Beiträge von Campino

    Ahja, kann auch sein :). Dachte, es wäre der Moment, wo Semir dem Entführer ausweicht.

    Ja, der Soundtrack ist genial an der Stelle, hat er doch was sehr bedrohliches. Damals war es ja noch sehr aussergewöhnlich (kam in der Ära Fux/Gerkhan glaub ich nur 4mal vor) dass einer der beiden ihren Dienstwagen geschrottet haben. Ausserdem war der 5er BMW (wars ein 5er) auch nur ganz selten im Einsatz.

    Schützenheim - 13:45 Uhr

    Eine Wanduhr tickte und hatte etwas Bedrohliches. Wie eine Bombe, die kurz davor war, zu explodieren, als der alte Mann sich mit zwei Fingern über die kratzigen Bartstoppeln fuhr, während er nachdachte. "Den besten Schützen, sagen sie... wir haben einige hervorragende Schützen in unserem Verein.", murmelte der Mann nachdenklich, ohne die beiden Polizisten dabei anzuschauen. "Einmal, da hat unser Eduard... also der hat einem Reh aus mindestens... also die Entfernung war...", begann er beinahe schwärmerisch, wurde aber sofort von Kevins beinahe ungeduldiger und doch ruhiger Stimme unterbrochen. "Bitte, Herr Trauscher. Würden sie einem aus ihrem Verein, schießtechnisch zu trauen, aus 50m Entfernung ein Ventil einer Gasflasche aufzuschießen, oder aus 100m exakt die Kante einer schusssicheren Weste zu treffen? Beides aus einem fahrenden Auto?" Ben hielt vor Spannung den Atem an, ein wenig ärgerte er sich, dass er die Frage nicht gestellt hatte... aber das zeigte er nicht, und es war auch nicht so schlimm. Er war eher froh, dass Kevin sich wieder an den Ermittlungen beteiligte, auch wenn er ihn weiter mit Ignoranz strafte. Ben ließ ihn in Ruhe... irgendwo verstand er es auch. Er hoffte nur, dass sie nicht in gefährliche Situationen gerieten, in denen ihnen das momentane Verhältnis zum Verhängnis werden konnte.

    Walter Trauscher reagierte eher empört. "Sie glauben, dieser Killer ist einer unserer Mitglieder?", sagte er erregt. "Der Killer hat einen Kommentar gepostet, der Insider-Informationen enthält. Der Post wurde von diesem Computer abgeschickt und der Killer ist ein hervorragender Schütze. Was wir glauben ist unerheblich, es kommt drauf an, was wir bisher wissen.", wurde er von Ben belehrt. Fingerabdrücke von der Tastatur zu nehmen würde keinen Sinn machen, wenn dort jeder daran gearbeitet hatte. Ausserdem hatten sie ohnehin keinen Vergleich. "Wem trauen sie so etwas zu.", wiederholte Kevin eindringlich und sah den alten Mann an, dessen Empörung sich langsam wieder legte. "Thomas Bratsch.", sagte er dann und blickte plötzlich auf, den Männern ins Gesicht. "Ich würde ihm zwar nicht zutrauen, so etwas zu tun... aber der schiesst ihnen auf 500m einer Fliege das Auge aus. Der ist der beste Schütze im ganzen Verein." Der Polizist mit dem Wuschelkopf tippte den Namen sofort in sein Handy ein. "Ist der heute dabei im Wald?", fragte er dann noch Walter Trauscher, doch der schüttelte den Kopf. Die beiden Polizisten bedankten und verabschiedeten sich.

    Jetzt hat sie einen Namen, vielleicht auch ein Gesicht... obwohl alles Spekulation und Vermutung war. Der Kerl war eben bester Schütze im Verein, aber das machte ihn noch nicht automatisch zum Serienmörder. Ein Motiv fehlte, ein Antrieb für diese Morde. Sollten sie einfach zu ihm fahren, und nach einem Alibi fragen... und wenn er keins hatte? Festnehmen? All die Gedanken schwirrten bei Ben im Kopf herum, und er beschloss, erstmal Erkundigungen über den Mann einzubeziehen, was man so in der Akte hatte, und was nicht. Und sich mit Kevin beraten... auch wenn das wohl erstmal schwierig sein würde...
    Der junge Kollege schritt schweigsam neben Ben und sah kurz auf die Uhr. Er wollte unbedingt seine Mittagspause nachholen, er wollte Jenny sehen... aber er wollte auch wieder zu Jessy, gerade nach dem sie endlich gesprochen hatte. Eigentlich durfte er nur einmal in der Woche zu ihr, er war diese Woche schon zweimal... trotzdem hatte er ein schlechtes Gefühl.

    "Zeit für ne Pause, hmm?", sagte Ben lächelnd, als könne er Gedanken lesen. "Was machst du jetzt?" Kevin antwortete schmallippig: "Ich setze mich ins Auto." Natürlich hatte Ben mit der Frage bezwecken wollen zu wissen, was Kevin in der Pause vorhatte, und das wusste der Betreffende auch. Doch der hatte keinerlei Interesse an einer Konversation, und so konnte Hartmut durch die Frontscheibe beobachten, wie Ben seinen Kollegen am Arm festhielt, so dass der stoppen musste. "Kevin, so können wir nicht zusammen arbeiten.", sagte er laut und mit Nachdruck, während sich die beiden gegenüber standen und ansahen. "Es tut mir leid was ich da im Affekt gesagt habe, okay? Aber können wir nicht wie Erwachsene jetzt miteinander umgehen?" Eigentlich wollte er sich auf eine Entschuldigung vorbereiten und diese in einem geeigneten Moment ansprechen, aber jetzt war sie eben raus. Doch die Kälte in Kevins Augen, und sein verkniffener Gesichtsausdruck lösten sich nicht auf. "Gerade von dir hätte ich erwartet dass du nachdenkst, bevor du den Mund aufmachst.", sagte er deutlich und spielte darauf an, dass es Ben war, dem sich Kevin anvertraute hatte... etwas, was er nur selten tat, und er vermutlich in Zukunft auch wieder seltener tun würde. Ben biss sich innerlich auf die Lippen, denn er erkannte dass sein Partner diese Andeutung seiner Vergangenheit und vor allem seiner Schwester doch sehr ernst nahm... und dass ihn das auch verletzt hatte.

    Ben hätte es wissen müssen, wusste er doch Kevins Geschichte, und wie emotional er auf Ähnliches, auch gerade mit dem Entführungsfall vor einigen Monaten, reagierte. Er sah ein wenig hilflos aus. "Lass mich einfach in Ruhe. Wenn du mir was zu dem Fall zu sagen hast, bitte. Ansonsten lass es einfach.", sagte Kevin eindeutig, und ging wieder in Richtung Auto, während sein Kollege erstmal stehen blieb.
    Nur wenige Schritte danach drehte sich der junge Polizist noch einmal um: "Und wenn du so mit mir nicht arbeiten kannst, dann sag es deiner Chefin. Der wird es ein Vergnüngen sein, dir einen anderen Ersatzpartner zu zu ordnen." Ohne eine Antwort abzuwarten ging er die letzten Schritte bis zum Auto und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen, während Ben verloren und recht verzweifelt für einen Moment noch alleine auf dem Gehweg stand...

    Wo ich bei dieser Folge Gänsehaut hatte, war als Semir laut "Du Schwein" schrie, als Gregor ihn reinlegte, und er beinahe auf seine Freundin geschossen hatte.

    Allerdings gab es da gerade beim Crash zu Beginn einige Filmfehler, weil man während des Überschlags manchmal Semir am Steuer sah, in einer anderen Szene aus "Tödlicher Ruhm".

    Schützenheim - 13:15 Uhr

    In der Ferne schien es leise zu grummeln, ein Gewitter zog auf. Die Luft war schwül, beide Polizisten spürten die drückende Luft, als sie aus dem warmen Auto stiegen und sich langsam zur Eingangstür des Vereinsheims der Schützenfreunde begaben. Die IP-Adresse, von der ein verräterischer Kommentar in einem Presseartikel abgegeben wurde, führte die beiden Autobahnpolizisten mit IT-Genie Hartmut zu dieser Adresse. Letzterer blieb nun erstmal im Auto sitzen, zu seiner eigenen Sicherheit.
    Ben kam als erster an der Tür an, von aussen sah es ein wenig aus wie eine ältere Kneipe... doch die Tür war verschlossen, obwohl einige Autos auf dem Parkplatz standen. "Zu.", sagte er schmallippig und drehte sich zu seinem Partner um, der nach wie vor mit einer Eismiene durch die Gegend lief und sich mit einem kurzen Ruck am Griff selbst davon überzeugte. Doch die Tür war anscheinend zugesperrt, und so blickte der junge Kommissar einmal kurz nach rechts und links, bevor er sich auf den Boden vor die Tür kniete und einen kleinen Draht aus der Jeans nahm. Ben ging zwei Schritte zurück, wollte zuerst protestieren, ließ Kevin dann aber gewähren. Je schneller sie den Typ fassten, umso besser... also nahm der erfahrenere und ältere Polizist auch einen Einbruch in Kauf.
    Es dauerte nur wenige Sekunde, und Kevin hatte die Tür offen... wieder mal überfiel Ben diese ungute Gefühl über die Vergangenheit seines Partners, als er ihn anblickte.

