ausstieg. Der Polizist richtete seine Waffe auf den alten Mann, der wiederrum keinerlei Anstalten machte, sich nicht zu bewegen und humpelnd zum Kofferraum seines Wagens ging. "Keine Bewegung, Hände hinter den Kopf.", rief Kevin, und es kam ihm mehr als komisch vor, dass Trauscher zurückkam... was wollte er hier? Ben und Kevin in der hilflosen Situation kalt machen? Hatte er vermutet, die beiden waren verletzt und er hatte seine Waffe geholt?
    Doch Trauscher verwarf die Gedanken des jungen Mannes. "Kontrollier mich. Ich bin unbewaffnet!", rief er mit seiner knorrigen Stimme und blieb am Kofferraum stehen. "Kevin!!", rief die verzweifelte Stimme von Ben aus dem Auto, doch der konnte dem Killer jetzt nicht den Rücken zu wenden. Langsam, mit der Pistole im Anschlag ging er zu dem alten Mann hin, der sich widerstandslos durchsuchen ließ... er hatte tatsächlich keine Waffe. "Ich will euch helfen... ich lasse keinen Verunfallten zurück?"

    Kevin schaute verwirrt, perplex, immer noch die Waffe im Anschlag. Doch er ließ Trauscher den Kofferraum öffnen, schaute jedoch selbst erstmal hinein, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Drinnen lag ein Rettungsgerät, ein Scherenspreizer und ein Kompressor für den nötigen Strom. Kevin konnte keinerlei Waffe finden. "Die Feuerwehr wird gleich hier sein.", sagte er ruhig und immer noch ungläubig. Warum wollte ein vierfacher Killer ihnen helfen? "Die Feuerwehr wird den Weg nicht passieren können bei dem Wetter.", sagte Trauscher mit überzeugender Stimme, und der Polizist hatte bei dem immer weicher werdenden Untergrund ebenfalls seine Zweifel. "Warum wollen sie uns helfen?", fragte er und ließ die Waffe langsam sinken. "Ich habe nichts gegen euch. Ihr steht auf der richtigen Seite, ihr sorgt für Ordnung auf den Straßen. Die Zuschauer und Fußgänger sind die Schlechten. Sie müssen weg.", sagte der Mann mit versteinerter Miene, und verwirrte den jungen Mann immer mehr. "Sie haben nichts gegen uns? Sie haben auf unsere Kollegin geschossen.", sagte der Beamte laut mit kaltem Ausdruck in den Augen. Der Mann blickte kurz auf den vermatschten Boden, und dann wieder auf Kevin. "Das war ein Warnschuss für euch... mich meine Arbeit machen zu lassen." "Und jetzt wollen sie einen von uns retten?" Walter Trauscher schnaubte und sah an Kevin vorbei zu dem verzogenen Mercedes, aus dem Ben leise wimmerte. "Ist er verletzt?" Kevin schaute kurz zu ihm rüber: "Ich glaube nicht, aber er hat Platzangst." "Dann sollten wir aufhören zu quatschen, und ihn endlich rausholen.", sagte er mit vorwurfsvoller Stimme, doch Kevin war sich immer noch nicht sicher, was die Intention des Mannes war. "Sie haben mir immer noch nicht gesagt, warum sie uns helfen wollen." "Mich haben sie in einem Wrack neben der Piste liegen lassen, vor 20 Jahren. Ich war 45, ich hätte noch 10 Jahre fahren können. Und weil ich über eine halbe Stunde eingeklemmt war, bis ein anderer Fahrer angehalten hatte, konnte ich mein Bein nie mehr richtig belasten. Aber die Zuschauer, die haben gegafft und Fotos gemacht. Niemand hatte geholfen." rief der Mann wütend und zeigte einmal kurz auf sein Bein. "Jetzt hol das Aggregat aus dem Auto, ich kann es alleine nicht heben.", sagte er und wandte sich einfach zum Kofferraum, und hob das Arbeitsgerät heraus.

    Kevin hatte keine Wahl, Bens Zustand wurde immer schlechter... der junge Polizist hatte Angst davor, dass sein Kollege einen Kreislaufkollaps bekam durch sein schnelles Atmen, und er ihm dann aufgrund der misslichen Lage überhaupt nicht helfen konnte. Er steckte die Waffe weg, die tropfte wie eine Wasserpistole, und hob das schwere Dieselaggregat aus dem Rallyeauto. Gemeinsam brachten sie das Zeug zum Mercedes, Walter Trauscher warf fachmännisch den Generator an und schloß das Arbeitsgerät an. "Wir holen dich raus, Ben. Keine Angst, gleich kannst du dich frei bewegen.", sagte Kevin mit ruhiger Stimme zu Ben, der mittlerweile immer leiser wurde, zitternd, weinend im Auto hing und merkte, dass er müde wurde. Sein Kreislauf rutschte langsam in den Keller, und für ihn hatte es den Anschein, dass er jetzt sterben müsste, obwohl ihm eigentlich nichts passieren konnte. Auch gab er keine Antwort an Kevin, so dass der sich umso mehr beeilte.
    Walter Trauscher zeigte ihm genau, wie er das Arbeitsgerät in die Kante zwischen Tür und Kotflügel setzen musste, wie er sich gegen das Gerät stemmen musste, damit es funktionierte. Normalerweise brauchte man zwei Mann dazu, aber Trauscher selbst konnte das nötige Gegengewicht nicht aufbringen wegen seines Beins. Der schlammige Untergrund machte es für Kevin noch schwerer, doch er brachte alle Kraft auf, die er hatte. Das Blech gab langsam nach. Das Gleiche wiederholten die beiden Männer an dem Übergang Tür und A-Säule des Fahrzeugs und es dauerte nur einige Minuten bis die Tür nachgab und Kevin sie leichte öffnen konnte. Er beugte sich hinein, griff Ben unter die Arme und zog ihn langsam aus der engen Umarmung des Mercedes. Hochheben konnte er ihn nicht, und so zog er ihn von den Bäumen weg, da das Gewitter immer noch tobte, und Ben war es gerade egal dass er im Matsch lag. Der Polizist benutzte den Dieselgenerator um Bens Beine hochzulegen, damit der Kreislauf sich stabilisierte. Walter Trauscher stand daneben und murmelte leise: "Ich lasse keinen Fahrer in seinem Auto verrecken."

    Ben atmete schwer, sein Zittern beruhigte sich nur wenig, es wurde langsam besser als Trauscher eine Flasche Wasser aus dem Kofferraum des Auto nahm. Sie war noch verschlossen, der Ring am Verschluß unbeschädigt und somit keinerlei Gefahr eines heimtückischen Anschlags. Scheinbar gab es tatsächlich tiefere Gründe für die Mordanschläge des Mannes und aus irgendwelchen Gründen wollte er Ben und Kevin tatsächlich nichts tun. Der Anschlag auf Jenny war tatsächlich ein Warnschuss, ihm nicht zu nahe zu kommen. Anstalten nochmals zu fliehen machte er keine. Er blieb dicht in der Nähe der beiden Polizisten, erkundigte sich nach Ben. Der sah wieder klar, bekam alles mit und spürte, dass der Regen langsam weniger wurde. "Wie seit ihr auf mich gekommen?", fragte Trauscher irgendwann interessiert, und Kevin war immer noch sehr irritiert von der Situation. Offenbar sah der Killer keinen Sinn mehr im leugnen, vielleicht sah er seine Arbeit auch als getan. "Den Beitrag im Internet konnten wir zurück verfolgen. Und das überaus seltene Kaugummipapier." Beinahe anerkennend nickte Trauscher. "Wollten sie Jenny wirklich nur an der Kante der Schutzweste treffen?" "Würden sie es glauben, wenn ich sage 'Ja.'", fragte der Mann vielsagend. "Ich weiß nicht...", meinte Kevin.
    Ben ging es langsam besser, er dankte Kevin und dem Mann für die Befreiung und setzte sich langsam auf. Nur wenige Minuten später kamen auch zwei Polizei-Jeeps und ein schweres Fahrzeug der Feuerwehr, was aus Köln direkt gerufen werden musste, die Ortsfeuerwehr umliegend konnte mit den herkömmlichen Autos wirklich nicht bis hierhin durchdringen. Trauscher wurde festgenommen, und auf die Autobahndienststelle verbracht. Ben und Kevin setzten sich, mit Matsch an den Kleidern und Haaren in einen Polizeijeep. "Danke Kevin...", sagte Ben nochmal mit erschöpfter Stimme, als er seinen Kopf gegen die Kopfstütze legte und die Augen schloß. "Dass du bei mir geblieben bist... ich wäre gestorben, wenn du nicht da gewesen wärst." Kevin sagte nichts, er strich seinem Partner freundschaftlich mit der Hand über den Oberschenkel. "Warum hat der Killer uns geholfen?", fragte er dann, denn das Gespräch hatte er natürlich fast gar nicht mitbekommen. "Das weiß ich selbst noch nicht so wirklich...", antwortete Kevin nachdenklich, als der Jeep losfuhr.