    Die traten in das Haus ein und gelangten erstmal in eine offene Diele, die in einen großen Veranstaltungsraum mündete, wo Tische in U-Form standen, viele Stühle und eine Theke mit Getränken aufgebaut war. "Ich schau mich hier mal um.", meinte Ben und betrat den Veranstaltungsraum, während Kevin kommentarlos die andere Richtung einschlug. Die Wut auf Ben war immer noch präsent, der Polizist hatte ständig das Bedürfnis provokant zu antworten, und schluckte es jedesmal herunter. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass sein Kollege dermaßen unfair im gegenüber war, sogar seine Schwester in einen Angriff zu packen, und ihn quasi an seine damalige Hilflosigkeit zu erinnern. Es hatte etwas in dem Mann kaputt gemacht, und wenn es nur das mühsam aufgebaute Vertrauen zu Ben war.
    Kevin gelangte zuerst in eine Küche, beide Polizisten bewegten sich zwar langsam und möglichst geräuscharm, aber nicht schleichend weil sie nicht davon ausgingen, NICHT allein zu sein. Ben durchsuchte derweil einige Schubladen, um irgendwo einen Laptop zu finden, von dem der verräterische Post abgeschickt wurde, während Kevin nach Kabeln suchte, wie Hartmut sie ihm beschrieben hatte. Gerade bückte sich der junge Polizist unter einen Schrank, als er plötzlich die kalte Mündung, die größer war als er sie kannte, am Nacken spürte und erstarrte. Verdammt, waren sie etwa in eine Falle getappt? Warum hatte Hartmut sie nicht gewarnt, wenn jemand von aussen reingekommen war. "Ganz ruhig bleiben, Freundchen.", erklang hinter ihm eine Stimme, die Kevin in keinster Weise zu ordnen konnte, und langsam, wie in Zeitlupe erhob er sich, die Hände ein wenig erhoben. "Umdrehen.", befahl die Stimme, und der Polizist erblickte in ein faltiges altes Gesicht eines Mannes, die schütteren grauen Haare lagen gescheitelt in eine Richtung auf dem Kopf und in der Hand hielt er ein nicht zu verachtendes Jagdgewehr. "Glaubt ihr Assozialen eigentlich, das ist ein Selbstbedienungsladen hier? Was wollt ihr denn noch alles klauen?" Kevin atmete innerlich durch... der Mann vermutete in ihm einen Einbrecher. "Ich bin ein Bulle.", sagte er lächelnd, beinahe beschwichtigend, doch der Mann ließ sich erstmal nicht überzeugen. "Und ich bin Donald Duck.", sagte er drohend und stieß dem Mann den Lauf des Jagdgewehrs gegen das Kinn.
    "Er ist Polizist!", bestätigte Ben, der mit gezogener Pistole in die Küche kam, in der anderen Hand seinen Dienstausweis. Er hatte Geräusche gehört und war sofort Richtung Küche gelaufen, wo er die Szenarie beobachtete. "Und sie legen das Jagdgewehr jetzt langsam auf den Tisch.", sagte er, nachdem der Mann sich ebenfalls etwas gemächlich umgedreht hatte, während Kevin die Arme herunternahm und sofort den Lauf des Gewehrs ergriff, das der Mann bereitwillig aus der Hand legte. Er schien gute Augen zu haben, weil er den Dienstausweis von Ben zumindest als Polizeiausweis erkannte.

    Der Mann war ein wenig peinlich berührt, und schien Konsequenzen zu fürchten, dass er einen Polizisten mit der Waffe bedroht hatte. Er entschuldigte sich sofort bei Kevin. "Ich konnte das ja nicht ahnen. Bei uns ist im letzten halben Jahr dreimal eingebrochen worden.", rechtfertigte er sich und zeigte sofort einen Waffenschein, dass er ein Jagdgewehr nicht illegal benutzte. Kevin winkte ab, und meinte, es sei schon okay. "Aber warum sind sie hier? Und wie sind sie reingekommen?", fragte der Mann, der sich als Walter Trauscher vorstellte, ein rüstiger Mit-Siebziger der mit Leidenschaft der Jagd nachging. "Die Tür war nur angelehnt.", sagte Ben und blickte dabei kurz auf Kevin, der sich etwas abseits auf die Küchenablage gesetzt hatte, und das Gespräch stumm verfolgte. "Hmm, haben die anderen wieder vergessen, ordentlich zu zu ziehen. Wenn alle hier sind ist normalerweise der Schnapper drin, aber die meisten sind grad im Wald am arbeiten." Nach kurzer Bedenkzeit fügte er an: "Was kann ich für sie tun?"
    Ben kam gleich zur Sache. "Es geht um den Drive-By-Killer." "Hab ich von gehört... schrecklich.", nickte der Mann Ben zu. "Wir sind auf der Spur nach einem verräterischem Internetbeitrag, nachdem unsere Kollegin angeschossen wurde. Nach unseren Ermittlungen wurde der Beitrag von dieser Adresse abgesendet." Der Mann wurde sofort etwas blasser. "Von dieser Adresse? Von unserem Anschluss?" Ben nickte, während der Mann sich über die Wange streichte und sich abwandte. "Kommen sie mit ins Nebenzimmer. Das ist unser Büro, dort steht der PC."

    Die beiden Polizisten folgten dem alten Mann, Ben ließ sich sofort an der Tastatur nieder und checkte den Internetverlauf. Der Kerl hatte sich keinerlei Mühe gemacht, irgendwelche Spuren zu verschleiern, es war kein Problem nachzuvollziehen, dass der Kommentar von diesem PC abgeschickt wurde. "Wer hat Zugriff auf diesen PC?", fragte Ben sofort. "Jeder aus unserem Verein." "Und wer war bereits gegen 11 Uhr hier?" Der alte Mann dachte nach und sah einmal kurz auf seine Armbanduhr. "Der Arbeitseinsatz hat um 12 Uhr begonnen. Ich war um viertel vor 12 als Erster hier und habe aufgeschlossen." Er zuckte mit den Schultern. "Ob vorher jemand hier war, kann ich nicht sagen." Ben dachte nach, er schaute sich einmal im Raum um. Das Haus war älter und es machte nicht den Eindruck, als gäbe es hier irgendwelche technische Überwachung. "Eine Überwachungskamera haben sie nicht zufällig." Walter lachte auf: "Junger Mann... das ist das Vereinsheim eines Jägervereins und keine Bank." Der Polizist erwiederte es mit einem kurzen Lächeln, doch innerlich war ihm zum Fluchen zu Mute. Die Spur endete zwar nicht unbedingt in einer Sackgasse, aber zumindest an einer weiteren Kreuzung mit 10 Abzweigungen. Sie würden den kompletten Verein unter die Lupe nehmen müssen.
    Kevin rutschte von dem Tresen herunter und kam zu den beiden Männern ins Nebenzimmer. Hätte er eben nicht zu dem Mann gesagt, dass er Polizist war, hätte Walter Trauscher denken können, er sei taubstumm. Doch jetzt wollte Kevin, der sich eigentlich völlig zurückhalten wollte, damit man ihn nicht wieder für seine Entscheidungen kritiserte, eine Frage stellen: "Wer von euren Mitgliedern würden sie als den besten Schützen bezeichnen?"

    Dienstauto - 12:30 Uhr

    Hartmut erkannte wohl schon von weitem, dass die "Klassische Art und Weise" bei Ben und Kevin nicht den erwünschten Erfolg gebracht hatte. Beide Männer hatten nämlich eisige Mienen aufgesetzt und kamen wieder zurück zum Auto. Dass sie sich aber beide keines Blickes würdigten, und auch kein Wort miteinander wechselten, verwirrte Hartmut etwas. Jedenfalls blickte der Rotschopf nur kurz vom Laptop auf als die beiden wieder ins Auto einstiegen. "Und? Geklappt?", fragte er knapp, während seine Finger in Rekordgeschwindigkeit über die Tasten huschten. Ben schüttelte den Kopf, während Kevin sich vor dem Auto eine Zigarette anmachte. "Pass auf Hartmut... Hartmut?" Ben hatte sich umgedreht und bemerkt, dass sein Kollege aus der KTU völlig vertieft in seinen Laptop war, und der Polizist hatte den Eindruck, er würde ihm nicht zuhören. "Hallo, Erde an Hartmut? Was machst du denn da?" Ohne aufzublicken ertönte die ruhige Stimme des IT-Genies. "Ich verbinde mich gerade mit dem Firmen-WLAN und machte mich auf die Suche nach dem Webserver, der das Log-Protokoll der Kommentare gespeichert hat." Grinsend blickte er zu dem verblüfft dreinschauenden Ben und setzte hinzu: "Und was wolltest du?" "Ähm... nichts. Mach weiter und sag Bescheid, wenn du was hast.", sagte Ben, der einmal mehr von Hartmut beeindruckt war. Es war natürlich offensichtlich, warum Kevin im Revier den Leiter der KTU sofort mitgezogen hat für den Fall, dass der Express die IP-Adresse nicht freiwillig ohne Beschluss rausrücken wollte.

    Das Klack-Klack von Hartmuts Tastatur rückte für Ben in den Hintergrund, als er durch die Frontscheibe Kevin beobachtete, der sich an die Motorhaube gelehnt hatte, und seine Zigarette rauchte. Zeitweise dachte er nach, ob er nicht rausgehen sollte, sich entschuldigen sollte, mit ihm reden sollte. Doch die Bemerkung, die Kevin eben gesagt hatte, hielt ihn zurück, zeigte sie dem Polizisten doch, dass sein Kollege momentan keinerlei Interesse an einer Konversation mit ihm hatte. Und in gewisser Hinsicht konnte Ben das auch nachvollziehen... was er gesagt hatte ging wirklich einen Schritt zu weit. Er würde das nachholen, wenn alle wieder etwas heruntergekommen waren, und der Streß sich gelegt hatte.
    Natürlich blickte er auch immer wieder nach und links und rechts, denn die Angst vor dem Attentäter hatte sich in keinster Weise gelegt. Zumindest waren sie hier weit genug von einer stark befahrenen Straße weg, und somit in Sicherheit, falls der Täter seinem Anschlagsmuster treu blieb. "So, ich bin auf dem Webserver drauf. Schau bitte nochmal, wann genau der Kommentar abgeschickt wurde.", sagte Hartmut eine Zeitlang später und schreckte Ben beinahe ein wenig auf. Kevin stieg in dem Moment wieder in den Wagen ein, obwohl er die Zigarette schon vor 10 Minuten weggeschnippt hatte. Offenbar war seine momentane Wut auf Ben so groß, dass er nicht mal mit ihm zusammen im Auto sitzen wollte. Der wiederrum zog sein Smartphone, und navigierte sich auf die Website des Express, zu dem, mittlerweile ausformulierten Artikel über den Anschlag vor der Autobahnpolizei. "11:02 Uhr", sagte er, und hielt Hartmut das Handy vor die Nase, dessen Blick aber sofort wieder herunter in Richtung Laptop ging. Kevin schaute über das Parkplatzgelände des Verlages und befürchtete jeden Moment, gleich fortgejagt zu werden. "Ich hab sie.", rief Hartmut allerdings nur wenige Minuten später und nannte den beiden Polizisten die IP-Adresse.