    Mallorca - 19:35 Uhr

    Wenn ein Mensch, der niemals Kampfsport betrieben hatte in eine solche Situation geraten würde, wie André jetzt gerade, hätte er vermutlich genau in diesem Moment verloren. Raul hatte ihn auf dem Boden, kniete neben ihm und hatte gerade sein Klappmesser gezogen um den ehemaligen Polizisten vollends zu erledigen.
    Doch André war nicht irgendjemand. Neben seinem jahrelangen Karatetraining hatte er auch eine Polizeiausbildung genossen. Blitzschnell griff der Mann das Handgelenk des Angreifers, die Klinge stoppte nur wenige Centimeter vor seinem Brustbein und mit einer schnellen Bewegung verdrehte André dem Messerstecher das Handgelenk. Raul schrie auf, schmerzerfüllt, die Bänder und Knochen im Hand zum Zerbersten gespannt. "Ich hab die Schnauze voll, Mann!", presste André hervor, als das Messer mit der flachen Seite auf seinem gespannten Shirt landete und Andrés Handballen mit Wucht unters Kinn seines Gegners krachte. Raul gingen an dieser empfindlichen Stelle des Körpers sofort die Lichter aus, sein Körper wurde schlaff, die Beine knickten weg und sein durchaus schwerer Körper krachte auf die Terracota-Fliessen. André stand stöhnend auf, atmete schwer und packte den Kerl unter den Schultern. In allerhöchster Eile schaute er sich um, fand in einem Werkzeugkasten ein paar Kabelbinder und band Raul auf sichere Art im Haus fest, dazu die Beine zusammen. Wer ihn fand war dem ehemaligen Polizisten egal, jetzt musste er auf jeden Fall die Bilder zurückholen.

    Im Sprint rannte André aus dem Haus und sah auf der Erhöhung Charlie, wie er in Richtung des Meeres sah. Der Verbrecher bückte sich nach unten und schien etwas aufzuheben, als er André kommen sah und sich sofort entfernen wollte.
    André kam am Ende der Klippen an und wollte nach rechts in Richtung Charlie abbiegen, als er ein Stöhnen vernahm. Der Verbrecher blieb stehen und lachte höhnisch auf. "Na komm, André. Lauf mir hinterher und lass deinen Freund hier hängen." Der großgewachsene Mann blickte sich mit großen Augen um, als sein Gegner auflachte. "Wenn ich weg bin wirst du mich nie mehr finden. Ich mache dich fertig, André Fux." "ANDREEEEEE!", ertönte plötzlich Semirs gequälte Stimme, einige Meter in die andere Richtung. Semir krallte sich an einen Felsvorsprung fest, ein Stück unter der Absturzkante mit einer Hand, an einem Strauch mit der anderen. Doch die Kraft schwindete, die Schultern wollten auseinanderreissen, und der Polizist war heilfroh, dass sein Freund endlich da war.
    Doch André zögerte, als er einen Schritt Richtung Semir ging. "Ja, helf deinem Freund. Bis du ihn raufgezogen hast, werde ich über alle Berge sein." "Du verdammter DrecksackCharlie drehte sich um und lief zurück zum Haus, Richtung Auto.

    Auf André brachen tausende Gedanken ein. Charlie hatte recht... würde er jetzt zum Auto laufen, und er selbst würde Semir helfen, würden sie Charlie nie wieder finden. Der ehemalige Polizist hatte keinerlei Anhaltspunkte mehr auf andere Mitglieder der Gruppe, Charlie könnte sich sonst wohin absetzen und er würde sein ganzes Leben lang mit der Angst leben müssen, irgendwann von der kanarischen Polizei angeführt zu werden. Semir würde ihm zwar glauben, aber sonst niemand. Auf der anderen Seite hörte er das schmerzende Stöhnen von Semir, der sich versuchte mit aller Kraft festzuhalten, kleinere Kiesel rutschten von seinem Schuhen in den Abgrund. Es wäre sein sicherer Tod, würde er abstürzen. "André...", hörte er die Stimme erneut.
    Semir wusste ganz genau was da oben passierte... er konnte sich, ohne etwas zu sehen, bildlich vorstellen wie André kämpfte. Er konnte es ihm beinahe nicht mal verübeln, aber er wäre trotzdem heilfroh, wenn er ihm helfen würde. Aber der Polizist war zu sehr Freund und zu selbstlos nach Hilfe zu rufen, und erschrak über seinen eigenen Mut als er rief: "Schnapp dir den Kerl! Ich warte hier auf dich." Andrés Fuß wollte in den Sprint verfallen, sein Kopf befahl die Verfolgung aufzunehmen, doch sein Herz hielt ihn gefangen. Er dachte an Felicita zu Hause, er dachte daran vielleicht tatsächlich in ein, zwei Jahren noch ein Kind zu bekommen... würde er auf ewig mit dieser Angst leben, auf Fahndungslisten zu stehen, nur darauf zu warten für einen gezwungenen Mord 25 Jahre hinter Gitter zu gehen?
    Er dachte aber auch an Semir... er dachte daran, als Semir sich vor 14 Jahren über den Abgrund beugte, nicht weit entfernt von hier, seine Handschellen zog um den, am seidenden Faden hängenden André an sich zu ketten... entweder würden beide fallen, oder keiner. Ein unglaublicher Vertrauensbeweis kurz vor Andrés "Tod". Oder als Semir seinen Freund aus einem Tanklastzug zog, der nicht mehr anhalten konnte und kurz vor der Explosion stand. Sie hatten sich so oft geholfen, und nie hätte einer, den anderen hängen lassen... es gab den Ausschlag, als der leidende Mann dem fliehenden Charlie hinterher sah.

    "Jetzt hol ihn dir schon.", rief Semir erneut und spürte, dass der Busch, an dem er sich festhielt nachgab. Beinahe hatte er schon mit dem Leben abgeschlossen, der Arm wollte sich vom Körper trennen, die Hände und Finger wurden taub und er bekam Krämpfe dabei, sein eigenes Körpergewicht an der Klippe zu halten. "Scheiss drauf.", hörte er die kratzige Stimme seines Freundes, und das nächste was er sah, war das Gesicht von André, wie er sich über die Klippe beugte, mit je einer Hand Semirs Handgelenke ergriff und all seine Muskeln in Armen und Rücken anspannte. Semir spürte den Ruck durch seinen Körper, er fand mit einem Fuß einen kurzen Halt und spannte dann ebenfalls jede Faser seines Körpers an um das zweite Bein nach oben über den rettenden Vorsprung zu wuchten. Sein Freund packte dann mit einer Hand an Semirs Jeansbund, ein weiterer Ruck und die beiden Männer lagen knapp vor dem Abgrund übereinander. Beide atmeten schwer, und beiden war bewusst, dass alles verloren war. Bis sie zum Haus zurückkehrten wäre Charlie längst über alle Berge.

    Wortlos, hechelnd vor Anstrengung setzten sich die beiden Männer auf den sandigen Boden. Semir sah André dankbar an, der kurz seine zerkratzten Hände begutachtete, und dann mit seinem leidvollen Ausdruck in den Augen in die Ferne sah. "Scheisse...", murmelte sein Freund, und hegte leichte Schuldgefühle. Er wollte André aber jetzt nicht vorhalten, ihn gerettet zu haben statt Charlie zu folgen, schließlich war er froh drum gewesen. Und sein ehemaliger Partner schüttelte nur den Kopf. "Wir habens versucht, Semir. Wenigstens...", er sah seinen Freund an. "Wenigstens du weißt die Wahrheit. Ich bin kein eiskalter Mörder." Semir nickte, und die beiden Freunde erhoben sich aus dem Dreck. Der kleine Polizist sah zu seinem Nebenmann auf. "Was willst du jetzt machen?" André antwortete ein wenig schwermütig: "Die Zeit mit Felicita verbringen und genießen, so lange es geht. Irgendwann werden neue Bilder gemacht, spätestens wenn Horn rauskommt. Die Jahre hab ich noch Zeit." Es klang resignierend, André war müde, es war ein Abenteuer innerhalb weniger Stunden was an seinen und Semirs Kräften gezerrt hatte, auch wenn der Kommissar nicht aufgeben wollte. "Es muss doch noch eine Möglichkeit geben. Vielleicht..." "Semir...", wurde er unterbrochen. "Es ist vorbei. Du hast dich genug in Gefahr gebracht. Du hast gesagt, ich solle es DIR beweisen, dass es nicht so ist, wie auf den Fotos. Ich habe es dir bewiesen. Mit allem anderen muss ich zurecht kommen, nicht du. Du hast genug getan." Semir spürte und hörte ganz klar die Resignation, und den verlorenen Mut bei seinem Freund, und das kannte er nicht.

    "Aber...", wollte er gerade ansetzen, als aus der Ferne, aus der Richtung des Hauses zwei Schüsse erklangen. Die beiden Männer schauten sich kurz an, bevor sie wortlos in einen schnellen Lauf zum Haus verfielen.

    Spoiler anzeigen

    Hab sie grad vorgeguckt.

    Eine sehr intensive, sehr dramatische Folge mit einem glänzenden Erdogan Atalay, der mir nur in manchen Szenen gegen den Freund von Dana nicht gefallen hat.

    Allerdings habe ich auch einen Punkt, der die Bewertung der Folge sehr runterzieht... nämlich das komplette Finale, ab dem Zeitpunkt, wo Semir und Alex den Krankenwagen mit dem verletzten Verdächtigen kidnappen. Die Szene darin war schon, nicht nur übertrieben unrealistisch, sondern beinahe schon krotesk, von den Strafverbrechen, die Semir da begangen hat mal ganz abgesehen.
    Danach ebenfalls völlig übertrieben, wie Semir und Alex das Herrenhaus stürmen. Semir rennt ohne Deckung durch die Kugeln von drei Waffen, wird am Bein getroffen, völlig egal, weiter gehts. Ab, rein, alles wird über den Haufen geknallt.