    Ben und Kevin blickten den Rotschopf an. "Und jetzt?", fragte Ben, der mit dieser Zahlenkolonne nicht viel anfangen konnte, ausser dass er wusste, dass man damit einen Rechner adressierte. "Das bringt uns doch nicht weiter. Beim Netzbetreiber brauchen wir auch einen Beschluss um die IP-Adresse einer realen Adresse zu zu ordnen.", stöhnte der Polizist mit dem Wuschelkopf, erkannte aber sofort das Grinsen von Hartmut, der erneut wie wild zu tippen anfingn. "Einen Moment.", raunte er. "Hackst du dich jetzt auch noch in den Zentralrechner des Providers?" "Nein... aber ich muss den Knotenpunkt der Adresse rausfinden. Das kann man über eine öffentliche Website. Und von dort kann ich mich dann in ein privates WLAN einhacken, und über die Vermittlungsstelle mir alle IP-Adressen auflisten lassen... plus Vertragspartner." Kevin trommelte stumm aufs Lenkrad, während Hartmut nach dem Knotenpunkt suchte. Er fand ihn in einem Wohngebiet, ausserhalb von Köln und sofort setzte sich der BMW in schnellem, aber angemessenen Tempo in Bewegung.

    Einige Zeit später standen sie auf einem Bürgersteig. Das Wohngebiet war ein Neubaugebiet und grenzte an ein größeres Waldstück. Es war ruhig und hatte etwas von "heiler Welt", auch wenn das Wetter heute sehr unangenehm schwül war, und diesig. Hartmuts Augen flitzten immer wieder von links nach rechts über den Monitor und seine Finger waren ebenso flink beim Tippen der Tasten auf seiner Tastatur. "Ein WLAN hab ich schon mal ... so...", murmelte er, als er sich in ein unverschlüsseltes WLAN einloggte und mit einigen Befehlen den Weg zurück zur Vermittlungsstelle des Netzbetreibers verfolgte. Dann glich das IT-Genie die IP-Adresse ab mit der Liste, und fand die Adresse. Die lies er sich dann auf Google Maps anzeigen. "Du musst die Straße weiterfahren, dann zweimal links auf einen Forstweg. Das letzte Haus auf der rechten Seite ist es. Vereinsheim der Jägerfreunde." Ben und Kevin sahen sich kurz an, dann nach hinten zu Hartmut. Beide hatten den gleichen Gedanken, als sie hörten was in dem Haus vermutlich zu finden war. "Ein Jäger ist nicht unbedingt der schlechteste Schütze.", meinte der Polizist mit dem Wuschelkopf, und sein Partner setzte den BMW wieder in Bewegung.
    Vor dem Vereinsheim standen einige Wagen. Etwas besonders auffälliges war nicht dabei. Kevin schaute instinktiv nach einem schwarzen Audi, denn für eine Sekunde hatte er an den Audi gedacht, der ihn kurzzeitig verfolgt hatte, dem er aber keine Bedeutung zu gemessen hatte, und auch jetzt nicht zumaß. Ein schwarzer Audi war aber nicht unter den Fahrzeugen. Die beiden Polizisten stiegen aus, und gingen in Richtung Eingang des Vereinsheims...

    Irgendwie verspielt Kevin bei mir gerade wieder die Sympathien...so als arrogantes A... gefällt er mir nicht...

    Das ist eben Kevins Charakter ;) Schön, dass das so auffällt. Wenn er kein Vertrauen zu anderen Personen hat, baut er sich einen Schutzwall, durch den er mit Arroganz reagiert. Hat er Vertrauen, reagiert er völlig anders, wie es ja auch mehrfach der Fall war.

    Es ist sicher nicht so einfach alle Handlungen von Kevin so nachzuvollziehen, wie bei Semir und Ben, von denen man ja bewegte Bilder und Situationen im Kopf hat, während Kevin ne Fantasiefigur ist, mit einigen Anleihen an eine existierende Figur... von der man vielleicht gerade mal ein vages Bild hat. :) Deswegen freut es mich, wenn ihr euch trotzdem so in die Figur hineinversetzen könnt.

    Playa del Ingles - 11:30 Uhr

    Semir packte seinen Rucksack nur mit den nötigsten Dingen. Geldbeutel, Schlaf-Shirt, eine Jeans, zwei weitere Shirts. Er wollte nicht zuviel mitnehmen, wer weiß wo sie unterkam, wie lange sie brauchten. Andrea beobachtete ihn etwas sorgenvoll, die Kinder waren beim Miniclub in guter Obhut. "Hat André schon was gesagt, wie vorgehen will?" Semir schüttelte den Kopf, ohne die Packerei zu unterbrechen. "Nein, gar nichts. Ich glaube, er weiß es selbst noch nicht genau." Andrea nickte ruhig und stand auf um ihren Mann zu umarmen, als dieser sich den Rucksack auf den Rücken schwang. Es war höchste Zeit, André würde sicher schon vor dem Hotel warten. "Sei bitte vorsichtig...", hauchte sie dem Polizisten ins Ohr, als sie sich festhielten und dabei mitten im Zimmer standen. Wie oft hatte sie das gesagt, wie oft hatte Semir es ignoriert und sich dann doch in die größtmöglichen Gefahren gestürzt. "Andrea, ich bin dir unendlich dankbar, dass du soviel Verständnis hast.", sagte er und küsste seine Frau auf die Wange. "Jede andere Frau hätte mich schon zum Teufel gejagt." Beide mussten grinsen und Andrea fand, dass er recht hatte. Sie war wirklich verständnisvoll, dass ihr einziger Jahresurlaub nun ein wenig zerstückelt wurde, und sie den Großteil ohne ihren Mann verbringen musste. Die Kinder waren dafür aber natürlich ein kleiner Trost. "Ich weiß doch, wie wichtig dir diese Sache ist. Bringt alles gut hinter euch, und dann haben wir noch ein paar Tage zusammen.", sagte sie hoffnungsvoll und die beiden küssten sich, bevor Semir das Hotelzimmer verließ.

    André wartete bereits auf dem Parkplatz des Hotels in einem der Hotelkleinbusse. "Na, alles klar?", begrüßte er seinen Freund, der den Rucksack zu ihm hineinwarf und einstieg. Dabei nickte er, er fühlte sich zwar etwas unwohl, aber er freute sich, endlich Licht ins Dunkle zu bringen. André legte den ersten Gang ein und lenkte den Kleinbus auf die Autobahn in Richtung Flughafen. "Weißt du schon, wo wir dort hinten ansetzen werden?", wurde er von seinem Nebenmann gefragt. Der Animateur ließ die Augen nicht vom Asphalt. "Seit wir...", begann er und stockte dann kurz. Er redete, als wäre er selbst noch Polizist. "Seit ihr Horn und Kerler festgenommen habt, werden sich wohl die kleineren Mitarbeiter alle verkrümelt haben oder verkrochen haben.", sagte André mit seiner kratzigen Stimme. "Aber das ein oder anderen Versteck kenne ich noch. Wir müssen jemanden finden, der bei dieser Sache damals dabei war." "Und dann? Glaubst du, der sagt dann direkt von sich aus: Na klar, André wurde gezwungen?" Semir hatte so seine Zweifel. Am liebsten wären ihm die Original-Fotos, die dann auch vor Gericht Gültigkeit hätten... sollte es jemals dazukommen. "Nein, das nicht.", gab André dann auch zu. "Aber jemand von denen wird wissen, wer die Fotos gemacht hat... und wo wir die finden können." Sein Freund seufzte auf dem Beifahrersitz. "Das hört sich alles so einfach an... aber wir müssen dann ja auch erstmal da ran kommen." "Semir, warum so unkreativ?" André sah seinen Freund herausfordernd an. Ein wenig hatte ihn das alte Fieber gepackt. "Uns wird schon was einfallen, wie wir da ran kommen."

    Die Straße verlief an der kanarischen Küste vorbei, durch den ein oder anderen Tunnel auf der Ostseite. "Wie hast du dich eigentlich gefühlt damals, als du das gemacht hast?", fragte Semir irgendwann, nachdem sie ein paar Minuten geschwiegen hatten. Andrés lockere Miene verschwand, und sein Gesicht wurde nachdenklich. "Scheisse hab ich mich gefühlt.", sagte er in seiner typischen Art und Weise. "Auch wenn der Typ ein Schwein war... ich hätte sowas aus freien Stücken nie gemacht, das weißt du." Semir dachte nach... wusste er das wirklich? Vor 14 Jahren hätte er ohne Bedenkzeit sofort bejaht. Aber inwiefern sich der Mann neben ihm geändert hatte, in diesen 14 Jahren, konnte er nicht sagen. Spielte er ihm auch jetzt noch was vor? Merkte er, dass Semir ihm dahingehend vertraute, dass er wirklich gezwungen wurde, und spielte diese Rolle weiter? Der kleine Polizist konnte es sich einfach nicht vorstellen... oder wollte es sich nicht vorstellen. "Ich glaub schon.", sagte er diplomatisch, und André spürte diese Winzigkeit an Misstrauen. Doch sie hatten sich vor einem halben Jahr schon ausgiebig darüber unterhalten, und der großgewachsene Karatekämpfer konnte diese Bedenken von Semir nachvollziehen. "Natürlich habe ich mir auch Vorwürfe gemacht, und viel drüber nachgedacht. Es ist halt was anderes, wenn du einen Menschen im Polizeidienst in Notwehr erschiesst..." Was beide über die Jahre öfters tun mussten. "Oder es so tust.", sagte er leise. Semir glaube André. Er bildete sich immer noch ein, den Mann so gut zu kennen, dass er wusste wann er log und wann nicht. Ausserdem hatte er eine gute Menschenkenntnis über die Jahre erlangt. Kurz vor 12 hielten sie am Flughafen.