    So sehr man die Sorge um seine Tochter verstehen kann, aber diese "Stürmung" war völlig banane... ich hatte das Gefühl, dass ganz einfach die Zeit des Films knapp wurde. Das Finale hat viel kaputt gemacht von der Folge, meiner Meinung nach. So bleibt der Pilotfilm und die Folge mit Andrea viel mehr in Erinnerung.

    Sorry, wenn ich die Diskussion nochmal aufgreife:

    Klar, für Elvira ist es eine Information zu wissen, wer warum nicht feedet, der sonst immer feedet. Irgendwo hat das auch seine Daseinsberechtigung, allerdings dürfte auch jeder FF-Schreiber mittlerweile wissen, wer welche Kriterien hat welche FF er liest.

    Ich zb finde es nicht schlimm, es nicht zu wissen. Bei mir feedet bspw jenni und conny11 gar nicht, Elvira bei der momentanen Story auch nicht. Vielleicht, weil sie meinen eigens erschaffenen Charakter nicht gut finden, vielleicht weil ich nicht gerade ein besonders toller Schreiber bin, oder sie trauen sich nicht, weil sie es nem Kerl mit rotem Iro nicht zutrauen zu schreiben :P;)
    Ich feede selbst fast gar nicht, weil ich leider wenig Zeit habe, und auch ehrlich gesagt mich nicht für so kompetent halte, gute Feeds, die einen weiterbringen, zu schreiben, weil ich auch ein miserabler Leser bin.

    Ich muss auch sagen, dass ich Storys nicht für die Feeds schreibe, sondern für mich selbst und für euch zu unterhalten. Natürlich sind Feeds schön, dabei geht es mir nicht mal so sehr um Lob oder Kritik (was natürlich beides auch schön und motivierend ist), was mir gefällt ist, wenn sich meine Leser in die Figuren reindenken, mitlachen und leiden, schockiert sind, betroffen sind, belustigt sind und das äussern. Das macht mir bei den Feeds am meisten Spaß, aber schreiben tu ich die Story in erster Linie für euch und mich, und nicht für die Feeds.

    Just my 2 cents

    Rallye-Teststrecke - 19:30 Uhr

    Ben musste das Licht einschalten, denn es war düster geworden. Gerade als der Benz den Waldweg erreicht hatte, öffnete der Himmel seine Schleusen vollends. Das erste Stück ging gerade aus und war weniger unangenehm für die beiden Insassen, so dass der Polizist am Steuer die PS seines Wagens sprechen ließ und dicht an das springende Rallyeauto, mit dem Trauscher flüchtete, heranfuhr. Doch sobald die Straße eine Biegung machte, stellte sich das Rallyeauto quer und konnte die Kurve müheloser bewältigten als der schwere Mercedes. Dazu federte es leichtgängiger über die Schlaglöcher, die zunahmen und sich auch noch langsam mit Wasser füllten, während Kevin sich im Auto am Türgriff festhalten musste, um nicht mit dem Kopf gegen das Dach zu stoßen.
    Die Scheibenwischer verrichteten Schwerstarbeit, der Schlamm des schnell aufgeweichten Bodens flog über die Windschutzscheibe und das Wasser spritzte aus den Pfützen gegen die Seitenscheiben. Beim Bremsen vor den Kurven merkten die beiden Polizisten dass ihr Vordermann Probleme hatte. "Was ist das?", fragte Ben, der jedesmal bemerkte, dass Trauscher früher bremste, als er könnte. "Er muss schalten... er hat nur Automatik-Autos geklaut, das Rallye-Auto musst du schalten. Er kann die Kupplung mit seinem steifen Bein nicht gut drücken." Das leuchtete dem Fahrer ein, der nun dichter auffuhr und stöhnte, als der Mercedes wieder durch ein Schlagloch krachte.

    Die Schotter, mittlerweile völlig verwässerte Schlammpiste führte am Waldrand vorbei... rechts säumten Bäume den Weg, links eine herrlich grüne Wiese, die jetzt aber unter den Sturmböhen, die das fahren zusätzlich schwierig machten, und dem prasselnden Regen sich senkte. Kevin, der normalerweise vor nichts Angst hatte, wurde mulmig. "Fahr langsamer. Das bringt nichts... hier können wir ihn eh nicht stoppen." Mit einem Klatschen senkte sich wieder eine Dreckwasserfontäne über Front- und Seitenscheibe, während Ben das Lenkrad mit aller Macht hielt.
    Als das Rallye-Auto durch eine schnelle Linkskurve fuhr, und Ben versuchte mit aller Macht nicht zurückzufallen, passierte es. Von einem Schlagloch ausgehebelt verlor der Polizist den Benz aus der Kontrolle. Sein Partner sah das Unheil kommen und duckte sich tief in seinen Sitz, schloß die Augen und spürte nur noch wie sein Körper herumgerissen wurde. Ein Krachen und Dröhnen folgte, als der Mercedes erst gegen zwei massive Büsche schleuderte, sich überschlug und dann an einem Baum hängenblieb. Glas splitterte, Metall ächzte, weißer Rauch stieg durch den Regennebel nach oben. Das Wrach schleuderte zurück auf den Feldweg, wo er zum stehenkam, und Kevin die Augen erst langsam wieder öffnete... Er spürte, wie warmes Blut seine Schläfe herunterlief, er spürte stechende Schmerzen im linken Arm und an der Stirn. Er sah um sich herum, dass seine Seitenscheibe geborsten war, die Frontscheibe gesprungen, und das ganze Auto unnatürlich verformt.

    Als er nach links sah, bekam er einen Schock. Ben war mit dem Körper unter das Amaturenbrett, dass sich verformt hatte, gerutscht, das Dach hatte sich durch den Überschlag gesenkt und sich bis zu seinem Kopf eingedrückt. Offenbar war der Polizist beim ersten Anprall nach unten gerutscht, was wohl sein Glück war, denn er war bei Bewusstsein, war zwar von Kratzern übersät, aber er war da. "Ben..., ist alles klar?", stöhnte Kevin, doch Ben antwortete erst nicht. Er versuchte sich zu bewegen, doch nichts passierte... mit weit aufgerissenen Augen blickte er zu seinem Partner rüber und sagte mit leiser, beinahe mechanischer Stimme. "Kevin... es ist so eng." Das Herz des jungen Polizisten begann schneller zu schlagen, als er merkte, dass sein Freund in Panik geriet und plötzlich schrie: "ES IST SO ENG!!" Plötzlich begann Ben sich panisch zu bewegen, mit aller Macht aus dem Auto zu schälen, doch es ging nicht. "Warte... Bleib ganz ruhig" Kevin trat mit aller Kraft, die er noch hatte, die verformte Beifahrertür auf, und stolperte ins Freie. Er musste sich orientieren, sie standen quer zum Weg und sofort wurde der Cop vom Sturzregen durchnässt. Er lief um das, vorne dampfende Wrack herum, bis er zur Fahrertür gelangte, die noch mehr verformt war, als seine eigene. Das Glas war komplett gesplittert, er konnte sehen, wie Ben panisch die Augen bewegte, selbst die Bewegungsfreiheit des Kopfes war eingeschränkt... der Kommissar war völlig unglücklich eingeklemmt, so dass es für ihn das Gefühl war, in einer Kiste gefangen zu sein.

    In Ben kamen seine Alpträume, seine Panikattacken und die Erinnerungen an den Sarg unter der Erde mit einem Mal wieder hoch. Alle Gespräche, die er mit dem Polizeipsychologen danach geführt hatte, waren plötzlich sinnlos geworden. Er war bewegungslos gefangen, über ihm Metall, über seinem Körber das vorgeschobene Amaturenbrett, Hartplastik, Elektronik, neben ihm das eingedrückte Dach zu Beifahrerseite, auf der anderen Seite die verformte Tür, an der Kevin mit aller Kraft zog. Immer noch stieg weißer Dampf aus dem zerstörten Motorblock, Benzin lief aus dem geplatzten Tank. "Hol mich hier raus!! Das ist so verdammt eng!! Kevin!!!", schrie Ben panisch und unkontrolliert, sein Kopf wollte explodieren und er hatte das Gefühl, in einer Autopresse zu sitzen, und das Auto würde ihm die Luft abdrücken, obwohl er wenige Centimeter Platz hatte. Schwer stöhnend gab der Polizist neben dem Auto auf und sah verzweifelt zu Ben hinein. "Ich krieg sie nicht auf...", sagte er in einen Donnerschlag, als das Rallye-Auto übers Feld an ihm vorbeifuhr, in entgegengesetzte Richtung, von der sie gekommen waren. Kevin fuhr herum, zog noch die Waffe, doch der dichte Regen ließ alles vor seinen Augen verschwimmen. Doch es ärgerte ihn nicht, denn die Sorge um seinen Partner, um seinen Freund war viel größer, so dass er seine Pistole schnell wieder wegsteckte und über sein, zum Glück noch intaktes Handy, sofort Feuerwehr und Rettungswagen verständigte, bevor er sich wieder zum Wrack hinwendete.