    Express-Verlag - 12:00 Uhr

    Mit quietschenden Vorderreifen stoppte Kevin den Mercedes auf dem Parkplatz vor einem großen Hochhaus in der Kölner Innenstadt, wo das Boulevard-Blatt "Express" zu Hause war. Hartmut musste sich mit zwei Händen an den Vordersitzen abstützen und gleichzeitig versuchen mit dem Knie seinen Laptop am Runterrutschen hindern. "Warte hier.", sagte Ben zu dem Rotschopf. "Wir versuchen es erst auf die klassiche Art."
    Mit schnellen Schritten gingen die beiden Polizisten in das Gebäude, erfragten sich den Weg durch bis zu den Technikern. Ein etwas schlaksiger Kerl mit Seitenscheitel stellte sich den beiden schließlich als Herr Kaiser vor, der die IT-Geschicke im Konzern leitete. "Was kann ich für sie tun?", fragte er, nachdem er die Ausweise der beiden Polizisten gesehen hatte. "Wir bräuchten die IP-Adresse vom Verfasser dieses Kommentares?", sagte Ben mit freundlicher Stimme, während Kevin eher und kühl dreinblickte. Er hatte, bis auf zwei Sätze zu Hartmut, nichts mehr gesprochen seit dem Krankenhaus... schon gar nicht direkt zu Ben selbst. "Haben sie eine richterliche Anordnung dafür?" Ben blickte zu Kevin, dessen Gesichter noch ein wenig an Freundlichkeit verlor, und versuchte es im Guten. "Es ist sehr dringend. Wir vermuten, dass hinter dem Kommentar der Attentäter selbst stecken könnte und brauchen dringend den Aufenthaltsort." "Das verstehe ich, aber ohne richterlichen Beschluss kann ich ihnen diese Informationen nicht rausgeben... das wissen sie doch selbst am besten." Der schlaksige Kerl grinste ein wenig, ob aus Höflichkeit oder Arroganz konnte Kevin nicht sagen. Bevor er sich jedoch zu einer frechen Antwort hinreißen ließ, drehte er sich weg und ging ein paar Schritte den Flur entlang.

    Dabei schnappte er einige Wortfetzen von einem Typ auf, der einige Meter von ihnen entfernt stand. Er hatte eine teure Spiegelreflexkamera in der Hand, und zeigte einige Bilder seinem Kollegen. "Hier wird sie grade abtransportiert. Ich bring die Bilder gerade zur Abteilung. Der Fleck ist schon online, den hab ich mit dem Smartphone gemacht und sofort rübergeschickt." "Hmm, sieht gar nicht schlecht aus, die Kleine.", meinte sein Nebenmann und grinste derb. Für Kevin waren das genug Informationen, und die innere Wut, die sich eher auf Ben konzentrierte wurde kurzzeitig auf die beiden Typen umgeleitet. Mit ein paar schnellen Schritten war der junge Polizist bei dem Kerl, und nahm ihm geschickt die Kamera aus der Hand. "Hey, was...?", begann der Typ zu protestieren, als Kevin sofort einen Blick auf das Display warf, und deutlich Jenny auf der Bahre und sich selbst daneben erkennen konnte, wie sie gerade in den Krankenwagen abtransportieren ließ. "Die Speicherkarte ist beschlagnahmt.", unterbrach er ihn mit seiner monotonen Stimmlage und zog die SD-Karte aus dem Speicherschlitz. Herr Kaiser und Ben wurden auf die Szene mittlerweile aufmerksam. "Haben sie dafür überhaupt einen Durchsuchungsbeschluss, hä?", ereiferte sich der Fotograf und prallte gegen Kevin, der unvermittelt stehen blieb, während er die Speicherkarte in die Jeans gleiten ließ. Der Typ ging einige Schritte zurück, denn die Blicke des Polizisten konnten töten. Er sah den Kerl kurz an: "Alles was kleiner ist als 50x50cm darf ohne Beschluss beschlagnahmt werden." Dann betrachtete er die Kamera und erkannte sofort, dass es sich um ein ziemlich teures Gerät handelte. Er schaute auf und sagte: "Hängst du an dem Ding?" In dem Moment sah der Fotograf ziemlich dumm aus der Wäsche, und Ben ahnte bereits, was als nächstes folgte. "Ja...", sagte der Typ. "Dann will ich mal nicht so sein." Kevin lächelte arrogant freundlich und warf die Kamera im hohen Bogen ansatzweise in die Richtung des Fotografen... jedoch so weit weg, dass der Fotograd niemals in der Lage war, das teure Stück zu fangen, das auf dem Keramikboden in 100 Einzelteile zersprang. Der Fotograf schrie auf: "Bist du bescheuert, du Arschloch?" und stürzte sich sofort auf seine geliebte Kamera, während Kevin sich zu Ben umdrehte, der nur den Kopf schüttelte. "Wie ich schon sagte...", meinte Herr Kaiser, nun deutlich kühler. "Sie brauchen zwingend einen Beschluss." Der Polizist winkte genervt ab und folgte seinem Kollegen, der bereits auf dem Weg zum Ausgang war.

    Ben holte auf Kevin auf und raunte ihm zu: "Das hat jetzt sicherlich geholfen, schnell an die Info zu kommen." Kevin sah stur und ohne Gefühlsregung gerade aus. Ihm war Jennys Wohlergehen, das sicher unter einer deutschlandweiten Veröffentlichung der Bilder gelitten hätte, wichtiger als die potentielle Gefahr des Attentäters ihm oder Ben gegenüber. Ausserdem hätten sie eh nichts erreicht auf normalem Wege. Das dachte er aber nur... was er sagte war lediglich ein arrogantes: "Quatsch mich nicht an.", womit er jede Konversation mit Ben im Keim erstickte...

    Autobahn - 10:30 Uhr

    Es war wie eine Art Strafe, auch wenn sie unausgesprochen blieb... aber beide Polizisten fassten den Blick der Chefin, als sie dem rollenden Bett mit der verletzten Jenny folgte, gleichermaßen auf, ohne sich abzusprechen. Kümmern sie sich um ihren verdammten Job, ich kümmere mich um Jenny. Wortlos mit versteinerten Mienen verließen Kevin und Ben das Krankenhaus. Der Polizist mit dem Wuschelkopf, der seinen Puls und sein Adrenalin wieder unter Kontrolle hatte, hatte plötzlich ein unheimlich schlechtes Gewissen seinem Partner gegenüber, für die Art und Weise was er gerade eben gesagt hat... nein, ihm an den Kopf geworfen hat. Sorge um Jenny, eigene Angst, Schlafmangel... das alles vermischte sich zu einem explosiven Cocktail zusammen, der eben ausgebrochen war. Kevin dagegen war mehr erschüttert darüber, dass Ben eine Grenze überschritten hatte... Konfrontation mit seiner Vergangenheit. Er hätte es sich nicht träumen lassen, dass ein Freund in einem Streit auf derart unfaire Mittel zurückgreifen würde, wenn es darum ging, ihn zu provozieren. Dass die Chefin die "Drogendealer"-Bemerkung mitbekommen hat, war nur das Tüpfelchen auf dem I. Der junge Polizist konnte nur hoffen, dass sie der Bemerkung keinerlei Ernsthaftigkeit zumaß, und sie recht schnell wieder vergessen würde.
    Die Atmosphäre im Mercedes, in den die beiden Kommissare stiegen, hätte keine Heizung dieser Welt aufwärmen können, obwohl es draussen immer schwüler und stickiger wurde. Kevin sah aus dem Seitenfenster, und würdigte seinem Nebenmann keines Blickes, der selbst sich allerdings nicht dazu aufraffen konnte, sich zu entschuldigen... zu frisch war die Wunde, die er Kevin zugefügt hatte, das wusste der Polizist selbst.

    Ein Klingeln im Radio kündigte einen Anruf über die Freisprecheinrichtung an, als sie eine Zeitlang unterwegs waren. Ben war in gewisserweise dankbar für die Unterbrechung der unangenehmen Stille und nahm das Gespräch über eine Einrichtung am Lenkrad an. Am Display im Radio konnte er die Handynummer der Chefin erkennen. "Ja?", fragte Ben hastig, als er abnahm, weil er aufgeregt war ob Anna Engelhard gute oder schlechte Nachrichten über Jenny hatte. Die Stimme klang jedenfalls positiv. "Gute Nachrichten, meine Herren. Frau Dorn hatte riesiges Glück. Offenbar wurde die Kugel von einem Teil der Weste noch absorbiert und hat deswegen nur oberflächlichen Schaden an der Bauchdecke angerichtet. Es sind keine Organe verletzt, sie hat aber recht viel Blut verloren. Die Kugel hat man operativ entfernt." Das Aufatmen im Fahrzeug war sofort spürbar. "Was meinen sie damit, dass ein Teil der Weste die Kugel absorbiert hat?", fragte Ben dann genauer nach. "Der Arzt meinte, dass die Kugel eventuell die Kante erwischt hat, gebremst, aber nicht komplett gestoppt wurde. Nehmen sie die Weste und fahren sie zu Hartmut." Und nach einer kurzen Pause setzte sie, ebenfalls sehr erleichtert hinzu: "Wir haben verdammtes Glück gehabt. Aber das sollten wir nicht noch einmal herausfordern." Ein nachdrücklicher Fingerzeig an ihre beiden Beamten, den Kerl endlich zu fassen.
    Die Chefin würde bei Jenny bleiben, bis diese aus der Narkose erwacht, damit sie nicht alleine war. Ben bedankte sich und beendete das Gespräch. "Puh... Gott sei Dank.", meinte er danach und schaute herüber zu Kevin, der sich während des Gespräches nicht einmal umgedreht hatte. Nur einmal bewegten sich die Augen in Richtung der Stimme aus dem Radio, und doch hatte er ganz genau zu gehört... ihm fiel ein Stein vom Herzen.


    Dienststelle - 11:15 Uhr

    Es war ein Zufall, dass das rothaarige Genie aus der KTU gerade bei seinen Freunden vorbeischauen wollte. Jedenfalls stand Hartmut gerade am Tisch von Hotte und Bonrath, und alle drei machten sorgenvolle Gesichter, als die beiden Polizisten eintraten. "Was ist mit Jenny?", fragte Hartmut sofort. Er hatte vor zwei Jahren einen kurzen, aber heftigen Flirt mit der jungen Streifenbeamtin gehabt, noch bevor sie zur Autobahnpolizei ging, und war dementsprechend persönlich betroffen. Ben wusste davon und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. "Es ist nicht so schlimm. Nur eine oberflächliche Verletzung, keine beschädigten Organe." Hartmut, aber auch die beiden Kollegen Hotte und Bonrath, sowie das ganze Revier, das die Nachricht mitbekommen hatte, atmete auf. "Gott sei Dank...", entfuhr es Herzberger, der mit seinem Partner gerade nicht in der Dienststelle war, als der Anschlag passierte.
    Jennys Weste lag auf ihrem Schreibtisch, um den sich jetzt die drei Männer versammelten. Kevin wirkte abwesend und war noch stiller als sonst, und man konnte spüren, dass zwischen den beiden Partnern etwas nicht stimmte. Der dicke Polizist, der die Szenerie von seinem eigenen Schreibtisch beobachtete, hatte ein feines Gespür für solche zwischenmenschlichen Spannungen. "Lebenserfahrung", nannte er sowas immer schmunzelnd. "Schau dir mal die Weste an.", sagte Ben und reichte sie dem Leiter der KTU, der diese sorgfältig betrachtete. "Nicht schlecht...", sagte er anerkennend, und strich durch die halbrunde Beschädigung an der Sicherheitsweste. "Weit genug weg, dass die Kugel durchgekommen ist, aber weit genug drin, dass sie wenig Schaden angerichtet hat. Wenn das so geplant war..." Hartmuts Augen wanderten nach oben, von der Weste weg zu Ben hin. "Du meinst, das war so geplant?" Der Kommissar zuckte mit den Schultern. "Wer in einem fahrenden Auto mit drei Schüssen drei hauchdünne Gummimanschetten zerschiesst... es wäre ein irrer Zufall, wenn dieser Schuss nicht genauso geplant wäre." "Es wäre auch ein irrer Zufall, wenn er nicht so geplant gewesen wäre." entgegnete Hartmut ein wenig schnippisch. "Aus so einer Entfernung... mit einer normalen Pistole, einfach mal vermutet, bis wohin die Weste reicht..." Der rothaarige Mann wog den Kopf skeptisch hin und her. "Wenn er Jenny hätte töten wollen, hätte er ihr in den Kopf geschossen." gab Ben wiederrum zu bedenken. "Es war eine Warnung." Kevin äusserte sich zum ersten Mal nach über einer Stunde. "Das war kein Zufall..."

    "Ben, Kevin, Hartmut... schaut mal hier.", rief Herzberger plötzlich und winkte die drei Männer heran. Er saß konzentriert an seinem Dienstrechner und blickte mit seiner kleinen Lesebrille auf den Monitor, als sich der Rest hinter ihm versammelte, auch Bonrath gesellte sich hinzu. Der dickliche Polizist hatte die Homepage der Tageszeitung Express geöffnet, auf der eine Eilmeldung über den Anschlag bei der Autobahnpolizei erschienen war. Ein findiger Fotograf hatte es sogar geschafft, einen Schnappschuss des Blutfleckes zu machen, der auf dem Asphalt vor dem Eingang gut zu sehen war. "Ja und? Das ist doch heute ganz normal, dass so schnell...", sagte Hartmut, und wollte gerade einen Vortrag über die Geschwindigkeit von News im Internet beginnen, als er von Hotte unterbrochen wurde. "Das meine ich doch gar nicht. Seht mal hier unten." Er scrollte unter den Artikel, wo Nutzer die Möglichkeit hatten, Kommentare zu dein jeweiligen Artikel abzugeben. Der zweite Kommentar war es, auf den Hotte hindeutete: "Da hatte die junge Frau aber Glück, dass die Kugel noch den Rand der Schutzweste getroffen hatte... :-)" Ben wurde es mulmig, Hartmut zog die Stirn in Falten und konnte erstmal nichts Besonderes an dem Kommentar feststellen. "Die Schutzweste wird im Artikel überhaupt nicht erwähnt.", sagte Kevin nachdenklich und blickte Hartmut an, bei dem der Groschen sofort fiel. "Zumindest kann nur der Killer davon ausgehen, dass es so war, wenn er auf die Kante spekuliert und gezielt hat... unabhängig davon, ob er nun recht hat oder nicht.", vollendete Ben. Auch Herzberger nickte. "Ich habe mir auch gleich gedacht... das ist der Typ. Er fordert uns damit heraus."

    Ben blickte auf zu Hartmut. "Wir müssen wissen, wer das geschrieben hat." "Über die IP-Adresse des Absenders bekommt man das sicherlich raus.", sagte Hartmut sofort. "Wo wird die gespeichert?" Kevin war wieder aufgetaut, und wollte keine Zeit verlieren. "Beim Betreiber der Website... also in dem Fall wohl beim Express selbst." Sofort kam Bewegung in die beiden Männer, die sich zielstrebig und schnellen Schrittes zum Ausgang aus dem Büro bewegten. "Hey wartet!", rief Hartmut den beiden hinterher. "Dafür braucht ihr einen richterlichen Beschluss. Das kann sich Tage dauern, bis ihr dann die Info herauskriegt!" Wie angewurzelt blieben die beiden stehen, Ben sah Kevin an, der sofort den gleichen Gedanken hatte. Der junge Polizist ging mit ernstem Gesicht auf Hartmut zu, der erst ein wenig erschrak... er kannte den Mann ja noch nicht besonders gut, und besonders nett blickte der momentan auch nicht drein. Er packte das rothaarige Genie am Arm und zog ihn mit sich mit. "Scheiss auf den Beschluss.", raunte er ihm zu, als er ihn an Ben vorbeizog, der Hartmut auf die Schulter klopfte. "Komm schon, Einstein. Du kannst uns vielleicht helfen."

    Krankenhaus - 9:15 Uhr

    Ben ließ das Blaulicht am Auto an. Er hatte zwar keine dienstliche Veranlassung, sondern wollte lediglich so schnell wie möglich zu Jenny ins Krankenhaus, aber in so einem Falle legte er die Vorschriften gerne mal etwas großzügiger aus. Nur auf dem Krankenhausparkplatz zügelte er das Tempo ein wenig, jetzt noch einen Rollstuhlfahrer über den Haufen zu fahren wäre das Letzte, was er gebrauchen könnte.
    Im Laufschritt erreichte er den Empfang, die freundliche Dame dort verwies ihn sofort an die OP-Sääle, und Ben wurde mulmig. Man musste Jenny operieren, und er hatte ein beklemmendes Gefühl im Magen... es war pure Angst. Angst vor schlechten Nachrichten, Angst vor einer schlimmen Mitteilung. Der Weg zum OP kam ihm quälend lang vor, er schritt absichtlich am offenen Aufzug vorbei ins Treppenhaus, stieg ein Stockwerk nach oben und folgte der Beschilderung. Er rannte nicht, sonst wäre er von den umherlaufenden Krankenschwestern wohl ermahnt worden, er ging mit schnellen Schritten und spürte wie seine Sorge proportional mit seinem Zorn auf Kevin wuchs.

    Als er um die Ecke bog, sah er ihn bereits. Er lehnte an der Wand, hatte einen Fuß auf dem Boden, den anderen gegen die gleiche Wand gestellt, gegen die er lehnte. Die Arme hatte er verschränkt, er stand nur im Shirt da, weil er sein Hemd als Blutstiller missbraucht hatte... doch auch das Shirt hatte Spuren von dem schrecklichen Ereignis. Er blickte auf die Wand gegenüber von ihm, der Blick verloren, die Miene unbewegt ernst. Ben verlangsamte seinen Schritt, er versuchte aus Kevins Gesicht irgendetwas herauszulesen zu Jennys Zustand, doch es war unergründlich. Er schluckte den ersten provokanten Satz herunter, versuchte seinen Ärger erst mal zu unterdrücken und machte nur eine fragende Kopfbewegung in Richtung des jungen Polizisten. "Operieren noch." Jedes unnötige Wort vermied Kevin, und er antwortete ohne den Kopf auch nur geringfügig zu Ben zu drehen. War das jetzt noch resultierend aus dem Streit, den sie vor einigen Stunden hatten, oder war der Polizist einfach in eine Schockstarre verfallen. Ben wusste ja, oder er konnte es erahnen, dass sein Partner und die junge Kollegin sich näher gekommen waren. Ohne ersichtlichen Grund hatte Jenny sicherlich nicht darauf gedrängt, ihn zum Essen einzuladen. Und es machte Ben umso wütender, dass Kevin auch die junge Beamtin dieser Gefahr aussetzte, und nicht darüber nachdachte, was alles passieren kann, als sie sich zu dem Schritt entschlossen hatten, den Attentäter öffentlich zu provozieren. In seiner Wut übersah der Kommissar allerdings, dass er zwar nicht dafür gestimmt hat, aber auch eben nicht energischer dagegen. Er wollte einfach nicht den Chef, der er nicht war, raushängen lassen und auf seiner Meinung beharren. "Haben sie sonst noch was gesagt?", fragte er, und erntete nur ein abwesender, stummes Kopfschütteln.