    Obwohl Kevins Herz vor Aufregung sich überschlug war sein Puls Kindergarten im Vergleich zu Ben. "Ben, beruhig dich. Du musst langsam atmen.", sagte er durchs Seitenfenster, und versuchte die Stimmlage ruhig zu halten. Regen lief ihm in alle Knopflöcher, seine sonst stachligen Haare lagen platt am Kopf und tropften ihm in die Augen. Ben hatte das Gefühl, einen Marathon zu laufen und gleichzeitig dabei erwürgt zu werden, als würde sich ein Elefant auf seine Brust setzen, und langsam schwerer werden. Der starke Regen verschlimmerte seine Erinnerungen an den Zeitpunkt, als Semir ihn kurz vor dem Ertrinken aus dem Sarg befreit hatte. Sein Atem wurde immer schneller, immer heftiger, als könne er damit der drohenden Presse, in der er sich wähnte, entfliehen. Kevins Stimme hörte er nur ganz weit weg, und auch dessen Hand an seiner Schulter spürte er nicht. "Kevin, es drückt so... es ist so eng..." schrie er aus Leibeskräften. "Tut dir etwas weh?" Nein... weh tat ihm nichts, fand Ben. Es war nur so bedrückend, so unendlich eng. "Nein... es ist aber so eng... es wird immer enger!!"
    Kevin war verzweifelt. Anscheinend hatte Ben zumindest keine schlimmen Verletzungen, aber sein psychischer Zustand wurde schlimmer. Wenn er so weitermachte, würde er gleich hyperventilieren und einen Kollaps bekommen, und der Kommissar könnte seinem Partner nicht helfen. Wieder versuchte Ben sich zu bewegen, doch immer stieß er mit Hüfte, Kopf oder den Armen irgendwo an. "Hol mich hier raus! Bitte... hol mich hier raus.", flehte er mit beinahe weinerlicher Stimme, und Kevin konnte merken, wie seine Augen feucht wurden. Aber Kevin konnte nichts tun... mit schwerem Gerät müsste man das Wrack aufschneiden, um Ben befreien zu können. Er kniete sich neben die verformte Tür, griff in den Fahrraum und suchte nach Bens Hand. Als er sie fand, umschloß er sie fest. "Ich bin da, Ben. Es kann dir nichts passieren, hörst du?" Kevins Stimme war bemüht, völlig ruhig zu sein, und er hatte auch den Eindruck, dass der Atem seines Freundes sich ein wenig beruhigte, auch wenn er immer noch hechelte, wie bei einem Dauerlauf. "Ich gehe hier nicht weg, und wenn das Auto in die Luft fliegt. Die Feuerwehr ist gleich hier, und dann holen wir dich raus, und heute abend gehen wir was trinken, okay?" Für einen Moment glaube er, ein kurzes Lächeln in Bens Gesicht zu erkennen, doch es wurde von seinem angsterfüllten Stöhnen überzeichnet. Die Hand, die Bens Hand fest umschloß, und die der Polizist auch dankbar festhielt, tat ihm gut. Anders als im Sarg wusste er, Rettung war definitiv unterwegs...

    Und viel wichtiger... anders als im Sarg, war jemand dicht bei ihm...

    Hallo jenni,

    Ich bin ehrlich gesagt über die Zeilen leicht schockiert, vielleicht bin ich nicht auf dem neuesten Stand.

    Zu 1. Ich finde, jeder sollte entscheiden, was er lesen will. Wenn jemand wegen Alex nicht lesen will, oder nur wegen Ben liest, dann ist das okay, finde ich. Vielleicht sollte man sich den Kommentar in den Feeds: "Ich lese hier nicht mit weil" so und so vielleicht verkneifen, falls das störend ist. Ich persönlich würde es nicht störend finden, wenn jemand schreibt: "Ich lese deine Story nicht, weil es eine dritte Hauptfigur gibt, die ich nicht aus der Serie kenne."

    Zu Punkt 2 und 3 kann ich nix sagen, weil ich das nirgends, zumindest in meinen Storys, gelesen habe. Wenn es aber wirklich stimmt, dann ist das wirklich nicht gut.

    Einsames Haus - gleiche Zeit

    Im hellorangenen Licht, von dem Semir und André zeitweise geblendet wurden, stiegen die beiden Freunde lautlos in das kleine Sandsteinhaus in der mallorcinischen Einöde ein. Semir hatte die Waffe fest in der Hand umklammert, als er die Holzrolläden aufdrückte, in das nun durch die Sonnenstrahlen erhellte Zimmer reinsah und sich dann mit beiden Armen hochzug um sich über die Fensterbank zu wuchten. Ein kurzer Blick, ein kurzes Verharren... nebenan waren die Stimmen gedämpft zu hören, Gläser klirrten, offenbar nahmen die beiden Männer einen Drink. "Okay, komm.", flüsterte Semir nach draussen zu André, der kurz gewartet hatte und sich, scheinbar ein wenig unsicher umgesehen hatte. Der Polizist streckte seinem Freund die Hand entgegen, der ergriff sie und zog sich ebenfalls am Fensterbrett nach oben. Ohne Worte zeigte Semir auf die Tür des Zimmers, das spartanisch mit einem Bett ,einem Nachttisch und einem Kleiderschrank eingerichtet war, wie ein billiges 3-Sterne-Hotel. Trotzdem schauten die beiden Männer, bevor sie die beiden Kerle im Nebenraum überrumpeln wollten, nochmal überall nach, ob sie den Umschlag finden konnten, doch der ruhte nach wie vor fest in Charlies Hand.
    Der saß mittlerweile bei Raul am Tisch, ein Glas Whiskey in der freien Hand, und trotzdem noch ziemlich bleich um die Nase.

    "Was machst du dir solche Gedanken?", fragte Raul mit seinem ausländischen Akzent. "Du hast gesagt, dass du abgehauen bist. Und? André hat keine Anhaltspunkte wo du steckst." "Achja? Er hat ja auch rausbekommen, dass ich in Cala Millor bin.", entgegnete Charlie mit nervöser Stimme. "Der Kerl wird nicht locker lassen. Horn hat mit seiner dämlichen Rache viel zu viel aufs Spiel gesetzt damals." Der Spanier schien zustimmend zu nicken. "Das stimmt. Das war dumm von Ralf. Aber es ist nun mal so. Wir werden noch einige Monate die Köpfe unten behalten, und dann wird die Polizei auch irgendwann Ruhe geben. Über Ralfs Anwalt werden wir dann hören, was wir weiter tun werden. Und Fux sitzt dann vielleicht schon... aber lebenslänglich." Er erhob sein Glas zum Anstoßen, als die Tür in seinem Rücken aufging und Charlie das Glas fallen ließ. André stand leicht versetzt vor Semir, der die Waffe auf die beiden Männer richtete. "Da wäre ich mir nicht so sicher, Raul.", sagte André mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck und heruntergezogenen Lippen. Charlie verlor sofort die Nerven, er sprang auf, drückte den Umschlag an sich und rannte sofort in Richtung der Haustür. "Halt!", rief Semir noch, doch er konnte dem Mann nicht einfach in den Rücken schießen. Raul war in der Zwischenzeit aufgesprungen, und hatte sich kampfbereit zu André umgedreht. "Schnapp dir den Kerl, Semir!", sagte der Karatekämpfer schnell und brachte sich gegen Raul ebenfalls in Kampfposition. Sein Freund drehte auf dem Absatz um, um nicht an Raul vorbeikommen zu müssen nahm er den selben Ausgang aus dem Fenster, auf dem er gekommen war.

    Charlie sprang nicht ins Auto, sondern rannte einen unbefestigten Pfad hinauf zu den Klippen. Er war kurzzeitig in Panik, als er sah dass Semir ihm über Stock und Stein folgte. "Bleib stehen, verdammt.", rief er laut und feuerte zwei Schüsse in die Luft.
    Mehrere Mauern grenzten teilweise die Felder der Landwirte ab, und standen dicht an den Felsvorsprüngen. An diesen Mauern vorbei lief Charlie nun, umlief einen dichten Strauch, so dass Semir ihn kurzzeitig aus den Augen verlor. Die Waffe mit beiden Händen haltend, doch das nutzte ihm für einen Moment nichts. Charlies Schlag in Semirs Magengrube, als der an einer Sandsteinmauer vorbeilief, raubte dem Polizisten den Atem, ließ ihn in die Knie gehen und die Waffe im hohen Bogen am Rande der Klippe landen. Der Verbrecher schubste den stöhnenden Mann zur Seite und lief auf die Klippe zu, doch Unwissende unterschätzten die Nehmerqualitäten des kleinen Kommissars. Noch bevor Charlie die Waffe wirklich in die Hand nahm, stürzte sich Semir auf den Mann, der sofort das Gleichgewicht verlor, und die Waffe fiel klimpernd ein, zwei Meter weiter... genug um von der Klippe zu rutschen und in den tödliche Abgrund zu fallen, der erst viele Meter weiter unten bei scharfen Felsen an der umspülten Küste enden sollte.

    André kannte Raul, er kannte dessen Kampfstil... sie hatten beide in den 14 Jahren oft genug miteinander trainiert. Raul war schnell und kräftig, und dazu ein paar Jährchen jünger als André. Doch ihm fehlten eben auch diese Jahre an Reife und Kampferfahrung, doch im Moment hatte er den Moment. Zwei Schläge landeten am Kopf des Ex-Kommissars, der sich mit einer Rechts-Links-Kombination auf die Leber rächte. "Ich werde zu Ende bringen, was Ralf versäumt hat.", schäumte der Spanier und versuchte einen Schlag ins Gesicht seines Gegners zu landen, dem André aber geschickt auswich und seinerseits den Ellbogen auf die Rauls Brust schnellen ließ. Raul jedoch hatte Nehmerqualitäten, und er war für einen Moment schneller auf den Beinen, als André das vermutet hatte. Krachend senkte sich seine Rechte im Gesicht des älteren Mannes, der durch die Wucht des Schlages gegen die kratzige Sandsteinwand fiel, was unschöne Striemen an der Stirn hinterließ. Für einen Moment war André angeschlagen, was Raul nutzte und seinen Gegner mit einem seitlichen Sprungtritt gegen Andrés Schläfe zu Fall zu bringen. Rot und Blau blinkte es für einen Moment vor den Augen des Karatekämpfers, er spürte warmes Blut aus einem Cut über dem Auge, die Welt um ihn rum war ein wenig verschwommen, als er sich auf dem Terracotta-Boden des Hauses langsam auf den Rücken drehte. Raul hatte die Zeit genutzt, hatte sein Klappmesser aus der Hose gezogen und es aufschnappen lassen. "Du bist zurückgekommen um die Beweise deiner Tat zu vernichten... das war sehr dumm von dir.", hörte er die Stimme und den klaren spanischen Akzent. Dann sah er noch das Messer, das in Richtung seiner Brust herabsauste...