    Ben ließ sich auf einen einsamen Stuhl, der auf der gegenüberliegenden Wand stand, nieder und wippte nervös mit den Beinen. Hin und wieder lief eine Krankenschwester oder ein Arzt vorbei, und jedesmal hofften beide Polizisten, dass sie endlich gute Nachrichten hatten. Dabei beobachtete der Polizist mit dem Wuschelkopf seinen Partner, und er konnte seine Wut nicht mehr in Zaum halten. "Wenn wir nur einen Menschen vor diesem Killer retten können, weil er auf uns schießt, statt auf einen Unschuldigen, dann hat sich die Gefahr gelohnt.", sagte Ben in den Flur, als sie für einen Moment alleine waren. Beide Männer blickten sich erst nicht an, als hätten sie nichts miteinander zu tun und Ben würde Selbstgespräche halten. Doch Kevin hörte den Satz, er spürte ihn und er kannte ihn... er hatte ihn selbst vor einer Stunde gesagt. Jetzt stand er hier und bangte um das Leben einer Kollegin, die er sehr mochte. Es versuchte innerlich verzweifelt, sich nicht dafür die Schuld zu geben. Es hätte jeden treffen können... es hätte auch mich treffen können... wir waren uns einig, es so zu machen. Doch tatsächlich spürte er, hatte er das Gefühl, dass sich jeder gegen ihn wendete. Er hatte das Gefühl, als würde die Chefin im Büro über ihn wüten, als würde Bonrath und Hotte den Kopf schütteln über seine Entscheidung. "Hat es sich denn jetzt gelohnt?", fragte Ben ein wenig schärfer und richtete den Blick auf Kevin, der geradeaus blickte... ohne Ziel, ohne festen Halt.
    Ben stand von seinem Stuhl auf, tigerte ein wenig durch den Flur. Kevins Schweigen schien ihn zu provozieren, als er seitlich von seinem Kollegen stehenblieb. "Jetzt ist es zu spät zu schweigen, Kevin. Warum kannst du einen Fehler nicht einfach eingestehen?", sagte er lauter, und der nackte Flur gab seine Worte wie in einem Hall ein wenig wieder. Langsam, wie in Zeitlupe schaute Kevin zu dem Mann herüber, der dicht neben ihm stand, und aus seinen blauen Augen sprach eine Kälte, die Ben innerlich, nicht äusserlich, ein wenig erschreckte. Er sah ihn nur an, als würde er warten ob noch ein Satz von Ben kam, seine Arme waren immer noch verschränkt und nichts an seinem Körper rührte sich.

    Ben dagegen konnte nicht lange still stehen, wieder wandte er sich ab und ging ein Stück im Flur entlang. Endlich fand Kevin die Stimme wieder, als er mit seiner monoton klingende Stimmlage sagte: "Wir haben vorher gewusst, dass es ein Risiko ist. Es hätte jeden treffen können." Nach dem Satz fuhr sein Kollege herum, kam wieder auf Kevin zu und rief: "Es HAT aber nicht 'jeden' getroffen, sondern Jenny. Die eigentlich, wie Bonrath und Hotte mit dem Fall direkt nichts zu tun haben." Ben kam nun in Rage, die Sorge um Jenny und die Angst um sein eigenes Leben ließ ihn nichts mehr objektiv betrachten. "Aber dass es auch Unbeteiligte treffen kann, war dir egal, als du dich bei anderen zu profilieren versucht hast.", warf er ihm vor, und jetzt löste Kevin die Verschränkung in seinen Armen, ging einen Schritt von der Mauer weg, und stellte sich Ben direkt gegenüber. Hätte man einen Gradmesser um eine Temperatur zu messen, was die Stimmung anging, so würde man den Minusrekord von -273 Grad weit übertreffen, und beide Männer waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie das "Klack-Klack" von Frauenschuhen auf dem Gang nicht hören konnten. "Meinst du das wirklich ernst?", fragte Kevin in ruhigem Ton, und Ben war sich nicht sicher ob es drohend oder verletzt klang. Auch er bemerkte nicht, dass sich Anna Engelhardt von hinten näherte, als er seinem Gegenüber laut an den Kopf warf: "Ich hoffe wirklich, dass du als Drogendealer besser warst als als Bulle." In dem Moment sah Kevin für einen Moment an Ben vorbei, konnte das erstaunte Gesicht der Chefin erkennen und war geschockt, was Ben ihm gerade an den Kopf geworfen hatte. Und er wusste in diesem Moment, dass die Chefin es hören konnte, und so war nun eh alles egal, als er seinen Blick auf Ben zurückrichtete. "Kein Wunder, dass du deine...", begann der nun, und stoppte gerade noch so... er war über seine Gedanken selbst geschockt. Das hatte er gerade nicht wirklich gedacht, geschweige denn ausgesprochen, dachte er für sich und spürte, dass er gerade völlig die Kontrolle verloren hatte.

    Die verlor jetzt auch Kevin, der sich in Gedanken den Satz selbst beenden konnte, und mit beiden Händen Ben's Kragen griff, der sich für einen Moment nicht mal wehrte. "Dass ich was?", zischte er mit drohendem Unterton. Jetzt griff die Chefin dann doch ein, nachdem sie den ersten Schrecken erstmal verdauen musste, und kam dicht an die Männer heran: "ES REICHT!", sagte sie nicht besonders laut aber mit deutlichem Nachdruck und ihrer natürlichen Autorität. Sie musste nicht mal Hand anlegen, den Kevin öffnete seine Hände um Bens Hemd nach einiger Verzögerung, und Ben selbst hatte beinahe schon einen geschockten Gesichtsausdruck, als ihm klar war, was er Kevin gerade alles an den Kopf geworfen hatte. Der wiederum wandte sich von seinem Partner ab und versuchte sein schlagendes Herz zu beruhigen, sein Zittern in den Händen unter Kontrolle zu bekommen.
    Die Chefin wollte gerade zur Standpauke ansetzen, als die Türen des OPs sich öffneten, und einige Ärzte das Bett herausschoben, auf dem Jenny lag. Sie war zugedeckt, hatte die Augen geschlossen und einen zweifachen Schlauch in der Nase. Ihre langen Haare lagen, wie frisch gekämmt um ihren Kopf, und sie war etwas bleich im die Nasenspitze. Alle drei Polizisten blickten stumm auf ihre Kollegin, die von Krankenschwestern geschoben wurde und die sofort abwiegelten, dass der Arzt sich gleich mit ihnen unterhalten würde. Kevins Gesichtsausdruck war leer, als er auf Jenny blickte, und sich an den gestrigen Abend zurückerinnerte, Ben fuhr sich beinahe verzweifelt durch die Haare. Beide Polizisten nahmen die Stimme ihrer Chefin war, ohne sie anzublicken. "Ihre einzige Chance, das Fadenkreuz von der gesamten Dienststelle zu bekommen, ist diesen Feigling endlich zu schnappen.", sagte sie mit strenger Stimme. "Und wenn sie es schon nicht für sich selbst tun... tun sie es für Jenny." Danach folgte sie den Krankenschwestern, während die beiden Polizisten stumm zurückblieben.

    Bei 110 kommt man in der Führungs- und Lagezentrale raus, die schnellere Möglichkeiten haben, Sanitäter auf den Weg zu bringen.
    Selbst wenn die Autobahndienststelle (bei uns heisst die Verkehrspolizei) Krankenwagen anfordern, wird dort immer an die FLZ gefunkt, die das dann weiterleiten.

    112 kommst du bei der Feuerwehrzentrale raus, die dahingehend die gleiche Funktion hat wie die FLZ.

    Liebe Leser,

    Ich musste den vorletzten Beitrag, als der Schuss fiel, ein wenig abändern, da mir ein Logikfehler unterlaufen ist. Bonrath und Hotte verlassen im Beitrag davor die Dienststelle um zur Kleiderkammer zu fahren, stürmen dann aber eine halbe Stunde später aus der Dienststelle, weil sie einen Schuss gehört haben. Das ist natürlich Käse ;-). Deswegen wurden Bonrath und Hotte im betreffenden Beitrag durch den Streifenpolizisten Paul ersetzt, den ich gerade "erschaffen" habe, und der mir noch ein paar "Möglichkeiten" bietet.

    Manchmal schwer, gerade bei kleinen Nebensächlichkeiten, wie die "Westen-Story" um Hotte und Bonrath, den kompletten Überblick zu behalten.

    Das wars, viel Spaß weiterhin beim Lesen... ich merke, dass die kleine Tiefphase der Kreativität bei mir überwunden wurde :D und alles wieder etwas lockerer aus den Fingern fließt, und sich schon wieder viele Ideen in meinem Kopf breit machen.

    Hotel - 8:45 Uhr

    Semir atmete einmal tief durch. Seine Füße berührten den Rand, er schaute nach unten ins hellblau glänzende Wasser. Die Luft war noch etwas kühl, die Sonne hatte es noch nicht geschafft über den Rand des im Viereck gebauten Hotels den Gartenbereich zu erreichen, dementsprechend war auf Semirs nacktem Körper eine Gänsehaut zu sehen. Trotzdem überwand er die Kühle und den Drang, lieber wieder unter die Bettdecke zu kuscheln und sprang mit einem beherzten Sprung ins abgekühlte Wasser. Eigentlich war das Springen vom Beckenrand verboten, doch er hielt es für eine lustige Vorstellung wenn ausgerechnet André kommen würde, und ihn dafür ermahnen würde. Das Kälteempfinden setzte für die ersten Sekunden dem Polizisten richtig zu, doch er war noch nicht auf der anderen Seite des Beckens angekommen, da hatte sich sein Körper an die Temperatur gewöhnt, die Bewegung erwärmte ihn zusätzlich und zwei Bahnen später war das Wasser so warm, wie am nachmittag.
    Eine schlechte Nacht lag hinter dem Polizisten. Er hatte schlecht geschlafen, er hatte schlecht geträumt und er war viel zu früh aufgewacht. Die Gedanken an André, an die Situation in den Dünen, sie waren zu schwer um Semir wirklich zur Ruhe kommen zu lassen. Seine Gedanken im Bett wechselten zwischen Hoffnung, das ganze halbwegs aufklären zu können und auch etwas mehr über die Vergangenheit seines ehemaligen Partners heraus zu finden, Angst vor dem was er herausfinden könnte, Zweifel an André selbst und der Befürchtung, dass er über Nacht die Flucht ergreifen könnte, und Vertrauen, dass er eben dies nicht tun wird. Zwischen diesen Extremen schwankte Semir, wie auf einem Schiff, was so weit ging, dass er sich für einen Moment beruhigt ins Bett legte, weil er sicher war, dass André nicht Hals über Kopf seine Freundin hier sitzen lassen würde, und abhaute... und er nur wenige Minuten darauf halb angezogen war, um mit einem der Taxis zu seinem Haus zu fahren, um sicher zu gehen, dass er noch da ist.