    Semir hatte für einen Moment Oberwasser, denn er drückte Charlie in den staubigen Boden neben einigen Hibiskussträuchern. Die Waffe war weg, er musste sich jetzt auf seine Kraft verlassen. Doch Charlie gab nicht auf, und schlug dem Polizisten heimtückisch auf die Niere, so dass Semir laut aufstöhnte und den Griff lockern musste. Den Grund des Kampfes hielt der Mann jedoch weiter festumklammert, der Umschlag mit den unbearbeiteten Beweisfotos presste Charlie während des Kampfes dicht an sich, als er seinen Gegner von sich herabwälzte. Doch auch Semir war wieder schnell auf den Beinen, Charlie wollte einfach nur weg. Sobald er von hier verschwand, gäbe es keine Anhaltspunkte mehr, wohin er verschwinden würde. "Hier werdet ihr niemanden finden, der weiß wo ich bin, Drecksbulle.", rief er, als er ein Stück rückwärts ging und Semir drohend auf ihn zukam. "Geben sie die Fotos, und wir werden dich laufen lassen." "Fick dich, Bulle." Charlie blieb stehen und holte zum Schlag gegen Semir aus, der allerdings war schneller, unterlief den Schlag, hakelte seinen Arm unter den Ellbogen von Charlie und konnte den Mann durch diese Technik, trotz oder gerade wegen seiner kleineren Größe aus dem Gleichgewicht bringen und ihn über die Schulter werfen. Charlie landete mit einem Rumms auf dem steinigen, felsigen und unebenen Boden, er stöhnte dabei laut auf. Sein Kopf lag nur noch einen halben Meter von den Klippen entfernt, als der Polizist sich wieder näherte, sich nach unten beugte und den Verbrecher am Kragen packte. "Rück die Fot...", sagte er noch, als er Charlies Knie im Magen spürte und durch den Ruck nach vorne gerissen wurde. Es wurde ihm erst bewusst, dass hinter dem Mann keinerlei fester Boden mehr war, als er von dem Liegenden über ihn gehebelt wurde, und als einzigen Punkt des Festhaltens den Felsvorsprung ergriff. "Oooooh", rief der Polizist, als er bemerkte dass er sich in einer verdammt kritischen Situation befand. Unter ihm waren nur spitze, tödliche Felsen und steinhartes Wasser, aus dieser Höhe. Und über ihm stand Charlie, der sich langsam mit dem Umschlag in der Hand wieder aufrappelte.

    19:00 Uhr

    Kevin wurde von einem dumpfen Grollen empfangen, als er aus den klimatisierten Krankenhausfluren wieder ans Sonnenlicht trat... wobei sich das Sonnenlicht versteckt hatte. Es wurde besiegt von Wolkenbergen, die bedrohlich dunkel über der Stadt hingen, aus denen es hell blitzte und sicherlich auch gleich zu schütten anfing. Kevin schaltete sein Handy ein, nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte und sah sofort mehrere Anrufe in Abwesenheit. Von Bens Privattelefon, seinem Handy und aus dem Büro. Für einen kurzen Moment verharrte der Polizist auf dem Treppenabgang und sah die drei Buchstaben auf dem Display an, als würden sie ihm Antwort auf seine Gedanken geben. "Eine gute Freundschaft ist wie eine Leidenschaft." Der Polizist biss sich auf die Lippen, fuhr sich mit der freien Hand durch die abstehende Frisur, die dadurch immer mal eine andere Form annahm und drückte schließlich den Rückruf-Knopf. Es läutete nur zweimal, da war Bens vertraute Stimme dicht an seinem Ohr. "Kevin?" Ben konnte freilich das kurze Nicken seines Partners nicht sehen. "Ja. Du hast angerufen." Kevins Stimme klang nicht gehetzt oder harsch, so wie er sich von Ben verabschiedet hatte. Sie klang neutral, sachlich, nicht abweisend. Und dem Mann, der am Steuer saß und per Freisprecheinrichtung mit dem Kommissar telefonierte lächelte still in sich hinein, als er diesen Umstand regestrierte. "Ich glaube, ich hab was rausbekommen. Wo bist du?" "Komm grad aus dem Krankenhaus." Ben hob die Augenbrauen ein wenig nach oben, hatten doch beide Männer die Worte der Chefin als solche interpretiert, dass man sich vorrangig um den Fall zu kümmern hat. Allerdings wunderte es ihn auch nicht, dass sich der eigenwillige junge Mann einen Dreck darum scherte, was die Chefin sagte...

    "Ich bin in 10 Minuten bei dir, dann erzähle ich dir alles. Okay?", sagte Ben schnell und hoffte auf eine positive Antwort, die auch sofort kam. "Alles klar." Dann trennten sie die Verbindung und Kevin setzte sich auf eine kleine Mauer nahe an der Straße. Der Straßenverkehr kochte über den Asphalt, Technik und das Grollen der Natur im Einklang klang unwirklich. Der junge Polizist zündete sich eine Zigarette an, und blickte nachdenklich nach oben zu den Fenstern des Krankenhauses, ungefähr in die Richtung des Zimmers, in dem Jenny lag. Warum dachte er jetzt daran, dass er sich wünschen würde, sie würde zufällig rausgucken, und ihn sehen? Wollte er das überhaupt. Wieder ein Zucken eines Blitzes und das unheilvolle Grollen, das langsam näher kam. Auch der Wind wurde stärker, und es schien ganz so, als wären die Götter über irgendwas ziemlich verärgert... jedenfalls konnte jeder auf der Straße spüren, dass es bald verdammt ungemütlich werden konnte und ein schlimmes Unwetter vor der Tür stand.

    Ben brauchte 9 Minuten, bis der Mercedes am Gehweg hielt, und er den Kopf mit den dunklen Haaren aus dem Fenster regte. Ein zaghaftes, beinahe vorsichtiges Lächeln auf den Lippen ließ Kevin sofort aufstehen. Er reagierte zwar nicht auf Bens Mimik, aber er nickte ihm kurz aufmunternd und freundschaftlich zu. Stumme Gesten die sagten: "Lass uns unseren Job machen... und um alles andere kümmern wir uns später." Beide Männer verstanden die Botschaft, weshalb Ben das klärende Gespräch jetzt nicht suchen wollte. Zu wichtige Dinge waren zu besprechen, als sein Partner einstieg und er sich wieder in den fließenden Verkehr einfädelte. "Wie gehts Jenny?", fragte der Fahrer sofort, denn logischerweise wusste, warum Kevin im Krankenhaus war. Der machte auch gar keinen Versuch etwas abzustreiten, und meinte knapp: "Es geht ihr gut. Wir haben uns unterhalten." Ben nickte erleichtert. Sie hatte unverschämt viel Glück gehabt.
    "Ich bin die Halter der gestohlenen Fahrzeuge durchgegangen. Kannst du dich erinnern, du hattest mich darauf hingewiesen.", erzählte Ben sofort. "Und?", fragte sein Freund, mehr interessiert als gleichgültig. "Alle drei Fahrer sind scheinbar Fan oder Mitglied eines Rallyevereins. Das kann kein Zufall sein..." Kevin ließ seinen Blick über die Straße gleiten, als er kurz nachdachte. "Du meinst, der Täter hat Kontakt zu diesem Verein?" "Wenn er nicht sogar Mitglied ist, oder ein Fahrer. Du erinnerst dich an die Fahrzeugbeherrschung, als er geflüchtet ist." "Du hast recht... hast du geprüft, ob dieser Trauscher auch was mit dem Verein zu tun hat?" Ben schüttelte den Kopf. "Nein, den habe ich auf Facebook nicht gefunden. Wir fahren zu dem Verein, ich weiß wo die sowas wie eine Werkstatt haben." Kevin nickte zustimmend.