    Nach 5 geschwommenen Bahnen hörte er ein Tapsen vom Beckenrand. Hin und kam ein Urlauber zum Pool und reservierte sich vor dem Frühstück eine Liege, doch diesmal hielt das Tapsen am Beckenrand an. Semir tauchte gerade auf, es dauerte einen Augenblick bis sich der Wasserfilm vor seinen Augen gelichtet hatte und er seinen Freund erblickte, der im Shirt und Badehose am Beckenrand hockte. Der Polizist schwamm mit kräftigen Zügen zu André, der ihn begrüßte. "Morgen. Ich hab kurzfristig einen Flug klarmachen können. Heute nachmittag um 1 Uhr nach Mallorca." Seine Miene war ernst, und die leichten Ränder unter seinen Augen verrieten, dass auch er schlecht geschlafen hatte. Semir nickte, es wurde ernst und André würde ihm die Info nicht geben, wenn er nicht wollen würde dass sein Freund mit kam. So blieb die Frage unausgesprochen, die Antwort ebenso. "Wann fahren wir hier weg?", fragte der Urlauber wie selbstverständlich, und duldete quasi keine Widerworte. "Um halb zwölf. Wir haben kein Gepäck was wir aufgeben müssen." Aus dem Wasser kam nickende Zustimmung, bevor André den Blick zum Balkon wandte, in dem Semir sein Zimmer hatte, und etwas unsicher wirkte. "Was ist mit Andrea? Und den Kindern?" Semir zog die Stirn ein wenig in Falten. "Was soll mit ihnen sein?" "Na, was wirst du ihnen sagen, wenn du plötzlich ein oder zwei Tage nicht da bist. Schließlich seid ihr hier im Urlaub." Oh Verdammt, schoß es Semir durch den Kopf. Er hatte André ja verschwiegen, dass er Andrea informiert hatte... jetzt musste er sich etwas überlegen... oder.
    Semir hatte die ganze Zeit Angst, dass André ihn anlog. Es wäre ein schwerer Vertrauensbruch gewesen, wenn doch mehr schlimme Dinge über André's Vergangenheit zu Tage käme. Und nun belog Semir seinen Freund selbst. Er wollte seine Familie schützen, doch wovor? André hätte fliehen können, er hätte Semir in den Dünen überwältigen können... Nein, André stand auf der richtigen Seite. "Ich... ich hab Andrea gestern abend alles erzählt." Eine Notlüge, um die Wahrheit zu offenbaren. "Sie ist mittlerweile so vieles gewohnt, da wird sie auch diesen zerstückelten Urlaub überleben.", fügte er noch grinsend hinzu. "Ich kann dir aber versichern, dass wir dann nächstes Jahr nicht nochmal hier her kommen." Auch André lächelte, erhob sich wieder und meinte: "Okay, dann sehn wir uns später." Bevor er endgültig ging, drehte er sich nochmal zu Semir um. "Übrigens: Das Springen vom Beckenrand ist verboten." Für einen Moment fühlte Semir sich 14 Jahre zurück versetzt.


    Autobahn - 8:45 Uhr

    Bens Hand, die sich um das Lenkrad klammerte, zitterte ein wenig vor Adrenalin. Verdammt, jetzt hat es doch jemanden von uns erwischt. In die große Sorge um seine Kollegin Jenny, die angeschossen wurde, mischte sich steigende Wut auf seinen Partner, der diesen Wahnsinn mit seiner unkonventionellen Maßnahme angeschoben hatte, und den Killer quasi auf die Beamten gelenkt hatte. Das Blaulicht blitzte vor seinen Augen, die Sirene dröhnte in sein Ohr, und er fuhr Kilometer um Kilometer auf der Überholspur, und wartete darauf, dass jemand vor ihm panisch ausscherte, und flüchten würde. Er wusste weder das Auto, nachdem er suchte noch gewisse Merkmale des Fahrers, auch wenn er hin und wieder nach rechts herüberblickte, wenn er an einem Auto vorbeifuhr. Der Schweiß rann ihm vom Haar über die Wange, es war stickig, schwül und nur der Fahrtwind durchs offene Fenster brachte ein bisschen sowas wie Erfrischung.
    Mittlerweile war er 20 km weit die Autobahn abgefahren, aber nichts tat sich. Der Attentäter war entweder vorher abgefahren, oder cool wie ein Eisblock weil er sich sicher war, nicht gesehen geworden zu sein. So konnte es ihm egal sein, dass Ben an ihm vorbeizog, und sich nicht um ihn scherte. Für den grauen Mercedes, der an ihm vorbeifuhr, hatte er nur ein müdes Lächeln übrig während er den schwarzen Audi in einer Kolonne langsam über die Autobahn bewegte.
    Ben gab auf. Er war ihnen wieder entwischt, immer noch hatten sie keine Hinweise, und immer noch war die potentielle Gefahr durch diesen Typen präsent. Er würde weiter schlecht schlafen, sich immer wieder umschauen und sich unsicher fühlen... und konnte nichts dagegen tun. Ausser diesen Wahnsinnigen endlich zu schnappen.

    Während er den Mercedes von der Autobahn herunterlenkte, um die nächste Auffahrt wieder in die umgekehrte Richtung aufzufahren, nahm er das Funkgerät in die Hand. "Cobra 11 an Zentrale.", meldete er sich und hatte sofort Paul am Funk, dessen Stimme sorgenvoll klang. Paul war ebenfalls einer der Streifenpolizisten in der Dienststelle, und besetzte den Funk, da Hotte und Dieter sich gerade in der Kleiderkammer befanden. Er war noch recht jung, aber ein tüchtiger Beamter, der mit seinem Arbeitseifer der Chefin gefiel, manch "gemütlicherem" Kollegen aber ein bisschen auf den Zeiger ging. Für gefährlichere Situationen war er eher nicht zu haben, und er wollte nach seiner "Streifenzeit" auch eher in den Innendienst zur Technik... Hartmut war sein Idol. "Zentrale hört." "Ben hier. Ich konnte ihn nicht finden. Was ist mit Jenny?" Ein kurzes Seufzen von Paul, und bei Ben zog sich der Magen zusammen, und er spürte eine Hitze, die dem Wetter um nichts nachstand. "Sie wurde gerade mit dem Krankenwagen abgeholt. Wir wissen überhaupt nichts, nur dass sie es sehr eilig hatten. Kevin ist mit ihr gefahren." Erstaunlich, dass Bens Puls bei Kevins Namen sofort anstieg, und er erst die Zähne aufeinander beißen musste. "Die Chefin ist übrigens ziemlich ungehalten.", setzte der junge Streifenbeamte noch hinzu. "Das darf sie gerne an dem Verursacher auslassen.", gab Ben ebenfalls ungehalten zur Antwort. "Ben...", sagte Paul ein wenig leiser, als wolle er nicht dass jemand mithört. "Was machen wir denn jetzt? Alle hier sind etwas verunsichert. Wir haben alle nicht damit gerechnet, dass der Attentäter tatsächlich auf uns anspringt." Er klang ein wenig ängstlich, und Ben konnte es ihm nicht verdenken. Der Junge war noch nicht lange in dem Beruf und spürte jetzt zum ersten Mal echte Gefahr. "Ich weiß es nicht, Paul. Wir müssen jetzt alles dran setzen, den Typen irgendwie zu kriegen, das ist die einzige Möglichkeit, die Gefahr zu beseitigen... und ausserdem muss Jenny jetzt erstmal gesund werden. In welches Krankenhaus wurde sie gebracht?" Paul tippte kurz etwas in den Computer, wobei er dort schnell und gewandt war und nannte dem Polizisten am Funk die Adresse der nahegelegenen Klinik, die Ben sofort ansteuerte.

    @cobra11cacher

    Moment... zuerst ist dir Alex zu ernst, dann kannst du ihn aber wiederum nicht ernst nehmen?
    Du sagst er ist ein schlechter Schauspieler... ich weiß aber immer noch nicht warum. Ich finde, gerade diese Ernsthaftigkeit, die diese Rolle ausstrahlen soll, bringt er unheimlich gut rüber.

    Du sagst, Semir hat bisher mit Selbstironie gespielt. Darf ich fragen, seit wann du Cobra 11 überhaupt verfolgst?

    Sorry wenns OT ist, aber ich habe mal ne ganz unverfängliche Frage...

    Warum sind viele so heiß drauf, dass jemand, vorzugsweise Ben, in den FFs möglichst oft und lange gequält werden? Ich finde, das hat sehr wenig mit Cobra 11 zu tun. Also nicht falsch verstehen, um Gottes willen, aber es wundert mich halt eben etwas.

    Würde mich nur mal interessieren... sorry für OT.