    Für einige Minuten war es verdächtig still. Während Ben sich auf den Verkehr konzentrierte, überschlugen sich bei Kevin die Gedanken wie in einem Vollwaschgang. Der alte Mann... das hinkende Bein. Das Kaugummi. Der Zusammenhang... wo war er mit dem Rallyeverein? Und den Morden. Ein Rallyefahrer war der alte Mann wohl nicht mehr. Nicht MEHR?
    Ben bemerkte Kevins Stille, seinen nachdenklichen Blick aus dem Seitenfenster heraus. Immer, wenn er angestrengt über etwas nachdachte, hatte er den rechten Fuß ganz an den Sitz gezogen, das Bein angewinkelt und den rechten Ellbogen darauf abgestützt. "Was grübelst du?", fragte er, und hoffte, dass er nicht auf Ablehnung traf, und es was mit dem Fall zu tun hatte. "Ich hatte eben eine merkwürdige Begegnung. Ich war auf einem einsamen Rastplatz, und da kam ein Mann... scheinbar zufällig." Kevin sprach langsam und leise, und sah dabei aus der Frontscheibe, statt direkt zu Ben. "Er hat gesagt... 'Leidenschaft verzeiht man Verletzungen'. Man lässt sie nicht sterben." Ben sah etwas verwirrt zu seinem Partner. Er fragte sich gerade, was das mit dem Fall zu tun hatte... oder wollte Kevin einfach nur davon erzählen. "Er hat gehinkt.", sagte er dann und sah direkt auf seinen Freund am Steuer, der den Blick kurz mit eindeutig fragender Geste erwiderte: "Er hat was?" "Gehinkt.", wiederholte der Polizist. Ben war etwas unwohl bei diesem Gespräch... worauf wollte Kevin hinaus. "Ja und?" Und dann kam sein Freund endlich zu dem Punkt. "Und als er wieder wegfuhr, hat er dieses Kaugummipapier in den Eimer geworfen." Dabei hielt er das rote kleine Papier zwischen Zeige- und Mittelfinger nach oben, und Ben lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. "Ach du Scheisse..."

    Der Mercedes rollte an eine Ampel, wo Ben links abbog, und man sich wieder stadtauswärts befand. Die Werkstatt lag an einem Wald, sah recht modern aus und einige Wagen parkten davor, unter anderem auch eine bunt beklebter Rallyewagen. Bevor die beiden Polizisten ausstiegen, saßen sie noch kurz im Wagen und sahen beide nach vorne durch die Frontscheibe. "Also mal angenommen, es war wirklich der Killer, der bei dir war... es war ein alter Mann, der hinkt. Und etwas von Leidenschaft geredet hat." Kevin nickte und antwortete: "Und wir haben es vermutlich mit einem Sportschützen zu tun, der etwas mit einem Rallyeverein zu tun hat, vielleicht selbst Rallye gefahren ist." Wie auf Kommenado sahen die beiden sich an und ein Donner durchschlug die Stille. Die ersten Tropfen fielen auf die Windschutzscheibe des Mercedes. "Ein Jagdunfall?", fragte Ben. "Ein Rallyeunfall?", antwortete Kevin. Sie sahen mit einem mulmigen Gefühl auf die Werkstatt. "Lass uns reingehen. Wir konfrontieren die Halter mit diesem Zufall der Diebstähle. Reine Routine. Wir erwähnen weder Trauscher, noch einen hinkenden alten Mann. Danach fahren wir direkt zu diesem Trauscher, okay?", gab Ben die Richtung vor, und sah seinen Partner an, der mit ernster Miene, aber ehrlich zustimmend nickte. Dann stiegen die Männer aus und gingen in Richtung des geöffneten Tores der Werkstatt.

    Drinnen war ein Rallyewagen, der auf einer Hehebühne aufgebockt stand, und unter dem zwei Männer arbeiteten. Sie bemerkten die Polizisten, und einer der Männer herrschte die beiden sofort an: "Was wollt ihr hier? Das ist eine private Werkstatt, hier dürfen nur Mitglieder rein." "Hier sind unsere Mitgliedsausweise!", sagte Ben sofort und hielt dem Kerl den Ausweis unter die Nase... der Typ verstummte. Kevin fiel sofort auf, wie beide Männer sofort ein wenig nervös wurden. "Wir behandeln den Fall des Drive-By-Killers. Und uns ist aufgefallen, dass alle drei Wagen, die im Zusammenhang mit den Anschlägen gestohlen wurden von Mitgliedern dieses Vereins gestohlen worden sind, unter anderen von ihnen beiden.", sagte Ben, nachdem er die Namen der beiden erfahren hatte... tatsächlich zwei der drei Bestohlenen. "Vielleicht kennt der Irre uns.", sagte einer der Männer, der an Kevin und Ben vorbei zu einer Werkbank ging, und sich die schmutzigen Hände abrieb. Er stand so zwischen den Polizisten und dem Ausgang. "Ja, das glauben wir auch.", meinte Kevin süffisant lächelnd. Beide Polizisten wandten sich wieder zu dem Mann, der am Wagen stand. "Dafür haben wir keine Erklärung. Aber wir haben uns auch schon gewundert, und alle Mitglieder angehalten, auf ihre Autos aufzupassen." Die beiden Männer spielten ihre Rolle miserabel, und die Polizisten hatten genug Erfahrung, das sofort zu merken.

    Was sie allerdings nicht bemerkten war, dass ein älterer Mann, der am Gehstock ging am Eingang der Garage auftauchte. Er sah auf, sah Kevin von der Seite und blieb stehen. Beinahe legte sich ein Lächeln auf das Gesicht des alten Mannes, von Walter Trauscher... Er machte aber sofort kehrt und öffnete die Tür des Rallye-Autos. Der Blick des Mannes am Auto hatte den Besucher allerdings kurz verraten, gerade als Ben nach dem Namen fragte. Beide Polizisten blickten zum Ausgang, als der Motor des Rallyewagens aufheulte und die Reifen quietschten. Ben sprintete sofort in Richtung Ausgang, Kevin wollte es ihm gleichtun, doch der Mann an der Werkbank erhob vor dem Polizisten drohend eine Eisenstange. Der junge Polizist liess sich aber auf keinen Kampf ein, zog seine Waffe aus dem Halfter und zielte auf den Mann, der sogleich seine Kühnheit verlor. "Ich würde nicht mal dran denken.", drohte ihm Kevin mit stechendem Blick. Klirrend fiel die Stange zu Boden, und der Mann trat zur Seite. Ben war bereits aus der Parklücke rangiert, hatte das Blaulicht angeschaltet und rief aus dem Fenster: "Los, gib Gas!!" Sein Partner kam im Sprint aus der Garage, steckte die Waffe zurück, und flankte über die Motorhaube des Benz, bevor er einstieg, während das Rallye-Auto auf dem Feldweg hinter den Bäumen verschwand.

    Mallorca - 18:20 Uhr

    André hielt das Lenkrad mit beiden Händen fest, und sah konzentriert auf den Asphalt vor ihm, als er Cala Millor ihm zügigen Tempo verließ. Semir saß neben ihm und atmete schwer, betastete mit seiner rechten Hand seinen Rücken, der einige schmerzhafte Flecken vom Flug über die Küchentheke abbekommen hatte. "Das war aber knapp.", meinte er mit einem Lächeln in Richtung seines ehemaligen Partners. "Ich werd halt auch alt, Mann.", gab André grinsend zurück. Es war wie in alten Zeiten... einer zog den anderen aus der Scheisse heraus. Beide Männer hatten im gleichen Moment den selben Gedanken gehabt. Semir schlug seinem Freund dankbar mit der Hand auf die Schulter. "Ich hab Henry raufgehen sehen, da wusste ich, dass du auf normalen Wege nicht mehr rauskommst. Und ich kenne die Feuerleiter und den Weg zum Betonplatz.", sagte er, während er Charlies Wagen ins Visier nahm, aber Abstand zu dem cremefarbenen BMW hielt. "Und wenn ich in die andere Richtung gelaufen wäre?", fragte der Polizist, etwas gespielt erstaunt. André zuckte nur mit den Schultern und meinte mit seiner markanten Stimme: "Tja... dann hätte ich auf dich gewartet." Dabei grinste er, und Semir schüttelte lachend den Kopf. Es war alles gutgegangen, also machten sie ihre Witzchen über die Situation... ganz so wie früher.

    Die Sonne wurde langsam orange, beide Männer klappten die Sonnenblenden des Wagens herunter und der BMW vor ihnen bog von der Küstenstraße ins Landesinnere ab. André folgte ihm auf Abstand, die Straße stieg an und mündete in einen Serpentinenweg rauf in die Berge. "Erinnerst du dich... hier hat uns Berger verfolgt.", sagte Semir mit etwas trockener Stimme vor Aufregung und dem Aufkeimen von Erinnerungen, während sein Nebenmann stumm nickte. Berger hatte sie hier vor 14 Jahren vor sich hergetrieben und aus seinem Wagen heraus beschossen. "Vermutlich gehts zu dem gleichen Haus, zu dem sie mich damals mitgenommen haben. Das ist hier in der Nähe."
    Die Fahrt dauerte nicht sehr lange, und als Andrés Vermutung langsam zur Gewissheit wurde, weil ihm der Weg immer bekannter vorkam, hielt er noch mehr Abstand. Charlie bog ihn einen unbefestigten felsigen Weg ab, und sein BMW ätzte unter jedem Schlagloch. "Was will der hier? Er hat die Fotos doch mitgenommen.", murmelte Semir und bekam sofort Antwort von seinem Freund. "Er will sich verkriechen... er hofft, dass Henry dich fertiggemacht hat, und mich hat er unten nicht mehr gesehen." Langsam rollte auch André nun den Weg hinauf, blieb aber ausser Sichtweise des kleinen Steinhauses stehen. "Wir gehen besser zu Fuß.", meinte er und stieg zusammen mit seinem Freund aus. "André... wenn wir die Bilder haben, haben wir es geschafft. Dann verschwinden wir wieder." Der Karatekämpfer blickte sich um, und schaute ein wenig überraschend. "Wie meinst du das?" Semir kam näher zu seinem Freund. "Es geht mir nur um dich. Charlie hat gesagt, dass diese Bilder die einzigen sind, die noch existieren. Keine Kopien, keine Negative. Überlass die Gang Interpol und den spanischen Behörden. Lass uns die Fotos holen, und dann verschwinden, okay?" Semir wollte kein großes Risiko eingehen. Sie waren allein, konnten keine Verstärkung rufen, und hatten nur eine Waffe, die der Polizist im Hosenbund hatte. Natürlich wollte er seinem Freund helfen, aber er war nicht darauf aus, die Gruppe, die noch auf Mallorca war, dingfest zu machen. André stimmte ihm durch nicken zu. "Okay, Semir. Lass uns die Fotos holen, und dann hauen wir ab."

    Etwas geduckt gingen die beiden so leise wie möglich abseits der Straße in Richtung des Hauses. Das Innere wurde nur geschützt durch Holzklapprolläden, die Tür war ebenfalls nur eine Holztür. Semir und André pirschten sich unter eines der Fenster, von denen die Rolläden leicht offen standen. Sie konnten die Stimme von Charlie, und eine weitere hören. "Bist du wahnsinnig hier aufzutauchen? Wir haben gesagt, dass wir keinen Kontakt untereinander haben, verdammt!", erklang eine, für Semir unbekannte, für André vertraute Stimme. Ein nicht zu überhörender spanischer Akzent lag in der Stimme von Raul, einer der Zuhälter des Prostituiertenrings und Boxhallen-Besitzer in El Arenal. "Ich muss für ein paar Tage auch hier bleiben. Es ist wegen den Fotos. Dieser ehemalige Bulle ist hier, und sein damaliger Partner." "Na und? Wir haben die gefälschten Fotos versendet. Der wird in den Bau wandern, früher oder später." "Ich weiß nicht... er muss ja von den Fotos wissen, sonst wäre er nicht hier. Wir sollten sie so schnell wie möglich nochmal bearbeiten, und nochmal verschicken." "Du weißt selbst, dass weder ich noch du das entscheiden kannst. Und jetzt mach dich mal locker. Setz dich, und trink einen Whiskey. Wenn der Typ dich nicht findet, wird er sich selbst so schnell wie möglich irgendwo verkriechen müssen."
    Semir entsicherte die Waffe, die er in seiner Hand hielt, während André auf ein Fenster auf der anderen Seite des Hauses wies, das nur angelehnt war. Hier würden sie ins Haus gelangen...


    Dienststelle - 18:30 Uhr

    Ben war wieder zur Dienststelle zurückgekehrt, unterwegs versuchte er immer wieder seinen Partner zu erreichen... ohne Erfolg. Der Wind frischte auf, es war angenehm zur drückenden Schwüle, und die ersten Blitze zuckten durch den Himmel, als der Wuschelkopf seinen Dienstwagen vor der Dienststelle parkte. Mittlerweile war es richtiggehend düster geworden, das Unwetter war nur noch wenige Kilometer entfernt und hing über der Stadt, als würde es drohendes Unheil verkünden.
    Dem Polizisten war unterwegs ein Gedanke gekommen... ein Gedanke, den Kevin vor einigen Tagen geäussert hatte. Wo kamen die Autos her? Konnte man darüber vielleicht einen Zusammenhang finden? Er begrüßte Hotte, der sich gerade umgezogen hatte, um Feierabend zu machen mit einem Nicken. "Hallo Ben... noch am arbeiten?", fragte er, wie immer gutgelaunt, wunderte sich aber dass Kevin nicht dabei war. Natürlich hatte der erfahrene Polizist mitbekommen, dass es Spannungen gab zwischen den beiden Männern. "Ja, allerdings. Sag mal, wo sind denn die Akten mit den gestohlenen Autos, mit denen die Anschläge verübt worden sind?" Der dickliche Polizist schnürte sich gerade noch seine Schuhe, als er sich dann erhob und zu seinem Schreibtisch ging, wohin Ben ihm folgte. Er drückte dem Polizisten einen Umschlag mit einigen Blättern in die Hand, und Ben lächelte dankbar. Als er denn Ordner zu sich nehmen wolltem hielt Hotte ihn erst noch fest und sah seinen jungen Kollegen in die Augen. "Was hast du denn für Schwierigkeiten mit Kevin?", fragte er unvermittelt. Sein Gegenüber verlor das Lächeln, sah den älteren Polizisten überrascht an. "Woher..." "Ach komm, Ben. Mir macht hier in dem Laden niemand mehr was vor." Ein wenig schmunzelte Horst Herzberger in sich hinein, als er die Hand öffnete. "Ich erkenne, wenn die Chefin mal wieder Zahnschmerzen hat an ihrem Gang, und an Semirs Mimik weiß ich, wann Andrea Migräne hat... also was ist?" Ben konnte sich zwischen einem Lachen über Herzbergers Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe und einem Seufzen aufgrund seiner Situation mit Kevin nicht entscheiden. Er schüttelte nur resignierend den Kopf. "Hotte... das ist mit ein paar Worten nicht zu erklären. Ich erzähls dir mal, wenn wir das hier hinter uns haben, okay?" Hotte nickte verständnisvoll und legte dem Mann seine große Hand auf die Schulter. "Meine Kaffeemaschine ist allzeit bereit.", sagte er, blinzelte und wünschte einen schönen Feierabend.

    Ben verzog sich in das gläsernde Büro, brütete über den Personalien der Autobesitzer. Dann gab er die Namen in den Computer ein, doch er konnte keine Einträge finden. Keinerlei Vorstrafen, keinerlei Auffälligkeiten. "Verdammt..." Einer war Automechaniker, ein anderer Versicherungskaufmann, der dritte Gärtner. Alle lebten in geregelten Verhältnissen, verheiratat, Kinder, nur der Gärtner war ledig. Sie wohnten in Köln verstreut, und es schien sich um Zufälle zu handeln, dass der Täter ausgerechnet deren Fahrzeuge geklaut hatte.
    Der Polizist wollte Kevins Gedanken schon aufgeben, als er noch einen Einfall hatte. Er loggte sich auf seiner Facebook-Seite ein und suchte nach den Namen. Er hatte Glück und alle drei waren bei Facebook registriert und hatten auch frei zugängliche Profile. Filme, Musik, Vorlieben in Sachen Essen... alles konnte Ben einsehen und machte sich Notizen... und ein Eintrag fiel ihm gleichermaßen ins Auge. Alle drei Männer waren Mitglied eines Rallye-Clubs in der Nähe von Köln. Der Club fuhr Amateurrennen im Rallye-Bereich in ganz Deutschland, und sofort fiel dem Polizisten die exzellente Fahrzeugbeherrschung des Täters ein, als er vor den Polizisten geflüchtet war. Das konnte kein Zufall sein, dachte sich Ben und er merkte, dass er vor Aufregung feuchte Hände hatte, was nicht an dem unerträglichen Wetter lag. Ein Donner scheuchte ihn aus seinen Gedanken, als er wieder zum Handy griff und zum lieben Gott betete, dass Kevin endlich abhob...

    Krankenhaus - 18:15 Uhr

    Er war ziellos durch die Gegend gefahren. Er war zu Hause, er fuhr zu seiner alten Wohnung. Nirgends hatte Kevin irgendwie das Gefühl dort anzukommen, wo er eigentlich hin wollte. 1000 Gedanken strömten durch seine Sinne, als er mit den Händen in der Jeans durch das Plattenbauviertel ging, in dem Jessys Mutter lebte. Das Gespräch mit diesem ominösen Mann ging dem Polizisten nicht aus den Gedanken, Ben ging ihm nicht aus den Gedanken. Er lehnte für einen Moment an einer Mauer, schaute in den mittlerweile wolkenverhangenen Himmel, dunklen Himmel. Ein Gefühl wuchs von einem auf den anderen Moment unglaublich stark an... ein Gefühl, dass er bisher absolut verdrängt hatte. Schuld... schuld an dem Anschlag auf Jenny.
    Dieses Gefühl trieb Kevin letztendlich wieder zurück in die Innenstadt. Obwohl die Chefin ausdrücklich Besuche bei Jenny verboten hatte, solange der Fall nicht geklärt war, meldete er sich an der Pforte mit Ausweis an. Die Krankenschwestern hatten Order erhalten, niemanden ohne Polizeiausweis zu Frau Dorn zu lassen, geschweige denn die Zimmernummer heraus zu rücken. Es war beinahe angenehm kühl im Krankenhaus, ein wenig fröstelte es den jungen Mann sogar, weil er die drückende Schwüle von draussen die ganze Zeit gewohnt war. Während er mit dem Aufzug nach oben fuhr wurde ihm klar, dass er nicht mal wusste, über was er jetzt mi Jenny reden sollte. Was würde er sagen... entschuldigen? Vom Streit mit Ben erzählen? War es überhaupt richtig, dass er hierher kam? Konnte er sich das Recht rausnehmen, Jenny in so einer Situation beizustehen, nachdem sie gerade einmal zusammen gegessen hatten... und Filme geschaut haben?