    Vor der Dienststelle – 8:30 Uhr

    Kevin musste Dampf ablassen… im wahrsten Sinne des Wortes. Die Luft im Büro war gerade dick geworden, die Situation zwischen Ben und Kevin eskaliert. Bevor sich die beiden doch noch an die Wäsche gehen würden, entschied sich der Jüngere der beiden lieber, das Feld zu räumen, und vor die Tür zu gehen. Dort ließ er sich auf einem Blumenkübel nieder, fuhr sich mit der Hand durch die abstehenden Haare, die dadurch immer mal ihre „Form“ veränderten, und steckte sich eine Zigarette an. „Was bildet der sich eigentlich ein…“, murmelte er verärgert und nahm einen tiefen Zug von seinem Glimmstengel.
    Von dem Eingang der Dienststelle hatte man freien Blick auf die Autobahn, auf der der Morgenverkehr vorbeidonnerte. Immer mal fuhr auch ein etwas langsameres Auto vorbei und jedes Mal kniff Kevin ein wenig die Augen zusammen um genau zu erkennen, was der Fahrer tat. Er erwischte sich dabei, dass er quasi nur darauf wartete, dass jemand eine Pistole zog und auf den jungen Polizisten schießen würde. Heftig schüttelte er den Kopf und versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Hatte Ben doch recht? War die Entscheidung, den Killer quasi zu provozieren und sich selbst als Zielscheiben zu machen wirklich zu riskant? Doch Kevin ärgerte es einfach, dass Ben bei der gestrigen Besprechung dazu keinen Ton gegen ihn herausgebracht hat. Semir hätte sich etwas interveniert, wenn er das Gefühl gehabt hätte, es wäre zu gefährlich. Und das wusste vermutlich auch Ben in diesem Moment. Vor den Augen des jungen Mannes stieg der blaue Rauch der Kippe auf und verflüchtigte sich in wenigen Minuten. Er dachte nach, was er jetzt sagen würde, wenn er wieder zurückkam, und die beiden wieder weiter zusammen arbeiten sollten. So heftig waren sie noch nie aneinandergeraten, und er fragte sich gerade, ob Semir und Ben sich auch schon mal so angeschrien hatten.

    Seine Gedanken wurden unterbrochen als Jenny durch die Eingangstür trat, und sofort den Rücken des jungen Mannes, auf dessen Oberschenkel sie gestern abend eingeschlafen war, erkannte. Sie hatte durchs Fenster beobachtet, wie Kevin herausgestürmt kam, erst mal gegen den Ascheneimer vor der Eingangstür trat, und sich dann auf dem rechteckigen Blumenkübel niederließ. „Hey.“, machte sie auf sich aufmerksam, blieb neben ihm stehen und sah schräg auf Jenny herunter. „Was war denn da drin los?“ Ihre Stimme klang weniger neugierig, eher einfühlsam. „Ach…“, winkte Kevin sofort ab, und spürte wie der Ärger sofort wieder nach oben quoll. „Herr Jäger ist es jetzt urplötzlich zu gefährlich, dass wir den Attentäter in der Zeitung provoziert haben.“, meinte er und man konnte an seiner lauten Stimme, die untypisch war für den ruhigen Polizisten, merken wie sehr er sich ärgert. Etwas leiser, beinahe schon resignierend setzte er hinzu: „Gestern hat er den Mund bei der Chefin nicht aufbekommen.“ Jenny nickte verständnisvoll, sie konnte dazu wenig sagen und wollte sich auch keinesfalls auf eine Seite und damit gegen den jeweils anderen Kollegen stellen… egal wie sehr sie Kevin mochte. „Es ist ätzend, wenn man dauernd vorgehalten bekommt, etwas falsch gemacht zu haben. Das musste ich mir schon von Plotz bei der Mordkommission immer anhören.“, sagte Kevin leise, während er die Ellbogen auf die Oberschenkel und den Kopf auf die Hände stützte. Dass er das gleiche auch hin und wieder, ungerechtfertigter Weise von seinem Vater hören musste, als er jung war, verschwieg er. Dafür spürte er Jennys Hand auf seiner linken Schulter, die sich langsam und sanft auf seiner Haut hin und her bewegte. Eine Geste des Trostes, die so viel mehr aussagte als irgendwelche Floskeln oder Ratschläge die keine waren. „Wer sagt denn, dass es falsch war, was ihr gemacht habt?“, meinte sie dann trotzdem.

    Kevins Blick fuhr herum zu Jenny, die neben ihm stand. Er blickte zu ihr auf und meinte: „Ehrlich. Hast du Angst? Hast du schlecht geschlafen?“ Jenny wog den Kopf hin und her, bevor sie ihn dann doch entschieden schüttelte… so, als müsste sie erst genau nachdenken. „Nein. Ich habe gut geschlafen.“ Und lächelnd fügte sie hinzu: „Vor allem die erste halbe Stunde.“ Kevin war erstaunt, wie Jenny es schaffte, bei ihm mit einem halben Satz sofort einen Großteil der schlechten Stimmung weg zu fegen und ihn ebenfalls zum Lächeln zu bringen. Sie war für den, oftmals so ernsten Polizist, wie ein kleines Wunder. „Nein, ernsthaft…“, sagte sie dann und fuhr sich mit der linken Hand über den Kopf. „Ich fühle mich nicht unsicherer als sonst auch. Vielleicht schießt er weiter wahllos. Vielleicht hat er auch einen Plan, und wir haben die Zusammenhänge noch nicht erkannt. Vielleicht liest er gar keine Zeitung und schaut kein Fernsehen… es gibt so viele Möglichkeiten.“ „Tja… sag das mal meinem Hasenfuß-Partner da drinnen.“, antwortete Kevin mit einer Handbewegung in Richtung der großen Glasfronten, hinter denen sich das Büro der beiden verbarg und fühlte sich durch Jenny in seiner Meinung bestärkt. Dann sah er nochmal zu ihr, sein Blick war genau auf Höhe ihres Oberkörpers. „Du hast aber trotzdem die Weste an.“, meinte er wieder lächelnd. „Ich bin doch noch nicht lange her. Im Gegensatz zu euch“, meinte Jenny kichernd… „Kann ich es mir noch nicht erlauben, Befehle der Chefin zu ignorieren.“ Wieder brachte sie damit Kevin zum Lachen.

    Es passierte in ganz schnell. Der Klang des Schusses war erst richtig in Kevins Gehörgang eingedrungen, als im selben Augenblick Jennys Shirt auf Höhe ihres Bauchnabels aufriss und ein leichter Blutnebel nach vorne stieß. Der junge Polizist zuckte unwillkürlich zusammen, während seine Kollegin vor Schreck und Schmerz laut aufschrie, und ihr sofort die Beine nachgaben. Ein starkes Brennen aktivierte alle Schmerzmechanismen ihres Körpers, noch bevor sie am Boden ankam, fuhr ihre Hand zur Schusswunde und presste sie dagegen. Schon benebelt, aber in Panik spürte sie sofort ihr warmes Blut an der Handfläche.
    Kevin sprang von dem Blumenkübel auf und schenkte dem schwarzen Audi, der viele Meter von ihnen entfernt auf der Autobahn entlangfuhr und anderen Verkehrsteilnehmer, von wo der Schuss kam, keinerlei Beachtung. Er wollte zwar im ersten Affekt, nachdem er den Schuss gehört hatte, sofort Richtung Auto springen, doch es zog im beinahe den Boden unter den Füßen weg, als er registrierte, wie Jenny neben ihm zu Boden sank. Er meinte sogar ein paar warme Blutspritzer auf seiner linken Wange zu spüren, weil sie direkt neben ihm stand, während er auf dem Blumenkübel saß. Als er jedoch einen Moment später wieder klar denken konnte, riss er sich sein Hemd vom Oberkörper, das er über seinem Shirt trug, kniete sich sofort neben die zitternde und stöhnende Jenny und presste es vorsichtig auf die blutende Schusswunde, nachdem er sanft ihre Hände weggezogen hatte. „Ganz ruhig.“, sagte er leise, aber mit zitternder Stimme zu seiner Kollegin, die gestern nach einem sehr schönen Abend halb auf ihm eingeschlafen war.

    Ein uniformierter Kollege, der gerade die Dienststelle verlassen wollte stoppte sofort, als er die Bescherung sah. Das laute: „Ruf einen Arzt!“, das von Kevin ausging war unnötig, den sofort griff der Mann zum Handy und wählte 110. Ben kam herausgestürmt, gefolgt von Paul, einem Streifenpolizisten und der Chefin, denn sie alle hatten drinnen den Schuss gehört. Anna Engelhardt schlug die Hände erschrocken vor den Mund, Paulsah geschockt zur Seite. Ben beugte sich sofort ebenfalls zu Jenny und Kevin. „Scheisse… wo ist er hin?“, rief er sofort. „Keine Ahnung… es ist von der Autobahn gekommen. Ich hab kein Auto gesehen.“, gab Kevin schnell zur Antwort. Er spürte Jennys Hand an seinem Bein, mit dem er neben ihr kniete, und ihre Finger bohrten sich krampfhaft in seine Haut. „Ihr kommt hier klar, okay?“, fragte sein Kollege noch schnell, bevor er aufstand und zu seinem Mercedes sprintete, um mit eilig auf die Autobahn zu kommen. Vielleicht verlor der Typ die Nerven und würde flüchten, wenn er den Wagen mit Blaulicht sah.
    Jennys hilfesuchender Blick, der erst zum Himmel gerichtet war, suchte nun Kevins Augen, der wiederum immer noch sein Hemd auf die Wunde hielt und nach dem Krankenwagen Ausschau hielt. Dabei flüsterte er leise: „Bitte nicht schon wieder… bitte nicht schon wieder.“

    Deswegen frage ich.

    Will nicht wissen, wieviele Leute vorgucken, und dann eben nicht einschalten. Oder wieviele zeitig unabhängig sein wollen, was ja heute dank Streaming ohne Probleme funktioniert, und die es sich eben dann auf RTL-Now nachträglich ansehen.

    Die Quoten halte ich in der heutigen Zeit nicht mehr für repräsentativ.