    Die Gedanken begleiteten Kevin bis zur Tür, vor der ebenfalls zwei Polizisten saßen. Sie nickten Kevin zu, denn sie kannten den Kommissar, und leise stieß er den Fingerknöchel zweimal gegen die Tür. "Ja?", erklang eine müde wirkende Frauenstimme leise durch die Tür und Kevin drückte die Klinke. Zuerst steckte er nur den Kopf zum Zimmer hinein, bevor er komplett seinen Körper durch die Öffnung schob. "Störe ich?", fragte er mit seiner markanten Stimme beinahe ohne Begrüßung. Jenny lag im Bett, die Lehne stand etwas aufrecht, also hatte er sie scheinbar nicht geweckt. Die Decke hatte sie bis zur Brust gezogen, und auf ihr Gesicht legte sich sofort ein Lächeln, als sie Kevin erkannte. "Nein... ich bin froh für jede Gesellschaft.", sagte sie und setzte sich, etwas stöhnend vor Schmerzen, noch ein wenig weiter auf. Kevin ging, mit leicht verkniffenem Lächeln durch den Raum, am Bett vorbei und setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Fenster stand. Jenny schaute ihn ein wenig argewöhnisch an und hatte, trotz ihrer Situation, nicht den Humor verloren. "Hast du auch ein Megaphon dabei? Komm doch hierher und setz dich nicht zu weit weg. Ich habe keine ansteckende Krankheit." Mit ihren Worten brachte sie Kevin nun ein ehrliches Lächeln ins Gesicht zurück, und die junge Frau rückte im Bett ein wenig zur Seite und zog die Decke mit sich. Ein klares Signal, dass sich der junge Polizist nirgends anders, als auf der Bettkante nieder zu lassen hat, und Kevin folgte ihrem stummen Willen. Leicht zu Jenny gedreht, eine Hand auf das Bett, die andere auf sein Knie gestützt, saß er bei ihr, wie der Vater bei seinem Kind am Krankenbett. "Wie gehts dir?", fragte er mit kurzem Blick in Richtung ihres Bauches. Sie presste die Lippen zusammen und schloß die Augen, als wiegelte sie ab. "Nicht so schlimm, nur wenn ich mich bewege stecht es noch." Dann wurde ihr Blick ein wenig nachdenklicher, und sie blickte zu dem Mann auf ihrem Bett auf. "Ich hab verdammt viel Glück gehabt, oder?" "Ja. Oder auch Pech. Einen Centimeter höher, und dir wäre nichts passiert... einen Centimeter tiefer...", diese Folgen verschluckte der junge Mann. "Habt ihr ihn wenigstens erwischt?", fragte sie ein wenig hoffnungsvoll, doch das stumme Kopfschütteln ihres Kollegen ließ die Hoffnung sofort wieder in sich zusammenbrechen. Auch wollte Kevin nicht von der unheimlichen Begegnung auf dem Parkplatz erzählen, genauso wenig davon, dass sie morgen nachmittag vermutlich den Fall weggenommen bekommen.

    Jenny erkannte sofort, aufgrund ihrer weiblichen Intuition, dass es ihrem Kollegen nicht gut ging. Er blickte immer wieder von ihr weg, und das Lächeln hielt nie lange auf seinem Gesicht. "Was hast du denn?", fragte sie einfühlsam, als die Stille den Raum für einige Sekunden ergriff. Als würde der Polizist kurz nach Worten suchen, blickte er an Jenny vorbei an die Wand, bevor er dennoch sprach: "Es tut mir leid, Jenny. Das wäre nicht passiert, wenn wir den Kerl nicht provoziert hätten." Und leise setzte er dazu: "Ich hätte mir nie verziehen, wenn dir etwas schlimmeres passiert wäre." Jenny blickte nachdenklich drein... auch sie sah für einen Moment dem Mann auf dem Bett nicht ins Gesicht, sondern vor sich auf die Bettdecke. "Es war so komisch, als ich da gelegen habe. Ich habe alles gehört, und gesehen... aber ich konnte mich nicht bewegen." Kevin bekam eine Gänsehaut auf den Armen, ein Drücken im Magen entwickelte sich zum Krampf. "alles gehört... gesehen... nicht bewegen.", hallte es in seinen Gedanken nach und plötzlich war er wieder am Boden, im Dreck in der dunklen Gasse. Seine Narben auf dem Rücken brannten plötzlich und die Schreie hallten durch seinen Kopf. "Als wäre ich gelähmt gewesen.", sagte Jenny und ahnte nicht, was sie gerade in Kevin auslöste. "Es tut mir wirklich so leid...", sagte der nur leise, mit einer eigenartig traurigen Stimme, die das Mädchen wieder plötzlich aufblicken ließ. Sie ergriff die Hand des Mannes, die auf dem Bett neben ihr ruhte. "Kevin... hätte er nicht auf mich geschossen, dann hätte er vielleicht auf einen Unschuldigen heute morgen wieder geschossen. Einen Unschuldigen, der keine Schutzweste an hatte." Dabei drückte sie die Hand des Polizisten und strich ihr mit den Fingern über den Handrücken. "Es ist doch nicht viel passiert." "Aber es hätte... und dieses Gefühl, dass du da hattest, das..." Kevins Stimme stockte kurz, er hatte Jenny ebenfalls wieder angesehen, doch jetzt wich sein Blick wieder weg. "Das ist schlimm genug.", sagte er beinahe tonlos.

    Wieder erfüllte eine traurige Stille den Raum, das Donnern draussen kam unheilvoll immer näher an die Stadt. Jennys Wunde ziepte, sie räkelte sich unter der Decke ein wenig um ihre Sitzposition zu verändern und blickte weiter zu Kevin. Sie fuhr sich kurz mit der Zunge über die Lippen, um dann vorsichtig Kevin auf etwas anzusprechen. "Ich habe gehört, was du gesagt hast... als ich da lag." Der junge Mann blickte auf, und konnte sich selbst auf Anhieb nicht erinnern, was er gesagt hatte. Sein Blick drückte dementsprechend ein wenig Überraschtheit und Unverständnis aus. "Bitte nicht schon wieder, hast du gesagt...", sagte Jenny leise und vorsichtig, als wäre sie bei einer komplizierten Operation und musste behutsam vorgehen, um keine lebenswichtigen Organe zu verletzen. In Kevins Innerem wurde es heiß und kalt, und seine Seele konnte sich nicht entscheiden, ob sie dem jungen Mädchen Zutritt gewähren sollte, oder die Tür vernageln sollte. Der Blick aus den hellblauen Augen des Mannes, und der der jungen Polizistin klammerten sich für einen Moment aneinander... ihrer erwartungsvoll und trotzdem vorsichtig vertraut, seiner dagegen traurig und hilflos, beinahe ein wenig verzweifelt. Er seufzte, als seine Seele sich entschieden hatte. "Das erzähle ich dir, wenn es dir besser geht." Jenny fühlte sofort, wie Kevin sie abwies, doch sie war nicht böse deswegen... im Gegenteil. Anders, als vielleicht Semir und Ben Kevin ihre Hilfe manchmal mehr aufdrängten als anboten, wusste Jenny genau wann sie fragen konnte, und wann nicht. Ihr Vorstoß war zwar vorsichtig, aber dennoch zu früh. Nach Hottes Erzählungen bezüglich Kevin wusste sie natürlich was er mit den Worten gemeint hatte, oder welche Gedanken ihm gerade zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf gingen. Dass er in dieser Situation sie mit seiner Schwester assozierte, rührte sie sehr, und das er jetzt abblockte, bestätigte ihre Gedanken.
    Jenny nickte verständnisvoll und Kevin war ihr unendlich dankbar darüber, dass sie nicht nachhakte, und nicht seine Gedanken erraten wollte. Er war auch dankbar, dass er nicht über den Streit mit Ben reden musste... und er war noch mehr dankbar, dass Jenny es glänzend verstand mit Gesten statt mit Worten zu kommunzieren, als sie sich nach dem Nicken langsam nach vorne beugte, und beide Arme um den jungen Mann legte, und ihn sanft an sich heran zog. Sie legte ihren Kopf bei der Umarmung auf die kräftige Schulter des Polizisten, spürte seine Hitze, die sein Körper ausstrahlte. Ihr tat es gut, jemanden bei sich zu haben und für Kevin war es wie Balsam auf seine Seele. Jenny war ein Anlehnungspunkt für ihn, eine Person der er vermutlich wirklich seine ganze komplette Geschicht erzählen konnte. Ungeschönt, ohne Details erfragen zu lassen, oder diese nur zu erzählen, wenn es gar nicht anders ging. Weder Semir noch Ben sind bis zu diesem Punkt vorgedrungen. Und so war Jenny doch im Besitz seines Inneren, ist durch seine Tür gegangen, ohne dass Kevin bisher ein Wort erzählt hatte. Ihre Umarmung dauerte mehrere Minuten, während draussen die ersten Blitze vom Himmel zuckten...

    Ich fand die Folge, bis auf die MP-Ballerei ebenfalls sehr gelungen.

    Simon hat schon vieles herausgestellt. Vor allem die gute Zeichnung und Besetzung der Nebendarsteller wie der Beschützer und der Clan-Chef haben mir sehr gut gefallen.

    Bisschen unlogisch fand ich, wie die Sender von Auto, Tasche und Orth sich plötzlich unter der Brücke teilen konnten und warum diese plötzlich das Signal verloren. Die Szene in dem Puff fand ich jetzt auch nicht so dramatisch.


    Eine richtige Aufwertung bekommt diese Folge, und eigentlich alle Folgen dieser und der letzten Staffel dadurch, nachdem ich mir die ersten 5 Minuten von der Wiederholungsfolge danach angeguckt hatte... Mann, war das damals noch grausam, verdammt ist Cobra wieder so gut. Die Darstellung des Aupair-Mädchens war im Gesamten sexistischer als die 20 Sekunden im Puff.


    Und schön, was ich gerade entdeckt hatte :)

    Schön, eine weitere Leserin zu haben :)

    Wenn du mal zuviel Zeit hast, empfehle ich dir meine beiden vorherigen Storys, "Auferstanden" und "Stockholm" noch zu lesen ;). Die Storys hängen nämlich zusammen und du erfährst alles über die Vorgeschichte zu dem Thema bei André und Semir und vieles über Kevins Vergangenheit.